Traugott Giesen Kolumne 17.04.1999 aus Hamburger Morgenpost
Silvester 1999 ist ein Fest wert
Von der Jahrtausendwende muß man ja so hoch nicht denken, daß
man dahin zielend ein Kind zeugt. Aber den Termin für belanglos halten
bloß wie ein Umspringen der Tachowelle ist auch daneben. Alle möglichen
Jubiläen feiern wir. Silber-Hochzeit ist wahrlich der Rede wert, die
Goldne erst recht. Und 18 werden, 30, 60, 75, 80 � das ist doch wichtig.
Man hat doch was erlitten und gelernt und blickt innig nach vorn. Wird
einer hundert, dann holt man gar die Feuerwehrkapelle.
Auch wenn ein Jahr sich rundet, schauen wir gebannt auf die Uhr. Ein
Jahr bewältigt, ausgeschritten, überstanden, das ist was. Und
wenn schon jeder schlichte Jahreswechsel einen Ruck der Freude und Dankbarkeit
freisetzt, wieviel mehr ist fällig beim Jahrtausendzahlenwechsel.
Schon ein Hundert-Jahre-Lebenslauf ist voller Wunder, Bewahrungen, Freuden,
Mühen, Guttat und Böstat. � Und wieviel mehr ist es zu feiern,
daß wir Menschheit insgesamt wieder hundert Jahre Leben gestaltet
haben. Und was für ein Berg- und Taljahrhundert! Kaiser und Weltkriege,
Tyrannen und Hunger, Spaltung und Mauer, Demokratie, Atom, Fernsehen, Computer,
Massenverkehr, Automation, UNO und Menschenrechte, mehr Freiheit, mehr
Verantwortung für jeden Einzelnen. Und, und ...
Dies Jahrhundert ist doch wirklich gigantisch; diese Mengen an Leid
und Fortschritt, Naturverbrauch und Freiheit! Wir müssen es doch bedenken,
können nicht wie das liebe Vieh einfach weiter mampfen. Zuviel ist
in diesem Jahrhundert gelitten und gejauchzt worden, zu arglistig maskierte
sich Böses mit Gutem.
Und wenn man dann ein ganzes Jahrtausend bedenkt: aus welch dunklen
Zeiten kommen wir, und wie langsam lernten wir Lesen, Schreiben, Rechnen,
Chemie, Physik und Biologie. Wieviel Wissen haben die vor uns auch für
uns zusammengetragen, mühsamste: Unsere Wege, Dörfer, Städte,
unsere Werkzeuge, Verfahren, Rezepte gründen doch alle auf den Vorfahren.
Wir sind doch glückliche Erben. Das gilt es zu feiern.
Und zweitausend Jahre zurück � da sind wir am Ursprung unseres
Lebensmutes. Das angenommene Geburtsjahr des Jesus ist uns Scharnier der
Zeitrechnung, zu Recht. Denn tatsächlich hat er unser humanes Menschenbild
in einzigartiger Weise geprägt. Die Christen verehren ihn als Abbild
des wahren Gottes und des wahren Menschen. Der Christusglaube, fußend
auf Israel, strahlt Zuversicht und ethische Energie in die ganze Menschheit.
Das Gebot: Du sollst lieben, Gott, deinen Nächsten, dich selbst �
hält unser Weltbild. Unser Denken wäre enthauptet ohne den Christus.
Mit ihm ist Hoffnung auf glückliche Zukunft, persönlich und im
Ganzen. So wird Silvester 1999 fällig ein tiefer Blick auf unsere
Wurzeln und ein jauchzendes Willkommen von Friedenszeit 2000.