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Totensonntag- Ewigkeitssonntag. Die uns starben sind nicht weg, sie sind uns nur voraus. Man bleibt Der, Die mit dem(r)Andern, auch wenn er jetzt schon woanders ist. Und wen ich dran bin, will ich mich mal gehen lassen- Gott entgegen. Denn Der Anfang, das Ende, Herr, sie sind dein. Die Spanne dazwischen, das Leben war mein. Und irrt ich im Leben und kannt`mich nicht aus; bei dir, Herr ist Klarheit-ich komme nach Haus.(nach Fritz Reuter) |
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Danke, Augustiner. In den lockdowns, habe ich die zehnteilige russiche Verfilmung, gesprochen in russischem Englisch, dadurch sehr authentisch, von Bulkakovs 'Meister und Margarita' gesehen. Jesus kommt zu Pontius Pilatus und redet ihn falsch an. Danach wird er erstmal von einer Art Schlächter weggeführt. Zwei Dinge sind klassisch. Er sagt zu dem Schlächter einfach und geradeaus: Schlag mich nicht und zu Pilatus, dessen Gesicht von Schmerzen entstellt ist: Du hast Migräne. Dann sagt er ihm, was er dagegen zu tun habe. Danach hat er den Römer zum Freund, aber aufgrund der Gesetzeslage kann dieser ihn nicht retten. Margarita ist kein Gretchen, daher ist der Roman dem 'Faust' hochüberlegen. Sie macht einen Deal mit Herrn Woland, ohne sich ihm zu ergeben. Sie ist eine faszinierende Gestalt. Der Roman verdient einen Untertitel: "Hab keine Angst, nie und zu keinem Zeitpunkt." Die Politik macht er komplett lächerlich. Daher wurde er in Russland erst nach der Wende, ca. 50 Jahre nach seiner Entstehung, veröffentlicht. Er erklärt nebenbei, warum Deus und Demon zwei Seiten einer Münze sind, Licht und Schatten. |
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@ Kallisto Danke für den fundierten , mutmachenden Beitrag. |
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@ Augustiner Die Kinder und Enkel - man muss ihnen beibringen, für sich und Andere gerade zu stehen. Ich habe das versucht, wie wir alle. Jetzt kommt es zurück. Sie sagen: Ignorier die Medien. Im Urlaub, wenn Du nichts liest, bist Du am besten. Die Krisen sind doch auch schwere politische Fehler von allen Seiten. Man muss lernen, sich da durch zu wurschteln, wie Sie sagen mit der WG. Dass sie gehen, liegt mehr daran, dass wir internationaler geworden sind. Die Welt ist reizvoll, aber andere Länder haben exakt dieselben Schwächen. Was mich im letzten halben Jahr allerdings besorgt hat, ist die Möglichkeit eines Atomkriegs. Da fasst man sich an den Kopf. Alle Beteiligten haben Kinder. Was geht in ihnen vor? Wenn es nur Abschreckungsgerede ist, was geht in manchen Vertretern vor, dass sie normale Menschen in Angst versetzen? Aber das hat System - davon leben Medien. Ausbruch der Campi Flegrei - unwahrscheinlich - 45 Minuten Horrorszenario im Fernsehen. Ich finde, man sollte sie ignorieren, in der Tat. Wie meine Kinder sagen. Und seinen Enkeln sagen, dass da auch noch Gott ist und man es gemütlicher hat, wenn man ihn dabei weiß oder über allem und bessere Entscheidungen trifft, weil die Entscheidungen dann nicht nur egoistisch sind, sondern durchdacht. Mut braucht man. Kein Verzagen, Großeltern! |
