Traugott Giesen: eine Traupredigt
Mit unseren Gedanken und Erinnerungen, mit unseren
Erwartungen und Hoffnungen und ganz konkreter Hoffnung, froher, guter Hoffnung,
sind wir hier versammelt im Namen Gottes, dem alles Leben gehört, und
wir gedenken auch all derer, die jetzt an Euch denken, die Ihr
zurückgelassen habt, um Euren Weg zu gehen.
Hört, was Menschen, die vor uns schon an
Gott glaubten, von ihm sagten: Gott beschloß, nicht allein zu bleiben.
Weil er voller Liebe ist, wollte er ein Gegenüber haben für seine
Liebe, das ihm Liebe abnimmt und seine Liebe annimmt. Und Gott schuf den
Menschen, sich zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn als Mann und Frau.
Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei.
Ich will sie zueinander hinentwickeln als Gefährten, die miteinander
leben. Und darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem
Gefährten hängen und werden sie eins werden, immer wieder eins
und einig.
Und was sie verbinden möge ist Teil von
der großen Liebe, von der Paulus sagt: Die Liebe ist langmütig
und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen,
sie sucht nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet
das Böse nicht zu, sie freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freut
sich aber der Wahrheit. Sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles
dem Nächsten zugut. Die Liebe höret nimmer auf.
Ihr beiden, R. und G., habt hohe Zeit - Hochzeit
- die hohe Zeit des Lebens. Der Bogen, den Ihr als einzelne geschritten seid,
ist schon eine Spanne lang. Kindheit, Jugend, Erwachsenwerden - in all diesen
Formen habt Ihr Liebe auf verschiedene Weise erlebt: als Säuglinge die
totale Ummutterung, als heranwachsende Kinder, die lernen, selbständig
zu werden, tausendmal hinfallen beim Gehenlernen und immer wieder aufstehen
können und soviel Erfahrung schon auch mit den Grenzen dessen, was
möglich ist, und was nicht möglich ist, die eigenen Begabungen
entwickelt, in Freundschaften gelebt, in Beziehungen gelebt. Aber irgendwann,
auch nach viel Arbeit und Erfolgen die Bereitschaft, einander anzuschauen,
damals in der Altstadt, in der Kneipe, Wartesaal oder so ähnlich - ein
komisches Wort für eine Begegnungsstätte - Ihr habt ja beide gewartet
auf den Richtigen und konntet ihn ja doch nicht suchen, Ihr konntet ihn nur
finden, Ihr konntet Euch nur finden lassen. Und einer von den andern, wie
es Eurer Art entspricht, habt Ihr zögerlich, ein besseres Wort ist behutsam,
miteinander die ersten Schritte getan. Aber jetzt wißt Ihr, daß
Gott Euch füreinander meint, und das wollt Ihr besiegeln.
Ihr wart ja beim Standesamt und habt die rechtliche
Seite Eurer Zusammenfügung schriftlich dokumentiert, aber die Basis
für Euer Zusammensein, die ist hier an Ort und Stelle in dieser Kirche,
800 Jahre alt, von der so viele Wege ausgegangen sind, wo so viele Wege sich
verknüpft haben, und wo so viele Wege auch wieder geendet sind. Hier
seid Ihr beiden und sagt: "Ja, ich will Dich annehmen aus Gottes Hand und
will Dich lieben und ehren, in Freud und Leid Dich nicht verlassen, bis daß
der Tod uns scheidet."
Und das ist wohl das gewichtigste Ja unseres
Lebens, das entscheidende Ja, das fortan Euren Lebensbogen entscheidend
zueinanderkrümmt und ineinanderflechtet. Ihr macht das nicht
holter-die-polter, sondern mit sehr bedachtsamen Gesichtern, weil der ganze
Ernst dieser Bindung Euch klar ist: Für einen Menschen Verantwortung
übernehmen und immer wieder mit ihm einig werden wollen. Da rollen ganze
Filme ab, was sein könnte. Daß man immer wieder nur glücklich
sein kann, wenn der andere auch glücklich ist, daß man ganz unruhig
und fahrig wird, wenn man zum andern nicht so ist, wie man sein will. Und
auch das Gespür, daß manchmal man böse sein will, und das
ist dann doppelt schmerzlich, weil es ja der liebste Mensch ist. Darum ist
es schon gut, daß Ehe gelebt werden darf in der Gewißheit: Wir
sind füreinander bestimmt.
