Traugott Giesen Kolumne 28.07.2001
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Vom Glück eines eigenen
Hauses
Heutzutage wohnt man auch zur Miete gut und
hat die Auswahl. Und doch bleibt ein eigenes Haus des Menschen stärkster
Wunsch. Gar nicht nur aus Lust am Besitzen. Es bringt das Wissen, wo man
hingehört, schafft Heimat, hilft zum eigenes Reich: "Jeder Hund ist
Löwe in seinem Haus", sagt ein italienisches Sprichwort.
Es gibt genügend Vorschriften, die auch
Hausbesitzer in ihrem Freiheitswillen arg beschneiden. Man kann nicht einfach
noch ein Stück dranbauen, in manchen Orten gibt es Gestaltungssatzungen,
die Bedachung und Fenstergrößen vorschreiben. Und die über
den Zaun ragenden Äste, das zum Nachbarn treibende Laub, hat schon manche
Nachbarschaft vor Gericht getrieben. Und doch ist es ein Glück, nur
die Stimmen und Toilettenspülung der eigenen Familie zu hören,
nicht ertragen zu müssen, was der Nachbar hinter der dünnen Wand
für Zimmerlautstärke hält, keine immer nachwachsenden
Mieterhöhungen schlucken zu müssen. Herrlich auch, im Eigenen nach
Herzenslust brüllen oder singen zu können, wenn die Familie mitmacht,
auch Hunde und/oder Katzen nach eigener Lust zu hegen. Und feiern können
mit lieben Freunden, sooft und so lange einem danach ist.
Ein eigenes, bezahltes Haus ist wohl auch die
festeste Sicherheit, die auf Erden zu haben ist. "Wer sein Haus baut von
fremdem Geld, der sammelt Steine zu seinem eigenen Grab", warnt dagegen die
Bibel (Jesus Sirach 21,9). Inzwischen gibt es ja verlässliche Bausparkassen,
die bei genügend Eigenanteil den Rest zu fairen Bedingungen
vorschießen. Aber wie viele Menschen haben ihr Haus "auf Sand gebaut",
auf windige Aussichten und vage Versprechen von Verwandten und Kollegen.
Und sie mussten abbrechen, die Träume vom eigenen Paradies hielten der
Wirklichkeit nicht stand. Man hatte seine Kraft überschätzt, die
Kosten falsch berechnet, die Wünsche nicht beschnitten. Schmerzlich
auch die Verluste durch Scheidung, was man zu zweit noch schultern konnte,
muss man fahren lassen, damit jeder neu starten kann, irgendwie.
Ein eigenes Haus hielt schon der Prediger der
Bibel (2,4) für höchst wünschenswert: "Ich tat große
Dinge, ich baute mir ein Haus und pflanzte einen Weinberg" - gut, wenn man
nicht bei Null anfangen muss. Es ist ein Werk des Friedens, wenn Eltern und
überhaupt Allernächste, denen, die sie lieben, zu Eigenem verhelfen.
Nicht, dass sie sich zu Lebzeiten schon ausziehen, nicht dass sie sich für
die Kinder arm machen! Aber "der Eltern Segen baut den Kindern Häuser"
(Jesus Sirach 3,11).
Doch, wenn auch Beistand hoch willkommen bleibt,
am schönsten ist das Haus aus eigener Kraft. Das auch euch als Paar
ausdrückt. Das für lange Zeit noch in Liebe ausgebaut und mit Liebe
gefüllt sein will. Das anschaubar macht den Nutzen von Arbeit - eigener
und fremder. Das auch schätzen lehrt, was andere errungen haben. Das
dankbar macht.