Traugott Giesen Kolumne
09.12.2000 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Keine Angst vor Weihnachten
Lass langsam gehn, Mitmensch. Schon richtig:
Du willst es schön machen, dir und anderen. Du hast es ja auch mal
schön gemacht bekommen. Den Geschmack von früher hast du noch
bei dir. Dies Geheimnisvolle, dies Überraschen, das geschmückte
Zimmer, die Lieder. Du hast das kleine Kind noch in dir, das den Wunschzettel
schrieb und selbst was gehäkelt oder gebastelt hat. Hast du nicht
auch beim Krippenspiel mitgemacht, weisst du noch deine Rolle? Als Hirte
brachtest du dein Kuscheltier an die Krippe. Oder warst du gar Maria-Madonna,
hast die fürsorgliche Rolle für dein Leben gefunden. Wie auch
immer. � Du hast Druck, ein schönes Fest zu bereiten.
Vielleicht auch, weil du es nicht schön
hattest, es aber besser machen willst. Du willst deine Lieben verwöhnen,
und damit im Nachhinein dir selber Genugtuung verschaffen. Warum auch immer
� egal. Du hetzt, bist atemlos, ruhelos, hast Angst vor Weihnachten.
Und die lässt du jetzt. Doch, die
Angst ums gelingende Fest gleitet von dir, sie lässt dich los. Weihnachten
kommt zu dir. Du musst es nicht machen, du brauchst es nur empfangen. Der
Kern des Festes, die Mitte, der Sinn vom Ganzen ist: Gott gibt der Welt
das Fest des Lebens. Das Kind in der Krippe ist Bild für den Liebeswillen,
der hinter und in aller Schöpfung steckt. Hiersein ist gotteskarätig,
ist wie das Kind voll Anfang, Zukunft, Freude, Glück, Lachen, inklusive
aller Mühen. Alles ist im Werden und alles braucht Liebe. Und wir
alle sind Teilhaber und Teilnehmer der Werdewelt: Auch du, Kind Gottes.
Wie das feiern? Wohl auch mit Geschenken,
Leckerem, leuchtendem Licht, vor allem mit Frieden. Man kann das vorbereiten,
kann in der Familie die Gestaltung beraten und die Aufgaben verteilen,
kann sich mit Befreundeten verabreden. Wichtig ist, dass du nicht meinst,
du müsstest dich wieder hinhalten, weil das schon immer so war. Willst
du es wieder so machen, wie voriges Jahr, dann tu es mit Freuden, weil
du es willst, weil du das Geschick hast, aus den dankbaren Augen auch deinen
Gewinn zu ziehen, oder einfach aus Dankbarkeit.
Tatsächlich ist ja Dankbarkeit der
Stoff aus dem das Glück entsteht. Wenn du einfach Instinkt hast für
die Wunderbarkeit von Leben, und wenn du die Grandiosität, leben zu
dürfen in Gemeinschaft, gern gestaltest, dann frag nicht viel sondern
mach. Richte einen festlichen Tag an � und phantasier dir schon die Sippe
oder den Freundeskreis dazu, wie sie wieder das Glück geniessen. Gerade
weil sie kaum etwas dazu getan haben, sind sie die Geladenen, die Geehrten,
die Beschenkten. Vielleicht hast du in deinem Revier ja das beste Feeling
für die Magie von Weihnachten: Wir sind Kinder der Liebe, zum Lieben
bestellt. Und du hast Lust, die ganze Bagage zu lieben, genau so wie die
einzelnen sind, darum machst du das Fest wieder schön.
Oder du machst es anders. Hör auf
dein Inneres. Jedenfalls bist du nicht der Menschen Knecht. Und bist zuallererst
dafür zuständig, dass dir die Weihnachtsfreude blüht. Also
fühl, was du willst. Das tu.