Traugott Giesen Kolumne 28.09.2002
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Gute Nachrichten tun gut
"Das Böse kann die ganze Welt verwüsten,
weil es wie ein Pilz an der Oberfläche weiter wuchert. Tief aber und
radikal ist immer nur das Gute" (Hannah Ahrendt). Das müssen wir ganz
klar im Kopf haben, müssen es uns hinter die Ohren und sonst wo
hinschreiben. Dies Jammern und Klagen, dass alles den Bach runtergehe, vergiftet
das Leben.
Ja, manchmal kommt es dicke. Das Leben ist keine
Nuss, die sich zwischen weichen Kissen knacken lässt. Manches mal ist
man schon arm dran. Und mancher hat es noch schlimmer als andere. Mehr als
4500 Menschen in Hamburg haben kein Dach überm Kopf, sie leben auf der
Straße, haben nur, was sie am Leibe tragen. Sie suchen nach Halt und
warmer Mahlzeit. Aber gerade die, die viel zu weinen haben, lachen auch viel,
weil sie viel teilen und zusammen sich freuen auf bessere Tage. Sie reden
gerade nicht das Leben schlecht, sie verteidigen es, sogar gegen sich
selbst.
Ziehen wir lustvoll-mürrisch den Klecks
über das ganze Heft aus? Malen grau in grau, jammern gern und beschweren
uns, dass die Schlagzeilen immer schlimmer werden? Da sind doch Menschen
ein Schatz, die entschuldigen, Gutes reden, zum Besten kehren; die ohne Aufhebens
das Haar aus der Suppe nehmen, die im Gespräch über die Peinlichkeit
hinwegreden, die aufhelfen, Chancen auftun, wieder und wieder anfangen. Das
Runterziehen und Bekritteln hat etwas Lockendes: Du fühlst dich als
Beurteiler mächtig. Zweitens: Wenn es schief geht, dann hast du es immer
gewusst, bist also scheinbar gut raus. Und drittens ist es natürlich
eine Rache für eigene Wunden: Jeder hat einen über sich, von dem
er die Meinung gesagt bekommt; da scheint Schlucken ratsamer, bis einer kommt,
dem man es gefahrlos geben kann.
In der Zeitung lesen wir gern von schlimmen
Sachen, weil es glücklicherweise die andern traf. Auch geben wir vor,
aus deren Fehlern zu lernen. Wir brauchen wohl ein Päckchen Aufatmen,
dass wir die Beschützten und Entronnenen sind. Wir sehen dann unmittelbar
uns als Bevorzugte des Schicksals. Ein Schuss Schadenfreude kommt hinzu,
wenn's einen traf, den wir beneideten, weil er uns unverletzbar schien. Aber
dem Leben bekommen gute Nachrichten besser. Nähme das Böse
überhand, wären wir auf Schussfahrt ins Kaputte. Doch wir setzen
auf Zukunft, auf Gewinn, auf Freude, auf auskömmliches Zusammenleben,
hoffen für Kinder und Enkel oder werden Paten in Notgebieten. In uns
ist etwas Heiliges angerührt, wenn wir Erbarmen spüren.
Triumphal werden die New Yorker Feuerwehrleute
gefeiert, wo sie auch hinkommen. Und Achtung gilt doch den Soldaten, die
in Jugoslawien und Afghanistan helfen, Kriegswunden zu heilen. Und den
Sozialarbeitern, die Notleidende geleiten; den Lehrerinnen, die Kinder
verschiedenster Kulturen befreunden, den Menschen in der Politik, die sauber
bleiben - und dir. Es ist mehr Gutes als Schlechtes, auch durch dich.