Kolumne 21. Februar 2004
Traugott Giesen Kolumne 21.02.2004 aus "Die Welt" Ausgabe
Hamburg
Heute brennen die Feuer auf Sylt
Wie erfunden für entschlossenes Abschütteln des Winterschlafes
steht bei den Syltern am 21. Februar das Biike-Brennen an. An neun Standorten
der Insel und weiteren 50 Plätzen auf Föhr, Amrum und dem benachbarten
Festland werden in der Abendstunde riesige Holzhaufen entzündet. Heimattreue
Reden werden gehalten, teils auf friesisch; mit Hingabe gesungen wird:
Üüs Solring Lön, dü best üüs helig, dü
blefst üüs ain, dü best üüs Lek- Unser
Sylter Land, du bist uns heilig, du bleibst unser eigen, du bist unser
Glück! Schon recht, wenn auch viele Zugereiste ihre Herzens- Heimat
hier gefunden haben. Und auch tapfer das fette Grünkohl- Festmahl als
Unterlage für eine gesellige Nacht sich antun.
Natürlich war Grünkohl das normale Winteressen für die armen
Insulaner früher, darum wirds am Heimattag der Sylter auch genossen.
An den Vorabenden halten die Konfirmanden noch Wache an einem kleinen
Wärmefeuer, aber die Rivalität unter den Nachbardörfern ist
lange vorbei. Am Tag drauf ist schulfrei und Kindertanz, ein Hauch Karneval
geistert im Norden. Der Ursprung der Biike- von Bake, Feuerzeichen-
liegt im Dunkel.
Die ursprüngliche Dankbarkeit von uns über das Frühlingserwachen
ist der Grund, die Vorfreude auf das Ende der Eiseskälte wird gefeiert-
obenauf dem Holzberg schwebt eine Puppe, der Winter, der unter Hallo ausgetrieben
wird. Auch wird berichtet, dass die Seeleute am Petritag, dem 22. Februar,
aufbrachen zur neuen Fangsaison. So strahlen die großen Feuer Aufbruch
und Ende, Abschied und Neubeginn aus.
Es ist ein Rausch, der Riesenflamme zuzuschauen und ihren Myriaden Leuchtfunken.
Der ursprüngliche Schauder vor Feuersbrunst gehört zu den Urbildern
in uns, ebenso das Wissen von der heilsamen gezähmten Flamme. Lebendig
züngeln die Fackeln in der Nacht, das Emporlodern reißt die Augen
mit in die Höhen vor dunklem Himmel. Das Knacken und Knallen, das Knistern
und Flackern , das langsame Herabbrennen bis zur Weißglut und die
ausstrahlende Wärme bieten ein Schauspiel, an dem man lange sich nicht
sattsehen kann. Es ist ein tiefes Behagen dabei, das Feuer zähmen zu
können zum Spielzeug fast, aber die Feuerwehr steht in Bereitschaft
und ein Versehen, eine plötzliche Winddrehung kann Schrecken bringen.
Sehnsucht nach Feuer bestimmt uns. Prometheus stiehlt der griechischen Sage
nach den Göttern das Feuer, wird damit der erste Heilige der Menschheit,
er muss furchtbar büßen, aber hat uns Wärme gebracht,
verdauliches Fleisch und die Schmiedekunst für Schmuck und Waffen.
Auch in uns ist Feuer- und wehe nicht. Waren wir Feuer und Flamme,
dann lebten wir nicht auf Sparflamme sondern lichterloh- kein Feuer macht
uns mehr an als die Liebe, von der es in der Bibel heißt, sie
ist eine feurige Flamme des HERRN. Der Heilige Geist setzt uns in Flammen,
Kälte und Dunkel entfliehen, Mut vertreibt die Angst. Es gehe uns ein
Licht auf mit und ohne Biike.