Und nur in dieser Gewißheit kann man den
Alltag bestehen, denn in diesem Alltag kommt so viel auf Euch zu, was
Koordinierung von zwei verschiedenen Willen unbedingt verlangt. Das heißt
nicht, daß unbedingt in der Küche das Geschirr da stehen muß,
wo beide wollen, sondern man kann sich auch eigene Bereiche vorstellen. Aber
doch immer wieder das unbedingte Wollen, mit einem einig zu werden. Und das
kostet Kraft. Alles, was schön ist, kostet Kraft.
Und diese Gewißheit, daß man
zusammengehört, ist darum so wichtig, weil keiner zum andern ideal
paßt. Manchmal hat man das Gefühl, wir passen gar nicht zueinander,
und dann fliegen die Fetzen, und dann knallen die Türen; oder manche
können ja auch die Tür so leise zumachen, daß es noch viel
dramatischer ist. Will sagen, nicht daß Ihr zusammen paßt, ist
der Grund für Eure Liebe, sondern daß Ihr zusammengehört.
Und wenn Ihr Gott glaubt, daß Ihr zusammengehört, werdet Ihr Euch
passend im Laufe der Zeit.
Und das ist eine große Verheißung:
Daß alles, was jetzt noch so ungereimt und spröde und
widerständig ist, weil ja jeder eine eigene Person ist, daß das
Zueinander in Harmonie verwandelt wird im Laufe der Zeit.
Dieses Vertrauen - wir gehören zueinander,
darum werden wir uns passend im Laufe der Zeit - ist ein ganz großer
Kredit für Euer Tun und Lassen. Und man muß nicht dauernd klären
und nicht dauernd auf den Punkt bringen, man kann es auch laufen lassen ein
Stück und kann auch mal ein Schimpfwort überhören. Was ist
mehr ein Zeichen von Liebe, als wenn man ein Schimpfwort überhört.
Man muß es nicht dauernd aufspießen und zum Fall machen.
Nörgeln kann ja als ein bißchen störendes, aber als Hobby
gelten, nicht als der Problemfall der Welt. Vielleicht muß man auch
immer wieder am andern abtragen, was an ihm verbrochen worden ist. Wir sind
ja durch Erziehung und Erfahrungen auch gebeutelt und gedämpft. Aber
Ihr beiden seid ja von Gott vor allem füreinander bestimmt, weil Ihr
Energie zur Liebe habt und Energie zur Freude - und es Dir eine Lust sein
soll, sie fröhlich zu stimmen und Dir es ein Genuß sein soll,
ihn lustvoll zu stimmen. Diese Energien sind alle in Euch, und Ihr habt ja
schon in der gemeinsamen Zeit erlebt, wie sie Euch gestärkt hat und
gebessert hat, Euch großzügiger gemacht hat, manchmal auch
Alarmanlagen angingen, aber man konnte es doch klären. Die Gewißheit
ist da, daß Gott Euch füreinander meint.
Und darum dürft Ihr ganz fest glauben:
Der Herr ist Euch Hirte, Euch wird nichts mangeln. Das Wesentliche ist da.
Er führet Euch zu frischem Wasser der Liebe. Er erquickt Euch. Er
führt Euch auf frische Weide von Sprache und Bildern und Freundschaften.
Er führt Euch auf rechter Straße, immer wieder den andern besser
zu verstehn. Um seines Namens, um seiner Verheißung willen. Er meint
Euch füreinander, also gibt er Euch genug Kraft, dieses
Füreinander-da-sein zu leben.
Und ob ich schon wandere im finsteren Tal -
Ehe auch finsteres Tal, manchmal, - fürcht ich kein Unglück, weil
Gott ja bei Euch ist und Euch hindurchträgt. Und Gutes und Barmherzigkeit
werden Euch folgen immer wieder und Ihr werdet bleiben im Hause Gottes
immerdar.
Ehe als das Haus Gottes. Sicher kein Paradies,
aber Oase, Hütte. Ein Stückchen Geborgenheit, wo man so sein darf,
wie man ist, und sich nicht verstellen muß - einander die besten Freunde!
Der Herr ist Euch Hirte. Euch wird nichts mangeln!
Amen