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Traugott Giesen: Pfingsten - Heiliger Geist ist Lebenskraft

Heiliger Geist ist Lebenskraft in geistiger Form. Unser Körper braucht Brot, unsere Seele ernährt sich von Worten, Bildern, Ideen, Gedanken. Wir müssen wissen, was wir bedeuten. Von außen können wir uns behängen noch und noch mit erlauchten Zeichen des Wichtigseins. Aber in uns ist Heißhunger nach dem, was uns von innen her aufrichtet.

Schon dieses Lechzen nach innerer Gewißheit ist Heiliger Geist. Und wir werden aggressiv gegen Menschen, die uns stromlinienförmig anpassen wollen ihren Bedürfnissen. Du kannst nicht zufrieden sein damit, den Leuten zu gefallen, kannst nicht wert sein wollen, was deine Mutter, dein Chef, dein Partner dir zumißt. Du brauchst Heiligen Geist, der dich leuchten macht.

Lechzen nach Gewißheit zu taugen ist es auch, wenn Kinder vor der schlechten Amme Fernsehen gewalttätig die Salzstangen zerbröseln und genüßlich den Saft auf dem Tisch verteilen. Es genügt ja nicht, daß wir ruhiggestellt werden. Wir müssen was gelten. Wir müssen wem was gelten, damit wir die Gültigkeit unseres eigenen Wertseins spüren.

Heiliger Geist ist diese geistige Lebenskraft: Daß wir von weit her und für immer und einmalig wunderbar sind, daß wir gewollt sind vom Willen, dem sich die Welt verdankt.

Heiliger Geist ist schon am Werk in uns, wenn wir leiden an Lebenszerstörung, es nicht gleichmütig hinnehmen, daß Menschen Menschen schinden und mißbrauchen, verhungern lassen und entrechten. Daß in uns aufschreit Protest und Erbarmen, wenn wir Vernichten und Zerreißen erfahren, ist schon Wirken von Heiligem Geist, von der Zusammenhaltekraft des Lebendigen.

Heiliger Geist, diese Quelle von Zusammenhalt braucht uns, daß wir uns fühlen als Personen, auf die es ankommt, daß diese Quelle das Leben tränkt. Doch - du/ich, wir müssen uns hinhalten dem Heiligen Geist als Mundstück, Ohr, Hand. Wir müssen den Willen, dem sich die Welt verdankt, nicht erst erglauben, erfinden, erträumen. Es ist andersherum richtig: Wir sind umgeben von Mustern, die die Existenz Gottes abbilden. Die Leuchtkraft der Sterne, die Schönheit der Blumen, die Harmonie von Mozarts Musik, die unermeßliche Zweckmäßigkeit der Naturgesetze, mein/dein Aufstehen heute morgen zu einem neuen Tag, und daß wir einander ergänzen können, daß wir uns ein Stück weit verstehen, eine Strecke weit geistig begleiten können, ist doch ohne Glauben an Heiligen Geist völlig absurd.

Es ist ja Geschehen von Heiligem Geist. Den machen wir nicht, sondern wir sind Inszenierungen Heiligen Geistes. Daß wir einander ein Stück gelingen, daß wir einander ein Stück verstehen, ist Fließen von Heiligem Geist. Das Dickicht des Lebendigen erwächst ja aus dem Willen Gottes nach Ergänzung und Verstehen. Wir können, vom Heiligen Geist bestrahlt, verstehend sehen, hören, reden - annähernd. Das ist Heiliger Geist in Aktion. Was wir eigentlich hören und sagen wollen, ist unendlich lang. Es ist die Sehnsucht, mit Gott ewig zu reden und gewürdigt sein wollen, immer vor Gott zu sein, ihm viel zu bedeuten. Und Klopfzeichen dieser Sehnsucht, Klopfzeichen dieses Hellhörigseins auf Gottes Impulse: ja, Du gut. Klopfzeichen dieses ewigen Wichtigseins wollen wir einander ablauschen und geben. "Ich liebe dich" ist uns Unterpfand von weit her und nicht nur freundliches Werben eines eigensüchtigen kleinen Mitmenschen.

