Traugott Giesen Kolumne 24.12.1999 aus Hamburger Morgenpost
Weihnachten macht was mit uns
Je älter wir werden, desto mehr taucht das Früher auf in
Gestalt der Düfte, der Geschenke, der Stimmen, die wir erinnern. Wenn
wir an unsere Kindheit denken, dann strahlt Weihnachten. Am Warten auf
die Bescherung lernten wir, daß alles Wichtige einen Schweif Hoffnung
hat und die pure Gegenwart der Freude im Nu weiterfliegt, aber im Glücksfall
bleibt herrliches Nachklingen.
Immer sind an Heiligabend unsere Lebenswurzeln neu gestärkt worden.
Hatten wir nicht das Gefühl, eine fremde Macht habe um unser Herz
geworben und uns schön gemacht? Uns hat alle mal der leuchtende Baum
verzaubert. Einige Glücksbilder von Bescherungen wissen wir frisch
bis heute. Die Kindheit lang war es das beglückende Familienfest �
später rissen wir uns los von Mutters Rock, feierten zünftig
auf der Hütte. Dann kamen wir mit einem Herzmenschen zurück,
planten gerade an diesem Tag Zukunft, wurden dann zur eigenen Familie mit
eigenem Baum und luden die Großeltern zur Bescherung der Enkel. Oder
es ist ganz anders schön. Weihnachten kann auch sehr weh tun, weil
man Alleinsein doppelt fühlt. Oder die Familie ist zerfallen und keiner
ruft zusammen.
Doch die Substanz bleibt unerschöpfbar und ewiggültig. In
dem Jesus erdet sich das Ewige. Seitdem ist jeder Mensch heilig. Jedes
Neugeborene bringt die Eierschalen der göttlichen Herkunft mit; wir
irdische Eltern sind Handlanger und Helfer, nicht Schöpfer, nicht
Herren unserer Kinder. Und unser Zeugen und Gebären ist nicht Schaffen
sondern Widerfahrnis und Wunder � das ist in dem �empfangen vom Heiligen
Geist, geboren von der Jungfrau Maria� abgebildet � aber für die Fremdsprache
der Symbole sind wir Modernen leider ziemlich ungeduldig.
Gott als Mensch in der Futterkrippe geboren, später wegen Aufruhr
getötet, ist der Offenbarer der Menschenrechte. Jesu Tiefenwissen
ist das Grundwasser einer freundschaftlichen Welt. Auch wer von Jesus nichts
weiß, lebt in einer Menschheit, die Jesu Nächstenliebe nachahmt
� oder wir verkommen.
So sollten wir einander fröhliche Weihnachten wünschen und
nach Kräften auch dazu behilflich sein. Hoffentlich finden Sie einen
anrührenden Gottesdienst. Wer selbst mal in einem Krippenspiel die
Weihnachtsgeschichte mit eigenem Leib geschehen ließ, wird Kindern
auch zu solchem Seelenschatz verhelfen. Und einige pfiffige Geschenke hast
du besorgt? � Du wirst doch selbst auch gern beschenkt, da kannst
du noch so bescheiden tun. Und einen Nachbarn besuchen, die Beziehung zu
einen vergessenen Verwandten wiederbeleben; einen Bettler stutzig machen.
Einen Hauch Erlösung hat jeder nötig und hat jeder zu geben.
Einen Gruß all denen, die sich für Weihnachten mühen.