Die Zehn Gebote
Das erste Gebot (2. Mose 20,1.2)
Die vielleicht
wichtigsten Worte der Menschheit stehen im 2. Buch Mose 20. Kapitel ( auch 5.
Buch Mose, 5. Kapitel), von Martin Luther in etwas geänderter Form mit
Erklärungen als 3. Hauptstück in seinen Kleinen Katechismus aufgenommen und so
Lernstoff aller evangelischen Generationen bis eben noch.
Die Gebote sagen den Willens Gottes in größtmöglicher Kürze:
1. Teil: Des Menschen Pflicht gegen Gott: Ihn ehren, kein
Bildnis, seinen Namen nicht mißbrauchen, seinen Tag heiligen.
2. Teil: Des Menschen Pflicht gegen seine Mitgeschöpfe,
beginnend mit Eltern ehren, Schutz des Lebens, der Ehe, des Eigentums, der Ehre
des Nächsten, Verzicht auf unrechte Machenschaften.
Umzirkelt wird der Raum, darin das Dreieck des Lebens: Gott,
Ich, Wir gelingen möge: Die Gebote kennzeichnen das weite Land, darin wir frei
und verbunden gedeihen. Der das Leben gibt, gibt auch die
Gebrauchsanleitung. Nicht
Pflichtenkatalog sondern Handlungsanweisungen sind die Gebote. Sie sind
Bestandteil der guten Schöpfung, nicht als Zwangsjacke angepreßt, sondern sie
lassen sich rückerschließen aus dem verstandenen Lauf der Dinge. Die
Wirklichkeit hat sie als Glanz bei sich, aus dem Geschehen leuchtet ihre
Wahrheit. Es sind bis auf die fundamentalen Positionen Feiertag und
Elternehrung und eigentlich nur die eine fundamentale Negation: Nimm nicht
Seins!
"Wo die
Ungeheuer hausen"- hieß auf alten Landkarten die unbekannte Gegend. -Wo
das Gute, das Lebensförderliche gefährdet ist, an den Rändern des Bewährten,
blinken die Alarmzeichen. Aus Eigeninteresse hat der sie zu achten, der Gott
angehört. Das Gebot ist nicht Last sondern Schutz, ja, ist eine Liebeserklärung
- so hat Israel, das Volk des Gesetzes, die Gebote verstanden. Wer zu Gott
gehört, der enthält sich bestimmter das Leben beschädigende Praktiken. Und wenn
er fehlgeht, bittet er um Vergebung und sucht Wiedergutmachung; jedenfalls kann
er zu seinem Versagen stehen. Die zehn Gebote sind denen gesagt, die im Leben
als dem Haus Gottes wohnen; sie sind Hausordnung, nicht die Einlaßbedingung.
Diese Zehn Gebote
für das Leben wischen alles verkehrte Wesen fort. Sie bilden ein Raster für Wahrheit das kurz, klar, wahr ist. Da
weiß man, was Steuerflucht ist und was das Gebot der Elternehrung mit Füßen tritt.
Da wird man die Seele wieder nähren mit Religion statt mit Monstern und Horror
und Geisterbeschwörung und Mummenschanz (es gibt in Deutschland mehr
hauptberufliche Wahrsager als Pastoren). Die Gott gehören, werden nicht in
sakrale Räume gelockt, nicht mit Geheimwissen versiegelt, auf verschwiegene
Praktiken eingeschworen, sondern sie werden zu hart arbeitenden und festlichen
Menschen.
Die Zehn Gebote sind
Handlungsanweisung, sind vor allem aber Widmung: du bist Gott gewidmet, er
widmet sich dir.
Das 1. Gebot stellt klar: Du Mensch findest dich nicht im
Vergleich mit Pflanze und Tier, du definierst dich nicht aus dem Überschuß
gegenüber der anderen Kreatur; du Mensch hast dein Wesen aus dem Anruf Gottes,
du bist sein Du. Weil "Der Ewige" mit dir spricht, bist du
unsterblich. Allein schon für ihn hörfähig zu sein, begründet ein Ähnlichsein,
macht uns ihm kompatibel.
"Ich bin der Herr dein Gott, der ich dich aus
Ägyptenland, aus der Knechtschaft geführt hat, du sollst keine anderen Götter
haben neben mir."-
Diese Urworte hat wohl die erste Generation der Kinder
Israels gehört, die vor etwa 4000 Jahren unter Mose die Sklaverei verlassen
durfte. Durchs Rote Meer, wo auch immer, sind sie gezogen und waren vierzig
Jahre (oder 400?) auf dem Weg ins gelobte Land. Die Zehn Worte, der
Dekalog, wurde in der Wüste empfangen-
ein dramatisches Bild: Die Verfassung, die Worte des Bündnisses Gottes mit
seinem Volk, sind gegeben während der Passage zwischen Nobody-Sein und Erhebung zu seiner
"ersten Liebe". Sie sind Notverordnung, Oase, Kartierung von
Lebensraum auf dem Weg zum Land,
"da Fried und Freude lacht."
Wo immer Juden
Bleibe hatten, säten sie die Gebote ins Wissen der Menschen. Auch die
Christenheit hat bis heute die Gebote als "Wort Gottes" weitergesagt und
sich auch an sie zu halten gesucht: Die Gebote wurden Grundlage der
Menschenrechte und -pflichten der Vereinten Nationen. Wir durften die Zehn
Gebote noch lernen. Ob unsere Enkel sie noch hören, hängt davon ab, ob wir sie
uns noch sagen lassen.
Eliphas sprach
einmal seinem rebellierenden Freund Hiob: Wenn du mit Gott in Ordnung wärest,
dann würdest du auch mit alle dem, was dich jetzt verstört, in Ordnung kommen.
Mit den Steinen des Ackers (die deinen Pflug stören), stündest du im Bunde, und
die Tiere des Feldes (die deine Saat fressen), wären dir befreundet und du
würdest im Alter zu Grabe kommen, wie Garben eingebracht werden zur rechten
Zeit" (Hiob 5,23. 26). Wenn du Gott vertrautest, wenn also du das Leben
von Gott umgriffen wüßtest, dann wärest du gut dran.
Diese Weisheit will
ich mir als Botschaft gefallen lassen und hoffe, du paßt sie dir auch an: Wir
haben einen Grund. Wir sind gewollt, geliebt, gebraucht vom Betreiber der Welt. Doch wir alle sind
vierfacher Acker -nach einem berühmten Gleichnis Jesu (Markus- Ev. 4, 3-9),
mindestens. Das Vertrauen zu Gott wird mir oft dünn, weil ich/ du auch hartgetretener Weg sind- die schwarzen
Vögel Selbstverneinung picken uns die Zeichen fürs Geliebtsein fort.
Und wir sind auch Steiniges: Viel Wenn und Aber, Verachten,
niedermachendes Argumentieren, Maulen über das Leben haben wir
mitbekommen. Da hat der Zuspruch an
dich wenig Erde zum Gründen; unter der Hitze der Forderungen und Ablenkungen
verdorrt die Verheißung, sie kann kaum Wurzel schlagen.
Und da sind bei mir/dir Dornen, Ranken die wuchern: Die
Gier, gemocht zu werden; die Lust, gerühmt zu werden, überwuchern die Botschaft
vom geschwisterlichen Gleichwertigsein. Wo ist die Frucht aus der gelassenen
Gottzugehörigkeit. Hör die Verheißung: Auch dir fällt Etliches auf gutes Land
und bringt Frucht, dreißig-, sechzig-,
hundertfältig.
"Ich bin der Herr dein Gott”- das ist keine
Großwortruine" (Botho Strauß). Gemeint ist die zielführende Kraft, der
Betreiber von Evolution, die Energie des weltweiten Schöpfungsvorganges.
Mitbetroffen vom Werden und Vergehen ist er; er ist das alles Zeitigende; er
ist auch der, die, das darin Reifende; der in uns Menschen die schöpferischen
Leistungen beflügelt und an unserer Hybris leidet; Gott, der Ganze und alles
Einzelne und der Zusammenhalt von
allem. Seine schönste Äußerung ist unser Menschlichsein: Auch Dein Lieben ist
sein Strahlen.
"Ich bin dein Gott, der ich dich aus der Knechtschaft
befreit habe” wer kann das zu mir/dir
sagen? Der dir Lebendigsein ermöglicht, der dich aus dem Nichtsein erlöst hat,
der dich mittels deiner Eltern zur Welt brachte, der dich freispricht zum
eigenen Gewissen, dich zum Freigelassenen der Schöpfung will, dich zum
Kooperator, zum Verbündeten macht: Der dir Zuflucht ist in allen Nöten; der, ob
du schon im Finstern steckst, doch bei dir ist und deine Füße wieder auf weiten
Raum stellt (Psalm 31,9).
Dir sagen: "Ich bin der Herr, dein Gott” kann nur der,
der nicht stirbt, sondern auch das Sterben Verwandlung sein läßt; der durch
Abschiede dich hindurchzieht, hindurcherzieht ins Gültige; der dich aus deiner
Knechtschaft freischaufelt. Bist du in
Verknechtung erstarrt? Siehst du dich beherrscht? Rede mit Gott, ob das so
weitergehen soll. Atme, betrachte, überdenke: Wer ist es denn wert, daß du ihm
gehorchst, dich vor ihm beugst? Gott will deinen aufrechten Gang.
Und wenn du dir das erste Gebot gefallen ließest nur zur
Klärung, daß kein Irdisches dein Herr sein kann- wenn du das erste Gebot nur
nähmest, um Dir klargestellt sein zu lassen: Ich weiß zwar jetzt nicht, wer
Gott ist, aber was mir jetzt Leerstelle ist, will ich mir nicht füllen lassen
von Irdischem. Das erste Gebot legt die Meßlatte hoch: Herr und Gott soll mir
nur sein, wer mich aus meinem Ägypten losbindet, und die Menschheit, ja
"die ganze Schöpfung freimacht von der Knechtschaft der Vergänglichkeit
hin zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes" ( Römerbrief 8,21).
Du sollst keine
andern Götter neben mir haben, du sollst nicht töten, nicht stehlen heißt mit dem Ohr des Zugehörens gehört: Ich
bin Dein Gott, du mein Mensch: Du hast nicht andere Götter. Du tötest nicht,
stiehlst nicht, basta. Es ist, als
verbürge sich Gott für uns, der Rest versteht sich eigentlich von selbst:
Werde, der du bist!
"Ganz nahe ist
dir das Wort in deinem Munde und in deinem Herzen” (5. Mose 30,14). Das
begründet, warum der Gott der Zehn Gebote
Maß der Dinge ist. Sein Wille ist in deinem Mund und Herz. Du denkst
selbst so; die Gebote werden nicht von
einer Besatzungsmacht auferlegt sondern dein, mein Innerstes weiß: Gottes Wille
deckt sich mit den Herzworten deines Gewissens. Nicht "du mußt",
"du sollst" sondern das
Richtigleben wird dir geschehen: Du wirst dir nichts zum Abgott werden lassen:
Lieben, ja, innig und intensiv,
bewundern, Autorität sein lassen diesen und jenen, aber kein Mensch ist so
groß, daß wir ihm gehören, und keiner ist nur zum Dienen und Gehorchen
geboren.
Das erste Gebot leistet einen
lebenswichtigen Schutz: Gottes Platz darf nicht eingenommen werden von
Mensch oder Sache. Das Alten Testament kann man lesen als Geschichte von Gottes
Mühen, Israels, der Menschheit die Götzen auszutreiben. Und Jesus summiert
(Matthäus-Ev. 22, 21) : "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott,
was Gottes ist"- gebt nicht irdischen Instanzen, was nur Gott zusteht:
Euch selbst - die Münze zeigte das Bild des Kaisers- also zahlt ihm die Steuer,
aber was zeigt euer Antlitz, doch das Gehören zu Gott- also dienet ihm mit
Freuden .
Wir sind in
Glaubenssachen ausgedörrt und überschwemmt. Das erste Gebot ist Platzhalter für
den Ewiggültigen, auch wenn er uns noch verborgen sein sollte inmitten von
Natur und Geschichte.
Inmitten von Natur: "Das Meer ist eine alte Sprache,
die ich nicht entziffern kann” sagt Jorge Borges; "in jeder Sekunde
erschrickt und erschreckt alles, was lebt” sagt Emile Cioran; "die ganze
sichtbare Welt ist nur ein unmerklicher Zug in der weiten Höhlung des Alls”
sagt Blaise Pascal. Die Natur ist kein
denkendes Wesen, wie sollten wir sie anbeten- und doch ist unsere Seele leicht
überschwemmt vom Glanz und vom Brüllen der Natur.
Auch was geschieht, eignet sich nicht, angebetet zu werden.
Geschichte ist wie der Stau: Wir meinen, wir stecken im Stau dabei sind wir der
Stau. Wir sind die Geschichte, sind das Geschehende. Und doch kann es uns
korkenleicht erheben auf einer Woge von Faszination, was vom lateinischen
"Geißelung" kommt und nah an Besessenheit ist: Nationalismus und
Blutrünstigkeit können schnell das Stück Humus der Humanität wegschwemmen. Es
ist viel Beglückendes wirklich und viel Wirkliches beglückend, aber nichts ist
es wert, daß du es zu deinem "Ein und Alles" erklärst, zu dem woran
du dein Herz hängst.
Der "Ich bin
dein Gott, der ich dich aus der Knechtschaft erlöse”, der "Ich bin”( 2. Mose 3, 14 - dort: Mein Name ist:
"Ich bin der ich für dich da sein werde je und je") der hat dir eine große Seele gegeben, eine so
große, daß kein Irdisches sie zu füllen vermag. Darum "bleibt ja auch
meine Seele unruhig in mir, bis sie ruht in Dir" (Aurelius Augustinus).
Wenn schon kein Hund einen Hund zu seinem Herrn macht, sollte erst recht kein
Mensch einen Menschen seinen Herrn sein lassen. Wenn wir kuschen, haben wir die
Befehler gemästet; wir sind einander als Brüder und Schwestern zuge- wiesen,
als "Gehilfen der Freude, nicht als Herren"- gerade auch nicht als
"Herren des Glaubens" (2. Korintherbrief 1,24) .
Unsere
freigesprochene Seele respektiert sogar der Schöpfer dieser Wunders: Indem er
unsern Ungehorsam riskiert, gibt er sich auch in unsere Hand. Aber er wollte
uns eben nicht als "Instinktautomaten", er trägt uns auf, zu erkennen, was gut und böse ist-
das ist die Beute und Last des Menschseins jenseits von Eden. Dieser Auftrag
bekam nicht nur der erste Mensch sondern jeder Mensch als erstes: wir
werden vertrieben aus der Kinderzeit,
dem Schlaf der ethischen Blindheit, und es
werden uns die Augen aufgetan
zum verantwortlichen Erwachsensein.
"Woran du dein Herz hängst und dich verläßt, das ist
dein Gott. Dein Trauen und Glauben machen dir Gott und Abgott.”- Sensationell ist dieses Wort Martin Luthers.
Nicht zum Gehorchen und auch nicht zum Glauben sind wir fixiert: Es bleibt
Spielraum eingeräumt, daß wir Gott ins Angesicht widersprechen können; ja, es
kann uns sein, als ob es Gott nicht gäbe. Du/ich, wir müssen nicht an Gott glauben. und es gibt Gründe, Atheist zu sein
("Ich glaube nicht an Gott, er versteht mich", sagte ein auf seine
Weise frommer Mensch).
"Ich bin der Herr, dein Gott"-höre ich als Zusage,
daß Gott für mich da ist, auch wenn ich ihm weglaufe- so auch die Geschichte von den verlorenen und
wiedergefundenen Söhnen (Lukas-Ev.15,11-32): Der Jüngste verläßt Gott, der
Ältere verkennt ihn- beide bekehrt er zu sich und zueinander. Gott verwickelt uns in sein Werden
für immer. Also wenn du dich umzingelt wähnst von Plagen, nimm aus dem ersten
Gebot deine Herkunftswahrheit: Gott sagt, er ist dein Gott; du bist geliebt und
gebraucht. Der Lebendig-Wahre trägt dich, du kümmere dich um Früchte der
Freude. Und du brauchst Gemeinde, Freunde, Menschen, mit denen du teilst. Doch
Abgötter brauchst du nicht, du Kind des einen Guten- Ganzen. Triffst du Buddah unterwegs, oder wer
sich dir zum Buddah oder Christus aufspielen will, rück ihn aufs Normalmaß
zurecht. Du bist anspruchsvoll geworden durch den Umgang mit dem ersten Gebot.
53
b - Das zweite
Gebot: "Du sollst dir von Gott kein Bildnis machen."
(2. Mose, 20, 4)
Ausführlicher: Ich
bin der Herr dein Gott, der ich dich aus dem Nichtsein erlöst habe, der ich
dich ins Leben halte und zur Freiheit der Liebe berufe; du sollst dir von Gott
kein Bildnis machen.
"Du, Großes Du, eingebettet wir in Dich und wir Dir
auch gegenüber- Du redest mit uns, dann hast Du doch Mund. Du hörst, also bist
Du Ohr ("der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht hören" ? Psalm
94, 9) Du, der Du uns siehst, also hast Du Augen, bist ganz Auge. Du hast uns in Händen, wir sehen Dich uns
auf Händen tragen.- Schon ist das Bild da vom universalen Gottvater, mit
mütterlichen Zügen, versteht sich. Und Du sagst,
wir sollen von Dir uns kein Bildnis machen. Dabei drängst Du Dich uns doch auf,
Du läßt doch in unserer Seele Bilder von Dir aufsteigen. Du brennst doch in uns
das Feuer der Sehnsucht nach Dir ab. Wo Feuer ist, ist Rauch; der Rauch der
Bilder, Gebilde in den Farben der
Ängste und Wonnen.-
Ich meine nicht, ich hätte von Dir erst gehört durch die
Eltern. Ich erinnere mich an ein sehr frühes Reden mit Dir. Vater war im Krieg,
Mutter war mit uns Kindern auf einem Bauernhof untergebracht, und ein Hund war gestorben. Unter Mutters Anleitung-
Du weißt das ja alles, Dir brauch ich nichts erzählen- holten wir einen
Leiterwagen, legten Zweige darein, dann den verstorbenen Hund darauf, ich weiß
seinen Namen nicht mehr, aber Du doch; und dann fuhren wir ihn in den Wald, da
war ein Bombentrichter und darein beerdigten wir den Hund und weinten sehr,
aber wir sangen:`In der Heimat, in der Heimat, da gibt’s ein Wiedersehn,` und
das war so überzeugend unser Lied, es war eine offizielle Auskunft, eine
Ansage, die die Verhältnisse klarstellte.
Ich meine ich hätte das Lied schon immer gekannt, hätte es aus dem
Himmel mitgebracht, und war erstaunt, daß Mutter es auch noch kannte; will sagen,
ich erinnere mich lange an Dich.
Später fand ich das Lied: `Ich steh an deiner Krippe hier`
so schön; da kommt vor: `Eh ich noch nicht geboren war, da warst du mir geboren
und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren`- also bin ich doch
eher ein Bild von Dir entworfen, als daß ich mir Bilder von Dir entwürfe.- Was
hier das Huhn und was die Henne ist, muß uns immer wieder klar werden;
vielleicht darum die Mahnung: Mach dir keine Bilder von mir; du Mensch bist
doch mein Bild, eins der vielen. In dir Mensch, suche ich mich.`
Wenn Du so zu uns, zu mir sprichst, dann bist Du Gott, der
Ganze; wir Deine Facetten. Wir sollen keine Bilder uns machen von Dir! Aber Du hast doch uns viele Erinnerungen
mitgegeben als Du uns ins Leben riefest, Hoffnungsskiz zen von Dir ohne Ende.
In einer Richtung versteh ich Dein Gebot: Keine Bilder. Ich
stelle ja zu Hause auch kein Bild vor mich hin von meiner Frau, wenn sie neben
mir sitzt. Das wäre ja verrückt, ich spräche mit einem Bild, das ich auf dem
Tisch stehen habe, während sie da ist. Keine Bilder! sagt: Ich brauche keine
Bilder von Dir, Du bist ja da.
Ein Bild
widerspricht der persönlichsten Gegenwart. Also brauchen wir auch keine schöne
Gottvaterplastik z.B. in der Keitumer Kirche, keine Christusbilder, kein Kreuz
im Schulzimmer. Auch keine Geschichten
von Mose, wie er mit Dir als Feuersäule durch die Wüste zieht? Auch keine
Bildergeschichten vom Jesus, wie er das Brot vermehrt?
Doch, als Bilder von
dahingegangenen Verwandten dürfen wir die Geschichten schon noch in Ehren
halten, darin ist ja auch viel Erinnerung verwahrt an Treffen mit Dir, früher.
Aber wir sollen Dich nicht festnageln auf die Historie. Nur wenn wir heute das
Zusammensein mit Dir völlig verloren hätten, dann müßten wir dich rekonstruieren
an den Fotos von damals, uns wie im
Schneesturm im Gebirge zurücktasten an den verwehten Fußabdrücken, an den
Erfahrungen von früher.
Kein Bild von Dir machen.
Du meinst also, wir wüßten innen schon, wer Du bist, Gott, der, die, das
Ganze.- Aber einige scheinen ganz abgedreht von Dir, so grauenhaft scheinen sie
jeden Anhalt an Dir verloren zu haben. Als blinde, verschlingende Triebenergien
wildern sie durchs Leben. Wie kannst Du zulassen, daß sich Macht von Deiner
Allmacht so losreißt und mordet und verhungern läßt? Du läßt Dir Leid
antun.`Was wir getan haben einem unserer kleinsten Brüder und Schwestern, das
haben wir dir angetan`, sagte Jesus (Matthäus- Ev. 25, 45), Dein Dir am
nahesten aus dem Herzen sprechender Sohn.
Wir sollen uns kein
Bild von Dir machen. Aber was sollen wir denn machen uns ist es doch von Dir ins Blut gelegt, daß wir Dich denken
müssen? Baust Du in Mutter- Kind, im Paar nicht Dein Sein nach, und im Sehnen
und Locken der Einzelnen? In den Liebenden baust Du Dein Für-Sein. Das war doch der Name, den Mose vernahm da
in der Wüste, am brennenden Dornbusch, das Bild hast Du doch den Menschen
aufgesteckt: Das sich nicht verzehrende Feuer bist Du, so hast Du Dich uns ins
Bild gesetzt. Und als Mose fragte, wie Dein Name sei, sollst Du gesagt haben:
"Jahve", zu deutsch `Ich bin für euch da, wie ich für euch da
sein werde` (2. Mose 3,14).
Auch darum also keine Bilder: Weil Bilder immer
Vergangenheit festhalten und präsentieren. Sie präsentieren also gar nicht das
Präsens, die Gegenwart, sondern dokumentieren das Verflossene. Der Augenblick
des Festgehaltenseins ist schon nur Rückblick auf Abgeflossenes. `Ich bin in
Deiner Gegenwart zuhaus`, sagst Du Gott mir zu. Keine Bilder, sie speichern nur
Rückblicke. Du aber triffst uns hier und jetzt. Wir gehen mit Dir um, Du mit
uns Du bist auch jetzt hier als das
Lebendige in uns allen. Und wir alle sind in Dir, sind Deine Blutkörperchen-
wieder Bilder.
Doch ohne Bilder sind die Worte blind, ohne Worte sind die
Bilderstumm. Also Bilder von Dir, wie wir auf Dich warten und wie wir Dir
nachschauen?
Das erinnert an 2. Mose 33, 18 ff: Mose begehrt, die
Herrlichkeit Gottes zu schauen. Und Gott sprach: `Mein Angesicht kann kein
Mensch sehen, kann kein Irdischer aushalten. Aber ich will vor deinem Angesicht
all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des
Herrn: `Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig`. Siehe, es ist ein Raum bei
mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Und wenn dann meine Herrlichkeit
vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir
halten. Wenn ich vorübergegangen bin, will ich meine Hand von dir tun, und du
darfst hinter mir her sehen.`- Dies
Geschehen faßt doch ins Bild, daß wir Dich nicht pur schauen können, sondern
eben nur Deine Wohltaten, das Schongeschehene, Deine Rückseite. `God was
here`- strapaziös und wunderbar.
Also Bilder höchstens als Piktogramme, Hinweiser, aber nicht
Du selbst. Ich verstehe; Bilder schneiden ab, liefern nur Ausschnitte: z.B. das
Bild vom Schöpfer, wohl eines der größten, Michelangelo malt Gott, der Adam
schafft- (Wo ist Eva? Unter Gottvaters Arm lugt sie, gespannt-skeptisch was
Vater ihr für ein Wesen zugedenkt). Aber das grandiose Bild ist eigentlich ganz unmöglich: Du, als Renaissancefürst,
als genialer, schöner Mann-Mensch. Kein Gemälde von Gott hat uns so geprägt,
wie das in der Sixtinischen Kapelle und
steht doch auch unter dem Verdacht der Falschmeldung. Denn Du Gott, bist doch
auch das Frauliche von allem und siehst doch nicht wie unsereiner aus. Du, so
groß wie die Welt, bist auch noch im kleinsten Samenkorn ganz. Da reicht kein
Bild ran. Darum reklamierst Du einfach das Recht an Deinem Bild.
Daß Du uns siehst,
sichert uns das Sein. Wie auf dem Spielplatz: daß Mutter da ist, sichert dem
Kind den Halt. Dann kann es auch aufhören, sich ständig ihrer Gegenwart
vergewissern zu müssen. Das Kind kann sich und Mutter vergessen, es ist ja in
einer Aura des Mütterlichen. So ähnlich, nur umfassender denk ich Dich und Dein
schützendes Schauen,Du guter Blick. Und
daß Du uns zuhörst, ist Erhörtwerden. Nichts ist ins Leere gesagt. Und daß Du
mit uns sprichst, verspricht ein unendlich geknüpftes Band.
Du sagst: Ich soll mir von Dir kein Bild machen. Weil Du
selbst Dir noch ein Bild von Dir machst? Du entwickelst Dein Wesen in
Geschichte hinein, Du wirst Fleisch, Natur, Zeit. Die Geschichte des Universums
als der Gang Deinerselbst zur Vollendung? Du wirst uns versammeln von Angesicht
zu Angesicht. Dann werden wir Dich sehen, aber bis dahin haben wir den Schatz
nur in irdenen Gefäßen (1.Korintherbrief13.12; 2.K.4,7).
Ich soll mir von Dir kein Bildnis machen soll mich an die Mitmenschen halten, wir
seien transparent zu Dir, auf dem Grund eines jeden von uns Dein Code. Und wenn
wir uns erkennen als Puzzlestücke Deiner Ganzheit, die als Paar, im Glücksfall,
schon Seite an Seite anschließen, dann bist Du einmal mehr da;`von allen Deinen
Boten spricht Eros am eindringlichsten zu uns,` so Max Brod. Und die Menschheit
ist damit beschäftigt, immer neu im männlich und weiblich Polaren auszuschöpfen und zu gestalten, daß Du uns
Menschen zu Deinem Bild gemacht hast.
Du hast also Dein Einssein ausgedrückt als sprühendes Spannungsfeld zwischen
Zweien- ein weites Feld; heilsam, wenn nicht einsam.
Dein Antlitz leuchtet uns, auch wenn wir Dich nicht sehen.
