Traugott Giesen Kolumne 23.03.2002
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Auch Hochstapeln hat seine Zeit
Das Imponiergehabe des Hahnes auf dem Mist ist
normal. Und alle Pkws, größer und teurer als ein acht Jahre alte
Golf, sind nur darum da, weil wir uns gerne schmücken. Und auch gern
bewaffnen. Wir fühlen uns ziemlich ausgeliefert, einfach so; darum
schöne Kleider oder goldnes Schreibgerät, ein Titel ist ein Polster
und Geld sowieso. Manch einer spendet - gut so, aber hält sich nicht
an das Wort des Jesu: Gibst du Almosen, so posaune es nicht. Nicht mal deine
linke Hand soll wissen, was deine rechte tut. Auch uns selbst sollen wir
eher die Spuren der Güte verwischen: Wenn du großzügig geben
kannst, dann hast du ein Talent dazu, mach nicht viel davon. Dir fehlt an
anderer Stelle was - vielleicht das genaue Hinschauen; Und du gibst doch
auch, weil du dich dann besser fühlst, das ist doch schon Lohn genug.
Manch einer hat großen Hunger nach
Anerkennung. Dann muß er das leben. Und er kann dankbar sein, wenn
er Begabungen hat, die Beifall finden. Aber Anerkennung ist ein rares Gut.
Meist "guckt wieder kein Schwein" "und keine Sau ruft mich an an" - die Kameras
sind immer woanders. Manch einer giert nach Öffentlichkeit und verrenkt
sich arg, um wahrgenommen zu werden. Dann kann es peinlich aufstoßen,
dass er viel redet und doch nichts zu sagen hat. Aber einige müssen
aufschneiden, müssen sich dicke Scheiben des öffentlichen Interesses
erzwingen, etwa durch Uniform wie der Hauptmann von Köpenik. Der griff
bekanntermaßen zur List des Herrschaftskleides, um endlich an einen
Pass zu kommen.
Aber auch ich und du stapeln schon mal etwas
höher. Gern scheinen wir unserm Partner bescheiden, und schönen
schon mal den Preis des neuen Teils nach unten. Oder veredeln die anerkennenden
Worte des Chefs zum Lobgesang. Oder prahlen in der Clique mit vertraulichem
Wissen, auch wenn es andere arg verprellt. Oder schmücken uns mit fremden
Gedanken, geben den entliehenen Entwurf als eigenen aus, rühmen uns
selbstgefällig, geben den Selbstgerechten. Mancher Hochmut geht dann
doch zu weit. Und der Sturz ist dann entsprechend tief. Und die Drohung,
man werde herausposaunen, was einem hinter der Hand zugelispelt wurde, entlarvt
den kleinen Geist. Als Angeber fährt man hohes Risiko. Erstens gibt's
Rechtsüberholer genug, und zweitens ist die Schadenfreude gellend.
Seid nett zu den Hochstaplern, - sie sind's
nicht gern. Immer sehen sie die Pleite kommen. Mindestens sie selbst wissen,
was los ist. Es ist nicht prickelnd, vor sich selbst zu stehen wie das Kind
vor dem Weihnachtsbaum. Manch einem ist ins Herz geträufelt, er sei
fürs Dienen zu schade. Dann steht eine harte Schule vor ihm: Die Nüsse
des Lebens lassen sich nicht zwischen weichen Kissen knacken. Aber auch
Bescheidenheit kann Tarnung sein. Sagte es Max Frisch: "Schlichtheit ist
der Putz der Frommen." Jedenfalls brauchen wir alle eine zweite Chance und
manchmal ein zweites Leben.