Predigt 15. Dezember 2003
Keitumer Predigten Traugott Giesen 14.12.2003
3. Advent
Hüter über Gottes Geheimnisse 1.Korinther 4,1
Was bleibt, stiften die Dichter- hat mal einer gesagt. Gerade heute, am 3.
Advent ließe ich mir gern was Bleibendes sagen, würde auch gern
was Bleibendes weitergeben. Denn wir schwimmen doch alle ziemlich: Was sagen
die Adventslieder noch, was ist das Fest noch, was Familie, was Kirche, was
meine Arbeit, Rente, Krankenkasse? Alles schwimmt, vielleicht auch zu
lebensträchtigeren Ufern.- Was wird, was ankommt, ist offen, letztlich
kommt Gott an bei seiner Menschheit. Aber was heißt das, auch das ist
offen. Gut wenn man ein, zwei Menschen hat, deren Bleiben sicher scheint,
ein, zwei Menschen, die mir helfen, mich verlässlich zu finden. Denn
ich , du, wer wir sind, da schwimmen wir doch auch. Darum sind uns ein, zwei
nahe Menschen wichtig, die uns festigen in unserm Ichsein, weil sie uns kennen,
sie sind die vertrauensbildenden Maßnahmen, wie die Keitumer Kirche
für Auf Sylt Ankommende- aha, wir werden erwartet, es kann auch ein
Hund sein: Aha, der weiß mich. Aber Himmelsbrot ist der Mensch, der
dich liebt, so wie du ihm bist, Und das stabilisiert dich gegen all die Argwohne
und das Ungelöste im Herzen. wer du bist ist ein Geheimnis, ist Gottes
Geheimnis.
Wie mit Dir umgehen, der du dir selbst Geheimnis bleibst? Dazu ein Gedicht
von Rainer Maria Rilke:
Man muss den Dingen die eigene, stille, ungestörte Entwicklung
lassen, die tief von innen kommt, und durch nichts gedrängt oder
beschleunigt werden kann; alles ist austragen -und dann Gebären...
Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt. Und getrost
in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein
Sommer kommen könnte. Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind als ob die Ewigkeit vor
ihnen läge, so sorglos still und weit.
Man muss Geduld haben gegen das Ungelöste im Herzen, und versuchen,
die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben, und wie Bücher,
die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man
vielleicht allmählich, ohne es zu merken eines fremden Tages in die
Antwort hinein.
Geheimnisvoll und leuchtend klingt uns das. Etwas Geheimnisvolles und Leuchtendes
hat auch die Adventszeit. Hochwichtiges kommt. Wir wissen es nicht zu bestimmen,
aber es bestimmt uns, macht was mit uns, bringt uns in Wallung. Auf ferne
Weise schlägt sich das nieder in unser Geschäftigkeit: Vorbereitungen
werden getroffen. Geschenke verpackt, heimlich getan. Von ferne und ziemlich
verschwommen winkt das Geheimnis von Christi Geburt.
Und eine Bibellesung für den heutigen Sonntag seit Jahrhunderten festgelegt:
1.Korinther 4,1 Dafür halte uns jeder: für Diener Christi und
Haushalter über Gottes Geheimnisse.
Dreimal Geheimnis Da das Ungelöste im Herzen, mein Selbst, wie verschlossene
Stuben, Bücher in fremder Sprache- also dein Geheimnis, das Geheimnis,
das du bist. Du hast dich nur fraglich, siehst dich in Frage gestellt. Leb
die Frage, sagt Rilke, leb, wer du bist, leb alles, um dich zu erkunden,
Und du wirst allmählich in die Antwort hineinwachsen, wirst die Antwort
sein der Frage; wer bist du? Dazu braucht es Geduld. Das Bild ist stark:
Du ein Baum, der nicht sich bedrängt zu wachsen- sondern der reift.
Also, Du reifst, gib dich damit zufrieden. Unter der Frage, wer du eigentlich
bist, reifst du als Antwort heran, aber jag dich nicht und mach nicht kurzen
Prozeß, als zögest du den Schlußstrich, dräng nicht,
dass sie dich so oder so beurteilen, die Frühlingsstürmen fliehe
nicht, du weißt es kommt ein Sommer. Du weißt, deine Person,
deine Seele, dein Ich wird ausgetragen, wird geboren. Du kannst ganz geduldig
sein- wie ein Adler wird dein Ich sein, wenn du Zuende geboren bist.