Es ist wie mit Strom, den kann man auch nicht sehen, aber seine Wirkung merken
um so mehr. `Gott erkennen, heißt seine Wohltaten erkennen`, sagt Philip
Melanchton von Gott, von Christus. Wir sollen uns Deine Wohltaten merken da haben wir schon viel zu sehen: Wer Deine
Natur anschaut und sie am besten auch mitbearbeitet und mitbewahrt (1. Mose
2,15), der wird dankbar. Und wem der große Wurf gelungen eines Freundes Freund
zu sein, der spürt Dich doch in Aktion.
Du willst wohl nicht pur, solo, ohne Erde gelobt werden,
willst nicht ohne Irdisches ins Bild genommen sein. Das deckt sich mit dem Rat:
`Schaue beim Loben nicht immer nach oben; schau mal zur Seite, dann siehst du die Pleite` -das ist doch von Dir,
das hast Du doch einem Dichter geflüstert. Wir hätten so gern Dich in
Prunkglorien hochgejubelt, um uns damit auch zu schmeicheln. Wir vereinnahmten
Dich zu gern zu unserm Maskottchen, unserm Vereinsheros und Nationalheiligen.
"We trust in God” steht auf der Dollarnote, das volle Konto als Bild für einen segnenden Gott?
Gut, kein Bildnis! Weil Du da bist. Aber Traumbilder von
Dir, die dürfen wir haben daß Du uns
heilmachst und verknüpfst, uns blühen machst und herrichtest, ewiggut.`Gott
schuf den Menschen zu seinem Bild` ( 1. Mose 1,27) heißt doch auch: Du schaffst
noch uns nach Deinem Bild. Du läßt Dein
Angesicht über uns leuchten, hast uns in Arbeit. Danke."
Noch dies:
Wohlmeinende haben Dein so einleuchtendes Gebot noch greller
erleuchten wollen: `du sollst dir kein Bildnis machen, es nicht anbeten, ihm
nicht dienen. Denn ich dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Sünden der
Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich
hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und
meine Gebote halten` (v.4-6).- Nur nebenbei: Wenn Du das wirklich in den
Griffel des Moses diktiert oder mit Deinem Atem eingeätzt hättest in steinerne
Tafeln, dann hättest Du sicher die Väter bei ihren Sünden nicht ohne die Frauen
und Mütter gelassen.- Ganz allein diese mannzentrierte Sicht ist mir Beweis
gegen die Theorie der Verbalinspiration- als hättest du Dein Wort dem Schreiber
unter Umgehung seines Denkens eingeflößt. Eher ist diese Theorie doch Waffe
derer, die das überlieferte mannzentrierte Weltbild ausgeben als die von Dir
gebotene Sicht der Dinge.
Und was dachten die Wohlmeinen so herrisch von Dir, so von
oben herab, als Besitzer, der droht: ´Solange du deine Beine unter meinen Tisch
stellst, tu gefälligst, was ich sage.` Hatten sie mehr Angst als Vertrauen?
Haben sie die leidvolle Erfahrung mit ihren irdischen Vätern an den Himmel
projeziert? Aber Du wärest ja dann noch schlimmer, die elterlichen Sünden wären
in Dir überlebensgroß, wenn Du bestraftest, die dich hassen und Güte schenktest
nur denen, die dich lieben. Schon wir oft überforderten Eltern wollen gerade nicht unsere Liebe zu
den Kindern abhängig machen von ihrer Haltung zu uns. Du doch erst recht nicht.
Du hast die
Geschichte nicht als Belohnungs- und Bestrafungsanstalt
eingerichtet. Wohl daß unser Gedächtnis an unsere Schuld uns Hölle ist, bis wir
Frieden haben mit den von uns Beschädigten; und mit dir darin. -Du wirst uns
nicht vergeben an unsern Opfern vorbei sondern wirst Opfer und Täter zueinander
bekehren. Daß Du uns`dahingibst an die Folgen unseres Tuns` (Römerbrief
1,24)-`womit wir sündigen werden wir auch bestraft` (Weisheit 11,16)-, das muß
wohl ein Stück wohl sein. Aber dann ist die Strafe Kehrseite der Tat, ist
mitgesetzt in unserm Tun und nicht erst später per Gerichtsbeschluß verhängt.
Das andere zweite Gebot
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes nicht
mißbrauchen
(2. Mose 20,7).
Unser Denken muß
Gott denken, sonst enthauptete sich unser Denken und dann kommt dabei raus, daß
man sich selbst oder Traumgebilde für Gott hält. Gegen das Sich-Vermessen steht
das Gebot: Mißbrauch den Namen Gottes nicht.
Aber diese Mahnung steht nicht allein sondern ist ein Satz
aus einem langen Brief Gottes an dich, ein Liebesbrief, der dich speist mit
Gewißheit: Du verknüpfst Köstliches mit seinem Namen, du gebrauchst Gottes
Namen richtig, du brauchst Gott recht, rufst seinen Namen an in Beten, Loben,
Danken; du sprichst mit ihm.
Wir wollen bemerkt
werden als tauglich, als interessant, als förderungswürdig, als liebenswert,
als achtungsgebietend. Vielversprechend wollen wir scheinen, wollen nicht graue
Mäuse sein sondern wollen "unser Wachstum zeigen", jedenfalls
einigen, jedenfalls Gott. "Gott ist der Wille, der möchte, daß wir
sind" (Eugen Drewermann). Erfunden, entwickelt, ins Leben gezogen, bei
meinem Namen gerufen von ihm für immer, bin ich niemals ihm nur eine Nummer,
sondern Individuum, unteilbares Ganzes in ihm, dem Ganzen. Wenn er mich bei
meinem Namen kennt, bedeute ich ihm was. Und es ehrt mich, daß es ihm auf mich
ankommt und wie ich wohl seinem Namen Ehre mache.
Name ist
unterscheidendes Kennzeichen, bei dessen Nennung mir sofort einfällt, was ich
von diesem Wesen weiß. Hast du mit einem Menschen noch nichts erlebt, nichts
für dich Wichtiges gehört, ist der Name "Schall und Rauch" (J.W.
Goethe), aber sobald in einer Gesellschaft ein Name fällt, mit dem du Wichtiges
verbindest, ist dieses mit dem Namen für dich aufgerufen und präsent.
Was verknüpft sich
für dich mit Gott? Welcher Name kennzeichnet, was du mit ihm erfahren hast? Du
siehst die Wolken ziehen- er ist dir "Herr der Gezeiten"; du siehst
deine Kinder- Gott ist die anvertrauende Seite des Lebens; du hast einen
geliebten Menschen verloren- dann ist dir Gott auch die abverlangende Seite des
Lebens und auch die bergende, einhüllende Kraft. Gott ist,"worauf du
vertraust im Leben und im Sterben" (Heidelberger Katechismus). Vielleicht
ist Christus dir die geniale Zusammenfassung all der Wirkweisen in einer
Person, aber das muß nicht sein. Gott hat viele Namen. Daß er mein/dein Sinn
ist, ist auch einer seiner Namen.
Wenn "Sinn" dein Name für Gott ist, wirst du kein
Ding für deinen Sinn erklären. Du wirst nicht leben für ein Haus, für eine
Firma, für einen Staat. Das alles kann dir Aufgabe, Pflicht, Freude und Arbeit
sein, aber dein Sinn ist anderwärts gesichert. Dein Wesen ist: Gott liebt
dich. Darum wirst du nicht Besitz für
dein Wesentliches halten; du wirst nicht deinem Geld vertrauen, wirst es fließen
lassen; anwenden wirst du es zum Guten. Du wirst Geld nicht zum Götzen machen,
sonst müßtest du ja leben um Geld zu vermehren- so ein jämmerlicher Sinn. Du
wirst nicht Irdisches zu Gott hochstilisieren, du nicht.
Auch ein Mensch wird
dir nicht ein und alles. (Dennoch, von "Ein feste Burg ist unser
Gott" sing ich, so völlig unbedroht, nicht die Strophe: "Nehmen sie
den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib- laß fahren dahin...", dieses Bekenntnis
ist gnädige Eingebung in höchster Not
und sollte nicht auf Vorrat gesungen werden.) Ja, laß dir Niemanden
zu "sowas wie Gott" werden,
keinem sage: "Du gehörst mir"; du wirst ihm auch nicht sagen,
"ich gehöre dir, mach mit mir, was du willst"; Leibeigenschaft ist
doch abgeschafft. Ja, Im Liebesgeflüster zwischen Traum und Tag kann sowas vom
Kissen ins Ohr träufeln aber dahinter weißt du doch, daß du dem Unendlichen
gehörst. Und darum lockst du auch keinen auf eine falsche Fährte, du fändest
etwa Gefallen an seinen Machtgelüsten-
wieviel Anmaßung und Gewalttat lodern auf um zu imponieren- und mit schuld ist
der, der anstachelt durch Beifall statt Ekel zu zeigen.
Dein Verlangen nach Zugehören kann dich einem nahe bringen,
doch du wirst ihn nicht vergöttern, wirst ihm nicht sagen, ohne ihn könntest du
nicht leben; wenn du ihm gut sein willst, stärke sein Selbstbewußtsein
auch mit Kritik; halte ihn auf dem
Teppich. Der Nächste darf dir Engel sein, Gefährte, Anhalt für Gott, sein
Griff, aber nicht Gott selbst.
Dir ist Gott
"Schutz und Schirm in allem Argen". So wirst du mit Gottes Namen keinem Angst machen. Auch wenn du mit Heiligem zu tun hast, wirst du dir
nicht die Hände küssen lassen. Du betrügst dich nicht durch Verehrtwerden. Du
machst deinen Dreck alleine weg. Selbst Jesus lehnte ab, sich "guter
Meister" nennen zu lassen ( Markus-Ev. 10.18).
Du wirst Religion
nicht mißbrauchen zum Furchteinflößen, etwa mit der Drohung: "Gott sieht
alles", oder er liebe nur, die ihn verehren, oder Vaterlandsliebe sei sein
Gebot. Du verdammst niemanden. Wenn du (d)eine Untat Sünde nennen mußt, sage,
daß dieses Tun Gott verdunkele aber auch als Umnachtete läßt uns Gott nicht
fallen. Dir ist Gottes Name voll Güte, du glaubst, er versteht dich auch mit
deinen verqueren Gefühlen. Du brauchst ihn als Fluchtpunkt deiner Reue.
Du wirst Gott nicht mißbrauchen als Leistungserpresser bei
anderen. Wo mit Gottes Namen Furcht eingeflößt wird, da wird sein Name
mißbraucht. Wie konnte nur so viele Male Angst und Schrecken verbreitet werden
im angemaßten Namen des Herrn? Der sagte von sich: "Ich bin nicht gekommen
zu richten sondern zu retten" (Johannes- Ev. 12,47).
Du hast Halt in
Gott, hältst Irrungen und Wirrungen hier aus: Wer wir sind, was uns ausmacht,
ist dir jenseits von Menschen garantiert. Also wirst du endlich nicht mehr
Beleidigungen für bare Münze nehmen und auch
anderen ihre Ehre bewahren helfen.
Auch hältst du die
Unsichtbarkeit Gottes aus, belegst also nicht Sichtbares mit Gottes Namen. Du
hälst das Auf-dem-Weg- sein aus, bezeichnest kein Hier und Jetzt als dein
endgültiges Zuhause. Du übst das: "An keinem wie an einer Heimat zu
hängen" (nach Hermann Hesse).
Du hältst den in die
Mühen verwickelten Gott aus, du suchst keine Gemeinde der Lichtgestalten, die
alles Böse auf "die da
draußen" schieben. Du nennst nicht
einen Einzelnen "Hort der Wahrheit", einfach schon weil dein Inneres
auch von Gott weiß.
Du wirst keinen
mästen durch Nach-dem-Munde-reden oder Anhimmeln. Teenager, Girlies dürfen noch
in Ohnmacht fallen vor Kinderbands. Erwachsen geworden wissen wir, jeder Mensch
ist hilfsbedürftig, keiner ist komplett. Kein Mensch ist die Unterwürfigkeit eines einzigen Menschen
wert, wir sind alle der Vergebung bedürftig. Und wem viel anvertraut ist, dem
wird viel abverlangt (Lukas-Ev. 12,48); Also verdirb niemanden durch zuviel
Verehrung.
Du wirst dir von
keinem Menschen sagen lassen, was im Namen Gottes, gut und böse sei. Alles sei dir Vorschlag, Erfahrung,
Information, Rat soll dir zu denken geben: "Prüft alles, und das Gute behaltet", sagt Paulus (1. Thessalonicherbrief 5,21)
und hält so fest, daß du die Instanz bist, zu prüfen, was dir als gut und böse
einleuchte. Du wirst also auch keine Kirchenleitenden Ämter erstreben, in denen
ständig die Gefahr lauert, daß du anderen vorgibst, was sie für gut zu halten
haben.
Der Freispruch zum eigenen Gewissen als letzter irdischer
Instanz lädt viel Verantwortung auf. Darum wünscht sich manch einer den Führer, den Guru, den Unbestrittenen, der
sagt, was gottgefällig sei. Dieser Wunsch hofiert die Mißbraucher des Namens
Gottes- die beuten aus unser vielleicht vorhandenes Bedürfnis nach Strafe und
Unterwerfung, die ketten an ihre Person, sie führen in Vorschriften gefangen.
Sie mißbrauchen den Namen Gottes über die Maßen, weil sie mit einem Horror-Gott
ängsten. Sie schinden Seelen statt mit
Jesus zur Freude, zur Heilung zu helfen.
Ein wichtiger Name
ist "der Gott der Geduld und des Trostes" (Römerbrief 15,5). Ihm
vertrauend, bezeichnest du nicht
anderer Menschen Leid als Strafe. Viel Böses bleibt auf Erden ungesühnt, viel
Wohltat unbemerkt. Du wirfst dich nicht zum Beurteiler auf. wir haben noch
nicht den Überblick, sehen nicht aus der Vogelperspektive auf die Geschichte
herab. Sicher gibt es Leiden, die sind Folgen unseres Tuns, aber andere
Gebrechen gehen mit dem Menschsein einher, bei einem mehr, beim andern weniger.
Du kannst dir deine Krankeit Strafe
sein lassen; Du kannst deinen Schmerz dir als Buße gelten lassen für deine
Schuld. Aber du wirst anderen nicht ihre Krankheit deuten als auferlegt und
verhängt. Und wirstdoch erinnern an das Wesentliche am Christsein: wir dürfen
die Vergebung der Sünden glauben als geschehend. Krankheit soll in Gottes
Schöpfung nicht sein, sonst hätte Jesus doch nicht heilen dürfen. Vom
vermeintlich strafenden Gott freisprechen, war Jesu Beruf.
Mir erscheint jedenfalls die Vorstellung lästerlich, Gott
züchtige mit gezielt ausgeteilten Plagen.
"Du soll den
Namen Gottes nicht auf Wahnhaftes setzen!"- so Martin Buber: Du kannst zwischen Träumen und Alpträumen
unterscheiden.
Du weißt die Toten in Gott geborgen. Du beschwörst sie
nicht, rufst sie nicht herab, du versuchst nicht, dich in Trance zu versetzen.
Du respektierst die Grenze. Du kannst dir Schicksal geschehen lassen, kannst
loslassen. Du weißt, daß der geliebte Mensch Gottes Geschenk war auf Zeit.
Gegen sogenannten
Teufelsaustreibungen oder Geistheilungen sei skeptisch. Diese sakralen
Exotismen vermehren wirkliche Leiden, weil sie wieder den Kranken beschuldigen
oder zum Werkzeug erklären, und
"bedienen sich des Kreuzes wie eines Wurfgeschosses"(Albert
Camus).
Auch wolle nicht
wissen, was in der Zukunft für Dich bereitet wird. Du meinst nicht, mit
irgendwelchen Praktiken den Schleier über der Zukunft heben zu können.
Wer angeblich hellsehen kann, den brauchst du nicht. Mondkalendergläubig wirst
du auch nicht. Und wer meint, sein Schicksal sei im Laufe irgendwelcher Sterne
verlautbart, dem winke ab. Was an "Engeln, Mächten und Gewalten auch noch
so da sein sollte, ist unter Gott- nichts kann uns von ihm scheiden".
"Denen, die Gott lieben, dienen alle Dinge zum Besten" (Römerbrief
8,38.28) . Auch dienen sie ja dem Kommenden zum Besten, und lassen sich das
Kommende zum Besten dienen. Geradezu
kontraproduktiv wäre, den Ausgang der Aktionen schon vorher zu wissen. Denn
wüßte ich vom garantiert Heilankommen bei der Autofahrt, würde das mich
fahrlässig machen- und so würde ich gerade das Gegenteil der Prophezeiung
betreiben.- Daß uns alles zum Besten diene, ist verheißen. Solch ein Vertrauen
eröffnet weiten Raum, bis hin zu der verwegenen Aussicht: "Und kommt es
anders, als wir erbitten, kommt es besser" (Martin Luther). Du kannst
akzeptieren, was war. Und was ist, ist
dir noch zur Bearbeitung anvertraut.
Den Namen Gottes
nicht mißbrauchen heißt auch: Keine
Formeln verpflichtend machen, keine auswendig gelernten Gebete, kein gestanztes
Glaubensbekenntnis als Ausweis für richtigen Glauben fordern. Wir sagen es zur
verbindenden Erinnerung, auch als ein
Kennzeichen unserer Kirchenzugehörigkeit; aber damit alle mitsprechen können im
Gottesdienst, sollten wir mit den alten Worten der Kirche die Grundlagen
christlichen Glaubens "benennen", nicht "bekennen".
Überhaupt: Gott bekennen nur im Eisenkleid biblischer Zitate, das hieße, die
Macht, das Lebensgeheimnis, die Persönlichkeit hinter allen Personen zu
verkennen.
Auch Predigt ist
nicht schon Wort Gottes, weil sie von der Kanzel kommt. Möge das Wort neue Erfahrung mit Gott dir in deinem Seelengrund
entzünden- dein Ich mag dann sagen: Amen, ja, das ist mir gute Botschaft
geworden. Auch, ob ein Bibeltext dir
als Evangelium aufleuchtet, das wird sich dir zeigen. Ob ein Konfirmationswort
dir zum Segen geworden ist, wird sich weisen. Dann ist es dir Gottes Wort
geworden und nicht Papier dir geblieben.
Wieviel Predigten Mißbrauch des Namens waren- jeder Prediger
kann nur bitten, daß ein Körnchen Wahrheit mit ausgestreut ist zwischen all den
Richtigkeiten, dem Wortgedrechsel. Ob eine Predigt "Brücke wird vom alten
Wort ins neue Leben" (Theodor Fontane), ist Sache des Heiligen Geistes.
Auch die Bezeichnung
"Wort Gottes" für den Wortbestand der Bibel ist nur eingeschränkt
richtig. Denn Gott redet doch auch heute, in Sprache von Heute, und zitiert
sich nur eher selten. Seine Offenbarung ist auch heute mitten unter uns im
Anbruch.
Ich brauche Gott als
den Adressaten meiner Buße, meines Dankes, meiner Klage; ich sehe darin
geradezu die Pointe seiner Existenz für mich.
"Du sollst den Feiertag heiligen"- Das dritte
Gebot
Ausführlich: " Gedenke des Sabbattages, daß du ihn heiligest.
Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebten Tage
ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch
nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht
der Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der Herr
Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am
siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn" (2.
Mose 20, 8-11).
I Zeit für Tun und
Lassen
II Das Leben heiligen: Schatzhaus Kirche
Dem dritten Gebot
haben viele Generationen Begründungen nachgeliefert, darum ist es so lang. Der
Kern des Sabbatgebotes ist: Diene Gott.
Sechs Tage Herden-oder Felddienst, dann ein Tag Dank- und Bittdienst dem Geber
von allem, das mag früh der Rhythmus gewesen sein. Denn man wußte: "Wenn
du, Gott, ihnen gibst, so sammeln sie...verbirgst du dein Antlitz, so
erschrecken sie, nimmst du weg ihren Odem, so werden sie wieder zu Staub"
(Psalm 104, 28f); die Verbindung zur Gottheit mußte gepflegt werden. Er schien
seinen Anteil von der Ernte abbekommen zu wollen, er schien den Rauch-Duft von
Weihrauch und Widder zu genießen.
In der Geschichte
von Kain und Abel und auch noch später, richten die Menschen persönlich ihre
Bitt- und Dankopfer aus, je nachdem, was vorlag. Vom Mondkalender her und wegen der Abfolge von Saat und Ernte feierte
man seit Menschengedenken in Gemeinschaft; und mit Priestern, die die so
kompliziert scheinende Verbindung zum Allmächtigen handhabten.
Das Sabbatgebot hat
seine letztliche Formulierung erst erhalten, seit eine Priesterschaft am Tempel formiert war, die den exaktem
Kalender der Feste und Feiern führte und ausbaute, die auch die Opfer und
Gebete in ausgeklügelten Gottesdiensten mit ausgefeilten Liturgien gestaltete (und sich auch damit wichtig
machte). Auch brauchte es die
ausgeführte Schöpfungsgeschichte, die für ihre Zeit wissenschaftlich exakt, die
Abfolge der Werke darstellte (und zwar Schöpfung als Entwicklung).
Der siebte Tag als Ruhetag gefaßt, beschreibt Gott sehr
menschlich, als den Töpfer (z.B.), der auch mal seine Ruhe haben muß.
Hochtheologisch ist eine andere Idee: Früher war Voraussetzung für gute Zukunft
die gute Herkunft. Gott kann und wird einst von allen seinen Werken ruhen und
mit ihm alles Geschöpfte, weil er schon anfangs, im Ursprung ein Abbild davon
geliefert hat. Im Altertum lag das "goldene Zeitalter" immer am
Anfang, im Ursprung der Dinge, darum wird es auch wiederkommen-nach dem Motto:
Wunderanfang, (darum) herrlich Ende.
Der Sabbattag bildet
ab, nimmt vorweg, ahmt nach und entwirft voraus das Künftige (und das
Ursprüngliche) in der Gegenwart; das Fernziel "ewiger Friede" kommt
"en miniature" im Nahziel als Sabbat. Der Sabbat ist Vermählungstag
mit Gott, da ist man schon eins mit allem- da sind wir auch untereinander
gleich, da spielen soziale Unterschiede keine Rolle mehr, auch das Tier darf
ausruhen, auch der Fremde ; da wird jeder zum priesterlichen Menschen.
Zu Jesu Zeit war das
Sabbatgebot gewuchert zu einem Katalog von Verboten, Jesus wird Gesetzlosigkeit
vorgeworfen, weil seine Freunde am Sabbat sich ein paar Ähren raufen und die
Körner auspulen- aber Jesus stellt das Gebot vom Kopf wieder auf die Füße:
"Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, nicht der Mensch um des
Sabbats willen" (Markus-Ev. 2,27).
Der Sabbat, den
Christen der Sonntag- der Auferstehungstag des Christus- ist eine der ersten
sozialen Großtaten, die der Menschheit eingegeben sind: Neben der Ablösung des
Menschenopfers durch Tierdarbringung (Isaaks Opferung,1. Mose 22) und der
Umwandlung der unbeschränkten Rache in eine gezähmte ("Auge um Auge",
mehr nicht- 2.Mose 21,24), hält das Sabbatgebot fest: der Mensch ist mehr als
Arbeiten und Essen- er ist auch, was er denkt: Um Gott sich kümmern, ernährt
die Seele.
Es wächst die Zahl derer, denen zu "Gott” nichts mehr
einfällt, die ihn auf sich beruhen lassen. So muß man auch jeden Gottesdienst
ganz von vorn denken, muß fragen: Auf
welcher Ebene spielt sich Gott ab, bei mir, bei den anderen? Wann ist "Gott" nennen überhaupt am
Platz? Doch, wenn es um den Sinn geht, ums Ganze! Ist das Wort "Gott"
nicht die geniale Abkürzung von Allem? Gott ist jedenfalls das Herz von Allem.
"Wer lebt es denn? Lebst Du es Gott, das Leben” (Rainer M. Rilke)? Ist ein
Sinn, der nicht vergeht und "dessen Natur es ist, aus nichts etwas zu
machen” (Martin Luther)? - Der dann auch die Proportionen gibt?
Der Floh mißt sich
am Hund; der Hund mißt sich am Menschen. Der Mensch mißt sich an? Messen wir
uns an Vätern, Müttern, Kapazitäten, Helden
dann müssen wir immer mit hängender Zunge leben. Denn es gibt immer
welche, die besser, schneller, reicher, klüger sind. Wenn wir unterworfen wären
der Hitparade irdischer Werte, müßten wir rackern ohne Ende, müßten zu
Schönheitsoperateuren, müßten fitter und klüger werden, immermehr, und könnten
nur seufzen: "Wann werd’ ich erlöst aus diesem Mäuse-Laufrad-Leben?"
Doch wir haben eine
zentrale Instanz, an der wir unser Maß nehmen dürfen. Das ist kein Fremdes. Wir
verzehren uns ja nach einem Auge, das uns überblickt, das mein/dein wahres
Wesen ans Licht befördert. Das ist das Christenwissen im Kern: Es ist einer da,
der dich erhebt wie eine köstliche Perle, der dich freispricht zu deinem Maß.
Wie du gern leben willst, so geschehe dir im Rahmen der Umstände.
Das passende Gebot
dazu heißt:
Arbeite mit, daß das Leben dir seinen Ertrag gibt. Aber den
Feiertag sollst du heiligen.
Wir sind "eine
Gesellschaft mit beschränktem Arbeitsbedarf” (Botho Strauß). Wir lernen
wieder, daß es uns gut tut, arbeiten zu dürfen. Es ist in uns eingepflanzt vom Schöpfer die Lust, selbst was zu
erschaffen.- (Darum scheinen auch Frauen, weil sie (potentielle) Gebärerinnen
sind, schon vom Ursprung her einen Vorsprung Selbstgewißheit vor dem Mann zu
haben, der erst mal was zustande bringen muß.) Ein Haus bauen, Brot backen,
Bäume pflanzen- ist unmittelbar einleuchtende, sinnvolle Arbeit. Aber
fragt man, wo die Werte geschaffen werden, denken wir natürlich an
Industriearbeit und Handwerk und Landwirtschaft, also an das produzierende Gewerbe. Heute wird ein Vielfaches pro Arbeitskraft
hergestellt, wir brauchen für die Produktion immer weniger Zeit: Vor 100 Jahren
wurde der Eiffelturm aus 7000 Tonnen Stahl gebaut. Heute, käme man mit 2000 t
aus, weil haltbarer. Heute kann ein Arbeiter so viel Stahl produzieren wie
damals dreißig. Also müßte man heute
mehr als 100 Türme bauen um gleich viele Menschen zu beschäftigen wie damals
für den einen Turm.
Das läßt uns achten
auf die Berufe, die Dienste leisten: Die pflegen, verteilen, verkaufen,
unterrichten, leiten, unterhalten, bewirten: Die dienstleistenden Berufe
besorgen auch Werte. Fürsorge, Ordnung, Wissen, Recht, Bildung, Frieden sind
doch wahrlich auch Werte.
