Traugott Giesen Kolumne 20.11.1999 aus Hamburger Morgenpost
Zwangsarbeiter � Erben besinnt euch!
Noch zwei Millionen Menschen sind erreichbar, die unter Hitler als
Arbeitssklaven geschunden wurden. Millionen andere sind durch Zwangsarbeit
vernichtet worden, sind verhungert, erfroren, erschlagen worden, brachen
entkräftet zusammen und wurden im Massengrab verscharrt. Die nach
Hause fanden, sie blieben gezeichnet von dem unsäglichen Bösen,
dem sie in Deutschland ausgesetzt waren. Zwei Millionen Gequälte und
Ausgebeutete sind noch am Leben. Wir können sie noch erreichen.
Jeder Einzelne müßte aufgesucht werden durch einem von uns
Deutschen. Ob selbst mal Menschenschinder � alle Konzentrationslager wurden
von Freiwilligen betrieben und beaufsichtigt � oder wir, deren Söhne,
Töchter, Enkel, Nichten, Neffen oder einfach wir als Deutsche, die
ihr Vaterland achten und darum sich schämen für das, was Deutsche
an Haß und Elend und Gewalt über die Menschheit brachten, wir
müßten als Einzelne zu einzelnen Opfern gehen und sie um eine
Unterredung bitten.
Persönlich, Auge in Auge müßten wir sie um Vergebung
bitten für die kalte Gewalttätigkeit, für das Morden und
Zwingen, die fühllose, maschinenhafte Entmenschtheit der Unsrigen.
Und ich � du auch � wir würden doch mitweinen, uns die Seele ausheulen,
wenn unser Gegenüber die Hand uns reichte und sagte:
�Fünfzig Jahre habe ich gewartet, daß ein Deutscher mir
persönlich sagt, das Grauen schmerze ihn und tue ihm leid. Gott sei
Dank, daß du endlich kommst, gut für mich. Ich kann Versöhnung
schenken. Und gut für dich: Indem du die Schuld bekennst, kann ich
dich neu sehen. Solange du deine Wehmut, deinen Schmerz mir nicht gesagt
hast, bleibst du für mich Täter oder Erbe eben jener Vernichter,
denen ich nur knapp entronnen bin. Aber jetzt bist du gekommen. Und so
ist mir Deutschland nicht mehr das abscheulichste Land.�
Und klar, würde ich, du was mitbringen; ein diskreter Briefumschlag
mit Zehntausend oder möglichst mehr. Sagen würde ich, du: �Das
haben Deutsche zusammengelegt. Mit der Bitte, es nach so vielen Jahren,
viel zu spät, viel zu wenig, doch anzunehmen.�
Ein schöner Gedanke, so von Mensch zu Mensch Böses ein Stück
wieder gutzumachen. Aber wir werden Beamte schicken. Und die bringen Steuergelder
und �Peanuts� der Firmen, die damals Sklaven angefordert hatten und sie
von Hitler für ein Trinkgeld an die SS-Kasse überstellt bekamen.
Und die meisten der 1800 nutznießenden deutschen Firmen stellen sich
noch taub. Ihr Schweigen knirscht. Muß man sie mit dem Kanthaken
drohender Bildveröffentlichungen zur Einsicht bekehren? Die geschehene
Grausamkeit empört, aber der dumme, freche, abweisende Herzensgeiz
entmutigt. Erben, die ihr profitiertet, besinnt euch, bitte.
Das Honorar geht an die Bundeskasse LZB 38001060 BLZ 38060000 �ZwangA�.