Traugott Giesen: Ein guter Mut ist ein
tägliches Fest. Sprüche 15,15.
Er gibt den Müden Kraft und Stärke
den Unvermögenden. Jesaja 40,29
Apostelgeschichte 16,23-40, da der letzte Satz:
Als Paulus und Silas die Brüder gesehen und ihnen Mut zugesprochen hatte,
zogen sie weiter.
Hebräerbrief 12,1-3:
Laßt uns laufen mit Geduld in dem Kampf,
der uns bestimmt ist und aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender
des Glaubens.
Der hätte es sich leicht machen können,
doch nahm das Kreuz auf sich, duldete so viel Widerspruch gegen sich von
den Sündern und hat sich gesetzt zur Rechten Gottes. Gedenkt an den,
werdet nicht matt, laßt den Mut nicht sinken.
Der Mensch kann das Leben nicht allein bestehen.
Er kann nur dann handeln und seiner Kraft vertrauen, wenn er einer Gruppe
angehört. Gemeinschaft ist das Lebensmittel unseres Daseins. Gemeinschaft
stimuliert, weckt unsere Kräfte, macht uns Mut.
Religion nun ist der Kitt der Gemeinschaft
(gewesen?). Zugehören aus Bestimmung, aneinander gewiesen sein, gemeinsamen
Zukunftshorizont haben; und Gebote und Verbote finden, die den sozialen
Bedürfnissen entsprechen, einen Lebensraum hüten. Gemeinsame Feste
und Rituale wecken Empfindungen füreinander und schließen
zusammen.
Heute neigt die Gesellschaft dazu, die Menschen
zu vereinzeln. Nicht endend ist der Wettkampf um Privilegien - unablässig
lockt der Markt; lockt, teilzunehmen, feilzubieten, Ware, Leistungen, Dienste.
Wer nichts zu bieten hat, womit er anderen nützt, kann sich bald
überflüssig vorkommen. Andrerseits: wer viel Geld, also Gutscheine
für Kaufbares auf der Bank hat, hat meist auch Argwohn, man möge
nicht ihn sondern seine Scheine.
Religion ist die Rettung des Individuums. Religion
sichert mein und dein Sein, unabhängig vom Haben. Wir sind
Söhne/Töchter vom Erfinder der Welt. Dies ist das Wesentliche.
Das Haben wird zurückgestuft - sein Wert hängt davon ab, was ich
damit mache. Das ist die richtige Theorie. In der Praxis aber gehört
Mut dazu, die eigene Habgier zu zähmen.
Religion, wie sie in den traditionellen
Glaubensgemeinschaften gestaltet ist, hat es schwer, in die Moderne
hinüberzusetzen. Dabei ist der Hunger nach Religio- nach Bindung ans
Unbedingte - enorm. Manche finden erst nach langer Suche bei östlichen
Religionsmustern wieder zur Bibel, zur Kirche. Und manchem bleibt die Kirche
verdorben durch autoritäre Kindheitsdramen. Und tatsächlich hat
die Kirche, auch noch die Evangelische, auch etwas Niederdrückendes,
Entmutigendes, Kleinmachendes bei sich, etwas Starres, Schematisiertes. Wo
vibriert es in Kirchen eigentlich -: Ja, eben: Das Oratorium: Die Schöpfung
von Josef Haydn - da war Enthusiasmus zwischen uns - zu deutsch: In Gott
Eingetauchtsein war bei uns. Da war ein Klirren und Flirren, ein Aufschaukeln
der Gefühle, da war Schöpfung im Gange, Gedeihen im Schwange. Da
war es mit Händen zu greifen, was Elizabeth Browning-Barett sagt: "Die
ganze Erde ist mit Himmel vollgepackt und jeder ganz gewöhnliche Busch
brennt mit Gott. Doch nur der es merkt, zieht seine Schuhe aus, spürt
Ehrfurcht. Die anderen hocken herum und pflücken Brombeeren."
Da, mit Haydn's Musik strömte das wunderbare
Gefühl in uns, wie gut, doch ein Mensch zu sein, ich zu sein mit diesem
Mitschwingen können. Diese Musik machte Mut mich nicht zu verachten,
sie erhob dich und mich, wir sahen uns als schöne Kreationen Gottes,
entwicklungsfähig auch für einander.
