Traugott Giesen Kolumne 20.07.2002
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Homos nehmen der Ehe nichts weg
Die Ehe ist ein weltlich Ding, hat Martin Luther
gesagt, und der Eheschließung den Platz vor der Kirchentür angewiesen.
Er hat die Ehe als emanzipatorischen Akt gefeiert, hat damit dem Papst das
Recht bestritten, den Priestern die Ehe zu verweigern und überhaupt
Recht festzusetzen.. Aber solange die Römisch Katholische Kirche sich
leiten lässt von einem Papst, dem sie das Lehramt zuspricht, kann der
natürlich auch sagen, welche Bedingungen seine Angestellten zu
erfüllen haben.
Die Katholische Kirche hat wohl das Recht zu
definieren, was sie für römisch-katholisches Eherecht hält.
Aber es steht ihr nicht zu, für Gesamtkirche zu reden. In Gestalt von
Papst und auch der Katholischen Bischofskonferenz hält sie ja daran
fest: Die Ehe, nicht nur die katholische, nicht nur die christliche, sondern
überhaupt, sei festgelegt auf das Bündnis zweier Menschen verschiedenen
Geschlechts, zwecks Kinderaufzucht. Dahinter steht, dass der ganze Bereich
der Liebesumarmung nur geschaffen sei und dem Menschen nur geschenkt sei
für das Erden der nächsten Generation. Darum ja sei auch
Empfängnisverhütung nicht im Sinne des göttlichen Erfinders.
Klar, dass dann Kardinal Lehmann auch die Homo-Ehe für einen
semantischen Betrug" hält. Weil ja Ehe im wesentlichen Elternschaft
ist.
Das starke Geschütz vom semantischen-also
"Bezeichnungs-Betrug" gilt eben nur unter der Bedingung, dass Ehe ist, was
der Papst davon hält. Das aber hat der Herr Kardinal geflissentlich
verschwiegen.
Nun aber spricht ja Karlsruhe Recht aufgrund
des Grundgesetzes, das keine Schrift der Kirche ist bei allen glücklichen
Einsichten aus christlichem Quellgrund. Ich bin jedenfalls dankbar, dass
homophile Paare jetzt rechtlich den Ehepaaren nahezu gleich gestellt sind.
Es bleiben genügend Differenzen und genug Wehmut. Aber ich als Teil
eines Ehepaares fühle mich nicht beraubt, wenn homosexuell geprägte
Menschen sich auch Ehepaar nennen dürfen. Die mehrheitlich üblichen
Ehen werden doch nicht verpflichtet, verschiedengeschlechtlich" im
Briefkopf zu führen. Ein christliches Ehebild, das gleichgeschlechtlichen
Paaren die Zweitrangigkeit zementierte, gibt es jedenfalls nicht.
Alle die groß von Ehe denken, müssten
eigentlich jubeln, dass diese Institution so hoch im Kurs steht. Die Ehe
hütet eben die einzige Liebe ohne Illusion, weil sie die Bereitschaft
einschließt, miteinander alt zu werden" - so A. Camus. Das altgewordene
Paar auf der Bank ist das Traumbild der Liebe und die zwei, von denen einer
schwer krank ist, und dem andern den Schweiß von der Stirn wäscht.
Die für einander Verantwortung tragen, die sich anvertraut und einander
zugemutet wissen, von Gott, vom Leben - die leben Ehe, auch wenn sie das
Siegel von Staat und Kirche nicht hätten.
Dass homophile Paare die rechtliche Gleichstellung
mit Ehe jetzt sich bescheinigen lassen können, ist gut. Und auch gut,
dass der Staat der römisch-katholischen Kirche nicht mehr das Monopol
auf die inhaltliche Füllung von Ehe lässt. Und auch gut, wenn
evangelische Ehe-Verlautbarungen ihre evangelische Weisheit auch gegenüber
der Katholischen Bischofskonferenz nicht vergisst.