Traugott Giesen Kolumne 05.05.2001
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Ehre den Ehrenamtlichen
Ob im Sport oder bei der Feuerwehr, ob bei den
Verbänden oder bei der Kirche - ohne Freiwillige existierten diese
hilfreichen Einrichtungen überhaupt nicht. Ein Glück, dass wir
sie haben; noch besser, wenn wir auch selbst ein Ehrenamt bekleiden. Aber
welche Ehre ist richtig für die Ämter ohne Lohn? Bürden, Pflichten
delegiert man gern, zumal umsonst, doch wo werden die Treuen liebevoll bedankt
und mit Aufmerksamkeit bedacht? Wo sitzen sie vorn? Wir brauchen noch viel
mehr helfende Menschen, also auch mehr Ehre.
Früher war die Familie stark, Blut hält
zu Blut, ansonsten musste man selbst mit allem fertig werden, musste schuften
bis zum Umfallen, da war kaum Zeit zum Grübeln, Tränen galten nichts.
Heute sind wir aufmerksam geworden, viel mehr Menschen sind für andere
da, Hauptamtliche und freiwillig Helfende. Stundenlang halten sie sich wach
bei der Telefonseelsorge, hören die Sorgen und Wünsche anderer
Menschen an, lindern und beraten. Trainer leiten die Lütten zum
Fußball an und fahren mit ihnen zu Spielen über Land. Die Frauen
und Männer der Gemeindevertretung suchen die am wenigsten ungerechte
Lösungen, der Kirchenvorstand baut Gemeinden; die den Senioren- und
Kartenklub vom Roten Kreuz treu ausrichten und Heimat schaffen. Und der die
Bilder vom Sturm über Sylt zeigt, erlöst viele tausend Mark für
den Küstenschutz. Und die den Elternbeirat bilden und die im Tierheim
helfen und die Chöre zusammenhalten und und und. Und manchmal haben
die noch nicht mal einen Schlüssel vom Gemeindehaus. Oder den Bus haben
längst die Hauptberuflichen für ihre Termine gesichert.
Doch die Ehrenamtlichen werden endlich eckiger
und wissen um ihren Wert. "Mein Lohn ist, dass ich dienen darf" - diese
Bescheidenheit ist vorbei. Noch immer wird im Artikel der Heimatzeitung gern
der Pastor abgelichet - schwarz steht ihm so gut. Aber dass die Hauptamtlichen
die Zuarbeitenden zu sein haben, diese Einsicht reift langsam bei Kirchen
und anderswo. Die wahre Ehre ist, den freien Bürger in seiner sozialen
Kompetenz zu stärken. Er soll seine Lust zur Nächstenliebe leben,
die Hauptberuflichen werden entgolten für kompetente Zubringerarbeit.
Die Wasserträger sollen die in Lohn und Gehalt Stehenden sein. Die arbeiten
aus Freude, aus Neigung, aus Gerechtigkeitssinn, aus Gemeinschaftslust, die
sollen genau das tun, was ihnen Freude macht und was sie können.
Die Drecksarbeit, die Maloche, die unerbittliche
Sicherung der Ordnung, das Gerüst fürs Funktionieren sollen die
Hauptamtlichen leisten gegen gutes Geld, sie haben keine Wahl. In Berufen
mit Menschen ist es höchstes Talent, andere Menschen zum Mitmachen zu
motivieren. Dazu muss man ihre Begabung erkennen und ihrer Lust zu wirken
den richtigen Platz einräumen. Grundsätzlich müssen sie alle
Informationen haben können, jedenfalls müssen sie selbst entscheiden,
was für sie wissenswert ist. Und Erfolg muss geteilt werden. Dann wäre
der Anfang vom Ehren gemacht.