Und die nicht dem
Erwerb dienende Arbeit muß wieder zu Ehren kommen: Kinder erziehen, ein Zuhause
erarbeiten und erhalten auch für andere; jeden Tag durch Putzen, Spülen,
Einkaufen, Kochen den alten Zustand wieder herstellen; und Menschen behüten,
pflegen, sie in ihrer Würde bestätigen, ist Arbeit am Gelingen von
Gemeinschaft.
Die ehrenamtliche
Arbeit ist kostbar -und unbezahlbar.
Wir müssen uns die Arbeit zurückholen von den Hauptamtlichen, den Fachleuten.
Besser gesagt, die Fachleute müssen wieder ihre dienende, zuarbeitende Rolle
einnehmen. Die Unbezahlten müssen das Sagen haben, in Politik, Kirche, Kunst,
die Bezahlten werden (wieder) weisungsgebundene Zuarbeiter.
Es ist ja nicht so,
als ginge uns die Arbeit aus, wir alle brauchen doch Hilfe von allen.
Hilfe macht Arbeit. Und auch die Liebe macht Mühe. "Man müht sich, um das,
was man liebt. Und nur, worum man sich auch müht, liebt man” (Erich Fromm).
Bedenk nur, welches Fest du zuletzt gegeben hast. Schon lange nicht mehr? Du
klagst über zu viel freie Zeit? Lad ein
zum Nachbarschaft-Fest, eben so.
Es ist ein Glück,
daß wir zu eigener Hände und Gedanken Arbeit berufen sind. Es ist Gnade, selbst
anpacken zu können und hoffentlich eine Tätig keit zu haben, die die
Fähigkeiten des Ausübenden steigert. "Hindern dich Umstände an der
Entfaltung deiner Tätigkeit? Dann wirke auf die Änderung der Umstände hin und
du hast darin deine Tätigkeit” (Ludwig Hohl).
Herrlich, "wenn der Bauer die Ernte eingebracht hat vor
dem Regen und ins Bett fällt wie ein
Stück Fracht” (Uwe Johnson). Es gibt auch Tage, da man enttäuscht von
Vergeblichkeit ist. Da hat sich viel angesammelt an unterdrückter Wut, z. B.
bei Taxifahrern, die die Ungeschicklichkeit der Privatfahrer täglich
stundenlang aushalten, oder bei Lehrern. Die
Bande oft eigenmächtiger, vom vielen Fernsehen und Computerspielen fast autistischer, ausgelaugter Kinder
fordert viel. Und dann kommt ein Daddy oder eine überbehütende Mutter und sie
beschimpfen den Lehrer, wollen ihm
Pädagogik erklären, dabei beklaut sie zuhause
deren Prinz/Prinzessin nach Strich und Faden.
Ja es ist auch
Mühsal mit der Arbeit verbunden, vor allem wenn sie nicht ankommt gegen den
Hunger der Kinder und Obdach kaum besorgen kann. Arbeitskraft verbraucht sich, Geldkraft vermehrt sich- dies ist
der Fels der Ungerechtigkeit. Daß wir,
wenn wir gut bezahlt kriegen für unsere Arbeit, auch gut für die Gemeinschaft
löhnen, sollte das Mindeste sein. Steuern wegdrücken, hast du das nötig?
Letztlich vermehrst du nur dein Erbe, und zwar für die , die vielleicht nur abgelenkt werden von ihrer Sache. - Steuern zahlen, auch für die
Kirche- gut, wer's kann. Er soll ruhig ein wenig stolz drauf sein.
Das Wichtigste beim
Thema Arbeit aber ist: Der Gott, der selbst noch am Werk ist, die Schöpfung zu
vollenden, ruhte am siebten Tag. Stark dieses Bild: Wir sind befreit vom
Rackern und Sorgen am laufenden Band. Mindestens ein Tag in der Woche ist uns
vom Herrn der Zeit zur Ruhe verordnet.
Wir dürfen müde werden, Verantwortung abgeben, wir dürfen feiern und
fröhlich sein und es uns gut sein lassen. Auch nach getaner Lebensarbeit den
Kindern, den Enkeln, wenn’s gewährt ist, vom Balkon des Lebens aus
zuzuschauen und sie loben, anerkennen, sie fördern was das Zeug
hält, das sei uns gegönnt.
Wir sind
verantwortlich und zuständig im Rahmen unserer Begabungen und unseres Wissens.
"Einer trage des andern Last (mit)" (Galaterbrief 6,2); "was ihr
euch wünscht von anderen, das tut ihnen auch"(Matthäus-Ev.7,12)!
"Arbeite, auch um dem Bedürftigen was abgeben zu können"
(Epheserbrief 4,28). Aber du sollst den Feiertag heiligen, du sollst auch
ruhen. Gott hat das Leben so eingerichtet, daß von 168 Wochenstunden ein
Drittel Arbeit, ein Drittel Schlaf, ein Drittel Gemeinschaft, Freude,
Nachdenken und Spiel sein darf.
Den Feiertag
heiligen, heißt nicht zuerst Kirchgang als wäre der Gottesdienst eine Arbeit,
mit der wir Menschen Gott dienen. Sicher freut sich Gott an unserm Dank, aber
Dankveranstaltungen schätzt er wohl nicht, es sei denn, wir brauchen sie. Wenn
wir danken dem Lebenshintergrund- oder wie du Gott nennst- ehren wir uns damit
selbst zuerst, weil wir zeigen, wir sind keine Klotzköpfe, die sich nur selber
auf die Schultern klopfen. Aber Gott ist am meisten damit gedient, daß seine
Schöpfung gern ist, was sie ist: also du gern du bist und andern hilfst, gern
sie zu sein. Dann entringt sich unsern beseelten Körpern wie von selbst ein
"Lobe den Herrn” in vielen Strophen. Ja, auch wenn wir arbeiten: Aber Gott
ehrt uns, wenn wir arbeiten, doch er liebt uns, wenn wir spielen (Rabindranath
Tagore).
Drei Felder zum Beispiel, wo Feiern gelingen möge:
Fußball: Mitjubeln, mit enttäuscht sein, am besten im Stadion, jeder ein Glied am Vereinskörper, man bildet die Lunge
für die Kämpfer da unten, leidet mit,
siegt mit: Und geht dann hoffentlich wieder gern an sein Eigenes.
Oder das festliche Feld Musik: Wenn wir große Musik hören, sehen wir Gott aufkeimen, "Bachs
Werk ist doch gottgebärend, nach einem Oratorium, einer Kantate muß Gott
existieren (Emile M. Cioran). Auch deine Seele ist von Musik unterkellert.
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum”
( Friedrich Nietzsche).
Und das weite Feld des Liebens: Es ist, als schöpften wir
aus einem Brunnen, der uns beiden gehört, und wir reichen uns zu trinken, immer
wieder, ohne daß unser Durst nachließe oder das Wasser fad schmeckte... Die
Wechselseitigkeit, die zwischen uns ist, ist die Liebe, das Wasser des Lebens.
Liebe bessert einen (so schwärmt Peter Nadas).
Fußball, Musik, die Liebesumarmung- Felder von Ganzheit tun
sich auf. Und der Gottesdienst zelebriert dies Zusammengehören, feiert den
"Freudenmeister" Gott-Christus und
benennt Gut und Böse, Geborenwerden und Sterben, Brechen und Bauen als
die zwei Seiten des einen Ganzen. Gottesdienst bringt zur Sprache, was wir auf
den Feldern des Lebens tun.
Den Sabbat, den
Sonntag heiligen, den Tag des Herrn achten, das geschieht, wenn wir daraus
Kräfte des Zusammenhaltes ziehen. Beten ist doch mich in Gott reindanken oder
reinweinen, je nachdem wie mir’s ist. Gottesdienst tut gut: Kirchenlieder
lassen einem das Herz aufgehen; Texte der Bibel klären weiten Horizont, eine
Predigt kann stärken, standzuhalten; und
ich fühle mich in der Gemeinde als Glied der Menschheitsfamilie.
Vielleicht hat einer
auch beim Angeln umfassende Gedanken, aber Trost oder Mahnung der Natur hören-
da muß man schon zwischen den Zeilen der Natur lesen können. Ja, "lieber
in Krog setten un an God denken als in Kark setten un an Krog denken,"
diese norddeutsche Weisheit stimmt schon, aber wer will im Krog sein Kind
taufen, wer dort mit andern deut- lich beten? Wir brauchen doch Lebensmut,
Gottvertrauen, die Zusage: Gut, daß du da bist und du bist, und zwar geschöpft
aus Texten mit heiligem Gedächtnis. Wir können unsere Gotteskarätigkeit nicht
aus dem freundlichen Respektiertsein des Wirtshauses ablesen, auch nicht aus
unserm Besitz.
Alles Wichtige ist
nicht zu kaufen. Geld kann uns ernähren, Leben muß man erleben. Da ist der
Schiedsspruch "Du darfst Feiertag halten” eine Offenbarung. So lädt der
großzügige Gott ein, du darfst jeden Tag deinen Feierabend halten. Und jede
Stunde nimm dir deine drei Minuten Auszeit: Bewußt atmen ist schon eine Art
Gottesdienst; augenblicklich spürst du, wie Gott für dich arbeitet, du brauchst
nur mitzumachen. Du brauchst nur hören, wie es in dir atmet- wie Gott in dir
Atem schöpft- und auf dem Grund deiner
selbst ist Ruhe. Und aus der Ruhe kommt die Kraft.
Heute wird viel von
der gesellschaftlichen Bedeutung des Sonntags gesprochen. Wohl wahr, der
Rhythmus der Woche mit dem freien Wochen- ende oder -anfang hat verbindende
Kraft. Aber in unserer arbeitsteiligen Welt ist schon jeder dritte Arbeitsplatz
gleitend. Die katholische Kirche unterstützt die Forderung nach Kirchgang durch
häufiges Angebot. Wir Evangelischen müssen auch irgendwo in der Nähe wochentags
Gottesdienst mitfeiern können. Wenn unsere Kirchen geschlossen sind aus Angst
vor Vandalismus, kann doch ein freiwilliger Dienst stundenweise die Kirche
offenhalten, und der Pastor, die Pastorin richten da ihre Sprechstunde aus,
bestellen in die Kirche Menschen zu Gesprächen, die Jugend bekommt auch einen
Seitenraum und der Organist, die Organistin üben bei geöffneter Kirche. Kerzen
sind entzündet, auf dem Altar leuchten frische Blumen und ein Gästebuch hält
Platz bereit für Gebete und vor allem steht die Kirchentür weitauf. Wir werden
die Kirchengebäude den Menschen zurückgeben; ein Gebäude für zwei Stunden
Nutzung in der Woche ist nur Verschwendung und Denkmal der
Phantasielosigkeit.
Es bestand für die
Evangelische Kirche nie eine Chance, den Bußtag als staatlichen Feiertag zurückzuerstreiten, nachdem die Kirche
selbst diesen Feiertag blutleer liebelos bloß abgehakt hat. Aber das Getöse um
diesen Tag schützte vielleicht die Feiertagsruhe für den Sonntag ein wenig
mehr. Im Übrigen sind wir zur Freiheit berufenen Christen doch wohl auch fähig,
den persönlichen Rhythmus zu finden. "Heilige den Feiertag" ist auch
Einladung: Such für Arbeiten und Beten, Feiern und Lieben dein Gleichgewicht.
II
Das Leben heiligen: Schatzhaus Kirche
Kirche mit Zentrum
Gottesdienst manifestiert, gestaltet, sichert das Zusammengehören der vielen Facetten
des Lebens. Den Feiertag heiligen,
daraus Kräfte des Zusammenhaltes ziehen- das ist vorzügliche Aufgabe der
Kirche. In der schnell-lebigen Zeit zur Seite gerückt, ist sie nötiger denn je
zuvor. Sie besorgt Lebensmut, Wertewissen, Zusammenhalt. Kirche bürgt für das
Wesentliche: Nicht Familie, nicht Volk,
nicht Besitz, nicht Egomanie machen uns aus, sondern Kindschaft bei Gott und was daraus folgt: Talent zu leben.
"Darin liegt
die Schuld dieser Zeit, daß sie immer des Schmerzes und des Zwanges bedarf, um
eine Wahrheit zu erahnen, die sich auch im Glück findet, wenn das Herz seiner
würdig ist", sagt Albert Camus. Das kann die Substanz der Kirche
ausmachen: Die Wahrheit starrt uns
quälend an, wenn wir mit unsern eigenmächtigen Entwürfen an die Wand geknallt
sind und zur Demut hingerissen werden
durch Schmerz- aber Kirche hilft,
"würdigen Herzens" im dankbaren Dasein die Wahrheit zu finden.
Kirche gibt dem
Lebensbogen Halt. Dem zur Welt Gekommenen gibt sie mit der Taufe das Zeichen der Gottgehörigkeit;
Jugendliche konfirmiert sie in Vertrauen und Verantwortung, Paare bestärkt sie
im Glauben, einander anvertraut zu sein; beim Begräbnis verkündet sie das
Nachhausekommen. In Unglücksfällen, wo das Lebens-und Gottvertrauen zu
zerreißen droht, beschwört sie Gottes Beiunssein. Auch der Staat, bei
Polizistenmord z. B., sucht den Gottesdienst, um die Sinnlosigkeit zu
bannen.
Kirche hält auch die Fragwürdigkeit des Augenscheinlichen
offen und stiftet an zur Wahrheitsuche; "Nur Bares ist
Wahres"- da hält sie gegen, auch
gegen "Alles, was machbar ist, muß auch gemacht werden. Kirche stiftet an,
die Menschenwürde zu schützen, sie
pflegt Frömmigkeit und Ehrfurcht, ruft den Staat auf, den Respekt vor
dem Einzelnen zu sichern gegen die
Allgewalt des Marktes.
Kirche ist vom Wesen
her Hort der Freiheit, weil der Gott der Liebe die Freiheit seines Geschöpfes
Mensch will. Darum ist nur freiwilliges Zugehören möglich. Natürlich hat auch
Treue, Anhänglichkeit, Solidarität mit Kirche ihren Wert, auch eine Kulturverpflichtung
ist achtbar-"Ich finanziere ja auch Opernhäuser mit, ohne daß ich
hingehe", sagte einer und ein anderer: "Gerade, weil ich Kirche zur
Zeit nicht brauche, will ich , daß sie da ist für diejenigen in Not. Kirche ist
doch für Krisen da." Und ein anderer: "Ich bin religiös nicht
musikalisch, doch es könnte ein Mangel sein. Darum trag ich Kirche mit."
Kirche muß letztlich Freude machen, muß Zugewinn an
Freundschaft bringen, Heimatgefühl wahren, Trost bereit haben. Früher hatte die
Kirche "die heiligen Gnadenmittel", die Vergebung in den Sakramenten
zur Verfügung. Heute hat das Evangelium von der bedingungslosen Liebe Gottes
gegen alle Kreatur die Menschen erreicht, jedenfalls soweit, daß keiner mehr
zur Kirche muß, um sich das Jenseits zu sichern.
Zweifel an der
Existenz Gottes gehören zur Allgemeinbildung. Aber der Kinderglaube hat sich meist durchgehalten
und mit technischer Intelligenz vermischt zu eigenwillig zweckvoll- frommen
Weltbildern: Der Eigennutz profitiert davon, daß der andere am gemeinsamen
Geschäft weiter Interesse hat; Engagement für die eigene Tasche und Verzicht
auf grobe Steuerhinterziehung werfen auch Soziales ab. Fairneß, Rücksicht,
Toleranz ist in Maßen vorhanden, auch Freundschaftlichkeit. Es wird beachtlich
viel gespendet. "Leben und leben lassen" und "Es muß doch alles
gut werden"-sind noch als kleine Münzen ehemals großer Glaubensschätze
gültig. "Dienen" gewinnt wohl
wieder an Stellenwert, Pflege der Kunden braucht gehörig viel Menschenliebe,
ohne soziale Kompetenz ist kein Aufstieg. Es stimmt wohl: "Weit über die
Blässe des offiziellen Kirchentums ist die Welt eine Christuserfüllte
Welt" (Eugen Rosenstock-Huessy).
Aber man will sich selten als aktiver Christ outen, allzu
viel Engagement hat Sektenanstrich. Regelmäßiger Kirchgang riecht verdächtig
nach Heuchelei-dabei ist es doch so: Früher war der Kirchgang konform, heute
das Zuhausebleiben.- Als Anmaßung gilt, daß kirchliche Instanzen über
geschlechtliche Dinge Urteile fällen, die doch nur die Betroffenen selber angehen.
Es gibt Anzeichen,
daß Kirche nach zwei Jahrtausenden von vielen in die "Abteilung für tote
Ideen" abgestellt wird und mangels öffentlichen Interesses und Geldes ganze Arbeitszweige absterben. Es gibt die These, daß in den
östlichen Bundesländern die Zukunft der Kirche schon Gegenwart ist.
In den östlichen Bundesländern sind noch 25 Prozent der
Bewohner in der Kirche, in Westdeutschland noch 75 Prozent. Während nur jeder
zehnte Westdeutsche jede Form von Gottesglauben ablehnt, soll dies im Osten bei
jedem Zweiten der Fall sein. Der letzte gesamtdeutsche Kirchentag vor der Mauer
versammelte in Leipzig 1954 noch 650.000 Menschen zur Schlußversammlung; den
Abschlußgottesdienst des ersten gemeinsamen Kirchentages nach der Wende 1997
feierten gerade 90.000 Teilnehmer, nur zu
einem Viertel aus
Ostdeutschland. Mehltau scheint über
dem einst urreformatorischen Kirchenland zu liegen. Der Protestantismus scheint
seine kulturelle Kraft verloren zu haben, die in den Jahren der SED doch die
geistige Opposition nährte.
Die staatliche
Kirchenfeindschaft von 1933 bis 1989 hat zwei, drei Generationen mitgeprägt,
jegliche öffentliche Äußerung von Religion war verachtet, biblisches Wissen
wurde aus dem Kanon der Allgemeinbildung getilgt, Christen waren von
gesellschaftlich relevanten Berufen ausgeschlossen, die westdeutschen Kirchen
als NATO-Kirchen niedergemacht. Die Jahre zählten nicht mehr "nach Christi Geburt", sondern
"nach unserer Zeitrechnung". Volker Kreß, der sächsische Bischof
erzählte von einer Begegnung mit einem Schweriner Paar in einer Kirche; das
Paar wunderte sich über das Kreuz im Altarraum: "Würden Sie uns mal sagen,
was diese hängende Figur bedeutet?" Aber für Deutschland insgesamt
forderte Bischof Lehmann
Religionsunterricht mit Leidenschaft, damit nicht mehr und mehr
"Golgatha mit Colgate verwechselt werde."
In ganz Deutschland
lassen weniger Eltern ihre Kinder taufen, weniger Jugendliche gehen konfirmiert
ins Leben, weniger Paare lassen sich trauen, weniger Menschen werden mit Vaterunser
zu Grabe getragen. Weniger Kirchensteuern werden gegeben, Pfarrstellen werden
zusammengelegt, diakonischen Einrichtungen dezimiert, Kirchenpresse mangels
Abonnenten eingestellt. Die große Steuerreform wird scharfe Schnitte besorgen
und die Europäische Gemeinschaft könnte gar das ganze Kirchensteuersystem kippen. In Zukunft werden Kirchenvereine
erblühen, wo Menschen Kirche von Herzen wollen. Anderswo werden Kirchen
schließen, Seelsorgende müssen von weiterher herangerufen werden. Daß man noch seinen Pastor, seine Pastorin hat,
ist schon heute nur noch ein Sonderfall. Bald wird zum Betreten der Kirche ein
Geldstück erbeten, eine "church-card" ist von besonders smarten
Hirten schon auf den Weg gebracht. Dann ist der Pastor nur für seine (zahlenden)
Mitglieder da. Er wird sich tummeln müssen, denn er wird auf Prämienbasis
bezahlt, Eintritte werden Prämien bringen, Austritte schlagen auf sein Konto
als Minus durch. Dann wird er gezwungenermaßen
kundenfreundlich, oft über seine Kraft. Er macht der Gemeinde Freude
oder er wird vom Vorstand entlassen.
Unternehmerische
Mitmenschen sehen in der Vereinskirche auch eine Chance: Die Gemeinde kümmert
sich, sie stellt was auf die Beine oder passiert anderswo. Der Pastor wird mehr
Zugpferd, Anleiter, Trainer, Veranstalter, Unterhalter, Anreger, Anzetteler von Gemeinschaft. Er wird mehr
Hausbesuche machen, mehr Jahrestage bedenken, mehr Feste festlich gestalten. Jedenfalls werden sich
Gemeinden menschenscheue oder
linkische, schweigsame oder schwierige Pfarrer immer weniger gefallen lassen-
wer Menschenfreundlichkeit nicht zeigen kann, dessen Aufmerksamkeit zählt
nicht. Zukünftige Seelsorgende werden erfolgreich sein oder weggeschickt; sie
sind frohe Kunde für die Menschen oder werden gekündigt.
Aber was ist Erfolg bei Kirche? Wahrheit ist nicht mit
Beifall zu messen. Eine volle Kirche ist noch kein Beweis für Nähe von Heiligem
Geist, eine leere Kirche allerdings auch nicht. Aber eins ist klar: Wahrheit
ist nie langweilig. Wenn also Menschen in der Kirche sich langweilen, verfehlt
der Pastor/ die Pastorin leider diese Menschen und hat darum für sie keine
Verheißung und ist auch keine.
Vorbei sind die
Zeiten, wo der, der mit Heiligem umgeht, für heilig gehalten wird. Immer mehr
wird die Person das Amt tragen, die Menschlichkeit des Seelsorgende wird das
Amtliche, wo es noch nötig sein sollte,
erträglich machen Kein Taufwunsch wird bald mehr abgelehnt, weil Eltern nicht der Kirche angehören-
dieses Amtliche war immer herrisch verderbt, endlich ist es kraftlos.
Noch kann Kirche flächendeckend wirken, kann in Dorf oder
Stadtteil die Service- Station sein fürs Seelische und Soziale. Gut, wenn die
Kindergärten noch bei der Kirche sind und die Sozialstationen wenigstens in der
Nähe. Die Ausgliederung der Familien-, Ehe-. Abhängigen-Beratung in diakonische
Zentren war aus Kostengründen unvermeidlich, beraubte aber die Gemeinden und
nahm den Mitarbeitenden ihren Wurzelgrund Ortsgemeinde- In manchen Großstädten
sollen weniger Menschen zum Gottesdienst gehen als es dort kirchliche
Mitarbeiter/innen gibt- ein Alptraum, wenn das stimmte.
Noch ist
Gottesdienst und Seelsorge fast nebenan zu haben; ob sie noch erneuert und
reformiert werden können, ist die Frage. Sonst wird vieles platt gemacht von
der großen Walze Effektivität. Zurecht bezahlt die Gesellschaft nur, was sie
braucht. Aber der Markt richtet nicht
alles. Bibliotheken, Öffentliches Fernsehen, Theater, Konzerte rechnen sich
nicht und doch sind sie wichtig. Einander verstehen; merken, was wir einander
antun, für Innen sorgen- das muß
sein.
Sicher nutzt man
Kirche in verschiedenen Lebensphasen verschieden und über Jahre hin vielleicht
auch gar nicht. Aber daß Kirche bleibt, dafür sind die allermeisten
Mitmenschen. Allein schon, daß in Urlaubszentren doch fast jeder auch den Dom
betritt und mit einiger Andacht die hohen Hallen und ernsten Antlitze auf den
Bildern mustert; allein schon, daß man sich in eine Bank setzt und Stille in
sich einkehren läßt, das entbindet in
uns doch Gefühle von Ganzheit und Zugehören. Kirchen müssen sein als
Heilorte allerorten. Noch daß Kirchen mit oft menschenverachtenden Parolen
beschmiert werden, zeigt ihren hohen Stellenwert als Klagemauer und als
Beschwerdestelle, die noch zu Gott einen Draht hat.
Wichtig ist im
Wohnquartier eine Stelle, die für Menschlichkeit zuständig ist neben Arzt und Laden, Schule, Polizei und
Nachbarn. Wo man reden kann und weinen, sich Rat holen kann und Vergebung,
Lebensmut und Selbstvertrauen- also Seelsorge. Und wo die Quelle für Lebensmut
und Lebensmaß sprudelt, wo das Feuer der christlichen Überlieferung Wärme
abstrahlt: Gottesdienste
fördern das heiße Medium Gottvertrauen,
verflüssigen unsere Inneres durch Musik und Gebet. Menschen singen und
beten mit, sprechen sich vor Gott aus und gehen gesegnet wieder an ihr Eigenes.
Schlüsselfigur auch
der Kirche der Zukunft bleibt wohl der Pastor, die Pastorin; der Hirte, die Hirtin; nicht kirchenbeamtet
unbedingt, aber geistvoll, menschenfreundlich, zuhörfähig, verbindend, Spezialist
für Lebensläufe -der gute Mensch von nebenan. Je weniger Volk und Familie die
Menschen zentriert und je mehr als wichtigste Fähigkeit die Zahlungfähigkeit
gilt, desto flacher verwurzelt in sich sind die Persönlichkeiten. Wir brauchen
das Eingebettetsein in ein Gutes Ganzes, wofür der priesterliche Mensch der
Bürge ist.
Wir brauchen seelenkundige Mitmenschen, die Spezialisten
sind für beschädigtes Leben; und Predigende, die Fröhlichkeit verströmen und
Lebenskunst uns beibringen anhand des Vorbildes Jesus und ernst uns auf die
christliche Pflicht zur Nächstenliebe
hinweisen. Sie müssen hinhören, auf die Mitmenschen, auf die Erinnerung
geschehener Gottesbegegnungen und auf den inneren Dialog, der sich (hoffentlich)
in ihnen mit dem Ewigen begibt.
Auch wäre ihnen ein Hauch Charisma zu gönnen, womit
selbst Dämonen in den Dienst des Guten
zu zwingen sind. Sie sollen nicht
gutheißen, was Tand oder Schlimmeres ist; sollen nicht segnen, was Verderben
bringt; Fachmensch für Beziehung sollen sie sein mit einer unsichtbaren
Nabelschnur zum Heiligen, offen sollen sie sein, zugewandt und verschwiegen. Nach Besuch bei ihm soll
man sich besser fühlen, weil man einen Menschen traf, der Prediger, war und
Ratgeber, Tröster Geschwister und
Im-Selbstbewußtsein-Stärkender.
Die Schwierigkeit, Pfarrer/in zu sein, liegt in der Übereinstimmung von Person und dem, was
er/sie mitteilen soll. Immer weniger trägt das Amt die Person, immer mehr
überzeugt nur der Mensch. "Brief Christi" sind nach Paulus (2. Korintherbrief 3,3) die Christen, Salz
sollen sie sein, Licht (Matthäus-Ev.
5,13f). Was Nietzsche den Christen vorwarf: "Erlöster müßten sie aussehen,
wenn ich an ihren Erlöser glauben soll", gilt erst recht für die
Hauptamtlichen.
Ein anderer Schmerz
der Pastoren ist: "Als Bürge für
morgen klopfen sie an die Tür und als Bürge für gestern werden sie
eingelassen" (Ernst Lange). Aber in der hetzenden Zeit, wo so viel
Bindungen reißen, ist ein vertrautes Gesicht schon eine vertrauensbildende
Maßnahme des Lebens.
