Traugott Giesen Kolumne 17.03.2001
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Lebensmut beschaffen
Esprit, Elan, Power, Lebenszunder brauchen wir
in Fülle. Vielleicht können Tiere da sein einfach so - wir Menschen
brauchen Antrieb, Sehnsucht, Wunschkraft. Wir müssen leben wollen. Was
treibt uns, gerne auf der Welt zu sein? Doch nicht zur Strafe wollen wir
hier sein. Das wäre ein verächtliches Meinen. Schon eher zur
Übung, um mal sehnsüchtig hinüberzugehen in eine bessere Welt.
Leben als Schule, bis wir versetzt werden in Erntezeit, reif geworden,
Erfüllung zu genießen. Aber das ist auch noch zu defizitär
gedacht. Hiersein ist doch herrlich (Rilke), Leben dürfen ist ein
großer Wurf. Wir werden nicht abfallen, wir nicht.
Dein Hochhalten spricht das Leben heilig, dein
Wertschätzen stärkt den Weltgeist, sich für Entwicklung weiter
ins Geschirr zu legen. Solange du das Leben willst und nicht
verstößt, hat Gott auch Lust, den Karren Wirklichkeit weiterzuziehen.
Du liest eine Feder aus dem Schlamm oder gibst ein Quantum "Brot für
die Welt", und beides ist eine kleine Rettung vorm Weltuntergang.
Schütte keinen Tintenklecks über dein
Lebensheft. Es ist so leicht, alles in den Dreck zu ziehen. "Überleg
einmal genau, wer wirklich schuld an deinem Griesgram ist! Du leidest
nämlich keineswegs an dem, was du wirklich siehst - du leidest bloß
an deinen ekligen Ansichten" (B. Strauss)! Wenn da was dran ist, dann hast
du alle Chancen, dich gesund zu glauben. Bitte, lerne gut von dir zu denken.
Du sollst dich doch lieben, wie deinen Nächsten und den Guten
Ganzen.
Du hast was zu geben, du hast was zu teilen,
du kannst was erzählen, du willst was bewirken. Begeisternd die Kinder,
wie sie selber wollen, "selber" ist eine Weile ihr Zauberwort. Und sie stemmen
die schwere Tasche und versuchen die Kartoffel zu schälen, sie kneten
den Teig, wollen bewundert werden. Etwas treibt uns, was zu schaffen. Etwas
in uns rappelt uns wieder hoch. Wir wollen unser Wachstum zeigen. Solange
du noch was kannst, bist du nötig. Und wenn du mal viel Hilfe brauchst,
nützt du erst recht: Du machst Wohltaten locker, entzündest Dank
für Fähigsein.
Freu dich, geliebt zu werden und zu lieben.
Umarme, küsse, sei zart - da ziehst du doch den Honig des Lebens raus.
Einen schön machen durch dein Wahrnehmen, einen gut machen und durch
dein Wort ihm zum Recht verhelfen. Dein humanes Pflichtbewusstsein besorgt
dir Frische zur Tat und ruhiges Gewissen. Und die Genugtuung tut doch gut,
einigermaßen klar zu kommen, dich und die Deinen ernähren zu
können, durch Nutzen für andere, und nicht so viel Müll zu
hinterlassen.
Und Freude lass dein Geheimnis sein. Das Leiden
hinterlässt in der Erinnerung lange, bittere Geschichten. Die Freude
schenkt uns nur Augenblicke des Glücks. Darum keine Freude auslassen,
viel Freude mit anrühren. Blumen, Spaziergänge in der Sonne, unterm
Sternhimmel, Gespräche, Musik, Lachen. Beschaff dir Lebensmut.