Traugott Giesen Kolumne 14.04.2001
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Ostern - Start-up für Glaube
Die härteste Realität ist der Tod.
Ist der geknackt, ist alles möglich. Jesus ist auferstanden, weiß
der christliche Glaube. Würde man das Osterereignis als Comic malen,
ging der leuchtende Jesus wie ein Schneidbrenner durch Stahlwände. Die
gleißend-weiße Silhouette eröffnete einer endlosen Menschenschar
den Weg hinterher in ein gelobtes Land. Jedenfalls ist die Auferstehung die
härteste Währung auf dem Markt der Hoffnungen - so Wolf
Biermann.
Der Tod ist nicht mehr Wand, vor die unser Bios
knallt. Sondern sterbend münden wir. Allein schon dieses Bild vom
Münden kann Hoffnung entfachen und Entwicklung denkbar machen. Nenn'
es Gott oder heiliger Geist oder Lebensenergie oder Herz aller Dinge oder
Seele der Welt - wohinein wir münden, jedenfalls vor uns immer mehr,
nicht Nichts. Sterben als Hören den Ruf: "Kommt wieder Menschenkinder"
(Psalm 90). Dann werden wir unsere Garben bringen; wir, die mit Tränen
säten, werden mit Freuden ernten; dann wird unser Mund voll Lachen sein,
und wir werden sein wie die Träumenden (Psalm 126).
Keine Vertröstungen auf später, keine
üppigen Himmelsauen, aber erst recht keine Ewige Wiederkehr des Gleichen
und auf keinen Fall ein Angenageltsein ans hoffnungslose Kreuz der Wirklichkeit.
Gegen den ewigen Karfreitag aus Todesverhängnis und gegen endlose
Wiederholung der Leidenszeit ist christlicher Glaube das Wagnis der Freude.
Wir sind Erfindungen der Liebe. Die hat Großes mit uns vor. Und kann
nicht ablassen von uns. "Mit wem Gott einmal geredet hat, der ist gewiß
unsterblich" - sagte Luther. Einfach, weil das Ich der Welt seine Milliarden
Inkarnationen nicht verlieren kann.
Wie wir uns die von Liebe heraufgeführte
Gemeinschaft vorstellen - ist eine Frage der Phantasie und des
gegenwärtigen Mangels. "Leid wird nicht mehr sein" - sagt die Offenbarung.
Also ist es unsere Sache, in diese Richtung zu leben, das Fernziel im Nahziel
schon abzubilden.
Nicht die Wiederbelebung eines Toten, der dann
letztlich doch stirbt, ist Ostern: Sondern die Erschaffung des leuchtenden
Planets Jesus Christus. Seitdem hat das Menschsein ein göttliches Antlitz
und Gott ein menschliches Gesicht. In Sternstunden sind wir einander gut,
können uns beglücken, nähren, trösten, verstehen. Und
wir sehen den Himmel offen, es fällt uns wie Schuppen von den Augen,
Gott ist.
"Es könnte doch wahr sein, dass es unser
Schicksal ist , das Schicksal eines Zeitalters der klugen und unternehmenden
Erfahrung, alle Träume, Legenden und ausgeklügelten Begriffe in
Sachen "Gott" nur deshalb zu leugnen, weil wir uns auf der Höhe der
Welterforschung und -entdeckung wieder ihm zuwenden und zu ihm ein
Verhältnis der beginnenden Erfahrung gewinnen werden( nach R.
Musil).
Vor uns immer Erleuchtung, Freude, Befreundung,
vor uns Vergebung, Heilung, Frieden. Prinzip Hoffnung eben.