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Das ist genial: Traugott Giesen: Sicher glauben Viele an eine sich vervollkommnende Weltgeschichte aus menschlicher Fortschrittsfähigkeit. Aber dieser Glaube ist durchkreuzt durch die vielen aktuellen Katastrophen. So müssen wir wieder fromm werden in dem Sinne, dass uns der Möglichkeitssinn gestärkt wird. Und da weiß ich keine bessere Quelle als Gott, „Inbegriff gnadenreicher Potenzialität.“ Inbegriff gnadenreicher Potenzialität - das muss ich mir merken. So habe ich es auch begriffen in den vielen GD und Gesprächen in Keitum. Nichts, das in meinem Leben gelingt, finde ich selbstverständlich. Selbst, wenn ich dazu beitrage, vergesse ich nicht, Danke zu sagen. Dazu die Verflossenen. Daher empfinde ich Allerheiligen als wichtig und inhaltsreich. Hier hat Luther einen Fehler gemacht. Ich feiere Allerheiligen mit und stelle etwas ans Grab, vor allem ein Licht. Und wenn etwas nicht gelingt, mache ich Ihn nicht dafür verantwortlich. Es ist diese Einstellung, die Ihn mir erhalten hat, Dankbarkeit, kein Vorwurf. Eine positive Sichtweise. Ich bin sehr sicher, dass ich diese von TG habe und nicht nur. Es gibt Ähnliche. Und vor allem Jesus empfinde ich als vornehmlich positiv eingestellt. Der Optimist par excellence. Kein Öl? Macht nichts. Zu wenig Fische gefangen? Macht nichts. Er macht aus Nichts Alles. Und aus dem zaudernden Petrus den zukünftigen Papst. Die Renaissance-Maler aus Venedig haben das wohl am besten verstanden - alles ist immer in Bewegung und voller Farbe so wie das Wasser dort. |
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zu TGs Frage: Wir nehmen eine Dreiteilung vor: die Großeltern ( also die Bewohner hier im Seniorenstift) sind durch die vielen Krisen sehr besorgt, ob die Enkel all diese Probleme bewältigen können. Die Eltern fürchten für sich- wenn sie nicht sehr betucht sind- die Altersarmut, obwohl sie beruflich gut dastehen. Aber sie haben z.B. eine deutlich höhere Gasrechnung bekommen und auch die Inflation macht sich schmerzlich bemerkbar. Die Enkel schauen noch recht unbeschwert in die Zukunft, auch wenn es schwierig ist , einen WG -Platz zu ergattern, aber dann rückt man eben zusammen und nimmt einen weiteren Kommilitonen auf, um die Finanzierung zu sichern. Enkel aus sehr gut situierten Häusern neigen dazu, Deutschland verlassen zu wollen. Ihre Favoriten sind Finnland, Schweden, Dänemark und Kanada. Das hier ist nur eine kleine bescheidene Sichtweise aus unserer Perspektive. |
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Was ich über Sylt schon immer mal loswerden wollte! Ein Pastor auf Sylt, nach dem Gottesdienst bat ich ihn um eine Bibel mit seiner Widmung. ER bat mich in sein Büro, wo neben vielen Glaubensbüchern am unteren Ende einer Bücherwand, viele neue eingeschweißte Bibeln aufgereiht standen. Eine abgegriffene, zerfledderte Bibel, die schon bessere Tage erlebt haben musste, überreichte er mir dann mit einer zuvor handgeschriebenen Widmung. Erstaunt sagte ich Danke und verabschiedete mich von ihm. |
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@SB und leise: Herzlichen Dank, wir freuen uns , verstanden zu werden und wir freuen uns auch sehr, von Ihnen beiden zu hören, wir haben Ihre Beiträge vermisst. Wedelchen an leise von Pünktchen. Wir sollten auch noch auf TG´s vorletzte Frage nach den möglichen Sorgen um die Zukunft der Enkel eingehen. Wir besprechen uns morgen hier und wollen uns gerne dann noch einmal äußern. |
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Das ist richtig schön, wieder von den Augustinern und Dorothee zu lesen und von SB. Und von Pünktchen! Ich freue mich gerade sehr darüber. Liebe Grüße aus Hamburg. |
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Liebe Augustiner, bewahren Sie sich Ihre Lebensfreude und genießen Sie die Zeit, die Sie auf der Insel verbringen können. Wie wahr, etwas besseres gibt es kaum für Körper und Seele. Wir können es so gut nachvollziehen. |