Den Feiertag
heiligen- wenn Kirche dafür was tun will außer Sonntagsarbeit zu verpönen, dann
soll sie Gottesdienste halten, die eine Lust sind. Aber weil man das nicht
"machen " kann, werden soviel Verlautbarungen produziert und immer
noch Liturgien zelebriert, als müßte ein orientalischer Gottkönig besänftigt werden.
Wahrheit will eine
gemeinsame Sphäre erzeugen (Peter Sloterdijk). Und die darf nicht langatmig
sein. Was jeder für sich ist, in seiner Einmaligkeit und dann noch, was wir
zusammen sein sollen, das ist wunderbar, ergreifend, ansteckend. Aber Farben,
Töne, Bilder, Bewegung müssen hinzu, damit wir uns fühlen können und Denknahrung und Erlebnisse mit nach Hause zu
nehmen sind. Wenn die Kirche aus ist, fängt der Gottesdienst der Woche an; mit
aufgetankter Seele, hoffentlich.
Die Gemeinde hält Gottesdienst und Seelsorge; der Pastor,
die Pastorin ist nur erster Diener, erste Dienerin der Gemeinschaft- was
zuallererst an den Ehrenamtichen sich zu bewähren hat. Alle Mitarbeitenden haben hoffentlich ein
von Freundschaft erleuchtetes Wesen. Die Damen und Herren des Kirchenvorstandes
betreiben Gemeinde mit anderen, die zu Arbeitsgruppen und Spiel, Denk-und
Nachbarschafts- Projekten sich zusammenfinden. Und so nötig ist es, die Kinder
einzuweisen in die Mutmachgeschichten der Christenheit.
Der allerwichtigste
Rohstoff für Zukunft ist das Wissen, daß wir dem gehören, der die Quelle der
Zeit ist. Gott, die lebendige Mitte, steht zu uns in lebendiger Beziehung und
wir zu ihr; und darum wir untereinander auch.
Dies Wissen bewahren und gestalten, dafür ist Kirche da und wird im
Rahmen dieser Sorge immer nötig sein. Darum keine Angst, kleine Kirche.
Du sollst deine Eltern ehren, du sollst deine Kinder ehren.
-Das vierte Gebot
I "Du sollst Vater und Mutter ehren" (2. Mose
20,12).
"Der
Eltern Segen baut den Kindern Häuser; Eltern verachten bringt Schande über dich selbst" (Jesus Sirach
3,11.13).
"Und
ihr Väter, reizt eure Kinder nicht" (Epheserbrief 6,4).
II Kinder als Segen
III Muttertag- Elterntag: Rückblick im Dank
I "Du sollst Vater und Mutter ehren" (2. Mose
20,12).
"Das Gebot
fordert", so Martin Luther, "daß man die Eltern für herrlich und wert
halte als den höchsten Schatz auf Erden. Darum man in Worten auch züchtig mit
ihnen spreche, sie nicht böse anfahre, nicht gegen sie poltere sondern man
lasse sie recht haben und beiße sich auf die Lippen, wenn sie auch mal den
Bogen überspannen. Und man diene ihnen mit Leib und Gut, helfe und besorge wenn
sie alt, krank, gebrechlich oder arm sind, und solches nicht nur gern sondern
mit Demut und Ehrerbietung als für Gott getan. Laß sie nicht Not leiden sondern
setze sie über und neben dich und mit ihnen teile, was du hast und vermagst."
Dagegen Marie Luise
Kaschnitz in ihren Aufzeichnungen: "Es ist, als läge kein Segen mehr auf
der alten Eltern-Kinder-Beziehung, wobei man an die äußersten Fälle, wo Söhne
ihre Väter verprügeln oder Mütter ihre Kinder im Dreck ersticken lassen, noch gar
nicht einmal zu denken braucht. Eine Gnadenlosigkeit liegt im allgemeinen über
Eltern und Kindern heutzutage."
Ja, es häufen sich die "weggeworfenen Eltern" so nennt man in den USA die Altgewordenen,
die arm oder verwirrt ohne Fürsorge der Kinder ihr Leben fristen müssen. Das
"Granny Dumping", das Verstoßen alter Menschen, wird es zynische
Gewohnheit? Schon 1978 war die Annonce zu lesen: "Welche Familie mit
Kindern adoptiert Großeltern?"
Immer wohl war es
strittig, wieviel Achtung und Versorgung den machtlos gewordenen Eltern noch
zustehe. Immer schien Dank unsicher: "Eine Mutter kann zwar acht Kinder
großkriegen, aber acht Kinder nicht eine Mutter fürsorglich
altbekommen",sagt man ja. Um nicht der Gnade von Kindern anheimzufallen,
hielten in vielen Kulturen die Alten ihren Besitz fest bis zur bitteren Neige:
"Man zieht sich nicht aus, bevor man sich (endgültig) zu Bett legt",
heißt ein Warnwort unter niedersächsischen Bauern.
Argwohn der Alten gegen die Jungen und Argwohn der Jungen
gegen die Alten begleiten die Menschheit. Kaiser Alexander fand die Wünsche
seiner Mutter so überspannt, daß er sich zum wohl bösesten Sohneswort hinreißen
ließ: "Du läßt dir das Quartier von neun Monaten aber teuer
bezahlen." Immer hofften die Hoferben auch auf baldigen Abschied der
Altvorderen. Aber in Zukunft belasten die Renten die wenigerwerdenden Jungen
außerordentlich, Wenn auf einen Jungen ein Aller kommt, wird der
Generationen-Vertrag die junge Generation überfordern.
Viel Liebe und viel
Mißverstehen, Eifersucht, Rivalität ist zwischen den Generationen. Väter und
Söhne ist ein Kapitel; Mütter und Töchter, Väter und Töchter, Mütter und Söhne
sind andere Kapitel unendlicher
Irrungen und Wirrungen. Mit einem Machtwort ist da nichts ausgerichtet.
"Du sollst
Vater und Mutter ehren" ist übrigens der erwachsenen Gemeinde gesagt;
du Starker sollst deine altgewordenen
Eltern ehren. Kinder und Jugendliche
gehorchten selbstverständlich. Kinder waren ja
wie das Vieh Besitz.- Doch im Neuen Testament heißt es auch: "Und
ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn" (Epheserbrief 6,4). Und Jesus
glasklar: "Wer ein Kind zum Abfall verführt, für den wäre es besser, daß
ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist" (Matthäus-Ev.
18,6).-Sicher auch ein Drohwort gegen Kinderschändende- sie vergiften den
Opfern das Lieben möglicherweise fürs Leben, reißen ihnen das Vertrauen ins
Leben aus dem Leib und verführen so zum schlimmsten Abfall: sich selber für
Abfall, Abschaum zu halten.
Das vierte Gebot
meint sicher: Du sollst deine Eltern ehren, du sollst deine Kinder ehren. Schon
in früher Zeit Israels war ja das Kind
das Ziel des Lebens: Abraham und Sarah sollten ja Eltern des Gottesvolkes
werden, ihr einziges Wichtigsein war die Hervorbringung Isaaks. Durch die
Jahrtausende galt: Nichts war schlimmer als ausgebliebener Kindersegen. Die
Ehre wurde weitergegeben in die nächsten Generationen oder es ist,"als
wäre man nie gewesen".
Im 1. Buch der Könige 3. Kapitel wird eine weitere Schlacht
für das Recht des Kindes geschlagen: König Salomo setzt zur wahren Mutter
diejenige Frau ein, die dem Kind dient-
Die lieber das Kind losgibt, als daß es in Stücke gerissen werde
zwischen den streitenden Frauen. Das
gewichtigste Argument zur Privilegierung der Kinder aber ist wohl, daß sie weitergeben werden, was sie selbst
erfahren haben. Geehrt, werden sie ehren, einst verachtet, werden sie
verachten; das ist wohl die Regel.
Auch dieses vierte Gebot hat der Schöpfer in uns gelegt. Wir
wissen es von innen her, gerade wenn
wir die Eltern verachten oder wir dem
Kind weh tun, wir wissen: In gleißenden Buchstaben ist in uns geschrieben: Du sollst ehren,
Vater, Mutter, Kinder.
Kinder ehren als Kinder Gottes, das wäre es. Nicht sie für
Besitz und Lebensinn halten: "Ich hätte so gerne Kinder gehabt, vor allem
eine Tochter, ich kann so gut nähen." Nicht als Verlängerung stolzer
Eltern zur Weiterführung der schon so lange im Familienbesitz befindlichen
Apotheke, nicht als Produkte eigener Fortpflanzung, die dann willfährig deren
beste Qualitäten veredeln sollen. Gegen diesen Elternhochmut redet Jakob an
(zum Knecht Elieser in "Joseph und
seine Brüder" von Thomas Mann): "Der Zeugende ist nur Werkzeug der
Schöpfung, blind und weiß nicht, was er tut. Da wir den Joseph zeugten, zeugten
wir nicht ihn, sondern irgend etwas, und daß es Joseph wurde, das tat Gott.
Zeugen ist nicht Schaffen, sondern es taucht nur Leben in Leben in blinder
Lust; Er aber schafft."
"Ehren wir doch
gebührend das fremde, herüberkommende Wesen, das noch anderen Mächten
nachlauscht, die es zur Welt brachten. Begrüßen wir doch den plötzlich
Eintretenden, den wir nicht kennen. Er wurde aus unendlicher Weisheit
vertrieben" (Botho Strauß). In uns soll er Engel, Helfer, Gottes Gefährten
finden. Es gelte: "Ehre die Eigentümlichkeiten und die Willkür deiner
Kinder, auf daß es ihnen wohl gehe und sie kräftig leben auf Erden” (Friedrich
Schleiermacher).
Wir dürfen sie keinen Augenblick anzweifeln. Sie erfreuen,
sie beschützen wollen, im Schlaf sie besehen; sie im Horizont ihrer künftigen
Chance halten: daß sie mündig sein werden, für sich selbst sprechen können,
ihnen nicht befehlen, möglichst nie, das wäre gut. Ja. Eltern, Lehrern, Ausbildende-
ihnen gehen auch die Nerven durch. Erziehende sind ja selbst nicht Wohlerzogene
durch und durch; sind oft überfordert
damit, Vorbild sein zu sollen und zu wollen. Wenn uns dann das Kind entlarvt:
"Papa, Mama, Du hast mir ein billiges Fahrrad gekauft, ich weiß, was es
gekostet hat", dann kann man schon hassen, das Kind, sich, die Umstände.
Wir Erwachsene
sollen Gefährten, Helfer, manchmal Diener des Kindes sein, niemals Herrscher;
wir sollten unser Einsehen als Vorschlag hin stellen. Den Willen des Kindes
ehren, ihn nie brechen, ihn in Verhandlungen locken, ihm entgegenkommen, das
wäre gut. Unser Zorn stammt aus unsern eigenen Konflikten, wir wissen es. Wir
wollen nicht das Kind dafür verantwortlich machen. Wir wollen Fehler
eingestehen, Schuld zugeben lernen.
Unser Wort soll auch gegen uns gelten.
Bestaunen wir die
lebendigen Gefühle des Kindes, lassen wir uns an unser eigenes Kindsein
erinnern, entdecken wir unser inneres Kind wieder an der Hand des Kindes und
der Enkel. Unsere Launen wollen wir als Marotten kennzeichnen, daß sie den
Kindern nicht Grundsätze werden, unsere Manien nicht ihnen Gesetz.
Wir wollen keine
Fallen stellen, keine List anwenden, nicht ver- schleiern, nicht ängstigen,
nicht Liebe entziehen, nicht isolieren, nicht Mißtrauen säen, nicht demütigen.
Wir wollen aufhören, vor anderen über unsere Kinder abfällig zu reden, wollen
sie nicht beschämen; eher sich den Mund zunähen, als vor anderen sie
bloßstellen. Und keine Gewalt anwenden, bitte, niemals Gewalt anwenden (siehe
auch Alice Miller, Am Anfang war Erziehung).
Wenn man bedenkt,daß gute Erziehung fast unmöglich ist, dann
sollte man wohl Kinder nicht mutwillig ins Leben rufen, sollte allerhöchstens,
, wenn alle äußeren Umstände bestmöglich geordnet sind, Zeugung geschehen
lassen . Kinder sind Gabe und Aufgabe. Keiner kann verantworten, einfach Kinder
zu machen.
Elternsein ist riskant. Kinder lernen, was in der Familie
wichtig genommen wird und was nicht. In Kindern haben wir Zeugen, Teilnehmer
und Teilhaber am Privatesten. Daß wir gewürdigt sind, Gottes Kinder zu
erziehen, ist grandios. Und daß wir es wert sein sollen, unsere Maß- stäbe
weiterzugeben, diese Ehre muß uns stärken, die Kinder sie selbst sein zu
lassen.
Deuten wir mit ihnen
Erfahrungen, stärken Mitleid auch mit King-Kong. Sie mögen ihr eigenes Urteil
bilden, in ihrem Gewissen vor Gott sich verantwortlich fühlen, schon sehr früh
freigesprochen von uns. Kinder ehren heißt zuerst: "Schaffet die vielen
Tränen der Kinder ab. Langes Regnen ist den Blüten schädlich" (Jean Paul).
Was da Großeltern Gutes tun können an ihren Enkeln und diese an ihren
Großeltern, ist noch ein Kapitel für sich, eines der glücklicheren im Buche des
Lebens.
Dann aber auch: Du sollst Vater und Mutter ehren! Sie haben
dich nicht ausgesucht, dich nicht erwählt, sie haben dich empfangen, sie
bekamen dich anvertraut als Gabe und Aufgabe. Sie haben dir ins Leben geholfen,
haben für dich gesorgt, sie waren dir als Eltern bestimmt. Ehre sie als Boten
Gottes, als seine ersten Mitarbeiter an deinem Werden. Sie waren dir die
besten, die erstbesten Eltern, die Gott für dich hatte; sie gaben dir, was sie
konnten. Und was sie dir schuldig blieben, haben sie wohl schon selbst
entbehrt.
Ehre sie vor allem
damit, daß Du, erwachsen geworden, sie nicht mehr verantwortlich machst für
deine Zukunft. Klage nicht, was sie dir eingebrockt hätten. Stattdessen
aufersteh und frag: was mach ich aus dem, was in mir angefangen ist. Du bist
nicht blinde Verlängerung deiner Eltern sondern spätestens von nun an dein Autor. Spätestens von heute an schreibst du dein
Drehbuch selbst. Du ehrst die Eltern, wenn du sie endlich freisprichst; ihr
niemals endendes schlechtes Gewissen
beute nicht mehr aus. Egal wie alt, wollen sie glückliche Kinder, aber
sie sind nicht mehr für dein Glück und
Unglück zuständig, sag es ihnen, zeig es ihnen.
Und, wenn es für
deine Selbstfindung sein muß, reiß dich wie Franz Kafka los, der 36-jährig,
fünf Jahre vor seinem Tod an seinen Vater schrieb," er sei ihm so
übermächtig , daß er noch im Lehnstuhl die Welt regiere, und gar nicht aufhören
könne, recht zu haben."
Aber im Laufe des
Lebens brauchen die altgewordenen Eltern die Kinder. Einst waren sie gefangen
im Kraftfeld der Bedürftigkeit des winzigen Wesens (Updike), jetzt dreht sich
das Verhältnis um und die Kinder werden eingefangen vom Kraftfeld der
bedürftigen Eltern. Nur Recht ist es, ja Glück ist es, ein Stück Liebe
zurückerstatten zu können. Es ist wirklich voller Verheißung, "aufdaß es
dir wohl ergehe auf Erden”. Denn Eltern begleitet haben, jedenfalls ihnen nahe
gewesen sein bis zu ihrem Tod, das gibt einen Tiefgang sondergleichen für das
eigene Altwerden. Es kann dann geschehen, daß man noch zum Lieben finden, so innig und
einverständig, wie es vorher nie gelang.
Nicht selbstverständlich
fallen die alten Eltern in die Obhut der Kinder. Gut, daß viel stellvertretende
Zuneigung und Sorge in der Welt ist. Kindern obliegt es, die Pflege der
Altgewordenen sicherzustellen im eigenen Haus oder im Altersheim; man muß
sehen, was richtig ist.
Meistens fällt die bezahlte Pflege leichter als die
geschuldete. In bezahlter Obhut werden die Menschen älter, weil sie nicht zur
Last fallen. Rund-um-die-Uhr-Pflege ist ohne professionelle Hilfe nicht zu
schaffen. Vergleiche mit Früher taugen kaum, schon weil die Großfamilien
voriger Zeiten mit den vielen Helfern vergangen sind.
Wir tun uns selbst
keinen Gefallen, wenn wir unsere Kinder, sofern wir welche haben, bedrängen,
uns mal nicht ins Heim zu geben. Richard Dehmel dichtete schon 1893: "Und
wenn dir einst von Sohnespflicht, mein Sohn, dein alter Vater spricht, gehorch
ihm nicht, gehorch ihm nicht!"
Aber die Zeit macht
die Kinder zu Sorgeverpflichteten/Sorgeberechtigten ihrer im Alter bedürftig
werdenden, vielleicht auch kindisch werdenden Eltern. Für sie da zu sein ist
Menschenpflicht, und daß Geschwister es einander lohnen, wenn einer einspringt,
ist eine Frage der Ehre.
Die Jungen meinen, mit ihnen beginne die Geschichte; die
Alten meinen, mit ihnen höre sie auf.
Das ist der Pfahl im Fleisch der Generationen. Aber wir geben doch die
Fackel des Lebendigen weiter. Ehren wir einander (1. Petrusbrief 2,17) als
Glieder der Kette, die das mühsam schöne Menschsein bildet.
II Kinder als Segen
Die Stärkung
durch die Taufe, Jesus läßt sich von Kindern stärken
Die Missetaten der Eltern setzen sich fort bis in die dritte
und vierte Generation; Barmherzigkeit pflanzt sich tausendfältig fort an denen,
die Gott lieben und achten (2. Mose 20, 3).
"Der Eltern
Segen baut den Kindern Häuser, ihr Fluch reißt sie nieder" (Jesus Sirach
3,11).
Tut euren Welt-Dienst mit gutem Willen, letztlich als Gott
getan und nicht nur den Menschen. Ihr wißt: Was ein jeder tut und läßt, das tut
er im Dialog mit Gott. So erzieht auch eure Kinder. Väter, Mütter, lehrt sie
die rechte Beziehung zu Gott, reizt sie nicht zum Zorn. Laßt das Drohen
(Epheserbrief 6, 4-9).
"Und Mütter brachten Kinder zu Jesus, damit er sie
anrühre. Die Jünger aber wiesen sie ab. Als das Jesus sah, wurde er unwillig
und sprach zu ihnen: Laßt die Kinder zu mir kommen, verwehrt es ihnen nicht;
denn ihnen gehört das Reich Gottes. Ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht
aufnimmt wie ein Kind, der wird nicht
hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete
sie" ( Markus-Ev. 10, 13-16).
Die Jünger wollen den Meister schonen, sie halten Jesus für
zu groß als daß Mütter mit ihren Kleinen ihn stören sollten. Gleich hat er
schon wieder Termine, der Gott und Mensch Verknüpfende- da steht Politik und
Tempel auf dem Spiel- da muß er
geistesgegenwärtig sein- also: Frauen mit eurer Brut- trollt euch.
Aber Jesus, sollte er geschlafen haben, hellwach wird er
jetzt. Ein Sturm läßt ihn im Schiffchen herrlich schlummern, aber wie die Jünger
zischelnd-herrisch die Frauen
vertreiben, das brachte ihn hoch. Denn
wie wir dem Kleinen, dem Schwachen begegnen, das entscheidet über Himmel und
Hölle hier. Und Kinder sind Bürgen des Reiches Gottes; sie haben die
Eierschalen des Himmels noch bei sich, so verstehe ich Jesus, sie haben das
Leuchten Gottes noch auf ihren Antlitzen.
Kinder schlafen
sehen- zu schön. Das Stärkendste überhaupt für Mütter, Väter, Menschen: Kinder gucken- Sie scheinen im Schlaf noch
die Erinnerungen von Glückseligkeiten träumend zu wiederholen- soviel Lächeln
geschieht ihnen und so viel Greifen hin, doch festzuhalten, was verweht.
Wenn nicht jede Generation aufgescheucht würde durch Kinder,
von unten her aus den Angeln gehoben- wie würden wir versteinern im
Perfektionieren einer matten Zufriedenheit. Kinder fallen uns in die
Wirklichkeit. Sie zwingen uns und berechtigen uns, für ein Anderes zu sorgen,
sie stecken uns mit Zukunft an; sie nötigen uns, zu planen und endlich
erwachsen, nämlich verantwortlich zu werden. Sie fördern uns, das Vertrauen
wieder zu lernen, also fromm zu werden.
Vielleicht geht uns die ganze Wunderbarkeit von Kindern erst als Großeltern auf, wenn man
ihnen viel nachsinnt. Vorher hat uns
die Wucht der Kinder in Bann gezogen, es gibt nichts Realeres als ein weinendes
Kind.
Kinder machen
wichtig, was wir denken. Auf einmal ist nicht mehr mein Reden nur
Privatmeinung, die Kinder formen unsere Wörter nach, führen unsere Gesten vor,
mit Kindern kommt es auf uns an. Wir werden geehrt und gebranntmarkt, zu überliefern, was uns wichtig ist. Und
denken (hoffentlich) neu über Gut und Böse nach. Wir bekommen Zeugen; nahe,
nicht abzuschüttelnde Teilnehmer unseres Lebens; ja, wir werden Teilnehmende
ihre Lebens für lange. .Sie werden uns beim Wort nehmen, uns konfrontieren mit
unsern eigenen Unarten, sie werden uns
mal fragen: "Warum hast du das getan"? Kinder erziehen zu mehr Menschlichkeit.
Wie wir unsere
Eltern ehren oder eben nicht, so werden unsere Kinder es sich merken, wie man
zu Eltern sich verhält. Und wie der Mann
die Frau/ die Frau den Mann achtet oder eben nicht, sondern ihn/sie heimlich oder offen verachtet- ihn/ sie
depotenziert eben durch Verspotten oder Darüberhinwegbügeln, was der Partner
auch sagt; oder ob sie mit Wohlwollen einander zugetan sind - das lernen
sie. Ob wir Respekt haben vor der
Einzigartigkeit des Andern, ob wir das Fremde für gleichwertig achten oder ob
wir fremdeln aus Unsicherheit, das gucken sie uns ab. Sie übernehmen auch die
Muster, wie zuhause gestritten wurde: Sich ducken oder auftrumpfen, oder aber
ein um Fairneß bemühtes Streiten, das besseres Zusammenleben erarbeitet und
jedem hilft, sein Gesicht zu wahren. Wenn wir sie viel ermahnen, werden sie vor
allem das Ermahnen lernen. Aber wir werden geehrt von Gott, seine Kinder ins
Leben zu geleiten. Es ist das Größte, das uns anvertraut werden kann.
"Ihr, die ihr doch schwierig seid, könnt dennoch euren Kindern gute Gaben geben“ (Matthäus-Ev.
7, 11) - damit sagt Jesus einen der
tröstlichsten Sätze der Menschheit. Bitter nötig ist dies Aufrichten bei all
den Fehlern, die wir zwischen Verwahrlosung und Überbehütung machen, bei all
den Fehlern, die unsere Eltern an uns machten. Nötig ist dies Aufrichten auch,
weil eine Reihe junger Erwachsener keinen Mut zum Kind mehr aufbringen.
Mut zum Kind ist ja
was Neues. Erst seit eben ein, zwei Generationen ist es daran, daß hier sich
Menschen entscheiden können und müssen für Kinder- Und es gibt gute Gründe, nicht Eltern werden zu wollen. Jedenfalls ist der Auftrag aus der Frühzeit
der Menschheit: "Seid fruchtbar und mehret euch" (1. Mose 1, 28)-
erfüllt. Man schätzt, daß es damals vor vier, fünftausend Jahren vielleicht
zwanzig Millionen Menschen gab, über eine leere Erde verstreut- gefährdet durch
Hunger und Seuchen und wilde Tiere.- Heute gibt es genug Menschen und genug
Kinder; gesucht bleiben mütterliche, väterliche Menschen, Paten, Pflegeeltern,
Behütende, Chanceneinräumende. .Nicht
Zeugen und Gebären sondern Sorgen in Liebe macht Elternschaft.
Hauptsache für jeden Menschen ist, daß er Kinder fördert und sich ihrem ihrem Elan aussetzt- wie dosiert auch immer.
Das vollständige Fehlen von Kindern im Altenheim und auf Kreuzfahrten und im
Gefängnis machen diese Aufenthalte jedenfalls in einer Hinsicht ähnlich.
Es gibt gute Gründe,
auf eigene Fortpflanzung zu verzichten. Vielleicht kennt man sich zu gut, will
sich nicht verlängern, will nicht im Kind sich noch einmal begegnen.
Aber Jesus erklärt: Ihr Schwierigen könnt doch Gutes geben;
könnt vor allem Gutes nehmen: Kinder bringen
ja Besserungskraft mit, sie bringen die Energien mit, die sie kosten. Sie
wickeln in uns Ungeahntes aus: am Kind
und mit dem Kind können wir unser eigenes Kind in uns wieder zum Leben
erwecken. Wir können das Leben neu denken mit den Augen unserer Kinder, können
unsere Angst vor Spinnen uns aberziehen durch den spielerischen Umgang des
Kindes mit den Spinnchen- wenn die Kinder nicht schon vor aller eigenen
Erfahrung den spitzen Schrei
"iii" haben gellen hören. Wir können auch unsere Ehrerbietung
vor Prominenten abstreifen durch den herrlich respektlosen Umgang der Kinder,
wenn sie nicht schon verschüchtert gemacht worden sind. Sie geben noch ihr
Bonbon von Mund zu Mund und zeigen, das nichts "an sich unrein ist" -
so auch Paulus im Römerbrief 14,14; und das freistellende Wort::"Dem
Reinen ist alles rein" (Titus1,15).
Aber wir Schwierigen haben auch viel zu geben: erstaunlich,
wie aus ego- istischen Töchtern pflichtbewußte Mütter werden, und aus Rabauken
zärtlich Väter- Es ist eben in uns ein Ahnen, daß wir Himmlisches anvertraut
bekommen. Kahlil Gibran sagt das so: "Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Es sind die Söhne und Töchter von des Lebens Verlangen nach sich selber. Sie
kommen durch euch, doch nicht von euch..."
Aus der
Gottes-Herkunft bringt das Neugeborene ja auch sein großes Vertrauen mit:
"Ich besitze das Recht, hier geachtet zu werden, wie ich bin. Und ich habe
ein Recht, von vielen Menschen willkommen geheißen zu werden." -
Was ist die Taufe anders als das deutliche "Willkommen,
Du! Gut, daß du da bist!" Die Taufe ist eine stilisierte Wiederholung des
Geburtsvorganges: Aus den Wassern gezogen ins Leben, höre Kind: " Fürchte
dich nicht, auch hier bist du nicht in
der Fremde, auch hier bist du in Gott, bei seinen Engeln, bei Eltern , für dich
erwählt, und sie werden dich begleiten, werden dich schützen und fördern."
