Traugott Giesen Kolumne 26.06.+10.07.1999 aus Hamburger Morgenpost
Noch mal Mut fassen
Alle wollen sich beteiligen am Dienst der Menschen. Wir haben eine
Lust in uns, Gemeinsames gut zu machen. Fußball ist wohl so attraktiv,
weil das Mannschaftsdienliche augenscheinlich ist und jedes Tor einen Kraftakt
der ganzen Elf vollendet. Auch ein Fest muß von allen gewollt sein
und dann auch von möglichst vielen ausgerichtet werden. Und mit Arbeit
Geld verdienen, für das man anderer Leute Arbeit kaufen kann, ist
doch normal.
Arm dran sind die Nichtgewollten, die nicht in die Mannschaft gewählten,
die zum Fest nicht Geladenen. Scham bedrängt die ohne Arbeit. Abgestumpfte
Mienen sind bloß gespielt. Alle wollen sich beteiligen am Dienst
der Menschen. Aber wir brauchen Anleiter, Ins-Spiel-Bringer, Lehrer, Trainer,
Nachfragende. Ist man länger rausgeschossen, ins Abseits gestellt,
gekränkt, dann muß man auf niedrigerem Niveau neu anfangen.
Du darfst nur nicht deine Lust am Mitmischen verlieren. Du kannst was,
du hast Kraft, du hast Zeit. Du bist nicht so hochmütig, sofort viel
Geld zu verlangen. �Laß mich die Arbeit machen, am Abend geben Sie
mir, was Ihnen meine Mühe wert war. Dann überlege ich, ob ich
dafür morgen wieder komme.� � So einfach geht das bei tausend Gelegenheiten,
wenn du bereit bist, dich am Dienst der Menschen zu beteiligen.
Siehst du dich aber ausgebootet und schikaniert, dann kann in dir eine
Leere wachsen. Die macht dich dann klein und du willst dich durch Suff
oder Spielsucht oder Raserei beseitigen. Bitte, lad dein Leid nicht auf
die Menschheit ab. In echter Not gibt es karge Hilfe. Aber du hast noch
Power, hast noch was zu geben. In deinen Tricks, dich klein zu machen oder
Stoff zu besorgen, bist du zäh und gerissen. Glaub dir dein Ausgebranntsein
nicht. Du, setzt noch einmal an zum großen Sprung, zu einer stetigen
Arbeit, die dich aus der Selbstverachtung rausholt.
Geh wieder zum Arbeitsamt. Oder trag Zeitung aus. Oder streich mal
wieder deine Wohnung und dann gibst du eine Fete: �Ich bin wieder da. Feiert
meine Auferstehung mit. Ab jetzt geht�s aufwärts, auch mit dem Rückenwind
eurer Freundschaft.� � So ähnlich schreiben und aushängen am
Schwarzen Brett im Hausflur. Wir brauchen Zeugen für unseren neuen
Anfang.
Und räche dich nicht. Geh Streit aus dem Weg. Hast du aber Schuld
auf dich geladen, geh hin, sag, es tut Dir leid, biete ein Stück Wiedergutmachen
an. Wir können nicht andere ändern, nur uns selbst, ein Stück.
Lerne auch die Kunst, die Dinge ruhen zu lassen. Eine Quelle wird durch
eine kleine Störung getrübt. Sie wird nicht helle, indem man
drin rumrührt, sondern indem man sie sich selbst überläßt
(B. Gracian). Manches muß seinen Lauf nehmen. Und alles hat seine
Zeit. Tun und Lassen hat seine Zeit.