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@ Delf: Kann man denn nicht einfach mal zum Ausdruck bringen, dass man sich freut , wieder auf der Insel zu sein? Mit dem Prosecco verbindet Dorothée z.B. die Erinnerung an ihren verstorbenen Mann, der dieses "Ritual" begründet hat. Es hat doch mit der Oberflächlichkeit einer gewissen Schicht, die Sylt zur Saison medienbesessen bevölkert, gar nichts zu tun. | |||||||||
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Sylt -Prosecco - in Traugotts Worten steckt doch so viel mehr an Menschwerdung und -sein - Umgang mit Veränderung, Sehnsüchte, die auf Sylt in eigener Weise bedacht und verdrängt werden... Und kaum ist der Eintrag von TG hier veröffentlicht, grätscht M. wieder rein - trotz eines Ordnungsrufes kürzlich (TG am 27.10.) Ist schon eigenartig; Dank an Dich, Traugott, dass Du die Seite dennoch weiter betreibst...ein gutes Beispiel deiner Treue. Nachdenklich Delf | |||||||||
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Ja, ein Interview mit einer Sprachstärke, die nur ein Traugott Giesen vorweisen kann. Zweimal pro Jahr Sylt muss für einige von uns sein und wenn wir dann vom Autozug aus auf St. Severin und TG traditionell mit einem Piccolo anstoßen, wird uns wieder warm ums Herz. Später folgt die Wanderung durch die Braderuper Heide, die Hunde sind begeistert, speziell Pünktchen, die ja auf Sylt aufgewachsen ist. Und am Tag darauf treffen wir uns auf dem Friedhof und du sprichst am Grab eines lieben Verstorbenen einige wunderbar passende Worte. Solange wie es uns möglich ist, kommen wir auf die Insel, Körper und Seele sind dankbar dafür. Das ist das Geheimnis von Sylt. |
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Lieber Traugott, vor über 30 Jahren haben wir Sie, Ihre Predigten und Ihre "Dienstagsgespräche" auf Sylt kennengelernt. Und extra wegen Ihnen haben wir seit vielen Jahren einen kleinen Zweitwohnsitz auf Sylt. Auch Ihre Nachfolgerin in St. Severin ist eine sehr liebe und gescheite Pastorin. Unser Leben wäre ohne Sylt und ganz lieben Menschen, z. B. Andrea Drewitz.... etc. viel ärmer. Wir danken Ihnen dafür. Ganz liebe Grüße und bleiben Sie uns noch ganz lange erhalten, Ihre Monika u. Helmut Glässel aus dem Fichtelgebirge | |||||||||
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Allen Liebhaberinnen und Liebhabern der Insel ist doch das Interview (3Schritte zurück)eine Freude. Sagt mal was dazu. tg | |||||||||
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Etwas Zynismus: „Einmal Reichspogromnacht mit Hühnchen, bitte“, Nachricht gestern von Kentucky Fried Chicken an ihre App-User. Leider erben die Enkel auch eine seichtere, zynischere Welt. Funny Chips dagegen erlaubt sich die gleiche Packungsgröße und denselben Preis bei weniger Inhalt. Bei den kleinsten Packungen (meiden!) addiert sich solche Praktik zu einer Preissteigerung von satten 25%. Indirekt bedeutet es auch mehr Plastikverpackung, natürlich nur, wenn genug Leute das Produkt noch kaufen. Ich passe, genau wie bei Tomaten. Bitte nicht solche Preise für rot gefärbtes Wasser. Bei gutem Geschmack kann das Kilo zwischen 5 und 10 Euro liegen. Schönes Interview. Am schönsten ist Sylt im Winter mit Eis im Watt. Das Szenario erinnert dann an Arktis und Antarktis. Es soll einen La Niña-Winter geben, die Wattvereisung ist also drin. Sylt hat als Wohnsitz vielleicht