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Traugott Giesen Kolumne 29.08.1998 aus Hamburger Morgenpost

Schwule zum Standesamt.

Dem Hamburger Senat ist zu gratulieren. Ein Gesetzentwurf ebnet Schwulen und Lesben den Weg, ihre Partnerschaft vor dem Notar des Staates eintragen zu lassen und darüber eine Urkunde zu erlangen. Eine Ehe mit Brief und Siegel wird es nicht. Aber doch schafft es die Gesellschaft endlich, auch nichtehelichen Partnerschaften eine Art von Legalisierung zu bescheinigen. Und achtet endlich auch die Zugehörlust gleichgeschlechtlicher Menschen.
Damit nimmt sie der Ehe nichts von ihrer Würde, im Gegenteil. Es gibt Menschen, die nicht eine Ehe von Mann und Frau leben können; eben, weil sie die normale Definition von Mann und Frau übertreffen oder unterbieten � je nachdem wie man es sieht. Sie lieben als Frau Frau oder als Mann Mann � sie fühlen anders als die Mehrheit. Aber sie halten doch das Muster Ehe für so maßgebend, daß sie die auch wollen, oder wenigstens ähnliches.
Einige Kirchenleute werden Verwahrlosung der Sitten wittern und Verfall der Werte. Auch sie haben ein Recht auf Toleranz. Sie haben ein eisernes Bild von Ehe � ein Mann heiratet eine Frau, sie sind von Gott aneinandergeschmiedet, bis daß der Tod sie scheidet, sie bekommen die von Gott gemeinten Kinder und dafür dürfen sie die Wonnen der körperlichen Liebe genießen. Liebesumarmung als Exklusivgeschenk an Eheleute � alle andere Liebesumarmung darf nicht sein; diese enge Sicht der Dinge ist doch Ausfluß eines kümmerlich-kleinlichen Gott.
Das Geheimnis der Welt ist Liebe und bewegt den Kosmos und alle Gestirne. Alle Zuneigung ist aus seiner Allmacht tätig. Alle Liebe, die nicht Gewalt antut, ist gesegnet. Jesus selber wahr (wohl) nicht verheiratet, doch intensiv befreundet. Sein Lieblingsjünger hieß Johannes, er wird in herrlichen Gemälden vom Abendmahl an Jesu Schulter liegend dargestellt. Aber alle langen Gespräche sind wohl mit Frauen gelungen. Jesus war ein Freund der Frauen � �sie dienten ihm und den Jüngern mit ihrer Habe�, steht in der Bibel. � Natürlich galt in biblischer Zeit gleichgeschlechtliche Liebe als höchst bedrohlich. Sie raubte dem Volk den Nachwuchs. Und später dann idealisierte man Enthaltsamkeit insgesamt als Himmelsleiter.
Sicher bleibt grundlegend: Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde als Mann und Frau. Aber das meint doch: Gott ist nicht einsam, nicht autark sondern auf Ergänzung aus. Und so macht er auch sein Gegenüber zum sozialen Wesen, auf mindestens einen Sozius, eine Sozia aus, macht uns paarig. Aber �Mann� ist verschieden und �Frau� ist vielfältig. Das Geschlechtliche ist nur eine Ebene des Menschseins und hat viele Farben. Anscheinend liebt Gott die Fülle der Möglichkeiten. Zu behaupten, nur die hiesige bürgerliche Ehe sei der Wille Gottes, wäre doch zu mickrig.
 


 




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