Traugott Giesen Kolumne 10.3.2001 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Wie Kirche bei Scheidung helfen kann
Kirche traut gern, die Evangelische zunehmend
auch Geschiedene. Sie hat Jesu Wort langsam verstanden, er sei nicht gekommen,
zu richten sondern zu retten. Auch sein Wort: "Was Gott zusammengefügt
hat, soll der Mensch nicht scheiden" ist kein Gesetz sondern ein Segen.
Er stellt unter Gottes Schutz, sagt zu, dass die Liebe bei ihnen bleibt
solange sie glauben, dass sie einander anvertraut sind.
Die Trauung spricht die Beiden einander
zu als Gabe und Aufgabe und betet für sie um Phantasie, Treue, Mitfühlen,
viel Lachen, viel Verstehen und Bereitschaft zum Sozialen und vor allem
um Zeit. Und dass sie immer wieder ein Ganzes werden.
Symbole stärken diesen Bund. Sie kommen
zur Kirche und bestätigen einander, dass sie ihre bisher getrennten
Wege jetzt am Altar in einen Weg münden sehen. Die Frage, ob sie sich
annehmen wollen aus Gottes Hand, und sich lieben wollen, bis dass der Tod
sie scheide, bejahen sie. Und geben einander die Ringe aus dem gleichen
Gold als Sinnbild für unendlich und echt.
Ob sie aber einander "Bessere Hälfte"
bleiben und immer mehr werden, ist fraglich. Ehe ist Arbeit. Immer wieder
aus zwei Charakteren, Körpern, Seelen, Köpfen, aus zwei Wunschwelten,
Sprachspeichern, Geschwindigkeiten, Kalendern ein Ganzes zu bauen, das
verlangt ein Zueinandergehören, das nicht von dieser Welt ist. Dies
Zusammengehören kann natürlich auch Kirche nicht garantieren.
Viele Ehen hätten gar nicht geschlossen werden dürfen. Oder mussten
sein, damit genau dieses Kind geerdet werden konnte, hatten aber darüber
hinaus keinen Halt. Jedenfalls ist es gut, dass Ehen auch wieder geschieden
werden können. Wenn die Zwei sich nur immer noch weher tun, ist ihre
Liebe aufgezehrt, und sie müssen sich lassen.
Kirche ist jetzt häufiger gefragt,
ob sie nicht zur Scheidung auch ein Ritual anbieten kann. Wir Menschen
brauchen ja an den Schanierstellen unseres Lebenslaufes Geleit und schützende
Worte. Und wenn Kirche dem Ehebeginn soviel Aufmerksamkeit schenkt, dann
ist das Ende der Ehe doch auch ein Wort Gottes wert.
Wenn für die Kinder das Elternsein
Beider aussichtsreich geregelt scheint und die Versorgung fair geordnet
ist, können beide vom Altar aus wieder zu getrennten Wegen einander
freisprechen. Können danken für die Zeit der Liebe und Freude,
können einander vergeben Schuld und Gehässigkeit, können
die Ringe auf dem Altar zurücklassen, mit der Auflage, sie fünf
Jahre zu verwahren und dann etwa für Brot für die Welt sie einzulösen.
Sie können füreinander beten und sich segnen lassen für
den je eigenen Weg. Kirche ist für Krisen da. Sie begleitet Sünder,
die sich auf irdische und unvollkommene Weise lieben. Darum darf Kirche
auch die Bruchstücke der Liebe segnen.