nur einen Nachteil: Lange Anreise in die mediterranen Länder, sonst hat es nur Vorteile. Einen 40 km langen Strand mag es an der amerikanischen Pazifikküste geben, sonst kenne ich keinen, und die Wattlandschaften der friesischen Inseln sind einzigartig, die Wattvögel auch. Zu Luther: Etwas mehr Ornament zu lassen, hätte nicht wehgetan. Ich mag die katholischen und anglikanischen Priesterkleider mehr, aber das ist Geschmacksache. St. Severin hat jedenfalls edelsten Schmuck. Der Altar, Johannes der Täufer, die Bänke in friesisch Blau, die Inschrift. Gott der Herr ist Sonne und Schild. |
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Ein kurzer Moment! Was soll ich sagen wenn ich sagen könnte,was ich aber noch sagen wollte, demzufollge bleibt mir nichts anderes übrig, als abzuwägen was konnte ich, was der Andere anders wollte? Ob nun kürzlich dankbar gefühlt in der langsamen Dunkelheit, in tiefen Wäldern leuchtende, schlagende Windräder. Nicht beschützend aber ängstlicht, wie Monster aus einer anderen Welt, schlagender Takt über Baumwipfeln in der hereinbrechenden Dunkelheit. Jetzt nur den Parkplatz finden in stockfinsteren Nacht, ein Waldläufer mit Stirnlampe und Hunde an der Leine, gab mir Hoffnung in der Dunkelheit. |
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Traugott Giesen war 30 Jahre Pastor an St. Severin und ist eine Institution auf Sylt. Ein Gespräch über Gott, die Insel und Touristen Mit Matthias Iken, Hamburger Abendblatt Keitum. Traugott Giesen ist eine Institution auf der Insel. Er war von 1976 bis 2005 Pastor an St. Severin in Keitum, Kolumnist für Zeitungen, Seelsorger auf Kreuzfahrtschiffen und Autor vieler Bücher. Auf seiner Website lebensmut.de bleibt er in Kontakt zu den Menschen. Er verkörpere die Insel, schrieb erst kürzlich die Neue Zürcher Zeitung am Sonntag. Ein persönliches Treffen musste der 82-Jährige absagen, er leidet noch an den Folgen einer Corona-Erkrankung. „Schreiben geht besser.“ Der Sylter hat nichts von seiner Sprachlust verloren. Lieber Herr Giesen, wie geht es Ihnen? Und wie Ihrer Insel? Traugott Giesen: Mir gehts hinreichend – mein Alter spüre ich daran, dass ich keine Lust mehr habe auf langes Reisen, war genug auf Schiffen als Pastor unterwegs. Die Insel leidet am Generationenumbruch. Mehr Hausärzte und mehr Restaurants schließen, Sylter und damit auch Christen werden auch immer weniger. Aber Sylt leuchtet immer noch und immer wieder. Wo leuchtet es besonders? Traugott Giesen: Immer wieder die lange Fahrt durch die Dünentäler nach Hörnum, da um die Südspitze gemächlich (nur bei Ebbe), dann im „Straend“ ein feines Mahl. Oder in Richtung List, die Runde Westerheide und das Gelände „Jugendheim Stadt Kassel“ erkunden. Sonntags 10 Uhr zu Pastor Chinnow in die Friesenkapelle Wenningstedt – später Spaziergang zur Kupferkanne in Kampen zum riesigem Kuchenteil mit Kakao. Ich habe den Eindruck, der Insel fehlt gerade etwas Leichtigkeit – es wird viel geklagt über zu viele Touristen, zu viel Verkehr, zu viele Baustellen. Oder ist es nur die Herbstdepression? Traugott Giesen: Ja, Klagen ist in, und Anlass gibt’s immer. Woher die Leichtigkeit auch nehmen, wenn wir Menschen es zurzeit schwer haben. Noch immer flanieren viele Menschen auf der Westerländer Promenade oder barfuß an der Flutkante, die Bänke bei Gosch sind voll: Wir alle suchen ja die kleine Feier und sei es mit Fischbrötchen. Beglückend, wie viele junge Eltern ihrem Nachwuchs die Welt zeigen. Kinder und Hunde, mehr denn je Speicher