Traugott Giesen Kolumne 11.04.1998 aus Hamburger Morgenpost
Auferstehen mitten am Tag
Wenn Weihnachten das wärmste Christenfest ist, ist Ostern jedenfalls
das überzeugendste. Ostern prangt vor Farben. Vom Eise befreit sind
Ströme und Bäche, die Knospen sprengen auf, es grünt so
grün, die Natur schlägt ein neues Kapitel auf.
Und auch Gott ruft mit Jesus einen neuen Schöpfungstag ins Werden.
Karfreitag soll nicht das Ende der Dienstreise Jesu gewesen sein. Bis zum
Äußersten hat dieser wunderbare Mensch für den guten Gott
Zeugnis abgelegt. Noch im Sterben kehrte er die unter seinem Kreuz Trauernden
zueinander, daß wir einander liebevoll annehmen. Jesus setzte den
vergifteten, herrischen Rachegott außer Kraft und auch den eisenklirrenden
Menschen; er setzt den Gott der Liebe ein und den mitfühlenden Menschen.
Zu Recht?
Alles hängt an Ostern. Das Geschehen ist: Nicht aus ist er und
vorbei, sondern intensiver hier ist er. Sein Wesen bleibt nicht dahinten,
sein Glaubensmut geht mit uns durch die Zeit. Der Christus aufersteht in
jedem Trösten und Teilen, in Heilen und Streicheln, in Helfen und
Anfang schaffen. Jesus ist neben anderen Heiligen die Vertrauensbildende
Maßnahme des Lebens überhaupt. Ihm kann ich es einfach nicht
abschlagen, an Gott zu glauben. Und den Müttern nicht, die für
ihre Brut sich abmühen, und den vielen namenlosen Liebenden nicht,
die sich bücken für andere und ihr letztes Hemd geben.
Heller als tausend Sonnen scheint Jesus uns ins Bewußtsein; sein
Auferstehen ist die stärkste Revolution überhaupt. Er hat dem
Tod die Macht genommen; nicht so flachsinnig, als wäre sein Körper
wiederhergestellt � sondern: Die Liebe ist stärker als der Tod. Liebe
hüllt unsern Kern ein, der im Sterben abgeschält wird vom Leib,
um verwandelt zu werden in neuen Körpern, Kleidern und Kantaten. Wir
sind nicht zum Vergehen erfunden sondern zum Bleiben bestellt. Ostern heißt:
Immer hat uns die Liebe in Arbeit. Auch wenn wir uns nur als Raupen sehen,
wird doch daraus ein Schmetterling. � Gut, daß wir Ostern im Frühling
feiern. Wo vorher Dürre, Kahles, Stummes war, da tanzt das Leben.
Frühlingserwachen läßt die Sprengkraft von Jesu Auferstehung
erahnen. Vor uns Zukunft, Wandel, Neuland, vor uns eine neue Kreatur �
ich, du im Werden, unverloren, für Besseres, Schöneres, Heileres
bestimmt.
�Die Auferstehung ist die härteste Währung auf dem Markt,
wo Hoffnungen gehandelt werden� (Wolf Biermann). Das meint: Wenn sogar
unser Lebensende in ein neues Anfangen verschlungen wird, haben wir allen
Grund, vor uns Neues zu sehen. So verbanne alles Schattenhafte entschlossen;
alles Starre in dir laß strömen; mach deine Kräfte flüssig.
Laß die Furcht vor dem Tod, laß die Furcht vor dem Leben. Perplex
ist alles, staune, lache, Ostern ist.