Traugott Giesen Kolumne 19.01.2002
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Satanismus - welch ein Wahn
Werte, die anderen heilig sind, in den Dreck
zu ziehen - das verletzt und erschreckt. Das Wahre, Gute, Schöne für
langweilig zu erklären und das Gegensätzliche hochzujubeln - beschafft
Machtgefühl. Die vermüllte Wohnung, die zerrissene Kleidung, die
Eltern-Ordnung auf den Kopf stellen, das hilft, sich vom Elternhaus
gründlich zu distanzieren. Will man auffallen, muss man widerlich scheinen,
die eben modische Tour dazu ist die Antireligion des Satanismus. Das umgekehrte
Kreuz, das rückwärts gelesene Vaterunser, Totenköpfe,
Teufelsmaskeraden und Fratzen, bizarre Hassgesänge sollen zeigen, zu
welcher Freiheit man sich entwickelt habe. Man will die im tradierten Glauben
Versunkenen aufstochern und benutzet Ekel, um sich vom Normalen abzusetzen.
Sie geben vor, sich selbst Gesetz zu sein - dazu hätte sie ihr Vater,
der Teufel, losgesprochen. In ihren Anti-Gottesdiensten kann Blut fließen,
sie ziehen das Abendmahl in den Dreck, sie schwören Gehorsam den Leitern
des Kultes und feiern ihre Entpersönlichung; sie wollen Werkzeug des
Bösen sein. Dieser Wahn ist das Gegenteil des Glaubens an den liebenden
Gott.
Es stimmt, an den Rändern der Bibel und
des Christentums schimmert Satanisches auf. Doch das Böse ist der Feind
Gottes, und der Sieg des Hellen steht bevor. Satan, dem Teufel, soll eine
Strecke Zeit eingeräumt sein, um die Menschen zu versuchen. Diese Theorie
ist von Jesus als Irrtum entlarvt, und Paulus sagt das erlösende Wort:
"Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, auch das Böse nicht."
Doch wenn auch das Böse kein Gegengott ist - es ist genug Böses
in der Welt. Wir, jeder, tut auch weh und wird auch schuldig. Gott arbeitet
noch daran, vom Bösen uns zu erlösen.
Manche glauben, Hass müsse noch mehr werden,
ehe es besser werden könne. Und meinen darum, gut zu tun, wenn sie
Böses tun. Und es gibt Menschen, die wähnen sich besessen vom Hassen;
sie sind fasziniert, also geschlagen von sadistischer Freude; sie wissen
sich von Satan geritten, halten sich selbst für die Verkörperung
eines großen Tieres mit der Zahl 666, das vom Schmerzzufügen auch
in sexuellen Praktiken sich nährt. Willenlos gemachte Menschen, auch
misshandelte Kinder dienen als aufgeilende Medien. Ins Gegenteil verkehrte
Messen stiften einen absurden Ernst, die Verfügungslust der als Priester
auftretenden Leiter und der feierlich gesättigte Unterwerfungshunger
der Opfer schaukeln sich gegenseitig hoch. Scheußlichkeiten und Verbrechen
dienen als Beweise für satanische Qualität.
Ob für sie Satan existiert oder nur Bild
ist der entfesselten Energie der "Bestie Mensch" - jedenfalls bilden sich
angstgetriebene Zeitgenossen mit Satanismus ein dramatisches Szenario ein.
Machtbesessene Seelendompteure, dazu Horrorfilme und die Homepages verschiedener
Satanszirkel verätzen Seelen mit dunklen Bilderwelten. Nur eins hilft
dagegen: Die reiche Bilderwelt der Liebe und des Schönen, die Begeisterung
für das Gute, die Wonnen der Arbeit an Gelingendem. Und Abgrenzung.
Und lebendige Christen, die Freundschaft anbieten, Gespräch und
Gebet.