der Lebensfreude. Sie haben auch aus dem Glauben Lebensfreude gezogen. Sie sagen: Jeder braucht einen Glauben, der ihn hält und trägt. Viele haben den Glauben verloren – sind wir deshalb so halt-los? Traugott Giesen: Sicher glauben Viele an eine sich vervollkommnende Weltgeschichte aus menschlicher Fortschrittsfähigkeit. Aber dieser Glaube ist durchkreuzt durch die vielen aktuellen Katastrophen. So müssen wir wieder fromm werden in dem Sinne, dass uns der Möglichkeitssinn gestärkt wird. Und da weiß ich keine bessere Quelle als Gott, „Inbegriff gnadenreicher Potenzialität.“ Weil ich mich und dich als Kind Gottes glaube, weiß ich von der Heiligkeit allen Lebens und dem Kommende Reich Gottes, da „Fried und Freude lacht.“ Ich sehe darum die Gegenwart als Wegstück zu diesem Reich, inklusiv aller Umwege und Schlaglöcher. Und weiß meine, deine Kraft als Begabung, an heiler Zukunft mitzubauen. Und das gegen alle gegenteilige Nachrichten. Skeptisch? Da halte ich mich an Elias Canetti: „Der Zweifel macht sich mehr vor als der Glaube.“ Sie haben in ihrer Zeit in Keitum erlebt, dass Urlauber oft auf Sinnsuche gehen. Liegt das an der Insel – oder dem Mehr an Muße? Traugott Giesen: Vielleicht nicht so sehr auf allgemeine Sinnsuche. Aber doch lauscht man mehr nach innen, sortiert seine Interessen, klärt seine Beziehungen; überlegt dann auch Sinn und Unsinn des eigenen Tuns. Das Riesenmeer, der weite Horizont, die unberührten Dünentäler, der weite, leere Strand helfen, innen aufzuräumen. Auch kann einem aufgehen, was man alles nicht braucht. Zur inneren Sortierung hilft auch eine Zielüberprüfung: Was will ich überhaupt? Um das zu klären hilft auch ein Kirchenbesuch: Allein das warmgebetete Gemäuer einer alten Kirche kann die eigene Seele dankbar machen. Und ein Gottesdienst mit lebendiger Gemeinde und wachem Pastor/Pastorin kann uns die Bewusstseinswurzeln neu wässern. Warmgebetet klingt sehr schön – denken Sie da an St. Severin? Traugott Giesen: Ja, das Kirchlein auf dem höchsten Sylter Geestkern hat es in sich. Um sie herum der Friedhof, auf dem ehemals alle Kapitäns-, Fischer- und Bauernfamilien von Keitum bis List ihr eigenes großes Grab hatten. Damals ging aus jeder Familie sonntags mindestens ein Mitglied zur Kirche, auf die eigene Bank, und immer stattete man den Heimgegangenen – ja so hieß das damals noch – einen Besuch ab. St. Severin war das Gemeindehaus, hier feierte man die Sonntage und die Jahresfeste, hier hingen die Totentafeln der Weltkriege, hier beging man die Geburten mittels Taufe, hier wurde man zum Erwachsenwerden eingesegnet, hier heiratete man und hier wurde man mit Dorfgeleit zu Grabe gebracht. An St. Severin dürfte ich 29 Jahre lebendige Gottesdienste halten. Es brauchte zehn Jahre, bis die Kirche sonntags gut gefüllt war mit erwartungsvollen Menschen, im Sommer wurde auch nach draußen übertragen – es war eine Freude. Das höchste Kompliment der Einheimischen war: „Die Gäste kommen gern zu Dir.“ Sylt und die Gäste, das scheint mir ein schwieriges Verhältnis. Die Insulaner brauchen sie, aber sind ihrer auch überdrüssig. Sie sind seit 1976 auf Sylt, wie würden Sie das Verhältnis beschreiben? Traugott Giesen: Sylt und die Gäste, sie brauchen doch einander und wissen das. Ohne Gäste wäre Sylt was Landwirtschaftliches mit wenigen Einheimischen, nicht auszudenken. Jetzt sind wir eine bunte Mischung aus Erstwohnsitzern, Feriengästen, Zweitwohnungsbesitzenden, Tagesgästen und den vielen Handwerkern und Verkäuferinnen vom Festland, neuerdings