Das andere Geheimnis Advent: Im Kommen ist Weihnachten- allein schon dies
Wort birgt Wunder- - es müssen Engel aufgeboten werden, um die große
Freude auszuwickeln. Weise, Astronomen müssen kommen, und diese Geburt
als Weltereignis auszuzeichnen. Es kommt ein Schiff geladen voll Geheimnis,
es ist eine Ros entsprungen aus tausendjähriger Wurzel; übermenschlich
verkündigt und empfangen. Und noch in unseren bürgerlichen
Festbräuchen haben sich Rituale des Geheimen erhalten: Das Verbergen,
das Schmücken, das Glöckchen, Singen, die heilige Geschichte, das
Erstaunen-
Das Ich der Menschheit ist geboren: Die Ikone Gottes und der Menschen, ihm
abschauen, den Gott der tätigen Liebe, und wie wir als Kinder der Liebe
zu einander sein sollen.
( Nach Paulus: Diener Christi - also, Diener der Mitmenschen. Es ist ein
arges Wechselbad mit uns- dienen, sich dienen lassen; bedienen, sich bedienen
lassen; unterhalten, sich unterhalten lassen; helfen, sich helfen lassen;
mehr verdienen, weniger zahlen- also weniger den andern an mir verdienen
lassen- Sind wir Diener der Mitmenschen? In diesen Tagen bücken und
mühen sich viele. In diesen Tagen wird mehr gekauft und besorgt als
sonst in Wochen. Viele müssen hart ran. Andere können es langsam
gehen lassen, auch weil sie andere bezahlen können. Dienen- Verdienen-
eine unendliche Geschichte. Wir sind noch in der Lehre, Christi Diener zu
sein, wir sind noch in der Schule der Nächstenliebe.)
Und das dritte Geheimnis heute: Wir sollen Hüter der Geheimnisse Gottes
sein.
Ein Geheimnis ist, dass Gott kommt, und ans Licht bringt was im Dunklen
schlummert und das Trachten jedes Innersten Ichs wird er offenbar machen.
Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteil werden.
Haushalter sein an Gottes Geheimnissen. Das finde ich einen ungeheuren Auftrag:
Also Hüter der Geheimnisse. Und doch auch Ernährer mittels der
Geheimnisse, wir sollen aus dem Schatz das Hilfreiche austeilen.- Also sollen
uns und andere hüten, dass nicht die Perlen vor die Säue geworfen
werden (Matthäus 7,6), die Perlen sollen die Menschen schmücken,
darum müssen sie gehütet werden.
Was für Geheimnisse? Eins ist, dass Gott kommt, und ans Licht bringt
was im Dunklen schlummert und wird das Trachten jedes Innersten Ichs offenbar
machen. Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteil werden.
Ich bin über diesen letzten Satz so froh- die Menschheit ist an der
Vorstellung eines Jüngsten Gerichtes ja fast verrückt geworden,
weil nur wenige gute Diener Christi sind. Wenn das das Maß wäre,
wer empfinge da Lob? Aber einem jedem sagt Paulus, wird von Gott sein Lob
zuteil. Wie und warum, das gehört mit zu den Geheimnissen Gottes: Er
bringt an sein Licht jeden Menschen. Was in jedem drängte und Frucht
wurde, auch werden musste, vielleicht Giftfrucht, das macht er offenbar.
Also richtet nicht! Lasst uns nicht ein Urteil fällen über das
Wesen, das Ich der Menschen, wir sind hier alle noch dabei, ausgetragen zu
werden. Wir sehen, was vor Augen ist, aber Gott sieht das Herz an, seine
uns von ihm mitgegebene Seele. Also Gott geht noch mit uns schwanger, bis
er uns so hat, dass wir alle ein Lob, eine Krone, den Glanz bei Gott zu sein
bekommen.
Es gibt Menschen, die schon hier nahe bei Gott waren. Von Mose etwa, sagt
die Schrift, Gott redete mit ihm wie ein Mensch mit seinem Freund redet
(2. Mose 33,11). Jesus ist für uns der Mensch, der schon zu Lebzeiten
mit Gott nahezu eins war. Sein Leben ist ein Versprechen, dass wir auch noch
heil werden. Bis dahin müssen wir uns als Geheimnis betrachten. Leben
wir es, lieben wir einander als seine Geheimnisse, mit Geduld.