Traugott Giesen Kolumne 27.07.2002
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Arbeitslose sind's nicht gerne
Hätten wir genug offene Stellen, aber nicht
genug Arbeitsfreudige, dann könnte man arbeitswilliger machen durch
Kürzung der Stütze. Aber so lange auf eine offene Stelle vielfach
mehr Arbeitslose kommen, bestraft Kürzung die schon Gebeutelten nur
noch mehr. Gern würden neun von zehn wieder arbeiten. Aber wir alle
sind nicht bereit, Arbeit abzutreten - siehe die Menge der Überstunden.
Wir zögern, Dienstleistungen uns gefallen zu lassen (einpacken an der
Kasse), wir sind nicht fantasievoll genug für Jobsharing, wir
fürchten, entbehrlich zu werden und nehmen kein Sabbatjahr, wir haben
Angst, ohne die Peitsche der Pflicht umzufallen. Und wir ehren die ehrenamtlich
getane Arbeit nicht - die Hauptamtlichen argwöhnen, ihnen werde Arbeit
weggenommen; herrisch bewachen wir unsere Privilegien, das bezahlte Telefon,
die Dienstkilometer - wie lange warten Ehrenamtliche auf ausgemachte
Honorare.
Wer arbeitslos ist, ist längst nicht ohne
Arbeit. Die ohne bezahlte Arbeit tun oft ganz viel, allein die Hausarbeit,
als Beruf gelebt, kommt teuer zu stehen. Auch die häusliche Pflege ist
mit dem Pflegegeld nur zu einem kleinen Teil bezahlt - das merkt man doch
an dem Abstand zwischen Pflegegeld und den Kosten für einen
Altersheimplatz.
Ein Skandal ist die hohe Arbeitslosigkeit bei
Jugendlichen. Ihnen den Umzug schmackhaft zu machen in Gegenden mit mehr
Arbeit ist nötig. Nötig ist auch, ihnen die Lust zu fördern,
erwachsen zu werden durch Lassen von Mamas Rockzipfel. Überhaupt muss
Kindern schon früh beigestanden werden, dass sie ihre Begabungen leben
können. Eltern müssen unterstützt werden durch Kindergärten.
Nichts erzieht so gut wie Kinder sich untereinander bei kluger Anleitung.
Wir brauchen wie den gebührenlosen Schulplatz den kostenlosen
Kindergartenplatz für alle Kinder. Hier werden ihnen soziale und sprachliche
Fähigkeiten liebevoll beigebracht und damit der Weg ins eigenverantwortliche
Erwachsenenleben geebnet.
Das Kind bringt eine Lust mit, herzustellen,
in Bewegung zu setzen, zu helfen und zu können. Eines der ersten Worte
der Kinder ist "selber, selber!". Man muss den Kindern die Lust an Leistung
nicht anerziehen, kann sie ihnen aber leicht aberziehen durch Bedenken, durch
Einschränken, durch Überbehütung und Verwöhnen. Beim
Malen, Teigkneten, Verkleiden, Burgenbauen können die Kinder, vor allem
wenn Eltern oder Großeltern mal begeistert mitmachen, viel entdecken
- vor allem, dass wir nicht irgendetwas, sondern uns verwirklichen, durch
Arbeit. Wir sind, was wir tun. Wir sind noch mehr, sind von Gott Geliebte
und vom Leben Ausgehaltene. Aber wir sind auch, was wir tun und lassen. Es
hat mit uns zu tun, was wir tun. Darum, mach deins, und kämpf, das tun
zu können, was du gern tust! Dann läuft auch das nötige Geld
hinterher und wenn nicht, dann nimm die Stütze in Anspruch.
Und Du, der du dem Arbeitslosen die Stütze
nicht gönnst, wie erklärst du dir, dein Geld selbst verdienen zu
können? Es ist doch alles Gnade; auch deine Begabung, so nützlich
sein zu können, ist doch nicht dein Verdienst. Und es ist doch offen,
ob du deine Arbeit behältst.