auch ein paar schillernde Punker. Natürlich sind die beiden Haupteinkaufssträßchen im Hochsommer bei bedecktem Himmel ziemlich drängelig, aber da stören sich nur die Nichtsylter; die Einheimischen entgehen den Vielen eben durch frühen Einkauf. Nur wegen der Gäste haben wir einen Intercity-Anschluss, Aldi und Lidl, Läden aller Art gut bestückt. Ärger gibt es nur, wenn viele auf einmal abreisen wollen und die Straßen zur Autoverladung verstopfen. Aber dafür wissen die Einheimischen die Schleichwege und wenn sie zur selben Zeit von der Insel müssen, dann haben sie langfristig die Fähre nach Römö gebucht. Also überhaupt kein schwieriges Verhältnis, es gibt sogar eine „Sylter Rücksichtnahme“, die hier eingeübt wird. Zum Beispiel hat sich das Abschalten der Ampeln an zwei zentralen Kreuzungen glänzend bewährt, die mit farbigen Punkten gekennzeichnet sind und ohne Unfall seit Monaten zum höflichen Umgang und Übergang anleiten. Traurig scheint mir einzig der stetige Verlust von Einheimischen. Sie müssen oder wollen spätestens im Erbfall verkaufen und haben dann für ihre- angenommen- drei Kinder auf dem Festland drei Häuschen. Man kann jeden Weggehenden verstehen und er verlässt Sylt ganz sicher mit blutendem Herzen. Sie haben viel vom Land gesehen, waren Pastor in Neukölln, bevor Sie nach Sylt kamen. Haben Sie nach Ihrer Pensionierung 2005 mit dem Gedanken gespielt, die Insel zu verlassen? Traugott Giesen: Als meine Frau Ingrid und ich die Pensionierung von Weitem kommen sahen, erwogen wir, wieder nach Berlin zurückzukehren wegen bezahlbarem Wohnraum und alten Freunden. Eine altgewordene Freundin wollte uns hier behalten und versprach uns ihr Haus. Tatsächlich erleben wir die große Gnade eines geschenkten Hauses. Und dies mit gutem Gewissen, auch als Ausgleich für Jahrzehnte ehrenamtliche Arbeit meiner Frau. Auf Sylt leben dürfen ist trotz langem dunklen Winter wunderbar. Nun naht der Winter – was macht ihn auf der Insel so besonders? Traugott Giesen: Auch im Winter ist Sylt oasig. Man ist dann hier fast allein, am Strand kilometerweit; auf den Straßen trifft man endlich die Nachbarn. Man lädt sich gegenseitig ein, wenn man Kraft hat. Ja, es ist ein großes Ausruhen und in die Sonne fahren, denn sommers ist hier harte Arbeit angesagt. Verwöhnen ist anstrengend: Die Gäste verlangen Aufmerksamkeit für ihr gutes Geld. Im Winter ist die Insel karg und lange dunkel, aber beglückend für die, die Sylt besonders lieb haben. Sie haben ihre Schatzinsel fast ganz allein für sich. |
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Haben unsere Enkel es noch so gut, wie wir es haben und hatten? Sehr ist die Frage, ob sie im Alter noch so gesichert sein werden wie die (meisten) Alten zur Zeit. Doch Sie erben vielleicht Erkleckliches, jedenfalls eine Infrastruktur, die die Alten aufgebaut haben. Und die Umweltzerstörung leider auch. | |||||||||
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Noch eben zur Reformation: Nicht nur, dass uns Luther durch Übersetzung der Bibel in die damalige sächsische Kanzleisprache den Weg zu unserm einheitlichen Deutsch geebnet hat. Nicht nur, dass er uns zu einer evangelischen Kirche verholfen hat, Nicht nur, dass wir die Welt nehmen sollen, wie sie ist, sondern auch dafür sorgen, dass sie nicht so bleibt. Und vor allem : Gott liebt dich und braucht dich; darum lebst du, zur Freiheit berufen, zur Mitarbeit an der Schöpfung bestimmt. Dank Dir Gott für ML. |
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