23. Januar 2005
Keitumer Predigten Traugott Giesen 23. Januar 2005
Lukas 9,62
"Jesus sagt: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der
ist nicht geschickt für das Reich Gottes."
Vor Augen steht ein Bauer von früher oder aus einem jungen Entwicklungsland:
Ein Mensch mit beiden Händen über den Pflug gebeugt, die Zügel
für das Zugtier über der Schulter, er läuft schweren Schrittes
hart neben oder in der aufgeworfenen Furche, fetter oder magerer Boden,
vielleicht fast nur Steine, aber um der wenigen Erdkrümel wegen doch
bestellbar. Möglichst tief soll der Boden aufgerissen werden, damit
er aus unteren Schichten die ausgebrachten Saatkörner nährt. Gut
genutzt muß der Boden sein, denn viele sind hungrig. Also parallele
Furchen, in rechtem Abstand, und vorne ist der Zielpunkt für die Reihen.
Der, die Pflügende muß Maß nehmen an der Spitze des Feldes
und natürlich an der zuvor gepflügten Furche. Vor allem nicht
zurückschauen ist da wichtig, sagt Jesus, und gibt damit wohl eine
allgemeine Bauernregel wieder.
Nicht zurückschauen: egal, woher du kommst, wohin du musst - das Ziel
liegt vor dir, vorn, also zwischen Hier und Davorn musst du die Furche ziehen
in möglichster Gerade, um Zeit und Kraft und Mittel zu sparen.
Natürlich sind Felsbrocken zu umrunden, da ist erst recht die Orientierung
am Zielpunkt nötig. Also schau voraus; was hinter dir ist, ist vorbei,
ist nicht mehr maßgebend fürs Kommende. Schau nach vorn, denk
nach vorn - das bestellt den Acker gut, das betreibt das Reich Gottes gut.
Der Mystiker Tauler spricht mal vom Acker des liebreichen Willens
Gottes - Reich Gottes, Acker des Willens Gottes- das Bild vom Acker
des Lebens, Acker des Reiches Gottes ist herrlich konkret: Tauler sagt:
Das Pferd macht den Mist im Stall, und obgleich der Mist einen Unflat
und Stank an sich hat, so zieht dasselbe Pferd doch den Mist mit großer
Mühe auf das Feld, und dann wächst daraus edler schöner Weizen
und der edle, süße Wein, der nimmer so wüchse, wäre
der Mist nicht da .. Also trage deinen Mist - das sind deine eigenen Gebrechen,
die du nicht abtun und ablegen und überwinden kannst - mit Müh
und mit Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter
Gelassenheit deiner selbst."
Das Leben bestellen als Reich-Gottes-Acker; Mit unserer Hilfe soll gotteshaltige
Frucht wachsen, im Finsteren keinen allein lassen, einen Tisch im Angesicht
der Feinde, auch der feindlichen Gedanken bereiten, des andern Haupt salben,
den Nimbus des Sohnes, der Tochter Gottes enthüllen, Freude voll
einschenken, und wir werden bleiben im Hause des Herrn immerdar - das
vorbereiten, dazu Hand anlegen, nicht zurücksehen, nicht aus den
Beständen abmessen, was nötig ist. Nötig ist, was den Weg
bahnt zu mehr Reich Gottes, also zu weniger unglücklicher
Schöpfung. Das erste beim Pflügen ist Hoffen. Was wäre
der, der im Herbst die Furchen zieht, wenn er nicht auf den Frühling
hoffte? Wir müssen uns nach vorn ziehen lassen, daß wir am Heilwerden
mitwirken. Natürlich sollen wir nicht zu geschichtsvergessenen Zeitgenossen
werden, Zurückschauen, wie Gott mit uns schon durch die Zeit zog, und
tatsächlich die Kinder die Sünden der Väter und Mütter
mit abtragen und der Eltern Segen den Kindern Häuser baut- das ist schon
richtig: "Vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat! fordert
zurückschauen, aber wichtiger vergiß nicht, was er dir tun wird:
Der dich krönen wird mit Gnade und Barmherzigkeit(Psalm 103) ist vor
Dir.
Aber ihn zu treffen, dazu müssen wir los, müssen den Acker bestellen,
daß Zukunft möglich wird. Lots Frau blieb stehen und schaute
zurück, sie ließ sich bannen von der Schuld, vor allem der
Männer, aber auch dem eigenen Weggucken, das soviel Dulden von Untaten
mit einschließt. Statt sich rufen zu lassen aus der Feuerbrunst, statt
hinwegzueilen in neues Land, bleibt sie angenagelt an ihren Schmerz, die
ungeweinten Tränen lassen sie zur Salzsäule erstarren, statt zu
heulen im Hinwegeilen. Lass im Gerettetwerden die Schuld von dir fließen,
lass dich selber aufbrechen, daß neue Saat, dann neue Frucht aus dir
werden, das ist die Rettung.
