Kolumne 04. Dezember 2004 -
W�nsch Dir nur eins, w�nsch Dir Wunschkraft
Traugott Giesen Kolumne 04.12.2004 aus "Die Welt" Ausgabe
Hamburg
W�nsch Dir nur eins, w�nsch Dir Wunschkraft
Himmel und Erde
von Traugott Giesen
In diesen Tagen denken wir mehr als sonst auch an andere. Besorgen liebevoll einige Dinge, planen notwendige Einladungen. Und erfüllen uns ein paar kleine Wünsche. Eigentlich sind wir arm vor Bescheidenheit. Wir wünschen und sehnen uns unter Niveau. Sind wir so schwach im Kopf, daß Schnäppchen unsere höchste Freude sind und Lotto unsere Rettung? Dann ist es höchste Zeit für Advent, der spannt uns ein in einen Rahmen der großen Hoffung: Geboren ist der Menschheitserlöser - Leben soll keine Strafe sein, es soll gut werden für alle.
Noch hat jeder vierte Krebs, jeder zwölfte ist Alkoholiker, jeder sechste kommt nur mit Antidepressiva über die Runden hier, und jeder zweite auf der Erde hat kein sauberes Wasser. Fünf Millionen Menschen wollen für andere arbeiten, im Erdmaßstab wohl jeder dritte - und werden nicht gebraucht. Wir müssen größer denken, inniger beten, fleißiger lernen, geistvoller hoffen. Elias Canetti sagte es so: "Aber die eigentlichen, die reinen Hoffnungen, die man nicht für sich selber hat, deren Erfüllungen einem gar nicht persönlich zugute kommen sollen, diese Hoffnungen, die man für alle anderen bereithält, für die Enkel, die gar nicht die eigenen Enkel sein werden, für die Ungeborenen, von bösen und guten Eltern, von Kriegern und sanften Aposteln, als wäre man aller Enkel geheimer Stammvater, diese Hoffnungen aus angeborener Güte der menschlichen Natur, denn auch die Güte ist angeboren, besonders nach solchen Kriegen, diese sonnengelben Hoffnungen soll man nähren, soll man hegen, bewundern, streicheln und schaukeln... von nichts sonst hängt es so sehr ab, daß wir nicht ganz ersticken."
Die Botschaft zur Geburt Christi heißt: Gott setzt seine Ehre durch in der Höhe und in der Tiefe, es wird Friede auf Erden, und wir Menschen finden Wohlgefallen aneinander. Es kommt nur darauf an, in Richtung dieses Versprechens zu leben. Tank den Treibstoff Hoffnung aus dem großen Glauben, daß die Schöpfung noch in Arbeit des guten Gottes ist, und wir sind nötig hier als Vorarbeiter der kommenden, besseren Welt.
Hoffe groß! Ich denke für mich, ich lasse schrumpfen die kleinkarierten Sorgen um mein kleines privates Wohl. Und will lernen, auf Privilegien zu verzichten, was ich als Bürger einer reichen Weltgegend für Vorteile genieße, will ich ein Stück weit mit "Brot für die Welt" abgelten.
Vor uns nicht nur ausgepumpte Öl- und Atom-Müll-Lager, sondern - wenn es nicht so mit Ironie besetzt wäre - blühende Landschaften und Frauen und Männer, die endlich sich befreunden und viele Tätige in Nachbarschaft und Pflege und Deutschkenntnisse für Zugewanderte von Einheimischen, die Lust haben, auch die fremde Sprache zu lernen. Und Energie aus Wind und Sonne und Erdwärme. Und mehr Forschung für Heilmittel gegen Krebs und Aids. Und eigene Vorsorge fürs Alter. Und Lust an Kindern, Enkeln. Für sonnengelbe Hoffnungen ist der Advent die richtige Zeit. Wünschen wir uns Wunschkraft.