Die Taufe ist sowas
wie Gottes Unterschrift: "Ich habe
Dich aus dem Nichtsein erlöst, ich habe Dich bei deinem Namen gerufen. Du bist
mein" (Jesaja 43,1). Richtig, daß Eltern ihre Kinder zur Taufe bringen, auch um ihre Rolle zu justieren: Nicht
Inhaber oder Macher oder Schöpfer sondern Engel, von Gott eingesetzt, seinen
Kindern die irdischen Eltern zu sein.
Richtig auch, daß
die Frauen von damals die Kinder zu Jesus brachten. Sie wollten Gebet um Segen
von ihm über diese Kinder. Aber brauchte nicht Jesus auch das "Gebet"
der Kinder? Vielleicht stärkte sich Jesus mit ihnen, fand in ihnen sein Vertrauen wieder, ihr Geborgensein von guten
Mächten, ihr Unbefangenheit aus Vertrautheit, ihr Unbeschämtsein stärkte ihn
hoffentlich auch. Sein Bescheid: "Wenn ihr nicht werdet, wie die
Kinder"möchte ich auch als Lektion der Kinder an Jesus lesen; wenn ihr
nicht im tiefsten Angewiesene und Erhobene seid, könnt ihr das Leben nicht packen.
Ich denke mir, daß Jesus selbst mal als
Kind schreiend vor einem Hund weggelaufen ist hin zur Mutter und
dann von ihren Armen aus den Hund verlachte, ihm eine eine lange Nase
zeigte. Dies "Erhobensein" mag als inneres Bild lebenslang bei ihm
geblieben sein und ihm geholfen haben, den Machthabern kontra zu geben.
"Sehet die Kinder", heißt doch: Lernt von ihnen
wieder das Geborgensein von guten Mächten, seht ihre Unbefangenheit aus Vertrauen, nehmt ihr
"Unverschämtsein" als Beispiel: "Bittet, suchet, klopfet
an" (Matthäus-Ev. 7,7)!
Sie leben ihr von
Gott, vom Leben Geliebtsein, sie müssen sich nicht erst zurechtmachen, um Gott
recht zu sein. Und genau das will ich auch glauben dürfen und schau es ihnen
ab. Sie sind noch näher an unser aller Ursprung.
Das sagt Jesus ja
auch: Zum Reich Gottes gehören, das passiert so wie die Kinder zum Leben
gehören: so wie man zum Haus der Eltern gehört, so gehören wir zu Gott; er ist
der Hintergrund auf dem unser Schicksal läuft.
Frieden mit Gott können wir uns nur geschehen lassen, nur in
Gebrauch nehmen.- Das sollen wir von den Kinder abgucken.
Wir Erwachsene sind aufgerufen, Mitarbeiter am Glück der
Kinder zu sein. Sie sollen höchste
Priorität genießen, Eltern sollten, wenn die Paar-Liebe verloren gehen sollte, ihretwegen sozial zusammenbleiben,- wie das
geht, weiß ich nicht, es fordert viel Verzicht. Aber Kinder sind aller Mühe
wert. Wir sind für sie ausgesucht. Nicht sie müssen sich unsern Vorstellungen
von einem wünschenswerten Kind nähern. Sie sind eigene Persönlichkeiten mit
eigenem Auftrag. Wir können ihre
Persönlichkeiten nur hüten und hegen, daß ihr Schicksal aufgehe zu seiner Zeit.
Und da ist es
einfach Realität, daß die Sünden der Eltern sich wie Viren fortpflanzen, aber
Gott sei großer Dank, eben die Guttat der Eltern auch, und die noch stärker. -
Da braucht es gar nicht spezielle Strafaktionen- es ist Segen des Schöpfers,
daß im Verhältnis von vier zu tausend
(heimsuchen bis in die vierte Generation, guttun tausenden) vielfältig mehr
Gnade, Wohltat, Freude durch die Generationen Gestalt gewinnt.
Wir dürfen schon um
unserer Kinder willen Gott nicht verschweigen und erst recht nicht ihn hassen,
wir dürfen es einfach nicht, weil wir den Kindern damit ihre ganze Existenz
verdunkeln können. Während wir, Gott hassend, irgendwie uns diesen Haß
letztlich nicht glauben (außer, wir hätten es auch schon von Zuhause) und Gott
auch für zu klug halten, als daß er
unsern Haß für unser letztes Wort halten könnte - aber die Kinder, sie
sind auf uns so angewiesen und ihre Seelen sind noch so weich wie Wachs, wenn
wir da mit unseren glühenden Wut-Eisen reinfahren, können wir sie beschädigen
fürs Leben- sodaß sie Gott und sich mit ihrem ganzen Sein ablehnen.
Hilfreich wäre, daß wir in Gegenwart der Kinder so wenig wie
irgend möglich spotten oder lügen. Und so wenig wie möglich überlisten,
verschleiern, ängstigen, Liebe
entziehen, isolieren, sie nicht zappeln lassen, ihnen nicht mißtrauen, sie
nicht demütigen. Und keine Gewalt. Nie- Ach bitte, Gott hilf.
Kinder kopieren uns, siehe Tischmanieren- später
interpretieren sie uns, übersetzen uns in ihre Sprache, in die Sprache ihrer
Freunde, setzen sich von uns ab, um eigene Menschen zu werden. Dann brauchen
sie uns als Reibeisen und als Helfer, sich in wachsender Freiheit zu bewähren
und noch länger brauchen sie uns als selbstlose Sponsoren.
Was wir verehren
oder entblättern, was in unserer Familie wichtig genommen oder verachtet wird,
geht weiter. Ungeheuerlich ist die Berufung, ein Kind Gottes erziehen zu
dürfen; fürchterlich, wenn wir uns an Kindern vergreifen; glückhaft, wenn sie
bei uns wachsen dürfen. Und wir mit ihnen.
III Muttertag- Elterntag: Rückblick im Dank
"Ehre die Eltern, auf daß es dir gut gehe und du lange
lebest in dem Land, von dem Land, das Gott dir gegeben hat" (2.Mose 20,
12).
"Höre auf deine
Eltern und schütze sie, verachte sie nicht, wenn sie alt sind. Laß sie sich
freuen, mach die fröhlich, die dich geboren hat" (Sprüche 23, 22. 25).
Muttertag- natürlich
hat man seinen Kindern gesagt, daß da nichts draus gemacht wird. Und doch freut
man sich, wenn die Kleinen aus dem Kindergarten ein Gemälde mitbringen,
neuerdings ausdrücklich für Mama und Papa, wenn vorhanden,"oder wer sonst
sehr lieb zu Euch ist"; und wenn die Größergewordenen mal heute anrufen
oder Blumen schicken oder vorbeikommen mit Kuchen, wäre das auch ganz nett.
Und man ist ja
selbst Kind einer Mutter. Wenn sie noch da ist, soll man sie drücken, ihr
danken? Wenn sich das Verhältnis umgedreht hat, die Kinder den Altgewordenen
jetzt Vater/Mutter sein müssen? Hoffentlich sendet dann der Bruder der
fürsorgenden Schwester einen schönen Strauß, oder auch umgekehrt: Der
fürsorgende, näherdran Wohnende wird heute von den andern bedankt.
Wenn die Eltern
schon im Himmel sind, dann schickt man jedenfalls gute Gedanken; geht mal zum
Friedhof, sorgt für das Grab oder läßt es besorgen- vielleicht kommen die Enkel
mehr als die Kinder..- Jedenfalls, je älter wir werden, desto heller strahlt
das Licht der Erinnerung an die Eltern.
Das Schmerzlichste
überhaupt ist, verwaiste Mutter, verwaiste Eltern zu sein. Wer ein Kind
zurückgeben mußte, weiß: Mutter/Vatersein ist das Intensivst-Lebendige ihres
Daseins gewesen. Auch ein Kind nicht ausgetragen haben, bleibt bei einem.
Drängend fehlt das Verlorene; das sehnend Gewünschte leuchtet am stärksten.
Muttersein, auch
Vatersein prägt stark. Nach und mit dem Frausein/ Mannsein greift Elternschaft
am meisten in uns. Wir werden umgegraben und befruchtet, bringen Frucht und
werden abgeerntet im Mutter/Vater- sein.
So ist auch der
Verzicht auf Kinder einschneidend. Eine
Familienministerin
meinte ja, kinderlose Paare würden sich der Zukunft
verweigern, höhere Zahlungen an die
Rentenkasse sollten sie leisten. Vielleicht ist es ja ganz anders. Sie
bescheiden sich, nehmen sich zurück, wollen gern mütterliche, väterliche
Menschen sein, sorgen für Kinder auf andere Weise, aber wollen, können nicht
Eltern sein: Halten sich nicht für die Retter der Menschheit; meinen, keine
Heilande zu gebären.
Muß das nicht aber
vorausgesetzt werden? Wer bewußt Elternschaft will, der muß doch glauben: Mein,
unser Kind ist nötig, ist einzig, ist wunderbar, ist das Schönste, wird das
Klügste, es wird glücklich, wird ein Segen sein.
Muß nicht jedes
Kind, spätestens, wenn es sich ankündet, zum Wunschkind werden? Ist nicht jedes
Kind vom Himmel abgepflückt?
Muttersein, Elternsein ist die innigste Mitbeteiligung an
der Schöpfung, und sicher ist die Frau als Gebärende die Vorarbeiterin der
Schöpfung und reich an Macht, ihr Kind zu nähren; Vatersein heißt Schützen.
Elternschaft ist wunderbar und hochgefährdet. Kind sein, Kind gewesen sein, wie
war das für dich?
Der französische
Literaturprofessor Jaques Lusseyran, sagte über seine Kinderzeit: "Meine
Eltern das war Schutz, Vertrauen. Noch
heute, im Alter, spüre ich das Kinderzeit-Gefühl der Wärme über mir, hinter
mir, und um mich; dieses wunderbare Gefühl, noch nicht auf eigene Rechnung zu
leben, sondern mich ganz auf andere zu stützen. Meine Eltern trugen mich auf
Händen, und das ist sicher der Grund, warum ich in meiner Kindheit wohl niemals
den Boden berührte. Ich lief zwischen Gefahren und Schrecknissen durch wie
Licht durch einen Spiegel dringt. Das ist es, was ich als Glück meiner Kindheit
bezeichne, diese magische Rüstung, die, ist sie einem erst einmal umgelegt,
Schutz gewährt für das ganze Leben” (aus: "Das wiedergefundene Licht”).
Anderen ging es
anders. Viele leiden bis heute an der blutenden Zeit ihrer Kinderangst, an
Mißhandlungen, auch an den giftigen
Streitgesprächen der liebelos gewordenen Eltern; die Drohungen von Scheidung
gellen noch. Und es zerreißt das Kind in dem Wunsch, beide zusammenhalten zu
können, und daß endlich Ruhe einkehre, wie auch immer.
Kindheit, Vater,
Mutter Großeltern- was ließ uns wachsen, was ist uns eingewachsen an Stärkung oder Schwächung? Eine beschützte
Kindheit hilft, Anforderungen und Gefahren zu dosieren gemäß Einsicht und
Aufnahmevermögen. Sie lehrt Vertrauen, auch mittels der Mühe, daß Versprechen
und Absprachen eingehalten werden. Gut, wenn uns gezeigt ist, daß man mit
Fairneß durchs Leben kommt und allem Lebendigen Ehrfurcht zusteht und die
Umwelt Freundesland ist. Gelingende Erziehung teilt Beurteilungen mit,
Meinungen, Wertungen; gibt zu denken, bettet ein in gewisse Urteilssicherheit
der Eltern. Sie hilft, daß man Ethik vorfindet, nicht: "Mach, was du willst"; nicht: "Beurteile
nach Lustgewinn" also Fernseher
als Nuckel; nur als Beispiel.
Mit Lust mögen
Eltern lernen, was dem Kind in seiner Entwicklung gedeihlich ist- zunächst
natürlich liebevolle Nähe, Schutz, Nahrung, Verläßlichkeit; die Eltern sind da
oder kommen zur rechten Zeit wieder, Regelmäßigkeit ist wichtig, ein Rhythmus
von Schlafen, Essen, Nähe, Spielen.
Dann lernen in Gemeinschaft, schon früh spüren lassen, daß das Kind auch
gebraucht wird und Herrliches zu geben hat.
Kinder haben ein
Recht auf Erziehende, die wissen, daß sie vorbildlich sind in Stärken und Schwächen. Spaßig-seufzend
gesagt: Was nützt die beste Erziehung, die Kinder machen doch alles nach.
Vater, Mutter sind
Rollen, in die wir mittels der Kinder reinwachsen, Kinder erziehen uns schon
sehr. Was zur Hilfe kommt, sind Muster aus
dem Menschheitsgedächtnis, die unsere kleines eigenes, schwieriges Elternsein tragen. Wir sind nur die Spitze des Eisbergs
"Vater /Mutter"; "Vater”
ist ein Urbild von Beschützen und Sagen, was richtig ist.Selbst Gottvater strahlt was ab auf den kleinen
Erdenpapa. Auch in unserer Mutter leuchtet das Mütterliche Element, das
Nährende, das Erzählende, die die Fäden des Lebens Webende, Göttin- gleich. Die
Brust der Mutter ist die Leinwand der Welt; später geht uns die Einheit
verloren, bis wir als Himmel sie wiederfinden.
Vielleicht haben
Töchter für die Gloriole des Vaters mehr Sinn und Söhne spüren die Schutzmantelrolle
der Mutter mehr. Väter und Söhne sind oft sehr ungeschickt miteinander, sehr
zum Leid der Mütter, die sie ja beide lieben; ja, einen im andern.
Eltern sind groß,
weil ihre Aufgabe groß ist, ja heilig. Sie sind vom Himmel her erwählt, sind
dem Kind Schicksal. Hoffentlich wissen sie ihre Berufung. - Früher waren die
Rollen von Vater und Mutter eisern, heute dürfen und müssen wir die
Lebensformen sehr weit selbst gestalten. Wer Mutterschaftsurlaub nimmt, wer das
Zuhause bestellt, ob Hausmann oder Hausfrau, oder geteilt oder in Etappen, das
müssen und dürfen heute die Eltern selbst entscheiden; sicher bei immer noch
ungerechten ökonomischen Verhältnissen. Und ein Jammer bleibt die mit Kindern
sitzengelassene Frau. -Für das stille Heldentum dieser Frauen gibt es auf
Männerseite wohl wenig Parallelen.
Heute kommt die
ideelle Vater/Mutterschaft mehr zum Tragen. Auch Männer können umsorgen,
pflegen, schmücken, singen, kochen streicheln. Auch Frauen können verhandeln,
ordnen, viel Geld verdienen, klare Kante ziehen, Wächter über die Lebenschancen
ihrer Kinder sein. Wichtig ist, wieder neu zu sehen, wie dramatisch die Zeit
der Kindheit ist, wie der Anstieg von Jugendkriminalität in einem Jahr um 12
Prozent Alarm ist. Wie die Jungen, die
ohne Ausbildung und Arbeit bleiben, sich zurückziehen müssen in ihre Familien
und da auf den Geist gehen oder sich hinter Computerspielchen oder Alkohol
unsichtbar machen oder sich gewaltbereiten Cliquen anschließen, die ein Stück
Bedeutsamkeit ihren Mitgliedern beschafft, allein schon damit, daß sie
gefürchtet werden. Wir Erwachsene
müssen uns anbieten als Helfende, als Paten, als Babysitter, müssen beistehen
denen, die heute Eltern sind. Welch Treue derer, die im Sport die Jugendlichen
zu Teamgeist anleiten, in der Jugendfeuerwehr oder bei den Pfadfindern! Und in
der Schule, wie ehren wir Pädagogen? Auch unter denen, die den Schulbus fahren?
Wer hat Kraft zum Bewährungshelfer?
Dank an die Mütter,
an die Eltern ist auch ein Dank an Gott, denn es war doch Gnade, daß so viel
Freude und Wachsen trotz allem gelang; Muttertag oder Mutters, der Eltern
Geburtstage, nimm sie wahr, nimm sie
als Erntedankfest für die Früchte der Erziehung. Meist durften wir anfangen mit
einem Goldenen Zeitalter. Elan ist uns mitgegeben, daß auch mit uns, durch uns
"etwas in der Welt entsteht, das allen in die Kindheit scheint und worin
noch keiner war: Heimat” (Ernst Bloch).
Du sollst nicht töten
Das fünfte Gebot
(2. Mose 20,13)
I Die Würde des Menschen ist unantastbar
II Töten zerreißt
Zusammenhang, Volkstrauertag, Feindesliebe
III Unsere
Mitgeschöpfe, die Tiere
I Die Würde des
Menschen ist unantastbar
Martin Luther: "Wir leben unter vielen Menschen, die
uns Leid antun, so daß wir Ursach kriegen, ihnen feind zu sein. Dir geht es
gut, er neidet, du wütest. Da geht es hin und her bis zum Morden. Das Gebot
soll beschirmen, sichern, jedermann vor Gewalt.
Daß man niemand ein Leid tue, auch um eines bösen Stücks
willen nicht, ob er es auch hoch verdiene. Das Gebot vor Augen und uns darin
spiegeln, so wirst du Gott das Unrecht befehlen, den Zorn stillen lernen.
Und: Wenn einer erfriert und du hättest ihn kleiden können,
so hast du ihn erfrieren lassen. Siehst du jemand Hunger leiden und speist ihn
nicht, so läßt du ihn Hungers sterben. Siehst du einen in Not und rettest ihn
nicht, obwohl du Mittel und Wege wüßtest, so hast du ihn getötet. Du hast ihm
die Liebe entzogen, dadurch er am Leben geblieben wäre. Es ist, als sähe ich
einen in ein Feuer gefallen und könnte ihm die Hand reichen und ihn rausziehen
und tue es nicht dann bin ich sein
Mörder. Wir sollen Gott glauben, daß wir unserm Nächsten kein Schaden noch Leid
tun sondern ihm helfen in allen Leibesnöten (aus dem Großen und Kleinen
Katechismus).
Du sollst nicht
töten. So rigoros, ganz ohne Einschränkung steht das auf den Gesetzestafeln der
Menschheit als sollte es auch das Töten
von Tieren verneinen. In Indien heißt das Gebot: Nichts Lebendigem sollst du
den Atem nehmen. Aber wir werden Ehrfurcht für Tiere wohl erst mit der Achtung
für den Menschen lernen.
Als Gesetz ist das "Du sollst nicht töten”
einleuchtend. Schon aus Eigeninteresse
muß ich hochhalten die Verpflichtung, einander nicht ans Leben zu gehen. Aber
woher die tiefere Begründung? Wenn Menschen sich bedroht sehen oder sich für
die Stärksten halten, wenn sie über die durchschlagendsten Waffe verfügen und
nicht eingebunden sind in einen Kranz von Verträgen mit kristallklaren
Straf-Androhungen, dann sind wir leicht
vergeßlich. Viel Krieg führen Menschen gegeneinander aus Hunger, aus Arroganz,
aus Angst, sie müßten dem andern zuvorkommen. Und Mord um Mord geschieht, wenn
Leben wenig gilt, das eigene wie das des Nächsten, oder aus Verzweiflung, im
Wahn, in Verblendung. Dünn ist die
Stimme der Vernunft: Weil ich nicht getötet werden will, töte ich auch nicht.
Die Stimme erreicht den nicht mehr, der sich schon tot fühlt, zombiehaft,
seelenlos, maschinengleich gedrillt und abgerichtet ist oder vom Hunger belehrt
ist, daß die Satten ihn schon nicht mehr auf der Rechnung haben, dann kann sich
der letzte Lebenswillen aufmachen und Brot holen, egal, wer sich
entgegenstellt.
Die Überzeugung vom
unverbrüchlichen Schutz des Lebens muß aus tieferen Quellen sich speisen. Warum
ist dir völlig klar: Du tötest nicht; und hoffst ganz fest, niemals einen
Unfall zu verschulden, und bittest ganz innig, auch in Notwehr keinen zu töten;
wirst also auch keine Bewaffnung für den Notfall dir besorgen. Warum willst du
Leben erhalten? Ja, es gehört Gott. Du
würdest dem Lebendigen was Eigenes wegnehmen.
Ein Schüler fragte den Rabbi: Es ist uns geboten: Liebe
deinen Nächsten dir gleich. Wie kann ich das erfüllen, wenn mein Nächster mir
Böses tut? Der Rabbi antwortete: Du mußt recht verstehen: Liebe deinen Nächsten
als etwas, das du selber bist. Denn alle Seelen sind eine. Jede ist ein Funke
von der Urseele. Sie ist ganz in all den Funken, wie deine Seele in allen
Gliedern deines Leibes ist.- Es kann schon mal sein, daß sich deine Hand vertut
und schlägt dich selber. Wirst du da einen Stock nehmen und deine Hand
züchtigen, weil sie keine Einsicht hatte, und wirst du so deinen Schmerz
vermehren? Nein also, wenn dein
Nächster, der eine Seele mit dir ist, aus mangelnder Einsicht dir Böses tut,
vergib ihm. Vergiltst du ihm, tust du dir ja selber weh. -Der Schüler fragte
weiter: Und wenn ich einen sehe, der vor Gott böse ist, wie kann ich ihn dann
lieben?-Weißt du nicht, sagt der Rabbi, daß die Urseele Gottes Seele ist und
daß jede Menschenseele ein Teil Gottes ist? Und wirst du dich nicht seiner
erbarmen, wenn du siehst, wie einer von Gottes heiligen Funken sich verfangen
hat und am Erlöschen ist (Luise Rinser, Lesebuch)?
Das ist das
Grundwasser aller Brunnen aus denen sich die Menschenwürde speist. Der Mensch
ist darum wunderbar, weil jeder eine Scherbe von dem Ebenbild Gottes ist,
selbst wenn die Seelen der fürchterlichen Menschen ganz in Dunkel gehüllt
scheinen. Darum ist dem Kain Gottes Mal auf die Stirn gegeben, daß keiner sich
an ihm vergreife (1.Mose 4, 15). Das zielt gegen unsere Neigung, das Böse in
einzelnen Menschen zu orten, es da, weit weg von mir einzukreisen, diese
Menschen dann zu richten und zu strafen, sie wegzuschließen und man hält sich selbst für einen guten
Menschen, weil man ja gegen das Böse gekämpft hat.
Daß wir endlich von der Todesstrafe abgekommen sind, ist ein
Hauch dieses Wissens vom Zusammenhang aller Seelen. Keiner darf einen aus dem
Leben drängen, auch nicht zur Strafe. Denn unsere Ichs bilden ein Heiliges.
"Von Natur weder gut noch schlecht, haben wir die Fähigkeit zu Gut- und
Schlechtsein; ja, zum einen mit dem anderen” (Hans Jonas). Gott erbaut mit uns sein Reich, seine Zukunft. Weil wir an
Gottes Werk beteiligt sind und seine einzigen Zeugen sind, darum sind wir heilig. Darum sollten wir nicht
niedermachend vom Menschen reden.
Es gibt viel zynische, verächtliche Beschimpfung der
Menschen: Mißgriff der Schöpfung, Störenfried der Natur, "nur ein
vorübergehender Schimmelbefall der Erdkruste" (Jacques Monot) seien wir,
nur "ein Mistelzweig am Lebensbaum” (Botho Strauß). Es kann und soll uns auch bange werden vor
unserm Zerstörtrieb und unserer fürchterlichen Gleichgültigkeit.
An einem Unfall, die
Polizei ist da- vorbeifahren, weiterfahren, in den Urlaub, zum Dienst, alles geht
weiter, wir machen weiter unser Ding- man müßte aussteigen und auf die Knie
fallen, noch leben zu dürfen und eine Sammlung in die Wege leiten für die Opfer
und den Führerschein abgeben, oder, oder. Und von alledem tue ich nichts, ich
setze meine Fahrt fort, wohl mit einem "Gott sei Dank", auch zunächst
mit gedrosseltem Tempo- aber die Flamme "Ich" sorgt für sich, will
weiterbrennen, will weiter. auch das ist ein Stück Scherbe vom Ganzen,
ausgerüstet mit Lebenswillen und der Begabung, abzublenden die Forderungen;
Augen zu und durch- diese Strategie ist auch ein Stück Leben, das ist, was es
ist.
Das Dichten und
Trachten des Menschen ist böse von Jugend auf, denken wir manchmal dem
Bibelwort (1. Mose 8,21) nach, wenn wir deprimiert sind über uns selbst und das
Heulen kriegen über Menschenleid und -schuld. Kleinlich-egoistisch, "fürs
Naheliegende scharfsichtig, fürs Ganze so blind" (Robert Musil)- ist das
mit "böse von Jugend auf" gemeint? Denn Gott hat nichts rein Böses
gemacht, das weiß ich und halte mich an eins der Traumworte der Bibel, (im
Anhang des Alten Testamentes: Weisheit 11, 23 ff):" Du erbarmst dich über
alle; denn du kannst alles, du übersiehst die Sünden der Menschen, daß sie sich
bessern sollen. Denn du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von dem,
was du gemacht hast; denn du hast ja nichts bereitet, gegen das du Haß gehabt
hättest..Du schonst aber alles; denn es gehört dir, du Freund des
Lebens."
Gut, vom klaren Grundwasser des Glaubens zu trinken;
ich schmecke es in dem Psalmwort: "Was ist der Mensch, daß du sein
gedenkest, Gott, was ist des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst?"
Zerbrechlich ist er, von Staub genommen. "Doch du hast ihn wenig niedriger
gemacht, denn Gott (als dich selber). Mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn
gekrönt” (Psalm 8, 5.6). - In unserm Lieben und Mühen nimmt Gott Gestalt an.
Das weißt auch du von innen, weißt es, wenn du einem Kind ins Antlitz blickst oder in ein Gesicht voll Falten, voller
Lebenserfahrung. Dann siehst du den Menschen als gekrönt: "Da, im Menschen
hat der Staub Feuer gefangen”. Darum schneidest du kein Leben ab.
Und du beleidigst auch weniger, gemäß Jesu Wort: "Wer
mit seinem Bruder zürnt, der ist schuldig; und wer zu seinem Bruder sagt: Du
Nichtsnutz!, der ist sehr schuldig; und wer sagt: Du mieser Typ, der ist der
Hölle schuldig. Versöhne dich mit deinem Geschwister; vertrage dich mit deinem
Gegner" (Matthäus- Ev.5, 22-25).
Und warum noch ist Menschenleben dir heilig? Weil du doch
siehst dein und vieler Menschen Mühen; siehst, wie Menschen, wie wir kämpfen und uns schinden. Und wie sie nicht
aufgeben, etwas aus sich zu machen, sieh die Mädchen, egal wie arm- mit einem
Fetzen Stoff und Blumen im Haar spielen sie große Dame, sieh die Jungen, wie
sie sich in Pose werfen, ihre Räder, Mofas, oder sonst was kunstvoll
beherrschen, mit irgendwas müssen sie glänzen, sie müssen doch wahrgenommen
werden. Und wie Menschen sich dem Tod entgegenstellen und nicht verfallen und
verelenden wollen. Und wie sie hoffen und Freundschaften schließen und Blicke
tauschen und Streicheln und Worte und Scheine. Herrlich, die Menschen und ihre
Künste, Wege sich zu bahnen in der Gefahr. Alle große Kunst zeugt von diesem
Trieb, nicht weggewischt zu werden sondern Spuren im Lebendigen zu hinterlassen. Du hältst viel von Menschen, darum förderst
du, unterstützt, räumst ihnen mehr Möglichkeiten ein. Du tötest nicht.
