Traugott Giesen Kolumne 02.09.1997 aus Hamburger Morgenpost
Gebet für Diana und uns
Du bist in Gott, im Herzen der Welt, du bist im Frieden, du bist im
Heil. Für dich gilt auch, was der alte Kirchenvater Augustin sagte:
�Meine Seele ist unruhig in mir, bis sie ruht in dir.� Nun bist du uns
allen entronnen, du bist frei und gehst deine Wege in der anderen Welt,
wir kommen nach.
Ich danke Gott für dich, du hast vielen Menschen Freude gemacht,
du warst uns eine ferne Schwester, die Glanz und Elend des Berühmtseins
abbekam. Wir haben dich beneidet, und waren auch wieder froh, daß
unsere Dummheiten und unser Weinen ohne Kameras geschehen darf.
Wir bitten um Vergebung für üble Nachrede, für so viel
Dir in den Mund gelegtes Zeug. Wir wollten an deinem Leben teilhaben, wollten
dich berühren, wollten einen Fetzen Stoff, den du am Leib getragen
hast, besitzen als Talisman, das war schon irre von uns. Deine Schönheit
hatte etwas Leuchtendes, sicher auch, weil Schmerz und Enttäuschung
dabei war, ein Zug Wehmut war um dich wie um alles Schöne, das ja
nur Bild des Gutenganzen ist, so schmerzlich vergänglich, wie die
geknickte Blume.
Daß Sterben uns so überfallen kann � ja, mitten wir im Leben
sind, von dem Tod umfangen � wenn Du Gott nicht uns in Deiner Hand behieltest,
wo sollten wir hin mit unserer Zerrissenheit.
Auch den Kindern, Gott, bleibst du gut � bewahre sie vor unserer Gier,
sie zu umarmen und mit unserer Zuneigung zu erdrücken. Erlöse
Charles von Gedanken der Unzulänglichkeit; auch wenn ihre Liebe nicht
währte, war sie doch gesegnet zu ihrer Zeit.
Diana schien uns ein Mensch, der uns allen gehörte; ein wenig fühlten
wir uns alle auch von ihr geliebt und wie mit unsichtbaren Adern an sie
angeschlossen. Das ist sicher plump und Wunschdenken gewesen, aber auf
geheime Weise nahmen viele von uns sie zum Pfand für die eine Menschheitsfamilie.
Ob alt oder jung, sie war vielen näher als die eigene Verwandtschaft,
man gab ihr Interesse und nahm von ihr Blicke und Gesten als persönlich
gemeint.
Dank Dir, Geheimnis der Welt, für die guten Gedanken, die mit ihr
in die Welt traten � sicher hat sich mancher auch ihrem Filmleben gewidmet,
statt selber zu leben. Die mögen jetzt aufwachen. �
Sie war die Märchenfigur der Moderne. Was sie anfaßte wurde
ihr zu Gold, zu Traumstoff für Millionen; sie kam sich auch mißbraucht
und verfolgt vor. Aber �die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los�
(Goethe) � das ist auch Schicksal, das sie mit produziert hat. Sie hat
auch die Bühne der Welt gesucht. Sie hat viel Licht auf sich gezogen,
und manchmal wurde es ihr zuviel, aber das Interesse der Öffentlichkeit
läßt sich nicht abstellen auf Knopfdruck. Wir waren mit schuld
an dieser Gier, was von ihr zu haben. Dafür bitte ich um Vergebung.
Gott, Guter, erstatte ihr, was ihr hier versagt blieb. Mach sie heil an
Leib und Seele. Und uns laß noch Zeit, wir selber zu werden, eigene
Menschen. Amen