Kolumne 01. März 2003 -
Geiz ist Gier
Traugott Giesen Kolumne 01.03.2003 aus "Die Welt" Ausgabe
Hamburg
Geiz ist Gier
Kann man mit dem Slogan: Geiz ist geil" fürs Geldausgeben werben?
Ist es nicht so ähnlich, als locke die Schlemmerkneipe: Je mehr
Du hier isst, umso schlanker wirst Du." Eigentlich geht der Spruch nicht,
keiner ist gern geizig. Geiz und Gier - beides hat dieselbe Wurzel - ist
nur mies. Und doch macht die Firma mit ihrem Knallsatz gute Geschäfte.
Eine Sünde wird zur Tugend umgedeutet und verheißt dem Gläubigen
den Duft des cleveren Trendsetters. Aber vielleicht haben wir keine Ahnung
mehr, was welches Wort bedeutet. Die Werbung will ja den Käufer locken,
der Ausschau hält nach vorteilhaften Angeboten, aus Not oder in sportlicher
Gesinnung. Es ist dran, dass viele sparen müssen. Jedenfalls gilt es
nicht mehr als chic zu zahlen, was verlangt wird, oder man geht gleich zum
Billiganbieter.
Ja, ökonomisch denken ist eine große Leistung. Die Waren und
Dienstleistungen haben ihren Preis, der festgelegt wird durch Anbieter und
Nachfrager. Sammelt man durch Werbung viele Nachfrager, kann man höhere
Mengen zu niedrigerem Preis einkaufen, also auch zu günstigerem Preis
auf den Markt bringen, was wieder mehr Nachfrage beschafft. Milliardär
werden damit, dass man vielen viel Ware für wenig Geld besorgt - das
ist gekonnt. Inzwischen werden die Erwartungen aus Läden mit den
großen Mengen zu kleinen Preisen auch auf ganz anderes Gewerbe
übertragen: Der Einzelhandel in Möbeln, hochwertiger Kleidung und
schönen Sachen kann Ausgefallenes aber nicht massenhaft verkaufen, weil
ja der Reiz des Schönen vom Seltensein lebt; wie festliches Speisen
Zeit brauchen und Personal und Künstler des Gaumens am Herd. Im guten
Restaurant sind wir Gäste, die eingeladen sind. Wenn Menschen sich um
uns mühen, dann müssen wir das honorieren, also ehren, etwa in
der Größenordnung, wie wir unsere Arbeitszeit vergütet bekommen.
Aber bei Massenware den Preis drücken, das hat sogar was volkswirtschaftlich
Förderliches, weil es den Anbieter nach vorn bringt, der am effektivsten
mit Arbeit und Ware und Energie umgehen kann. Aber alles, was mit Kunst zu
tun hat und mit Erfahrung, mit Geist und Freude, das ist schlecht zu
drücken. Es nimmt die Lust, für seine Kunden auf Messen das Richtige
zu finden, auch dem Schreiber ist zum Zeitdruck der geduckte Zeilenpreis
nicht förderlich; der Arzt wird patientengerecht nur wirken können,
wenn er nicht ans Geld denken muss dabei.
Geiz ist was ganz anderes als Sparsamkeit. Es ist die Gier nach Geld als
Endzweck: Der Geizige liebt das Geld, wie man einen sehr verehrten
Menschen liebt. In dessen bloßem Dasein liegt schon Seligkeit, auch
ohne dass unser Verhältnis zu ihm in die Einzelheit konkreten
Genießens einginge", (Georg Simmel). Der Geizige hält das Geld
für so heilig, dass er selbst es nur bewachen und vermehren, es eigentlich
auch nicht ausgeben darf. Er wird ungesellig sein und hart, auch gegen sich.
Geiz sollte uns nicht ins Herz kriechen - das erfreute höchstens die
Erben.