Traugott Giesen Kolumne 18.07.1998 aus Hamburger
Morgenpost
Männer zum Reden bringen
Zwei von drei Frauen wünschen sich sprachlustigere Männer.
Sind Frauen miteinander los, so summt das Reden wie ein Bienenkorb.
Kreisen Männer am Stammtisch nach ein paar Bierchen, so kann kaum
einer noch sein eigenes Wort verstehen. � Unter ihresgleichen nehmen sich
Frau und Mann nicht viel in Sachen Redelust. Sollte also die Ehe Sprachlähmung
über den Mann bringen. Ein Jammer wäre es.
Denn Ehe und intensive Freundschaft ist doch gemacht dazu, daß
die beiden sich erkennen. Sie haben sich geradezu Einmischung erbeten.
Sie wollen mit dem andern auf dem Laufenden sein. Sie wollen einander austauschen.
Sie haben geradezu geheiratet, um nicht allein zu sein mit der je eigenen
Wahrheit: Jeder sehnt sich danach: Einer muß mich doch mögen,
gerade in Kenntnis von (fast) all meinen Seiten.
Weit über den Nachrichtenwert hinaus reicht der Grund des Redens.
Die beiden spinnen einen Sprachraum, sie sind sprachlich ständig in
Fühlung. Sie stimmen einander, gar nicht zuerst durch Sachmitteilungen
sondern die Stimme sagt die Stimmung an. Mißmut, Zweifel, Freude,
Locken kommt sprachlich.
Reden miteinander ist der Sauerstoff der Liebe. Und es kann Körperverletzung
sein, wenn einer stumm bleibt � was aber auch Abwehr von Zugeschüttetwerden
sein kann. Zueinander Gehörende müssen auch die Sprachbedürftigkeit
abstimmen. Und gerade auf diesem Feld ist es klug, nicht alles von dem
Einen zu erwarten.
Man sagt, daß Männer mehr an Sachverhalten interessiert
seien und Frauen an Beziehungen. Männer diskutieren eher, ob das Foul
eine Rote Karte verdient hat; Frauen erörtern lieber den Eindruck
von Menschen. Und da sich das Foul per Video leicht wiederholen läßt,
ist die Sache bald geklärt. Aber ob der Politiker, die Politikerin
vertrauensvoll scheint, das hat hundert Facetten, warum Frauen einfach
länger brauchen. Sie differenzieren mehr, sie erläutern gern
ihre Stellung im Geschehen. Sie haben eine bessere Witterung für faule
Sachen, während Männer oft so dumpf von sich überzeugt sind.
Sie halten für "dumm Tüch", was der Frau längst ein abgekartetes
Spiel ist oder jedenfalls sein könnte. Und darum müßte
man viel reden. Aber Mann drückt sich gern vorm Klären, begräbt
lieber Ungereimtheiten, während Frauen an ihnen ihre Sinne schärfen.
Auch der Schweiger redet. Ganze Hörspiele laufen in seinem inneren
Ohr, Dialoge übt er vor sich hin. Frau: Sei ihm Hebamme für sein
Reden. Zart und geduldig führe ihn von Wort zu Wort. Bau ihm Brücken
aus klugen Fragen. Hilf ihm, sich zu äußern, daß er nicht
ersticke. Fache noch mal dein Interesse an seinen Sachen an, mache ihn
stutzig. Und auch du wirst zu Gehör kommen.