In Not - einer kommt zu Hilfe -, da hat das Herz der Welt dich geschickt. Im Krankenhaus und keiner kommt, dann siehst du dich abgepflückt, abgebrochen von allem. Wie da Freude aufkommt, wenn völlig Fremde an Vater-, Mutter-, Kindesstatt kommen und Nächstenliebe geben. Das heilt, wenn überhaupt etwas heilt. Das schließt wieder an den Lebensstrom an: ich darf mich wieder als Teil des pulsierenden Guten Ganzen finden.

Partikel von Heiligem Geist ernähren unser Bewußtsein: Du/ich, wir bedeuten Gott sehr viel. Wir sind hier seine Tempel, seine Filialen, seine Energiebündel von Bejahekraft: Du darfst dich lustvoll wahrnehmen als bedeutend. Wenn schon - so meinten die Rabbinen - jeder Grashalm einen Engel zugeteilt bekommt, daß er gedeihe, und wenn schon jeder Spatz in Gottes Hand, wieviel mehr dann erst Du bedeutend, - mit deiner Dürre und deinen vibrierenden Augenblicken.

Manchmal sehen wir uns reduziert, ein kleiner Krümel Ich-Stärke mit Ellenbogen und List, manchmal sehen wir uns kärglich als ein Schluck Wasser auf dem Boden verschüttet, am Belanglosen klebend und mißtrauisch und verächtlich und ratlos und eingezwängt. Wenn uns dann Heiliger Geist anweht, ein Anruf, ein Klopfen, ein Kind, das uns einfach aus unserer Lethargie reißt, ein beredter Augenblick, eine freundschaftliche Gebärde, ein guter Gedanke, ein Lichtlein von irgendwoher,- und die Düsternis reißt doch auf. Eine zugelaufene Katze kann ein neue Welt dir entzünden, und du kannst dich wieder im Schlepptau Gottes glauben.

Heiliger Geist treibt uns böse Geister aus: was man alles meint, nicht zu dürfen. Aber du bleibst doch nicht programmiert auf die elterliche Erziehung. Dein Träges und dein Wildes, dein Verneinen und dein Gieren, dein Schönes und Gräßliches ist noch am Köcheln in Gottes guter Küche. Und du darfst noch werden. Aus dir soll doch noch ein erträgliches Leben erblühen.

Glaub das, was im Psalm 139 verkündet wird: Finsternis ist nicht finster bei Dir, o Gott. "Dunkelheit ist nur getrübtes Licht" (J.B. Singer). Es soll nicht dunkel bleiben über denen in Angst. Es soll um dich hell werden, geliebter Mensch, faß wieder Vertrauen, daß Heiliger Geist zwischen uns ist.

Die Einschärfungen, man könne niemandem trauen, sind doch Sabotage an Gottes Werk. Spür nochmal, fühl nochmal, wieviel Ahnung von Zusammenhalt und Liebe aus dieser Welt aufsteigt. Und Jesus, die Ikone des Vertrauens, bildet auch deinen innersten Kern. In dir das ewige Licht des liebenden Jesus. In dir dieser Impulsgeber: Du - gut, du - gut für´s Leben. Und bei allen Gegensätzen zieht etwas uns zueinander hin. Diese Grundströmung zueinander ist Heiliger Geist.

Ja, oft reden wir aneinander vorbei; noch schlimmer, schweigen aneinander vorbei. Aber wie wir einander auch erlösende Ergänzung sein können, wie wir Anerkennung geben und annehmen können, wie wir uns einander zur Sprache helfen können, den Nächsten nicht als Mauer erleiden, sondern er uns als "Du" aufgeht, das ist Heiliger Geist, Gottes Beredtheit in uns irdischem Material.

Ach, staun doch. Versuch das "Wieder": Mit anderen in ihrer Sprache reden können. Laß dir wieder Pfingsten geschehen. Halt dich wieder diesem Verstehen hin. Diese Freude, noch sein zu dürfen in diesem Tag! Und noch ein paar richtige Verknüpfungen wagen. "Hiersein ist herrlich" (R. M. Rilke). Um so mehr, wenn ich anderen beistehe, daß auch sie noch sagen: Hiersein ist herrlich.- Unser täglich Heiligen Geist gib uns heute.


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