Hinreißend war auch Folgendes: Der Chor,
die schmetternden Solisten, das Orchesters, der dolle Organist, sie führten
uns den strahlenden Menschen zu, das liebevolle Menschenpaar - und mir, dir
flog doch auch durchs Gehirn: Kopfschmerzen oder andere körperliche
Gebrechen, Sarajevo und Mururoa und Abgeschobene und Gekidnappte drängten
in die schönen Bilder, Entsetzen die Fülle hart neben dem Idyll.
Und während das Paar so gurrte, sah man auch die Zimmerschlacht, die
entbrennen könnte, wenn die Beiden ernst machten miteinander.- Und
über dem ganzen Ensemble in mattem Gold der Altar mit dem blutenden
Jesus, den Gott uns hinhält zum Zeichen: Ja, lauft mit Geduld in dem
Kampf, der euch bestimmt ist und seht auf Jesus, den Anfänger und Vollender
des Glaubens. Der hätte es sich leicht machen können , aber er
nahm das Kreuz auf sich, er hielt so viel Widerspruch gegen sich aus und
hat sich gesetzt zur Rechten Gottes.- Denkt an den, werdet nicht matt, laßt
den Mut nicht sinken.
Ich finde, daß jetzt auch ein Rhythmus
uns bewegt, ein Geist uns beatmet, eine leichte Enttäubung geschieht
uns, eine besondere Wachheit. Geistesgegenwart ist in dieser Gruppe heute
morgen doch zu merken.- Wir wollen Mut richtig zu leben - und trauen dem
Erkenntnisstrom aus Jesu Richtung noch was zu.
Jesus hätte es sich insofern leicht machen
können, als er die Klärung, was, wer Gott sei, andern hätte
überlassen können. Aber Jesus hatte eine Berufung, die nicht von
ihm abließ. Jesus hatte die Offenbarung, daß es keine Offenbarung
Gottes gibt als das Lieben. Noch hing so viel Härte und Strenge an Gott.
Strafen galt als Gottes Hauptberuf. Auf Ehebruch Todesstrafe- galt als Gebot
Gottes. Auf Sünde stand Krankheit als Züchtigung- das galt als
Tat Gottes. Alle Obrigkeit galt als Institution Gottes. Wissen galt als Privileg
einer bestimmten Klasse. Wer Sklave war, hat Sklave zu bleiben - dies galt
als Setzung Gottes, ebenfalls die Machtausstattung des Mannes. Und Jesus
hat den Mut, diese Machtfigurationen Menschenwerk zu nennen, also eben nicht
geheiligt sondern veränderungsbedürftig sind sie und zwar in Richtung:
"Wer groß sein will,der sei euer Diener" (Matthäus 20,26) "Einer
ist euer Meister - ihr aber seid Geschwister" (Matthäus 23,8), gleichwertig,
bedürftig, der Liebe wert. Mit seinem Heilen enthüllt Jesus uns
den liebenden Gott. Kein Wunder, daß die Hüter des überkommenden
Glaubens Jesus beseitigen. Jesus entheiligt auch die alten Texte.- Ja, ihnen
hat Gott gesprochen - doch, so Jesus, "Ich aber sage euch". Und verheißt
seinen Jüngern, daß sie zu ihrer Zeit Gottes Wahrheit sagen, aus
sich heraus, nicht als Bibelzitate sondern als frisches Wort aus frischer
Eingebung: So Matthäus 10,19.20:" Wenn sie von euch Rechenschaft verlangen,
dann sorgt nicht, was ihr reden sollt, es soll euch zur Stunde gegeben werden,
was ihr sagen sollt - eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet."
Jesus erfindet damit den Menschen, der genug
Wahrheit bei sich hat, weil Gott ihm nah ist. Jesus macht die geistigen
Autoritäten arbeitslos, jeder hat unmittelbaren Zugang zu Gott, wenn
er es nur weiß. Das Priestertum aller Gläubigen setzt Jesus ein:
Einer ist euer Meister, ihr alle Geschwister - das stuft doch auch den Papst
zurück zum Frühstücksdirektor, zum Empfangschef de rKirche,
höchstens - dem Kirchenvolksbegehren der katholischen Geschwister auch
von hier viel Erfolg!
Mit der Zusage: Gott spricht in euch, rückt
Jesus die Heiligen Schriften ins hintere Regal: Gott ist mitten unter euch.