Doch ist es nicht so: das bekannte Unglück ist uns lieber als das unbekannte
Glück! Darum ja, wegen unserer Haltelust unserer Sesshaftigkeit, unserer
Denkträgheit sind wir ziemlich ungeschickt zum Reich Gottes. Das
Folge mir nach!- ist noch nicht abgehakt- Gott braucht uns noch,
er arbeitet doch noch dran, sein Reich kommen zu lassen- Warum ist
er blind? Es sollen die Werke Gottes an ihm offenbart werden. (Johannes
9,3) Warum noch Leid, Qual, Sintfluten, Schmerz und Gram- weil Gott noch
die Schöpfung erst in Arbeit hat, die Hand noch am Pflug hat, das Leben
fruchtbar und heilsam zu machen. Noch ist jeder Tag auch eine Wunde am Leben,
dem Leib Gottes. Da sollen wir uns nicht gute Gedanken machen: wie kann Gott
das zulassen. Da sind wir gerufen: Leg Hand mit an, schau nach vorn, bestell
das Leben, dass es blühe Du bist doch Lehrlinge des Jesus, Du
hast doch die Sterne der Berufung in deiner Brust.
Schau nicht zurück, wie alles mal schöner war - angeblich; Sieh
dich nicht als Verlierer, schau nach vorn, sieh deine Sehnsucht nach dem
Land, da Fried und Freude lacht, da das Licht den Liebenden nicht untergeht
und über die untröstlichen Balsam für Ihre Seele kommt. Hier
sind wir noch erst auf dem Weg, sind uns bestenfalls Gefährten, welche
Gefahr teilen; unter jedem Dach ein Ach! Noch. Darum Niemandem die Weihen
des Vollständigen erteilen, Nichts segnen als schon fertig und am Ziel.
Dieses Wegreden von Schwierigem! Diese Weigerung, einem realen Problem ins
Auge zu sehen! Was sagt Luther: Was ihr nicht um Christi willen jetzt
tut, das fordert euch die Zeit mit Wucherzinsen ab. Auch ich will mehr
das Stückwerk achten, weniger beschönigen, Trauer nicht wegreden,
Armut nicht vergolden, Kränkung ins Recht setzen. Es gibt kein
ganzeres Ding als ein zerbrochenes Herz läßt Zvi Kolitz
den Joschel Rakover im Warschauer Ghetto sagen. Es gibt kein ganzeres
Ding als ein zerbrochenes Herz. Wissen, daß wir Heilung
brauchen- das ist unsere Rettung. Das bringt uns in die Lage, Reich Gottes
zu ersehnen. Und dafür die Ärmel mit aufzukrempeln.
Wir leben in einer Spaßgesellschaft- Erfolg, Zufriedenheit, hoher
Unterhaltungswert sind die Ziele, Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut- da
muß man schon auffallen um gehört zu werden. Jesus hatte einige
Wunder aber wie sollen größere Wunder tun: Einen auf den Leuchter
der Gotteskindschaft stellen, ist nah am Himmel, einem seinen Lebensmut wieder
anfachen ist mehr als die Quote. Einen das Pflügen seines Lebens lehren,
daß er wieder nach vorn schaut- das ist fundraising- wie er es weitersagt.
Es ist eine besondere Lebensweise, den Acker des Lebens zu bestellen mit
erhobenem Haupt, den Blick nach vorn- und nicht aufgeben. Ja, uns hat ein
Wirklichkeitssinn, der die Lage richtig einschätzt, und ein
Möglichkeitssinn ((R. Musil) hat uns auch, der unserm Denken Flügel
gibt. Eigentlich ist die Wirklichkeit nur richtig eingeschätzt, wenn
sie mit Möglichkeitssinn gesichtet ist. Da ist, was ist, Anfang einer
Werdewelt, die auf Vollendung angelegt ist, dafür verwette ich meinen
Kopf. Aber das Fernziel muß sich abbilden im Nahziel (Ernst Bloch).
Schon jetzt die Blumen am Weg merken, schon jetzt Versöhnung hier versuchen,
Besitz als Wegzehr nehmen und abgeben lernen.
Das Leben ist Gottes Acker, der will gut bestellt sein, daß er uns
geben kann was uns und anderen zum Lobe den Herrn gereicht. Im
Blick auf Terror und Katastrophen und mehr Menschen nicht zynisch, nicht
phlegmatisch werden, sondern all Morgen wieder müh dich auf dem Acker
des Lebens - dem Jesus nach. Er ist vor dir, der Engel der Erneuerung, der
auch deine Seele weitet, dir Flügel der Morgenröte beschafft und
Hände wie Schaufeln. Natürlich müssen wir jetzt zusammen oder
jeder erst mal für sich denken: Was steht an auf meinem Stück
Lebensacker - ich erste Person Einzahl, und Familie und die Nächsten
nahe dran. Was pflüge ich, komme ich zum säen und ernten und auch
genießen. Und in Kirche - fleißig sind wir, den Betrieb aufrecht
zu erhalten. Kirche ist das gefasste Becken für die Quelle von Lebensmut,
aber wir, die Hüter der Wasser des Lebens, wie schenken wir dem Bewusstsein
das Glaubenswissen voll ein?