Traugott Giesen Kolumne 02.06.2001
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Pfingsten macht Lust zu leben
Die Schöpfung hat einen Genossen, der nur
leben kann, wenn er auch will. Das ist eine grandiose Ehre für den Menschen:
Er ist um Einverständnis gebeten, hier zu sein. Die Tiere müssen
existieren, der Mensch aber ist eingeladen, am Leben teilzunehmen. Er kann
auch unter viel oder wenig Verzweiflung "sein Sterbchen machen".
Das Leben scheint inklusive aller Mühen
sehr empfehlenswert, die Flucht von hier weg ist die Ausnahme, kommt allermeist
dem bald ins Haus stehenden Sterben nur zuvor, nicht das Leben wird verneint,
sondern das Leben unter diesen Bedingungen wird abgestellt in der Hoffnung
auf Neuland irgendwie.
Weil wir aber leben wollen müssen, brauchen
wir dringend Heiligen Geist, also den Stoff, aus dem die Lebenslust ist.
Die Lust, sich gut zu fühlen, hängt sehr mit Freude an Menschen
zusammen. Sympathie austauschen, Gemeinsames mögen und bewirken, bereden
und beschaffen, das hebt. Andere mögen sehr, Lebenswillen aus der Natur
zu schöpfen. Sie gucken den Bäumen, den Gärten, den balgenden
Hunden die Freude am Dasein direkt ab. Andere gehen segeln und sind abends
im Hafen unter Gleichgesinnten. Und es gibt noch Tausende andere Stoffe und
Muster von Lebenslust.
Ist man nicht bei Trost oder schwach auf den
Beinen, dann denkt man auf Besserung hin, entwickelt Instinkt durch- und
klarzukommen und bittet "Oh Geist hilf unsrer Schwachheit auf". In uns ist
ein Sog zur Freude. Wir müssen eine Lust sein, irgendwem und zunächst
mal uns selbst. In uns sind ja viele kleine Depots angelegt, die speisen
uns mit Elan. Dass es wieder mal zu einer Inbrunst kommt, zu einem In-brennen,
einer Begeisterung, die hebt und weitet, dieses Wünschen, ist doch in
dir, Mensch. Auch dass du deine Arbeit kannst, ist doch ein Glück. Du
hast was, das andere brauchen. Musst du so viel stöhnen? Sag nicht mehr
so viel "Ich muss, ich muss". Sieh doch hin, du willst doch; nur in der
Konsequenz der Dinge sind dann auch Mühen zu erledigen. Deine Gestimmtheit
soll voll heiligem Geist sein, also Energie der Liebe beflügle dich.
Wisse dich als Mensch, der das Miteinandersein günstig beeinflusst.
In dir sind gute Kräfte gespeichert. Die können die Bosheitsquanten
in Schach halten. Der Geist helfe unserer Schwachheit auf!
Ein Kanal für heiligen Geist ist die Kirche
- unermesslich, was an Güteenergien durch die Christenheit sich zieht,
bei allem Jammer auch. Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche. Die
Gründungsgeschichte erzählt, dass Brausen vom Himmel die Menschen
erfasste, und Flammen zerteilt wie von Feuer auf ihren Häuptern tanzten
und jeder hörte sie die großen Taten Gottes reden, jeder in seiner
Sprache.
Tun wir einander die großen Taten Gottes
an - das Glück zu leben, zu lieben zu hoffen und noch gern hier zu
sein.