Wo ihr euch trefft, da trefft ihr Gott. Als Energie der Liebe ist er mitten
unter euch. Darum schaut nicht mehr nach einem Strafenden, Regierenden,
Zuteilenden über euch aus, sondern was ihr einander tut, tut ihr ihm,
was ihr einander schuldig bleibt, das entzeiht ihr dem Ganzen, was ihr ausstreut,
das beschenkt das Ganze, womit ihr schadet, werdet ihr auch bestraft. Jesus
glaubt die Liebe als Gott. Was das für einen Mut braucht, so zu denken
- ich bin froh, daß wir es ja nur nachglauben, nachleben brauchen,
dem Anfänger und Vollender unseres Glaubens.
Jesus hat uns Menschen die Würde zugesprochen,
einander Gott austeilen zu können, einander Reich Gottes anzuberaumen.
Jesus hatte den Mut, Gott ins Leben einzuquartieren, besser: den Alltag sah
er als Gottes Werkstatt- darum ist Jesus so wenig übersinnlich, mystisch,
jenseitssüchtig- so wenig elitär und esoterisch in dem Sinne, daß
besonderes Wissen zu wertvolleren Menschen mache: Sehet die geistlich Armen
- ihrer ist das Himmelreich (Matthäus 5,3)!
Jesus hatte Mut, diese Zugehörigkeit zum
guten Ganzen jetzt zuzusprechen. Und Jesu Mut braucht uns. Daß du dich
glaubst als zugehörig zum guten Ganzen. Daß du den Andern ansprichst:
Du gehörst zum guten Ganzen.
Dies mit Mut sich gestehen: Auch
Unabhängigkeit, Recht und Selbstbestimmung und die eigene innere Kraft
sind Gnade, Geschenk, Wunder. Demut ist Klugheit. Auch dazu brauch ich Mut:
Meinem Quantum Einsicht entsprechend leben und dem Nächsten sein Quantum
Einsicht zugestehen. Wir haben keine ewige Wahrheit mehr zur Hand. Schon
Jesus hatte den Mut, zu empfehlen: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch
wie die Tauben (Matthäus 10,16). Liebt, seid klug, ohne Falsch so gut
wie möglich. Das setzt frei für ein modernes Programm, das nicht
gradlinig sondern vernetzt läuft, wir sind an viele angeschlossen, für
einander verantwortlich wie Verkehrsteilnehmer. So brauchen wir auch Mut
für andere Tugenden: Nicht Schneidigkeit sondern
Zugehörigkeitsempfinden, vom persönlichen Ehrgeiz müssen wir
hin zu Begeisterung, von Rechthaben hinkommen zum Zurechtbringen;
Rechtschaffenheit reicht nicht mehr, wir müssen hin zu Freundlichkeit
und Verständnis. Statt Streben nach Vollkommenheit Mut zu Versuch und
Irrtum und neuem Versuch.
Ich sehe Jesu Leben als eine Passion für
die Liebe, und sein Gang in den Tod als Versuch, in Gott zu landen. Er
wußte auch nicht die vollkommene Wahrheit, sonst hätte er sich
nicht so verlassen gefühlt. Aber er hat den Mut gehabt, ins finstere
Tal zu gehen als ginge er hindurch nach Hause. Und setzte sich zur Rechten
Gottes! Dieser Mut ist gotteskarätig. Den wünsch' ich uns
auch.
Darum ist mir das Kreuz schon auch wichtig als
Symbol für den rettenden Mut des Jesus. Wegen seines Lebens- und Todesmutes
ist Menschsein keine Strafe, sondern hat Verheißung. Ihm nach können
wir auch was an Helligkeit ins Leben bringen.
Mut brauchen wir, um den Tag anständig
zu bestehen, uns hinzuhalten, einzusäen, auszugeben: So ist mir Jesu
Kreuz und Jesu Leben überhaupt das Symbol für Mut: den Mut, zu
taugen, ich , du , wir.
Entmutigt und nah am Kapitulieren sind wir alle
irgendwann und nicht zu knapp. Aber wir sind geschwisterlich einander zugedacht.
"Wir brauchen einander, um uns gegenseitig an unsere Ideale zu erinnern,
und die Ausdauer zu erhalten, sie zu verfolgen; wir brauchen einander, um
einander die Last zu tragen und uns mit guten Gefühlen zu nähren.
Ja, darauf kommt es an: Mit Jan Skacel gesagt: "Zuerst über die Hürde
das Herz werfen." aber Gott, ein Bruder, eine Schwester sind schon da,
verlaß dich drauf.