Das ist dir
verheißen. Was du zum Leben brauchst, wirst du unter Mühen aber ohne Gewalt dem
Leben abgewinnen. Das verlangt auch die Mitarbeit am Rechtsstaat, der jedem
sein Recht auf Leben sichert. -Wenn Menschen meinen, ihr Existenzrecht sich
erst besorgen zu müssen, wenn sie sich drangsaliert sehen, kann ich ihr
Steinewerfen nicht verdammen. Es steht mir nicht zu, die Handgranate der Flugzeugentführer
zu verurteilen; ich komme ohne dies Druckmittel aus und zwar ohne eigenes
Verdienst (nach Max Frisch). Wenn die Hungernden dieser Erde uns mit Gewalt das
Brot abfordern, das wir ihnen freiwillig nicht gaben, werden wir über die
vorgehaltene Pistole nicht lamentieren dürfen.-
Dir, mir ist das
fünfte Gebot ein Schutz geblieben. Du, ich, wir sahen uns noch nie in der Lage,
zu meinen, wir müßten töten, wir gnädig Davonge- kommenen bis jetzt. (Oder
haben wir den Krieg mitgemacht und überlebt, weil wir schneller schossen oder
geschickter uns totstellen konnten?)
Wir sind auch wohl nicht bis auf den Grund gequält von einem der beiden stärksten Antriebe für Mord
(Eugen Drewermann): Voll Angst steht
einer einem gegenüber, der ihm chronisch den Weg zu seinem eigenen Leben
versperrt, und es hat sich soviel Haß und Wut aufgestaut, daß es sich
mörderisch entlädt. Oder daß einer von unterdrückten Sexualenergien getrieben
ist, zugleich innerlich so verletzt ist
und so verächtlich von sich denkt, daß er meint, nur ein Mensch könne ihn noch
lieben, der verwandelt ist in etwas Totes, eine Sache, derer man sich
bemächtigen kann als ein Objekt.
Wer umbringt, ist
vorher kleingemacht, geschändet und verachtet worden, hält sich selbst für
nichts wert, so daß er anderes Leben entwertet. Der Menschheit ganzer Jammer packt uns an. Wir gedenken der wie zufällig gegriffenen,
aus dem Leben gezerrten Kinder und Frauen.
"Wo Totschlag verboten ist, da ist auch alle Ursach
verboten, daraus Totschlag entspringen mag", sagt Luther. Und da haben wir
viel mit zu schaffen.
II Töten zerreißt Zusammenhang, Volkstrauertag,
Feindesliebe
Jesus spricht: "Liebet eure Feinde; bittet für die, die
euch verfolgen. Und wenn dich jemand auf deine rechte Wange haut, dann halte
ihm auch die andere hin. Ihr sollt erkannt werdet als Kinder Gottes. Der läßt
seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und läßt regnen für Gerechte und
Ungerechte. Wenn ihr nur liebt, die euch
lieben, tut ihr doch nichts Besonderes. Ihr sollt vollkommen sein, ganz
sein, wie euer Vater im Himmel ganz ist" (Matthäus-Ev. 5, 39,44-48).
Ganz sein das wünscht uns Jesus, ungeteilt,
vollständig, nicht vollkommen im Sinne
von fehlerlos, sondern ungeteilt in mir mit Gott , zugehörig Allem, ganz in der
Liebe, auch die Feinde in sie einbezogen wissend.
Wenn wir aber töten,
dann zerreißen wir Zusammenhang. Wir schaffen uns vom Hals, aus den Augen, was
uns bedroht, wir wollen die Welt lieber ohne den Andern. Jeder hat sich schon
einen tot gewünscht aus Rache, aus
Habgier, aus Neid, aus banalem Ärger, einfach so; nicht er soll seins haben
sondern ich will seins.
In uns ist neben viel Licht auch viel Schatten. Sehen wir
uns zurückgesetzt, dann sind wir gekränkt, sehen wir uns von Gott, vom
Schicksal, von den Eltern, von Mitmenschen ungerecht behandelt, dann kann sich
unsere Restmacht aufbäumen, ich kann verschlagen werden, giftig, um mich zu
retten. "Dann” so Marie L.Kaschnitz "war ich es selbst nicht mehr,
die sprach, es war der böse, mürrische Geist der Rechthaberei, der über mich
gekommen war und mich so ausfüllte, daß für nichts Gutes mehr Raum
blieb".Die Macht des Negativen kann in uns mächtig werden als kleinliche
tückische Beinstellerei um ihrer selbst willen. "Manche, die sich einmal
liebten und jetzt hassen, tun das auf ganz
ungeheure Art” (Erich Kästner).
Haß ins Riesige
vergrößert haben wir Deutschen. Wir oder die Generation davor, versanken in den
Wahn, daß uns die ganze Erde zustände. Man muß nur die alten Wochenschauen sich
ansehen, wie sie Hitler zujubelten, sich im darboten, unsere Väter und Mütter
oder deren Nachbarn. Wir/ sie waren gebannt von dem bösen Geist der Gewalt und
Rohheit. So überzogen Deutsche fast alle Europäischen Länder mit Krieg,
schlugen, vertrieben, erschossen, erhängten, hetzten ins Gas, vernichteten
durch Zwangsarbeit, quälten mit sogenannten medizinischen Experimenten. Sechzig
Millionen Menschen kamen im Zweiten Weltkrieg zu Tode. Die Rache der Sieger war
furchtbar aber wohl nötig wenn man bedenkt, daß nach dem 20. Juli 1944, dem
Attentat auf Hitler, mehr Deutsche zu Tode kamen als in den vier, fünf Jahren
Krieg vorher. Wir waren besessen vor Rechthabewahn oder Selbstvernichtungswille
und die Mordmaschine war so infernalisch allesverschlingend angewachsen, daß zu
"Halt, aus, vorbei!" kaum einer die Kraft hatte, wohl auch aus
Ahnung, daß unsere Schuld unermeßlich sei. Und daß "die Weltgeschichte
kein Amtsgericht ist", hat Gustav Heinemann, der Bundespräsident von 1969 bis 1974, gesagt im Blick auf
Grausamkeiten auch der Alliierten zur Erzwingung der Kapitulation Deutschlands
damals.
Volkstrauertage
halten, ist uns aufgegeben. Wir müssen uns erinnern, dürfen nicht verdrängen
das Wissen von Gräuel und Verwüstung, das Leid, das durch unser Volk über die
Menschheit gebracht wurde und an dem wir selber ausgeblutet waren.- Wir trauern
um die Schuld, trauern uns am Gebot "Du sollst nicht töten” so vergangen zu haben, daß einer dichten
mußte: "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland” (Paul Celan). Und die wir
Tod säten, ernteten Tod, Vertreibung, Verwüstung und Diktatur über weite Teile
Europas, erlebt bis eben.
Jedes Lebendige trägt die unauslöschliche Widmung: Gehört
Gott, gehört Gott”. An jeder Stirn steht in ehernen Lettern: "Du, Kind
Gottes”. Darum sind auch die, die an uns starben und die uns starben, nicht auf
den Totenäckern geendet, sind nicht zu Asche endgültig verglüht. Sie sind
"vorweggenommen in ein Haus von Licht" (Marie L. Kaschnitz). Sie sind
ergänzt, genesen, versöhnt, bekehrt,
sie sind schön und ganz gemacht. Sie sind in Gott. Wie sie auch zu
Lebzeiten waren, eine Milde, eine Sanftmut geht doch von uns zu ihnen, und von
ihnen zu uns- doch um alles in der Welt, hoffentlich.
Die Bestimmung "Du gültig für Gott, immer” schafft
Hoffnung. Ohne Zukunft für die Toten, wie sollten wir gedenken können, auch an
das Entsetzliche unseres Volkes und
unserer selbst? Unser Herz müßte doch stehen bleiben vor dem
Grauen!
Letztlich darum,
weil Gott die Opfer zu den Tätern kehrt
und sie versöhnt, sie verschwistert, können wir uns als Einzelne, , als Volk,
getrauen, uns der Schuld zu stellen und um Vergebung bitten und sie erwarten
und als erhoffte schon wirksam sein lassen: Dank sei für alle Erkenntnis, alle Bitte um Vergebung, alles
Mühen um Wiedergutmachung Dank für alle Großzügigkeit und Neuen-anfang-wagen.
Leben lebt vom Leben
anderer. Wir alle ernähren uns vom Leben, das groß genug ist für alle. Krieg
aus Hunger und Durst ist auch unser Versagen. Du sollst nicht töten, ist allen
gesagt, aber den Mächtigen erst recht, die für Lebensmittel sorgen können.
In uns ist die Lust,
zu verwöhnen was wir lieben und am
Rande zu lassen und an den Rand zu schieben, was wir nicht mögen. Je mehr
Machtmittel wir haben, desto mehr Kommandogewalt auch, und um so mehr kann
unser Verachten und Hassen beschädigen. Weniger hassen- wie kommen wir dahin?
Selig die
Sanftmütigen, sie sollen die Erde besitzen, sagt Jesus (Matthäus-Ev 5,5). Die
uns fremd sind, sind es, weil wir ihnen feindlich sind. Das ist doch
Christenwissen, daß wir die erdumspannende Menschheitsfamilie glauben. Was
zählt, ist der Mensch und seine Sehnsucht, sein Mangel, sein Bedürfen, nicht ob
er zur Sippe gehört, zum Freundeskreis, und unabhängig von Geschlecht,
Religion, Volk. Wenn ihr die liebt die euch lieben, das ist noch nicht
ganzheitlich gelebt
Den anderen erst mal
für interessant und unbösartig halten, bei ihm auch im Streit mit
Einlenkbereitschaft rechnen. Und phantasieren, imaginieren, wie schön sein
Gesicht wird, wenn man gemeinsam was zu lachen hat. Einen Menschen dankbar
stimmen, das gibt ihm Hoffnung zu taugen, gibt ihm Geschmack, noch gern wieder
er selbst zu sein. Dank fühlen macht unmittelbar Gottes Gutsein anfaßbar.
Glücklich der Mensch, der merkt, wie sein Leben voller Danksignale ist und wie
er versöhnlich gestimmt wird, vom
Himmel her.
Ich erinnere mich an einen russischen Film: "Wenn die Kraniche ziehen”. Er
zeigt das Schicksal einer großen Liebe einer Frau zu ihrem Bräutigam. Er zog in
den Krieg, beide hatten lange nichts voneinander gehört. Dann sollte der Zug
ankommen mit den Gefangenen aus Deutschland. Er sollte darin sein. Und sie kam
mit einem großen Blumenstrauß zum
Bahnhof, und alle Erwartung und alle Hoffnung spielten auf ihrem
Gesicht. Und immer mehr Heimkehrer entstiegen dem Zug, sie wurden empfangen von
Bräuten und Müttern und Schwestern, die dann überglücklich abzogen. Und immer
weniger waren noch im Zug und kamen heraus, und sie fragte und stürzte von
einem zum andern: Wo ist meiner, wo ist er? Sie sagte den Namen. Sie waren alle
mit sich so beschäftigt. Und dann stand sie allein auf dem Bahnhof, allein mit
einigen anderen, die auch vergeblich gewartet hatten. Und sie richtete sich auf
und verteilte ihre Blumen an die, die auch allein blieben. Sie verknüpfte die
Allein- gelassenen mit dem Hoffnungsband, daß keiner der Liebe verloren gehe.
Du sollst nicht
töten. Dies Gebot schließt den Krieg ein. Krieg soll nicht sein, er ist ja das
tausendfache, millionenfache Töten.- Aber die Ressourcen sind begrenzt, Wasser,
Öl, Bildung-Wenn die Besitzer Menschen, Völker verdursten, verhungern lassen,
wenn immenser Reichtum an Fawelas und Kanisterstädte stoßen, wenn ein im Westen geklautes Auto im Osten eine ganze
Familie ein ganzes Jahr ernährt, während sonst der Mann nur das Jammern der
Kinder, das Klagen der Frau, das Wimmern der Alten hört; wenn Jugendliche
keinen Ausbildungsplatz finden, dann: wehe uns Besitzenden.Wenn wir den Habenichtsen vorzuwerfen, sie drohten
mit Gewalt, dann ist das zynisch- denn wir benutzen doch Gewalt, um die
Hungernden uns fern zu halten Den Krieg verhindern, heißt, Frieden schaffen,
indem Habende abgeben. Gegen berechtigte Forderungen sich hochgerüstet taub
stellen, das ist Krieg.
"Du sollst nicht töten" ist auch Versprechen: Du
wirst nicht töten. Du, ich, im Angesicht von viel verrückt gewordenem Jähzorn
und gewaltbereiter Sucht, haben wir doch noch viel zuzusetzen, können
Dankprämien fürs Durchgetragenwordensein geben. Auch "Brot für die
Welt" ist eine Frage der Ehre. Ich muß was vom Überfluß abgeben. Einigen
das Leben retten- das ist doch Gnade, es zu dürfen. Ganz abgesehen von der
politischen Diskussion, auf welche Kosten wir in den ökonomisch so effektiven
Ländern leben, wir mit unsern hohen Zöllen und dem Energieverbrauch.- "Es
muß nicht schmerzen, aber ich solls merken"-soviel jedenfalls abgeben aus
Erbarmen, das muß sein, sonst ist doch alles Christentum gelogen.Wenn ich
denke, ich müsse noch vorsorgen, könne noch nicht abgeben, dann muß ich noch
Lohnknecht des Lebens sein- und jeder Bettler, der lachend mit einer Stange
Brot und Rotwein mit Kumpeln das Leben
feiert, hat mehr begriffen als der reiche arme Schlucker.
„Freude nehme bei uns ihren Anfang, Haß komme bei uns zu
Ende” wenn uns das mehr gelänge, dies
Sichhinhalten, dies Unmut vom andern abziehen- Pfeile von Verachtung ablenken,
in die Bresche springen, Schuld auf sich nehmen. Gewalttätige ansprechen und
sie lassen sofort von ihrem Opfer ab, halten sich an dich, mich, gemessen an
den Schlägen, die andere schon einstecken mußten, habe ich noch was abzukriegen.
Du auch? Sie ist verheißen, "die wunderbare Gegengabe des Schwachen, daß
dieser den Starken zart mache” (Robert Musil).
Wir müssen sie aber wollen.
Das Fernsehen ist voll von Massakern, gestellten und realen.
Der Heckenschütze, der Schläger mit Nazislogans, der Killer mit irren Liedern
oder Gebeten auf den Lippen im Klassenzimmer,
sie sind auch Konzentrate von allgemeiner Gewalt oder schauen sich beim
Morden zu als wären sie im Film, sehen sich zum erstenmal ernst genommen weil
im Fernsehen. Wenn wir keinen guten Gott mehr haben, dem wir gehören, dann kann
das Verlangen übermächtig werden, selber Allmacht zu spielen und Gericht zu
vollziehen. Das kann eine furchtbare Umkehrung sein des Entsetzens, daß es auf
mich überhaupt nicht mehr ankomme. Auch, weil man sich wie den letzten Dreck
behandelt sieht, hält man sich dann auch für solchen und verwandelt Schönes in
Dreck und zerschlägt, was funktioniert.
Das einzige was
hilft, ist Liebe. Und wieviele Drachen besänftigt wurden, wieviele wandelnde
Bomben nicht zur Sprengung kamen, weil Dämpfung aus Freundlichkeit gelang- ach,
Gott, laß uns noch Zeit, daß wir Sympathie unter die Flügel geben,
selbstheilende Kräfte anschieben, sanftmachen dadurch, daß bei uns sich der
Sturm legt. Und jeder möge einen haben, der ihm zeigt: Gut, daß du da bist;
gut, daß du du bist.
III Unsere Mitgeschöpfe, die Tiere
Aus einem Brief von
Frau Brigitte A. aus Odenthal: "Ich habe auch das Sylter Tierheim besucht,
dort saß und sitzt u. a. ein Schäferhundmischling namens „Sly” ein, von seinem
vorigen Besitzer abgemagert und ungepflegt abgegeben. Trotzdem trauerte der ca.
8-jährige Hund diesem Menschen, der sein Zuhause war, nach. Ich würde mir für
diesen inzwischen wieder lebensfrohen braven Kerl, der seine Aufgabe als treuer
Behüter von Haus und Familie erfüllt, ein gutes Zuhause wünschen. Ich weiß, es
gibt einen Platz für ihn, bitte helfen sie mit, ihn zu finden."
Ich will wieder mehr
Achtung vor Tieren haben. Sie gehören wie wir zur Schöpfung: In Gottes Hand ist
die Seele von allem, was lebt.” (Hiob 12, 10). Und Martin Luther versichert: "Ich glaube, daß
auch die Hündlein und Belferlein in den Himmel kommen, und daß jede Kreatur
wahrhaftig eine Seele habe." Ja,"ganze Weltalter voll Liebe werden
notwendig sein, um den Tieren ihre Dienste und Verdienste an uns Menschen zu
vergelten" (Christian Morgenstern).
Vom Ursprung her hat Gott Mensch und Säugetier an einem Tag,
in einem Schöpfungsabschnitt geschaffen und uns an den gleichen Tisch der Gaben
Gottes gewiesen. Nicht durch Gottes Gebot ist Töten und Schlachten in die Welt
gekommen, zunächst sollte der Mensch sich nähren von den Früchten des Feldes.
Auch später war Fleischverzehr den
Reichen vorbehalten, Fleisch gab es an
Festen und waren dem Opfer vorbehalten- Gut, daß wir wieder bewußter
essen lernen. Unser Verbrauch von Tieren ist sündhaft.-
Gott hatte
ursprünglich die Menschen in den Garten gesetzt, ihn "zu bebauen und zu
bewahren" (1. Mose 2,15- herrlich, schon hier der ökologische Auftrag.)
Der Baum mitten im Garten zentriert die Welt um Gottes Willen, die Tiere führt
er zum Menschen, auf daß er mit ihnen rede und ihnen Namen gebe, sie sich
zuordne. Noch in der Sintflut werden die Tiere paarweise mit der
Menschenfamilie gerettet. Und das Ruhen am Sabbat gilt auch für die Tiere. Aber
mehr und mehr werden die Tiere zum Besitz, der auch verzehrt werden kann und
der Befehl: "Macht euch die Erde untertan” (1. Mose 1,28), wurde
mißverstanden als Freibrief, sich der Natur rücksichtslos zu bedienen, was die
Tiere zu Rohstoff oder "Biomasse” herabstufte.
Einsamer Rufer blieb im Christentum der Heilige Franziskus,
der zur Verwandtschaft mit Sonne und Mond fand, den Tod als Bruder anredet, der
die Waldtauben zähmt durch seine Worte und milden Augen auch den wilden Wolf
von Gubbio ohne Angst ansprach und den Fischen predigte. -Albert Schweitzer,
der Urwaldarzt von Lambarene, großer Orgelspieler und großer theologischer
Wissenschaftler, später
Friedensnobelpreisträger, erzählt, wie Tiere zu seinem Alltag gehörten:
"Zum Glück nicht Schimpansen, die die Schrankschlüssel blitzschnell drehen
und dann wegwerfen, die sich in jedes Bett legen und die Hühner jagen", so
erzählt er. -"Alle Tiere benehmen
sich zurückhaltend, außer den Affen. Man spürt, daß der Mensch nicht fern ist”
( C. Michael Cioran)-. Aber die Papageien Suku und Kudeku, der Hund Caramba,
die Antilopen, und das zahme Wildschwein Josephine gehören zur Familie. Im
Zusammenleben mit den Tieren hat Schweitzer das Gesetz gefunden, das uns allen
einleuchten müßte: "Du bist Leben, das Leben will, inmitten von Leben, das
Leben will.”
Doch wir sind noch weit von diesem Respekt entfernt.
Gedankenlosigkeit und Profitgier sind uns nah: Die Haustiere, die nach
Weihnachten abgegeben werden oder in
der Urlaubszeit einfach auf dem Rastplatz ausgesetzt werden; die Höllenfahrten
der subventionierten Schlachtvieh transporte in den Nahen Osten, und nur eine
Information: Haifische, rund 350 Arten, vier davon können dem Menschen
gefährlich werden. Sie ernähren sich von Algen, Krebsen, Fischlarven, die sie
mit ihren Kiemen wie mit einem Sieb aus dem Wasser fischen; Sie sind ohne
Schwimmblase, ihre riesige ölhaltige Leber verschafft ihnen Auftrieb. Die
Schwangerschaft der Dornhai-Weibchen dauert 22 Monate; erst mit 20 Jahren
werden sie fortpflanzungsfähig. Jedes
Jahr sterben wohl 10 Menschen durch Haie, aber 50 Millionen Haie werden durch
Menschen getötet und zu Fischmehl verarbeitet. Das Schlimmste: Die Flossen
bringen auf Asiens Märkten pro Kilo 100 Dollar. Für die begehrte Suppeneinlage
schneiden Fischer den Haien bei lebendigem Leibe die Flossen ab. Die
bewegungsunfähigen Tiere sinken auf den Meeresgrund und verenden erbärmlich
(Mensch und Tier 1/97)- Und die afrikanischen Elefanten und Nashörner, die
vietnamesischen Kragenbären, und der BSE-Wahn und die Tierquälerei an
Rennpferden.
Dank an die leidenschaftlichen Mitmenschen, die die
Öffentlichkeit aufrütteln. Oft braucht es wochenlange Recherchen. Nur wenn
Mißstände an die große Glocke kommen, kann es wenigstens kleine Erfolge geben:
Nach langem Ringen ist jetzt die Frischzellentherapie verboten und bei der
Kälbermast ist ab jetzt die Haltung in Einzelboxen untersagt.
Dabei, was verdanken wir den Tieren nicht alles. Als wir Kinder waren, hat das
Meerschweinchen, das Häschen uns doch wunderbare Gefühle gemacht, das erste
Lebendige, das uns anvertraut war. Und die Gespräche zwischen Herrchen bzw.
Frauchen und Hund: Wie sie ihre Stirn in Falten legten, uns zum Durchhalten
ermutigen; wie sie von Träumen geschüttelt scheinen und wie sie seufzen und vor
Behagen grunzen, wie sie so herrlich geregelte Verdauung haben und einfach so
sind, wie sie sind, auch so hocherfreut, wenn man zurückkommt und so wachsam
knurrend gegen den gemeinsam Nichterwünschten. "Wer warst du, ehe du Hund
wurdest?” könnte man fragen und schon
Anhaltspunkte finden für Seelenwanderung. "Jeder Hund ist besser als kein
Hund", sagt Konrad Lorenz.
Oder die Katze: "Mißtrauen, Wollust, Egoismus, ich
möchte sagen, das konzentrierteste Tier. Und die Selbstachtung der Katze ist
außerordentlich,” sagt Christian Morgenstern; und Fernando Pessoa: "Ich habe Katzen den Mond
anschauen sehen, und ich weiß nicht, ob sie ihn nicht für sich haben
wollten."
Auch Jesus hält uns
die Natur als Lehrstück vor: Schauet die Vögel, sehet die Lilien (Matthäus- Ev.
6, 26, 29) lernt von ihnen, sie sind im Zusammenhang, aber ihr seid nicht
mittig, ihr seid verrückt. Dies Unrundsein des Menschen hat natürlich damit
zutun, daß unser Innerstes uns oft voran ist in Vorsorge oder Vorfreude , oft
auch hinter uns zurückbleibt in Nachsinnen. Jesus lockt nicht zurück auf die
Bäume..- Aber bei all dem Grübeln und Zersorgen könnten wir etwas von den
Tieren annehmen- etwas von der wunderbaren Fähigkeit, jetzt hier zu sein, im
Augenblick ganz da- und das "Leben und Leben lassen."
"Seitdem ich
die Menschen kenne, liebe ich die Tiere"-
das Wort des Alten Fritz zeugt auch von Selbsterkenntnis und
Menschenverachtung. Und verwechselt einiges. Liebe zum Tier ist ohne Konflikte,
ohne Entwicklung, idyllisch, ist nicht
von gleich zu gleich. Der Hund ist seinem Herrn treu, nicht einem andern
Hund. Hat der Mensch nichts anderes,
dem er treu sein kann, ist das auch Armut. Aber ein Hund, dein Hund meint schon
dich persönlich; Homer erzählt von Odysseus, der seine vielen Kriege und
Irrfahrten hinter sich gebracht hat und nach Hause kommt und nur von seinem
Hund Argus erkannt wird. Es ist auch das Sterben für beide Seiten ein großer
Schmerz; wer ihn erlebt hat, verzichtet oft auf ein neues Tier.
Auch gedacht sein
soll an die unendlich viele Arbeit der Kaffernbüffel, Pferde, Esel, Elefanten,
Kamele. Und sie machen Jammer- die
Legebatterien, Lachskäfige und Schweinefleischfabriken, die Testformationen. In
der Frühzeit wußten die Menschen noch, daß sie sich für das Töten ihrer
Jagdbeute zu entschuldigen haben. Wir müssen wieder die Mitgeschöpflichkeit
lernen, wieder mal Vieh auf der Weide anschauen, uns vertiefen in die Augen
einer Kuh- dann werden wir sehen, wie das Tier eine Seele und ein Schicksal
hat.
Der Satz irgendeines alten Theologen: "Deus est anima
brutorum- Gott ist die Seele der Tiere” (Fernando Pessoa). Animal, auf
Lateinisch: das Tier, überhaupt das Lebewesen; und anima heißt ja die Seele-
die Verknüpfung birgt was Geheimnisvolles.
In der Bibel heißt es: Gott ist das Lebendige in allem Fleisch (4.Mose
16, 22).
Jedenfalls bleiben
die Tiere den Menschen auf der Spur, wir bleiben verwickelt in eine gemeinsame
Zukunft: Noch ist Mühe und Seufzen, aber, sagt Paulus: "Auch das
ängstliche Seufzen der Kreatur wartet auf die herrliche Freiheit der Kinder
Gottes" (Römer 8, 18). Und die Friedens- sehnsucht hat wohl kein schöneres
Bild gefunden als das des Propheten Jesaja, 11. Kapitel: "Da werden die
Wölfe bei den Lämmern wohnen, und ein Kind wird Kälber, Löwen, Mastvieh miteinander
hüten und Löwen werden Stroh fressen und nirgends wird mehr gesündigt und das
Land ist voll Erkenntnis Gottes."
Du sollst nicht ehebrechen - Das sechste Gebot (2. Mose 20,14)
Liebe und
schütze Ehen
Und Gott baute aus der Rippe des Einen die Andere. Da sprach
der Mensch: Das ist ja Bein von
meinem Bein und Fleisch von meinem
Fleisch. Darum wird jeder Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem
Gefährten hängen und werden die zwei ein neues Ganzes (1. Mose 2, 22. 24).
In einer Diskussion
über die Ehe sagt Jesus: "Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch
nicht scheiden." Die Pharisäer
halten Jesus entgegen: "Und warum hat Mose einen Scheidebrief
erlaubt?" Jesus antwortet: "Wegen der Härte eurer Herzen; vom Ursprung her, vom Wesen der Liebe her,
ist es anders gedacht"( (Matthäus-Ev. 19,6-8).
