Traugott Giesen Kolumne 17.02.2001
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Wir sind zuständig im Rahmen unseres
Wissens
Auch die Eltern nächster Generationen werden
die Gene ihrer Kinder nicht aus dem Katalog zusammenbrauen. Aber die
vorgeburtliche Diagnostik wird noch früher Anlagen zu Missbildung erkennen.
Und die Eltern müssen entscheiden. Sie können sagen, sie wollen
diesem Kindlein ein Leben unter so erschwerten Umständen nicht zumuten,
können auch sich selbst nicht für stark genug halten, ihm gute
Eltern zu sein. Und nehmen die ärztliche Kunst dankbar als Gabe
Gottes.
Andere Eltern können anders denken;
können glauben, gerade dieses Kind mit diesen Anzeichen ist ihnen anvertraut
und aufgeben. Jeder hört seinen persönlichen Ruf, jede hat ihr
eigenes Gewissen, hat ihr inneres Bild von Vollständigkeit. Keine Art
zu denken kann gesetzlich vorgeschrieben werden. Manches Paar will das Wissbare
wissen, andere nicht. Eigenartig, dass wir nie unseren Eltern für Zeugung
und Geburt dankten, wohl vielleicht für Erziehung und schöne Kindheit.
Es ist bei uns eine Ahnung, dass wir von weither gewollt sind. Thomas Mann
lässt im Josephroman Vater Jakob sagen: "Der Zeugende ist nur Werkzeug
der Schöpfung, blind, und weiss nicht, was er tut. Da wir den Joseph
zeugten, zeugten wir nicht ihn, sondern irgend etwas, und dass es Joseph
wurde, das tat Gott. Zeugen ist nicht Schaffen, sondern es taucht nur Leben
in Leben in blinder Lust; er aber schafft."
Das Wunder, auf die Welt zu kommen, bleibt
unfassbar, inklusive aller pränatalen Diagnostik. Bei Tier- und
Pflanzenvermehrung schaltet und waltet der Mensch nach Gutdünken. Wir
sind zuständig im Rahmen unseres Wissens für ergiebigere Kornsaat
und für fettärmere Schweine. Unsere Neugier gibt keine Ruhe,
Forscherdrang und Machtwille decken immer weitere Schichten der Wirklichkeit
auf. Die Atomkraft kann nur beherrscht aber nicht mehr vergessen werden.
Wir können schon lange mehr als wir dürfen. Das Wissen um unsere
Gene und wie sie manipulierbar sind, ist in der Welt. Und doch dürfen
wir niemals Menschen nach unserem Bild züchten. In jedem Fall werden
sie ihre Eltern hassen, weil die ja an ihnen schuld sind, wenn sie die Wahl
hatten, egal wie sie entschieden.
Hoffentlich bleiben wir dabei, dass Embryonen
nicht zu Forschungsmaterial herabgewürdigt werden, sonst kann der ganze
Mensch letztlich auch herabgewürdigt werden zu Kriegsmaterial oder zum
"Faktor Arbeit" - was ja schon der Fall ist, aber doch Schuld ist. Der gute
Zweck, Erbkrankheiten einzudämmen, heiligt nicht den Verbrauch von
Embryonen, mögen sie auch in noch so frühem Stadium sein. Man sollte
da auch nicht die Vernichtung von Leben bei Abtreibung gegenrechnen; die
ist furchtbar, ist rechtswidrig, wenn auch (in engen Grenzen) straffrei.
Fachleute sagen es bestehe Hoffnung, mit Stammzellen aus dem Gewebe Erwachsener
die therapeutischen Ziele bald zu erreichen.