Das Ehebruchs-Verbot
stellte in Israel die Ehe des andern Mannes unter Schutz. Einer sollte nicht
den andern um seine Frau berauben. Du sollst ihn nicht töten und nicht an sein
Eigentum gehen- die nächsten Gebote zählen das Eigentum nach der (damalige)
Gewichtigkeit auf: Ehefrau, Ehre, Haus, "und alles, was sein ist"; im
zehnten Gebot taucht die Frau nochmal
auf mit und vor Knecht und Vieh.
Es ging im sechsten Gebot nicht um den Schutz der Liebe,
auch nicht um den Schutz der Frau. Die Frau ließ sich leicht wegschicken; ihr
einen Scheidebrief ausstellen, das ging jederzeit- man hat sie ja mal den
Eltern abgekauft. Eine neue Frau heiraten oder einige noch dazu sich
beigesellen durfte der Mann jener Zeit, wenn er wohlhabend genug war.
"Ehebruch war die Verletzung von Rechten des Ehemannes
durch den Ehebrecher. Untreue des Ehemannes war juristisch unerheblich"
(Uwe Wesel). Als Schutzsatz für des andern Ehebesitz ist das Gebot gänzlich
abgetan. Keiner gehört einem. Wir bleiben auch in der Ehe je eigene Personen,
eigenes Rechtssubjekt. Auch ließe dieses Gebot, wörtlich genommen, alle
Unverheirateten ohne Weisung.
Vielleicht heißt das
sechste Gebot eigentlich: Du sollst lieben. Oder als Zusage: Du, Gottes
Mensch, liebst. Und wenn du einen
derartig liebst und von ihm so geliebt wirst, daß ihr eine Sache miteinander
machen wollt, bis daß der Tod euch scheide, dann ist das Ehe, aus der du dich
nicht brechen willst, die du nicht zerbrechen willst und auch keinen anderen
willst du aus seiner Ehe brechen. Aber
Ehe muß der Liebe dienen.
Ja, der Traum vom Paar, das in ewiger Liebe einander
anvertraut ist, dieses Bild ist vom Ursprung her uns mitgegeben. Und die
Katholische Kirche wagt diesen Traum in der irdischen Ehe zu
institutionalisieren; das Paar gibt einander die Eucharistie, sie geben
einander den Leib Christi, von dem sie ein Teil sind als das ewig für einander
zugeschnittene Menschenpaar; darum ist Scheidung auch prinzipiell unmöglich. Evangelische
Kirche traut auch Geschiedene, sie macht auch die Ehe nicht zum Sakrament- zu
riskant ist für ein Sakrament diese
Verknüpfung von Menschenwille- der auch purer Eigensinn sein kann- und Gottes
Wille. Für Luther ist Ehe ein "weltlich Ding", das sicher Dank und
Fürbitte haben soll- einen Gottesdienst anläßlich der Eheschließung- aber kein
Eid, kein Gelübde soll gegeben werden,
wohl eine Willenserklärung unter Gebet, daß diese Beiden sich annehmen
wollen aus Gottes Hand, bis daß der Tod
sie scheide- dazu Bitte um Segen; vor allem, daß die Liebe bleibe.
Evangelische Kirche
gibt keine Garantie, daß die beiden das Paar sind, das vom Himmel bestimmt ist
zur ewigen Liebe. Wohl ist in uns das Bild vom Paar gelegt, doch dieses
verkörpern in Gestalt der Ehe bürgerlichen Rechtes ist ein anderes Ding. Und
wenn die Zwei sich eins wissen, immer wieder einig werden zu wollen, ist das
ihr Wille; und sie dürfen ihn als Gottes Willen glauben- und der Pastor/die
Pastorin dürfen über ihnen sagen: "Was Gott zusammengefügt hat, soll der
Mensch nicht scheiden."
Doch den einen
verwirklicht sich der Traum vom Paar in einer lebenslänglichen Ehe, anderen
mehr in Gestalt eines Reigen. Paulus riet energisch zur Ehelosigkeit.
Diese aber muß ja nicht geschlechtslos
gelebt werden; nachdem zuverlässige Empfängnisverhütung möglich ist, ist der
einzige Grund für "Keuschheit" als Tugend dahin.-Eine persönliche Entscheidung zu zeitweisem oder dauerndem Verzicht auf Liebe
mit Leib und Seele kann erhellende Freiheit für andere Intensität bedeuten.
Aber das Sich-körperlich-vermeiden als ethische Leistung, als "gutes
Werk" ausgeben, ist Willkür.
Enthaltsamkeit hat
im biblischen Rahmen sowieso einen schlechten Stand. Im zehnbändigen Wörterbuch
zum Neuen Testament steht zu "enkrateia”, -Selbstbeherrschung,
geschlechtliche Enthaltsamkeit: "Es ist auffällig, welche äußerst geringe
Rolle in der biblischen Religion die Enthaltsamkeit spielt. Das Wort taucht in
der Bibel nur an drei Stellen auf (u.a. Galaterbrief 5,22) Durch den Schöpfungsglauben
war der Weg in die Askese verstellt. Judentum und frühes Christentum erkannten
in der Welt mit ihren Gaben Gottes Schöpferhand.” Auch Jesus als asexuelles
Wesen zu denken, ist verstiegen, wenn nicht doketistisch, also irrlehrend, als
habe Gott nur scheinbar Menschenverkleidung angenommen. Wenn in Jesus "das
Wort Fleisch wurde" (Johannes-Ev 1,14) und er "den Menschen gleich
und der Erscheinung nach als Mensch erkannt wurde" (Philipperbrief 2,7),
dann gehört Geschlechtlichkeit selbstverständlich zu Jesus- auch wenn offen
ist, wie er sie gelebt hat- Für jüdische Theologen ist ein "Rabbi"
selbstverständ lich verheiratet und Vater vieler Kinder- wäre das bei Jesus
nicht der Fall gewesen, hätte er nicht als "Rabbi" gegolten.
Maria-Magdalena war ihm gut und er ihr, von einem Jünger heißt es, "daß er
ihn besonders liebhatte" (Johannes-Ev 13,23)- die Abendmahlsbilder mit
Johannes innig an JesuSchulter bewahren sicher eine liebevolle Wahrheit- wie
auch immer, mein Jesus hat mit Leib und
Seele geliebt und ist auch umfassend geliebt worden.
Das sechste Gebot gebietet zu allererst mal Aufmerksamkeit
für das weite Feld der irdischen Liebe. Es ist
Gottes schönste Erfindung und innigster Vorgeschmack auf Himmel und
Vollendung. Sie steht nicht nur der Ehe zu,
Liebe in Freundschaft und Ehe ist Thema des sechsten Gebotes.
Liebe war schon, als
Ehe noch gar nicht war, und da wir alle Liebe brauchen, suchen, geben, finden,
auch vor oder nach Ehe, auch ohne Ehe und oft auch neben der Ehe, ist erst zu
reden über das Lieben und dann auch über Ehe als eine Form, eine Liebe zu
schützen und zu entfalten.
Unsere Anschauung
von der Liebe ist unverlierbar geprägt durch die Schöpfungsgeschichte, die
einer mal "die wahre Sage” genannt hat. Gott schafft den Menschen als Mann
und Frau, sodaß einer beim Anblick des andern jubelt: das ist ja meins, das ist
ja Ich noch einmal, noch einmal anders.
Das Paar ist auch
die Entdeckung der schönste Gestalt ,
wie Zusammen-
gehören irdisch abzubilden sei: Die Zwei die beisammen sind
nicht in Unfreiheit, auch nicht in Freiheit (im Sinne von Gewährenlassen bis
zum Desinteresse) sondern in
Verbundenheit (nach Martin Buber). Gott
steckte den Menschen mit Paarlust an;
die fühlt schon bei Pflanzen und Tieren hauchweise vor; man denke an die Blüten
und die Schnecken.
Aber dann, in den Menschen kommt die Lust, sich zu
verknüpfen zu lichterloher Bewußtheit. Eins "erkennt" den andern- so
das alttestamentliche Wort für Miteinanderschlafen (z, B 1. Mose 4,1). Der
Mensch findet erst in Rücksicht auf des andern Sein zu seiner eigenen Seele, zu
seinem eigenen Leib. Eins hilft dem
andern als Spiegel, sich zu finden.
So ist die
Liebesumarmung ein heiliges Geschehen, ein neuer Schöpfungstag immer wieder,
zwei Bruchstücke erleben sich als verwandt, sie reichen sich einander als Brot
und Wein der Communio (Novalis), sie
schmecken sich und können sich riechen, sie fühlen sich eine Strecke weit
ausgebootet aus der Pflichtzeit, Puzzles, die schon wenigstens an einer Seite
zum Ganzen gehören; Zwei verschmolzen für Augenblicke Ewigkeit. Da gelingt das
Wunder von Ganzsein, wo keiner mehr an sich denkt, sondern beide aufgehoben
sind zu einer Kugel in Gottes Händen. Es könnte dies ein Gleichnis sein für das
Wieder-zur-Einheit- Zurückfinden, das uns mit dem Himmelreich ja bevorsteht.
Weise Juden sagen: "Es sind drei Beweise für die Existenz Gottes:
"Die Sonne, der Sabbat, die Liebesumarmung." Und Marie L. Kaschnitz:
"Die Blüte irdischer Liebe gabst Du mir zum Pfand fürs Reich des Geistes
und der Güte."
Und noch inniger,
eigentlich nicht zu sagen, nur gewahrzuwerden im Lieben: "Gott schuf den
Menschen zu seinem Bild als Mann und Frau" (1. Mose 1,27). Gott, der Ganze
hat in seine Menschen die Suche nach Ganzwerden eingesät, hat uns als fiktive
Hälften geschaffen, die ihre Ergänzung immer suchen, sie immer auch für kurze
Zeit genießen dürfen, wie brüchig auch immer Doch auch diese Findezeiten sind
erst und nur Ouvertüren, begnadete Anfänge, Schlüssellochblicke in Richtung
Einganzeswerden mit Allem und Jedem.
Was von Leib zu Leib
gelingt, ist gefährdet; Hilde Domin sagt es : "Du und ich/ Von Warm nach
Kalt/ wie schnell das geht/ Haut und Gänsehaut.” Schnell kann Argwohn das Paar
zerspalten. Daß zwei sich lieben, bestätigt: Gut daß du da bist, gut, daß es
dich gibt; erst mal ganz unabhängig, wie lange und wie oft sie sich gut sind,
sie werden von einander gehen, gestärkt in dem Wissen: Ich bin liebenswert, ich
bin liebesfähig.
Auch wenn ein Lieben endet, nimmst du doch mit diese
wunderbare Gewißheit: du hast zum Glück mindestens dieses einen Menschen
beigetragen. Und der fand Liebenswertes an dir. Wenn ihr euch verliert, dann
bleibe euch mindestens als Essenz des Gemeinsamen: Geliebthaben, Geliebtwordensein bleibt bei einem jeden von euch
und wird die nächsten Phasen der Liebe mit färben.
Das Lieben ist unsere Bestimmung.In diesem Sinne sagt Peter
Handke: "Jeder Kuß ein Segen." -Vielleicht werden wir dermaleinst
Rechenschaft geben müssen für die versäumte, ausgelassene, nicht
gelebte Zartheit- den Kindern, dem Ehegefährten und jedem
Menschen, der unsere Nähe gebraucht hätte; aber wir waren zu solistisch, zu
angepaßt, eifersüchtig, blind, dogmatisch, träge, phantasielos. -Sicher gibt es
auch voreilige Küsse, aufgezwungene, leere, heiße Luft eben, und der andere hat
es als Versprechen genommen. "Mit der Liebe spielt man nicht", könnte
auch meinen: "Du sollst nicht geliebt sein wollen, wo du nicht
liebst" (Friedrich D. Schleiermacher).
Wundersam, daß in
der deutschen Sprache nur ein Wort da ist, wo die Griechen viele haben: Eros,
Agape, Filia, Epithymia- Erotik, Nächstenliebe, Freundschaft, Leidenschaft; wir
haben nur: "Liebe”. Und wie wahr:
Auch Nächstenliebe ist doch eine Abteilung der Liebe; Liebe womöglich die höchste
Stufe und extremste Form von Nächstenliebe” (Peter Nadas)? Die
Wechselseitigkeit ist das Köstliche am Lieben, glückhafte Liebe gibt beim Nehmen und nimmt beim Geben. Im Ideal anzuschauen beim Kind an der Mutterbrust-
wer stillt da wen?
Liebe als Quelle der
Freude dürfen wir genießen in vielen Formen und Farben; die umfassendste ist
sicher die Ehe aber auch ein
gelingendes Gespräch, ein befreiendes Wort in peinlicher Situation, ein
versöhnliches Lachen, ein gemeinsames Tafeln, ein Beten, Freundlichkeit aller
Art ist vom Schatz der Liebe genommen. Deren köstlichste Perlen aber schenken
ein umfassendes Ja; zwei suchen eins im
andern so was wie Unterkunft ,wenn nicht gar Heimat.
Es gibt viele
Bindekräfte; die Sexualität aber ist Kern des Magnetfeldes, das uns zueinander
hinzieht. Es ist wohl Gottes menschenfreundlichste, aber auch tiefgründigste
Erfindung; "Wir sind Engel mit nur einem Flügel. Wenn wir fliegen wollen,
müssen wir uns umarmen” sagt Bellavista.
Auch die vielen
anderen Farben sind enorm kostbar und
anziehend : Die intensive Sympathie, mit dem anderen zu leiden, weil sein Leid
als Stich ins eigene Fleisch empfunden wird; mit dem anderen sich freuen, noch
die Fußballspieler mitbejubeln, oder die Baumhäuser der Kinder mitbauen.
Gemeinsames, das mehr Möglichkeiten eröffnet,
und das Schöne - Mozart,
Picasso, das lächelnde Antlitz des Passanten- bestätigen doch den Glauben an
ein Gutsein des Ganzen.
Also nicht der
Einzelne im Meer von Fremdheit, bis er seine Dublette gefunden hat und die
beiden dann in einem Zweipersonenböötchen auf einem Meer des Grauens sich
aneinander festklammern. Sondern Liebe entwickelt das Bild vom polar getönten
Kosmos, von einer auf Freundschaft gestimmten Menschheit, die Jesus ausruft,
eben auch, indem er nicht heiratet, nicht Familie gründet.
Jesus ruft die Familie Gottes aus: die patriarchalischen
Druckmittel zerbröselt er: "Einer ist euer Meister, ihr aber seid alle
Brüder und Schwestern und wer der Größte unter euch sein will, sei Diener
aller" (Matthäus-Ev. 23, 8,11). Er drängt auch die matriarchalischen
Begehrlichkeiten zurück. Zu Maria sagt er einmal: "Frau, was gehts dich
an, was ich tue" (Johannes-Ev. 2, 4). Und "Bruder, Schwester, Mutter
sind mir die, die den Willen Gottes tun" (Matthäus-Ev. 12, 50). Der
sterbende Jesus bzw. der auferstandene Christus sagt zu Maria und Johannes, die
unter dem Kreuz stehen: "Frau, das ist dein Sohn; Johannes, das ist deine
Mutter" (Johannes 19, 26f). Sie werden zueinandergestellt, einander
anvertraut; nicht mehr Genetik oder Juristik verbindet sie sondern die Liebe, die
das Zuständigsein füreinander lebt. Liebe ergänzt das Bedürftigsein auf eine
sehr persönliche Art von Angesicht zu Angesicht. Aber auch das Rote Kreuz oder
der ADAC lieben: Helfen ist doch die Mutter der Liebe.
Ehe ist
Institutionalisierung des Wunders - Ehe will sich annehmen aus Gottes Hand,
sich lieben und ehren , in Freud und Leid nicht verlassen, bis daß der Tod sie
scheidet. Dabei ist Liebe nicht zu bannen. Aber muß es so aufgeteilt sein:
"Es gibt das sinnliche Verlangen, sich mit einem andern Wesen zu vereinen,
und das vernünftige Verlangen, einen Lebensgefährten
zu haben"- Albert Camus sagte das, aber er sagte auch:
"Ehe ist die einzige Liebe ohne Illusion, nämlich die Liebe mit der
Bereitschaft, gemeinsam alt zu werden."
Generell läßt sich wohl nur sagen: Ehe muß der Liebe dienen. Aber sie
kann es auch. Ehe ist Bleiben; was
heute nicht gelingt, gelingt vielleicht morgen oder nächstes Jahr- Ehe ist auf
Dauer angelegt, will ein gemeinsames Haus aus Sprache und Erinnerungen,
Projekten, will gemeinsames Konto, Bestehen von Mühen und Schrecknissen,
Bereiten von Glanz und Festen.
Gemeinsame Kinder, wenn möglich; sie gemeinsam erziehen und irgendwann
sie in ihre eigene Zukunft laufenlassen.
Ehe ist Kenntnis vom Andern, inklusiv dem Verschwiegenen und
Nichterfragten; ist wissen was ihm gut tut und ihm weh tut- wissen wie weit man
nicht zuweit gehen darf- das Wissen, was im Konflikt Priorität hat, und daß es
den den gemeinsamen Gewißheitskern zu schützen gilt. Ehe sucht zu vermeiden,
was das Bleiben zerstörte.
Ehe ist zutiefst
Freundschaft und gutes Verhältnis zur Zeit- die Bedürfnisse wandeln sich; wohl
den Beiden, wenn sie sich Geleit geben, ohne alles an Ergänzung von dem einen zu verlangen. Ehe findet im Laufe des
Weges zu der ganz bestimmten, höchst individuellen Wahrheit- gerade den
Geliebtesten braucht man ja am meisten, ihn will man am wenigsten enttäuschen,
darum wird viel geschont- und geschönt eben auch. "Man hat immer einen
Zeugen"(Javier Marias). Das ist nicht jedes Menschen Sache. Sich nah sein
und doch sein Eigenes machen, will gelernt werden."Sag einfach, wie es mit
dir ist" (Ruth Cohn)- aber selektiv authentisch-alles zur richtigen Zeit.
Und viel Lachen auch über sich selbst, sich komisch finden, langsam auch
Verwandtschaft im Humor. Und eine Streitkultur finden, die beiden Raum läßt und
immer neu austariert, welche Nähe, welche Distanz jetzt bekömmlich ist. Und
viel Vergebung, besser noch, nicht so
viel schuldig machen durch Vergeben sondern den eigenen Anteil mit übernehmen,
und sagen, denken: "Nicht leicht du zu sein, ich zu sein; zusammen
gehts."
Großzügigkeit im
Laufe der Zeit , durch die Finger gucken, nicht verhören, nie Fallen
stellen; nur fragen, was man muß und
abwarten können, bis er/sie selber sich regt. Aus der Mengenlehre gelernt
haben: Viel gemeinsame Schnittmenge, aber auch je eigene Teilmenge. Jedem auch
sein eigenes Stück Garten, das der andere nur eingeladenerweise betritt. Und
"Hauptsache: Du bist glücklich; das Zweitwichtigste: mit mir."
Und die Beute an Geld, Erfolg, Freude draußen mit nach Hause
bringen, umgemünzt. Und wachsende Gelassenheit, was Freundschaften hinzu
angeht. "Wir müssen uns frei machen von der Vorstellung, als mache
sexuelle Treue schon eine gute Ehe oder ohne diese sei eine gute Ehe
unmöglich", weiß Max Frisch. Wie
Entbehrung und Mangel bestanden werden, auch die verschiedenen Tempi und daß
die Körperfreude möglicherweise dem
einen sehr wichtig, dem andern eher weniger wichtig ist- wie das "Einer
trage des anderen Last mit" (Galaterbrief 5,2) in dieser Ehe gelebt wird,
bleibt die Arbeit dieses Paares. "Liebe ist: nicht zuviel vom andern zu
erwarten"- wie die Beiden das umsetzen, wie die Gezeiten der Liebe in der
Ehe ausgehalten bleiben, das macht jede lebendige Ehe zu einem Wunder.
Es ist Frucht einer
zweitausend Jahre alten Christentumsgeschichte, inklusiv der von Kirche teils
ungeliebten Aufklärung, daß die Würde des Einzelnen unantastbar ist, auch in
der Ehe. Dazu gehört, daß jeder Mensch Zweck in sich selber ist und nicht zum
Zweck gemacht werden darf. Darum sind auch alle Ehekonzepte absurd geworden,
die den Zweck der Ehe in Kindern siehen oder/ und in der Kasernierung des
Triebes. Ehe muß der Liebe dienen, das ist Wiederfinden der Wahrheit des
Ursprungs.
Die Schriftgelehrten
gehen im Streit mit Jesus (Matthäus-Ev. 19) das Thema ganz anders an: Ehe ist
für sie eine juristische Körperschaft wie Nation oder Firma mit Gesetzen und
Klauseln. Und wer der Stärkere ist, der hat von Klauseln und Kleingedrucktem
immer mehr Nutzen als der andere. Und ganz klar, die Schriftgelehrten von
damals waren Männer, und die Männer wollten ihre Herrschaft in der Ehe
nutzbringend anwenden: Wohl ist die Frau Herrin des Hauses, aber doch in des
Herren Haus und doch von des Mannes Gnaden, und wenn sie Zicken macht, muß es
möglich sein, sie loszuwerden ohne große Abfindung. Sie ist die Mutter seiner
Kinder; es bleiben seine Kinder. Sie ist ja abgekauft dem Schwiegervater, jetzt
soll sie sich bezahlt machen. Darum war auch selbstverständlich die Steinigung als Strafe für die
Ehebrecherin (Johannes-Ev.8) Jesus kann die Richter (diesesmal ) bekehren zur
Einsicht, daß sie selber gelüstende Gedanken haben: "Wer ohne Sünde ist,
der werfe den ersten Stein."-Jesus entzieht den Männern ihr Besitzdenken als Ehebasis- und lockt sie
heim in Richtung Liebe. Die Pharisäer hielten es für Männerrecht, die Frauen
austauschen zu können. Jesus sagt,
wegen eurer Herzenssklerose ist euch die Möglichkeit zur Scheidung von Mose
eingeräumt. Ihr denkt bei Ehe an Besitz . Aber Ehe beleiht doch den Traum vom
Paar, Ehe hat doch mit Liebe zu tun; die ist vom Wesen her ewig und überhaupt
kein Feld für Machtworte. Eheleute
sollen sich nicht scheiden lassen. Der Glaube, Gott habe sie zusammengefügt und
gebe die tägliche Ration Liebe, der
soll sie gemeinsame Sache machen lassen, bis daß der Tod sie scheide . Aber
wenn dieser Glaube sie verläßt, sind sie schon von der Liebe Verlassene, und
dann muß nach langem Mühen ein
Auseinandergehen möglich sein.
Paulus sieht Ehe nur verkniffen, nur als Notinstitut gegen
umtriebiges Liebesleben- "Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren.
Aber um Unzucht zu vermeiden, soll
jeder seine eigene Frau haben und jede frau ihren eigenen Mann... besser
heiraten als sich in Begierde zu verzehren... Aber jeder hat seine Gabe, der
eine so, der andere so. Jeder soll so leben, wie der Herr es ihm zugemessen,
wie er einen jeden berufen hat" (1. Korintherbrief 7,1.2.7.9.17) -Doch
darum, Paulus, schade, daß du sagst es sei gut, daß keiner den andern
anrühre. Es hat doch jeder seine, jede
ihre Gabe , der/die eine so, der/die andere so. Dabei hast du tief geblickt:
"Die Frau verfügt nicht über ihren Leib, sondern der Mann und der Mann
verfügt nicht über seinen Leib, sondern die Frau" (v.4) und empfiehlst ,
nach Symphonie zu streben (v.5) und nicht einander sich zu entziehen und du hast mit 1. Korintherbrief 13. Kapitel das gewaltige
Gedicht von der Liebe( ...mit Menschen- und mit Engelszungen..) eingegeben
bekommen. Warum du so abwertend von der irdischen Liebe denkst, wer weiß, was
du erlebt hast, warst ja auch ein
gehetzter Mensch, ein Missions-Workaholic;
dachtest, gleich ginge die Welt unter.
Für Martin Luther
ist die Ehe ein emanzipatorischer Akt, er beweist sich und anderen den Bruch
mit dem Papsttum; verneint einen Sonderweg für Kleriker, bestreitet ihnen, auf
eine weihevollere Ehe mit Kirche und
Maria versiegelt zu sein. Auch Luther sieht die Ehe nicht als Projekt
der Liebe sondern als Status des freien Christenmenschen und als Projekt für
anständigen Nachwuchs: "Gott ehrt den Ehestand damit, daß er ihn durch
sein Gebot bestätigt und bewahrt... Denn es liegt ihm alle Macht daran, daß man
Leute heranziehe, die der Welt dienen."
Die Wahrheit ist: Die Ehe muß der Liebe dienen. Gott
implantiert in uns ein Stück seines Wesens. Sein Wesen ist Liebe, Zuneigung,
Empfindung für das Andere, Wille zur Gemeinschaft. Mit dem anderen, der anders
ist aber ähnlich, communio herstellen, das ist Gottes
Anliegen. Und so schafft Gott einen Kosmos, der auch wieder so gebaut ist,
nämlich polar, in Gegensätzen, die zueinander gehören. Mann und Frau ist eines
dieser Gegensatzpaare, in denen Gott sein "Im- anderen- sich-
Wiederfinden” nachbaut, nachstellt, nachfühlt.
Gott setzt dem Menschen diese kleine Flamme seiner eigenen Liebeskraft
ein: seine Polarität.
Und so muß der Mensch auch wieder zum anderen hin, muß im
anderen sich finden, mit dem anderen gemeinsame Sache machen, sich sättigen
daran, daß er ihm seinen Hunger stillt, muß sich an seiner Freude entzünden, an
seiner Wärme sich erwärmen Und wenn einer die Kälte des anderen auftaut, dann
macht ihn dies Auftauen zum Frühling. So sehnt sich jeder Mensch nach einem Du
als Hilfe. Und sucht den Einen/die Eine. Da ist die Angst, den geliebten
Menschen nicht zu finden oder ihn zu verpassen, ihn zu verschrecken, ihn zu
enttäuschen, ihn nicht halten zu können; da ist die Angst, ihn zu verlieren. Es
ist die Angst vor dem Vergleich, das Zittern, verlassen zu werden, oder daß die
Liebe überhaupt erkaltet, die Angst vor dem Tod der Liebe.
Die Ehe nun ist dazu
da, die Liebe, eine Liebe, die wichtigste Liebe zu schützen. Jesus sagt, was
Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Wenn zwei von der
Liebe zusammengefügt sind, wissen sie, daß Gott sie für einander meint; die
Liebe ist ja Gottes Atem, Gottes Treibkraft, zuständig zu werden füreinander.
Ehe soll die
liebste, die längste Liebe schützen, indem sie die beiden kennzeichnet: Dieser
Mensch, zu ihm will ich mich bekennen, seine Einmischung erbitten, von ihm
begleitet und behaftet sein- gemeinsames Schicksal, gemeinsames Konto, Erbschaftsregelung eingeschlossen.
Sicher war früher
die Fortexistenz der Sippe das Wichtigste, darum waren Kinder und Mehrung des Besitzes nötig, darum
Ehe selbstverständlich für freie Bürger. Heute bezieht der Einzelne sein
Personsein nicht mehr davon, daß er Glied einer Kette ist. Jeder Mensch ist wunderbar, hochwichtig.
Nicht erst die Zugehörigkeit zu Ehe,
Familie oder Staat machen zum Menschen. Das haben wir begriffen.-Bald
zweitausend Jahre brauchte dieses Jesuanische Wissen, daß es Wurzelgrund einer
Ethik der Achtung werde.
Was das Rechtsinstitut Ehe im Gesamtpaket beschafft, kann
heute auch ohne Standesamt einzeln vor
dem Notar geregelt werden. Und doch- jede Liebe will dauern und gewinnt durch
Dauer. Sie gewinnt durch Wiederholung, durch Riten Institutionelles. Es ist
doch nicht so, daß wir uns jeden Tag von Grund auf neu entscheiden zu einer
Liebe. Wenn sie die große Liebe ist, hält die Liebe, bis daß der Tod sie scheidet.
Wenn sie die große Liebe ist, ist sie von Gott verfügt. Wenn sie verfügt ist,
merken es beide. Wenn es nur einer merkt, ist es nicht Gottes Wille, sondern
Illusion und Traurigkeit. Ist es aber die große Liebe beider, ist es Tragik,
wenn sie nicht gelebt werden kann.
Auch eine bestehende
Ehe kann zerbrechen um der großen Liebe willen. Es ist ja eben nicht so, daß
durch eine rechtliche Eheschließung oder durch eine kirchliche Trauung oder gar
beides zusammen garantiert würde, daß Gott sie zusammengefügt habe. Die Trauung
ist Hoffnung, aber keine Bescheinigung des Willen Gottes. Die Paare kommen zum
Pastor, zur Pastorin und sagen, sie wollen heiraten, wollen den Segen, wollen
mit Kirche heiraten, hoffend, daß Gott sie für einander meint. Sie haben ein
Recht auf die Trauung, wenn das Standesamtliche geregelt ist. Aber ob es die
durchtragende Liebe ist, das wird sich erweisen. Und nur, wenn es die große,
die langwährende Liebe wird, die "alles erträgt, alles glaubt, alles
hofft, alles duldet dem Nächsten zugut" (1. Korintherbrief 13,7) hat Gott
sie füreinander für so lange gemeint. Jedenfalls hat sie Gott nicht für die
Qual gemeint. Und darum ist es gut, daß Scheidung möglich ist.
Oft bleibt ja
Zuneigung; und Befreundung kann wieder wachsen, wenn man sich, fürsorglich
ausgerüstet, in die eigene Biographie entläßt. Wenn sie sich nicht mehr
verstehen, befruchten, befeuern, nicht mehr einander die Schwächen tragen
helfen sondern einander ihre Fehler
verdoppeln; wenn sie häßlich werden und
von einander gelangweilt- dann hatte die Liebe ihre Zeit.. Die Beiden sollen
eine Durststrecke aushalten, das sind sie ihrer Geschichte schuldig und der
Liebe, die ein großer Brunnen war-ist- war, das wird sich zeigen; wenn sie sie
erst mal auseinander rücken.
Aber wenn der
Vorrat von lebendigem Wasser erschöpft ist, wenn nichts mehr den andern schön
macht- dann, wenn die Ehe der Liebe nicht mehr dient, nicht mehr die Liebe
behaust, diese aufgezehrt ist und die Ehe nur noch kaltes Gehäuse, wird;
Gefängnis wird, wo (nach Martin Walser) die beiden wie Chirurgen aneinander
rumschneiden und immer besser wissen, was weh tut- dann müssen sie von einander lassen, bei aller auch weiterhin gebotenen Fürsorge.
Die Ehe kann der
Liebe helfen, aber die Ehe kann die Liebe nicht garantieren, wie ja der Eid
auch nicht die Wahrheit garantieren kann und Jesus typischerweise den Eid
verbietet.
Ehe ist die besondere Kennzeichnung einer Liebe; die eine
umfassende Lebensgemeinschaft gestaltet. Und sind Kinder gewährt, dann trägt
man erst recht mit das Gewicht der Welt- wer da Ehe zerbricht, macht die Liebe
nicht groß. Die Liebe macht die Ehe groß, soll sie groß machen. Das Bild von
dem Paar, das altgeworden auf der Bank sitzt und alle Stürme miteinander
bestanden hat, ist wohl das Urbild von Glück in unserer Seele.
Aber auch das Paar,
das sich gefunden hat, nachdem beide ihren Lebensweg fast schon hinter sich
gebracht haben, und die jetzt völlig ohne soziale Verpflichtung in reiner
gegenwärtiger Liebe im Altenheim gut sind füreinander auch dieses Paar bietet
ein starkes Bild. -
Alle von der Liebe zueinander Verfügten soll der Mensch
nicht scheiden. Es ist großer Schmerz dabei, wenn der weite Horizont "bis
daß der Tod uns scheidet” einstürzt. Es ist Wehmut und Schuld und Wut dabei,
aber keiner will nur Treue, jeder will ja Liebe. Und die ist Wunder, ist nicht
zu versprechen. Darum sagen sie bei der Trauung auch: Ich will dich lieben und
ehren”, nicht: Ich werde...” Was wir tun werden morgen, wissen wir erst im
Laufe des morgigen Tages. Es kann sein, daß man auch seinen Ehegefährten lassen
muß, wenn einer meint, daß er seine große Liebe woanders blühe.
Manche Brautpaare
fragen, ob man "bis daß der Tod euch scheide" durch eine flexiblere
Formel ersetzen könne, weil ja die Dauer unabsehbar ist. Aber gerade dieser
weite Horizont der Ehe schützt die Liebe- soweit wünschen wir uns einander; bis
an den Horizont: Tod wollen wir uns begleiten. Und wir brauchen die Zeit, um
Liebende Menschen zu werden, mindestens bis ans Grab, wenn nicht darüber hinaus.
Ob es gewährt sein wird- man muß es leben, um es zu sehen.
Die Liebe, die nicht aufhört (1. Korintherbrief 13,13), ist
Gottes Zusammenhaltefreude, ja, die Liebe, die nicht aufhört, ist Gott selbst.
Unser Lieben ist begrenzt, ist endlich; schon wenn wir eingeschlafen sind,
träumen wir jeder seins.
Unser Lieben hat
viele Gestalten, hat Phasen und Farben, hat Höhen und Tiefen, hat Sehnsucht
nach dem/der Einzigen und auch nach
dem/der Unbekannten- Homer erzählt von Odysseus, als er nach langer Irrfahrt zurückgekehrt
war zu seiner ersehnten treuen Ehefrau Penelope: In der Fremde hatte er Heimweh
nach Zuhause und hier hat er auch "Heimweh nach der Heimatlosigkeit".
In keiner Verbindung
werden wir rund und ganz, immer ist das Ganze mehr als die Teile unseres
Liebens. Unsere Bruchstücke Liebe aber sind Gestalt von Segen.
Auch homosexuelle
Liebe ist Gabe Gottes und muß endlich von Argwohn und Verachtung freigehalten
werden. Nicht jeder ist von eindeutigem Geschlecht. Wir sollten aufhören, Angst
zu haben vor Andersartigem. Die Meinung, nur Heterosexualität wäre gottgewollt,
stammt aus der Zeit, da Fortpflanzung als Sinn der Sexualität galt, da
schwächten gleichgeschlecht- lich Liebende nur das Vaterland. Wir leben aber in
anderen Zeiten und sind im christlichen
Glauben auch freigesprochen zu unserm eigenen Gewissen in sexuellen
Angelegenheiten.
Auch geht die
sexuelle Orientierung des Nächsten mich gar nichts an, es sei denn, wir gehen
uns sehr an. Geschlechtsleben unter Erwachsenen hat jedem öffentlichen Interesse
entzogen zu sein. Wer dies Privateste zweier Menschen auf den Markt zerrt, der
begeht ein Sakrileg, "der schmeißt Perlen vor die Säue" (Matthäus-Ev
7,6). Das gilt für Vorgesetzte und Kollegen, Nachbarn, Freunde und Freundinnen,
auch für Zeitungen und Lesende. Es gilt zu bedenken: "Die größten
Schwierigkeiten hat man nicht mit den Menschen, denen man Unrecht tut, sondern
mit den Zeugen der Angelegenheit, die sich freiwillig zum Richter
aufwerfen" (Honore' de Balzac). Aber auch Dank an alle, die Diskretion
walten lassen.
Früher war
Sexualität fürs Kinderkriegen da, die Freude gab’s hinzu als Spesen für die
Mühe der Aufzucht. Durch zuverlässige Empfängnisverhütung ist uns ein anderer
Umgang mit der irdischen Liebe eingeräumt und geboten. Das schöne Zusammenschwingen
von Körper und Seele ist uns von Gott geschenkt zum Feiern der Liebe, zum
Fühlen der Güte des Lebens. Wer abwertend von "Trieb” redet, lästert den
Schöpfer. Das Zärtlichsein, das die Liebenden erfreut, ist gute Gabe des
Lebens. Gut, wenn zwei Sichzugetane die "Komplizenschaft im
Verlangen" (Albert Camus) dankbar annehmen als eine ihnen zugestandene und
auch zugemutete Gestalt der Liebe. Eine Freundschaft hat ihr Recht und ihr
Glück in sich, wenn sie Dritten nichts wegnimmt, nicht sich an einander
versklavt, sich stärkt für Alltag und Nötiges.-
Zwei bilden ein Paar in den Bedingungen und Grenzen; sie
empfinden miteinander Frieden und Dank. Sichern wir unser
Selbstbestimmungsrecht, indem wir das der anderen verteidigen. Haben wir doch
Mut, zueinander zu finden und die Welt stehen zu lassen. Wer liebt und geliebt
wird, der liebt auch Gott und die Welt, liebt und ehrt einfach alles wieder
mehr, findet auch das Eigene erneuert und farbenreich und geht gestärkt wieder
an sein normales Gute.
Die Liebe, die
bleibt, ist Gott selbst. Unser Lieben sind Fasern, Verkörperungen Gottes in der
Zeit, gegossen in Leib und Willen und Vorstellung von uns Menschen, mit kurzen
und langen Phasen. Segen sucht Gestalt, wie kurz oder lange unser Zugehören auch währt. Es gibt die Liebe
eines Augenblickes, es gibt die Liebe einer Nacht, die sein mußte wegen dieses
in dieser heiligen Stunde ins
Existieren gerufenen Kindleins; es gibt Drei-Tage-Lieben, die nach langer Verschlossenheit jetzt die
Welt umrundet, es gibt
Drei-Jahres-Lieben, die beide hinreichend verwandelt hat, sodaß sie von
einander lassen können ; es gibt lange
eigentümliche Parallelgeschichten, und Lieben, die erst nach langen Ehen und Scheidungen jetzt gelebt werden können. Es gibt Ehen ohne Liebe,
viel zu viele; und Lieben ohne Ehe, zum Glück auch viele, es gibt die Liebe
neben der Liebe. Und es gibt gelingende Ehen, das Bündnis, mit diesem Menschen
für immer alles, fast alles, zu teilen. Und es werden auch Diamantene
Hochzeiten gefeiert mit den frischen Generationen; und wenn einer am
Krankenbett des andern sitzt, Hand in Hand und einer betet still, der ander
möge doch noch bleiben dürfen; und der andere betet still, Gott möge dem
Zurückbleibenden beistehen, dann lieben sie sich inniger denn je.
Also schütze Ehen, deine, andere, überhaupt und lebe dein
Lieben, such dein Dich-Verflechten, wie es dir selber gefällt.
Und Gott schützt die
Liebenden. In je ihrer Form liebevollen Beieinanders gehe ihnen auf, wie ihr
Gemeinsames -auch auf kleiner Flamme- etwas hat von der Energie, die die
Gestirne bewegt. Da wir stets uns selbst zum Trotz geliebt werden wollen, das
aber nur Gott in Gänze geben kann,
erleben wir liebend, geliebt, ja Atemzüge (Inspiration=Beatmung) von seinem Wesen. Und können in Hochzeiten
sagen. "Ja, lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf
deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod
und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist
feurig und ist eine Flamme des Herrn" (Das Hohelied Salomos 8,6).
Du sollst nicht
falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten -Das achte Gebot
(2.Mose 20,26)
Du sollst kein falsches Gerücht verbreiten; du sollst nicht
einem Schuldigen Beistand leisten , indem du ihm falscher Zeuge bist (2. Mose
23,1)
Du sollst nicht als Verleumder umhergehen; du sollst nicht
auftreten gegen deines Nächsten Leben (3. Mose 19, 16).
Halte dich ferne von einer Sache, bei der Lüge im Spiel ist;
du sollst dich nicht bestechen lassen, denn Geschenke machen blind und verdrehen
die Sache derer, die im Recht sind ins Unrecht (1. Mose 23,7f).
Das ist´s aber was ihr tun sollt: Rede einer mit dem andern
Wahrheit und richtet recht, schafft Frieden in euren Toren, und keiner sinne
Arges in seinem Herzen gegen seinen Nächsten und liebt nicht falsche Eide; denn
das alles hasse ich, spricht der Herr (Sacharja 8,16f)
Leite mich in deiner
Wahrheit (Psalm 25,5)
Sende dein Licht und deine Wahrheit (Psalm 43,3)
Seine Wahrheit währet für und für (Psalm 100,5)
Wenn ihr bleiben werdet in meinem Wort, so seid ihr wahrhaft
meine Jünger und ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch
frei machen (Johannes-Ev 8,31f)
Der Geist der Wahrheit wird euch in alle Wahrheit leiten
(Johannes 16,13).
Die Liebe freut sich nicht über die Ungerechtigkeit , sie
freut sich an der Wahrheit (1. Korintherbrief 13, 6)
Martin Luther: Wir sollen Gott lieben, daß wir nicht lügen,
betrügen, afterreden oder bösen Leumund machen, sondern den Nächsten
entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren.
Falsch Zeugnis reden wider den Nächsten- der erstrangige Ort
dafür ist das Gericht; als falscher Zeuge auftreten und mit einer Lüge den
Täter freireden, das Opfer um sein Recht bringen, ist sträflich, ist
Abschneiden der Ehre. Neben dem Schutz
des Lebens, der Ehe, des Besitzes ist Jedem der Schutz der Ehre des Nächsten
aufgegeben.Wie einer in der Öffentlichkeit dasteht, das ist weitgehend Sache
seines Rufes. Der Ruf aber ergeht einem, ist Meinung der anderen- sicher mit
Anhalt an der Person, aber wie wir den andern scheinen, das ist ihre Meinung,
das ist ihr Bild, das ist unser Ruf.
Damals gab
Ministerpräsident Barschel sein Ehrenwort, (mit der Steueranzeige gegen
Engholms nichts zu tun zu haben), aber
"man" glaubte ihm nicht, vorverurteilte ihn als Lügner und deutete
seinen Tod als Eingeständnis, als Selbstmord, obwohl die Umstände, ob Mord oder
Selbstmord nie geklärt wurden.
Ein anderes Drama um
Wahrheit und öffentliche Meinung und verbindet sich mit dem Unfalltod der Prinzessin Diana. Zu Tode
gehetzt von gierigen Reportern- behauptet ihr Bruder, obwohl Trunkenheit des
Fahrers und viel zu hohe Geschwindigkeit feststehen.. Doch das Ausmaß der
Trauer rund um die Erde kommt wohl aus einem Ahnen, daß wir alle(?)
ungebührlich viel abhaben wollten von dieser "Königin der Herzen",
und sie formten nach unserer Fasson .
Die Zeitungs- und
Fernsehmeldungen haben, schon weil Bilder verlangt werden, einigen Anhalt an
der Wirklichkeit. Doch per Computer kann jede Information als wirklich
ausgerufen werden, per Internet produziert ein Gerücht selbsttragende Realität,
jede Information kann wie ein Virus sich ausbreiten. In der Natur sind Viren
genetische Codes, verpackt in eine Proteinhülle; Sie dringen in den Körper ein
und bringen die angrenzenden Zellen dazu, deren Code zu reproduzieren. Ist ein Virus erfolgreich, wird die
menschliche Zelle zur tödlichen
Virusfabrik. - Ein Medienvirus ist eine Information, die attraktiv verpackt,
Medienkonsumenten mit schwachem Abwehrverhalten zu begeisterten Vervielfältigern
dieser Information machen, die dann angereichert und ausgeschmückt, ein
selbsttragendes Medienereignis wird, wobei die Ursprungsmeldung oft nicht mehr
erkennbar ist (Die Zeit 40/97).
Wir sollen kein
falsches Zeugnis von der Wirklichkeit geben, weder in aufgebauschten
Geschichten aus der Nachbarschaft, noch in ehrabschneidenden Andeutungen über
Kollegen; weder als Anschwärzen eines Geschwisters bei den Eltern, noch als
selbsternannter Rächer mit Anzeigen meines Feindes wegen Steuersünden; auch
nicht mit Jubelarien auf Poititiker;
auch nicht mit "Falschmeldungen aus dem Himmel" (Max Frisch) und auch nicht als dubiose Wissenschaftsartikel.
Aber die
Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und
die Freiheit der Kunst sind kostbar- das Gebot, nicht falsch Zeugnis zu reden,
muß ergänzt werden: Sei wachsam, kritisch, sei nicht dösig, sei nicht gierig,
belogen zu werden. Du selber bist mit verantwortlich, daß man dir und anderen
nichts vorgaukelt. Du sollst die Lügner nicht mästen, die Rattenfänger sollst du
entlarven helfen. Vor allem in der Religion, in der Politik und im Essen haben
wir ein Recht auf Erkenntnis, was dran und drin ist.
Du sollst nicht
falsch Zeugnis reden, heißt auch: du sollst dir kein falsches Bild von andern
machen. Wenn wir uns von Gott kein Bild
machen sollen, wir Menschen sind aber ihm ähnlich, dann ist es sicher nah an
der Wahrheit, daß wir auch vom Nächsten uns kein Bild machen sollen. Immer neu
und staunend sollen wir ihm begegnen. Aber doch wenigstens zu Nächsten brauchen
wir Vertrautheit.
Bei Begegnung mit
Fremden beleihen wir immer Bilder der Erfahrung, wissen "auf den ersten
Bick", ob er uns sympathisch ist oder wir ihn lieber meiden sollen- der
Körper weiß es vor unserm Bewußtsein. Diese Technik hat die Menschheit
überleben lassen- gespeichert sind eigene Erfahrungen aber erst recht die der
Vorfahren- dauern greift ein inneres Sensorium die Raster ab und gibt Signal:
geh näher ran, der/die hat was Gutes für dich; oder halte Abstand. Alle, die wir lieben, versammeln die Vorgeliebten;
Sie schwingen mit und unterfüttern die aktuelle Liebe mit Purpur des vormals
Geglückten. Und was uns abstößt hat schon eine lange Geschichte- schon beim
Suchen von Namen für die Kinder kommen viele nicht in Frage, weil sie für uns
besetzt sind von Menschen, die uns
nicht begeistern.
Gerecht ist dies
Auswählen nach Symphatie nicht. Das rührt an einen schmerzlichen Bruch in der
Menschheit. Wir sind so abhängig von Lust und Nase. Der große Regisseur
Visconti sagte, man sähe sich Filme nicht mit den Augen an sondern mit dem
Bauch. Der erste Blick der Männer auf Frauen gilt ihren Augen, der erste Blick
der Frauen auf Männer soll deren Zähnen gelten- wer weiß warum. Um so wichtiger
ist, daß wir einen zweiten Blick wagen, neue Erfahrung zulassen, uns neue
Bilder wünschen. Und wo es um Glück
oder Unglück des Nächsten geht, wo es um seine Würde geht, eben auch vor
Gericht ,daß wir uns da um Wahrheit mühen.
Wahrheit setzt sich
zusammen aus Fakten und Bedeutung, eine Sache ist das Objekt, das Spuren hinterläßt , ein anderes ist
Meinungen, Deutungen, Einschätzungen. Das eine sind die Tatsachen, meßbare,
zählbare; das andere sind Interessen, Gefühle, Wertschätzungen, Ängste. Eins
ist der geldschein, ein anderes, was ich damit mache. Die Sachen sind Auslöser
von Bedeutung. Was aber bedeutet wem was und warum, das gehört zum Bereich, wo
was als wahr gilt. Und wer sagt was, darf was sagen? "Nicht die Tatsachen
sind wichtig, sondern was über die Tatsachen gesagt wird" (Aristoteles).
Darum sind die Meinungsmacher so wichtig und
gefährdet, die der Vergebung wohl bedürftigste Zunft.
"Sag´s ehrlich, lüg nicht rum." Wir haben die
Forderung noch im Ohr, sie war, sie ist demütigend, läßt keinen Ausweg, man
steht nackt da, überführt, die Beweise liegen offen.-
Aber wer hat ein Recht auf mein Ehrlichsein. Bill Clinton
ist von einer Frau wegen sexueller Belästigung vor Gericht gebracht worden.Und
abgesehen davon, daß ein Beschuldigter nicht gegen sich aussagen muß, lautete
die erste Frage des Staatsanwaltes, ob er je
mit einer anderen Frau außer seiner Ehefrau geschlafen hätte. Ich hoffe,
Bill Clinton oder seine Verteidiger haben dem Gericht die Unzulässigkeit dieser
Frage klar machen können. Denn wer, außer höchstens der Gatte, die Gattin hat
ein Recht, zu wissen, mit wem (noch) der/ die Angetraute innige Nähe pflegt. Einer Anzeige wegen
Gewaltanwendung muß sich jeder stellen, aber die Frage, ob Clinton außerehelich
geliebt hat, erbringt nichts zum Thema Gewalt, soll aber das Publikum schon
gegen ihn einnehmen. Wer hat ein Recht
auf meine/deine Ehrlichkeit?
Der Lehrer fragt den
Jungen höhnisch: "Na, hat dein Vater heutenacht wieder betrunken im
Straßengraben gelegen"? der Junge verneint:"Mein Vater war zu Hause
und ist heute morgen zur Arbeit gegangen, wie sonst auch."-Der Junge hat
die Wahrheit gesagt, er hat der Liebe zwischen Vater und Sohn die Ehre
gegeben. Der Lehrer hat die Wahrheit beschädigt, weil er den Jungen nötigte,
seinen Vater dem Spott auszusetzen( Das Beispiel stammt von Dietrich
Bonhoeffer).
Anrührend ist auch Jurek Becker's Geschichte "Jakob der
Lügner"-der gibt an seine verzagten jüdischen Mitgefangenen im Warschauer
Ghetto Durchhaltekraft aus; geschöpft aus völlig geheim abgehörten
Radiosendungen. Die melden, daß die Alliierten täglich näherrücken und die Befreiung stehe
unmittelbar bevor. Mit dem erlogenen Radio hat Jakob viele aufgerichtet.
"Was ist
Wahrheit?” fragt Pilatus den Jesus es
gibt doch nur Meinungen, schwache und bewaffnete eben. Ein freundliches Wort
und ein Gewehr überzeugen mehr als nur ein freundliches Wort, so Pilatus. Aber Jesus schweigt, dies Machtwort knackt
ihn nicht. Die Substanz, die Seele von allem, die Wahrheit ist Gottes Lieben. Lieben ist die Essenz von
allem, bildet das Wesentliche von mir uns dir, baut das Beziehungsgeflecht.
Darauf spricht Jesus den Pilatus an; der trumpft auf: "Weißt du nicht, daß
ich Macht habe, dich loszugeben oder dich zu kreuzigen?" Und Jesus:
"Du hättest keine Macht, wenn sie dir nicht von oben her gegeben
ist"- also wende deine Macht an, wie du es dich "oben" zu
verantworten getraust (Johannes-Ev 18,38f).
Jesus verspricht, in
die Wahrheit zu leiten und sie werde uns frei machen. Das ist ein
Nachhauskommwort, ein Netz des Zusammenhaltes spannt sich auf, darin sind wir
getragen über Wassern der Angst. Statt verworfen zu werden und nicht zu taugen,
gehören du, ich zu einer Wirklichkeit,
die dein, mein Bleiben für wichtig hält. Dies sei dein, mein wichtigstes
Wissen: Du bist Angesprochener, du bist auf Wechselseitigkeit mit Gott geeicht,
du bist Jesu Bruder, Schwester, auch Geschwister des Petrus, der dreimal
verleugnete und Jesu Blick fängt ihn auf: Ich weiß, du konntest nicht anders.
Du willst mich retten und willst dich retten- dich Sünder liebe ich Jesus/
Christus/ Gott.
Wenn das die Wahrheit
ist, in die wir geleitet werden, dann haben wir den Punkt für den Zirkelfuß der Wahrheit. Du hast
Stand in der Gewißheit: Gott liebt dich und deinen Nächsten auch. Das schlage
um dich/euch einen Raum der Wahrheit.
Wir sind einander anvertraut und zugemutet, sind einander gegeben um zu lieben und einer dem andern die Last mitzutragen (Galaterbrief 5,2) und
unterwegs einander siebenmal siebzigmal zu vergeben (Matthäus-Ev 18,22). Und
dann gehört zur Wahrheit auch das Ungesagte.
Wie weit reicht der
Schirm der Wahrheit? Über die Ehe hin und die Freundschaft? Liebe kann Verschwiegenheit brauchen und Freunde, die Gerüchten entgegentreten.
Wer an einem Gerücht Anteil hat, weiß ja etwas, das andere (noch) nicht
wissen. Er wird Vertrauensperson und
entscheidet selbst darüber, wen er wiederum ins Vertrauen ziehen will.- Er hat
damit Macht, Anteil zu geben. Diese Macht nicht zu nutzen, ist hoher Verzicht; manche bringen die Größe auf und
schützen mit Stillschweigen ein
Geheimnis, das gehütet, Frieden stiftet, das aber vor alle Augen gezerrt,
Skandal wird.
Freundschaft bewährt
sich gerade darin, daß man die Macht des Mitwissens nicht mißbraucht, sondern
die Schwäche, das Geheimnis in seiner Brust verschließt. "Gutes von ihm
reden und alles zum Besten kehren"- das ist wunderbarer Freundschaftsdienst, zur Not mit einer
"Notlüge", damit Unberufene nicht ihre Nase weiter reinstecken,
sondern sie sich trollen. "Liebe deckt der Sünden Menge" (Sprüche
10,12), auch unter Freunden und Freundinnen.
Der Schirm der
Wahrheit möge auch unsere Arbeitsverhältnisse schützen. Vertrauen wir einander,
setzen voraus, daß jede/r es gut machen will. Hier betrügt keiner- das
soll die Basis sein bis das Gegenteil
schreiend vor Augen liegt. Schon, wenn der Arbeitgebende fragt, ob die Frau
schwanger sei, ist er nicht unter dem Schirm der Liebe: die Frau darf lügen,
weil die Frage eine verbotene Geschlechterdiskriminierung darstellt
(Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, AZ 2Sa 103/97). Die Kehrseite könnte
sein, daß jemand generell nur Ältere einstellt, weil diese überraschungsfrei
ihre Arbeit tun. -So kann, was zum
Schutz gedacht ist- das Verbot der Frage nach Schwangerschaft- ausschlagen zu
Diskriminierung aller jungen Frauen.
Du sollst nicht
falsch Zeugnis reden- ist positiv gewendet der Lockruf : "Vertraue und sei
vertrauenswürdig." Wenn wir mißtrauen, dann reden wir schon nicht mehr
miteinander sondern duellieren uns, hören nicht sondern verhören, sprechen
nicht sondern lauern auf Versprecher.
Dann, wenn wir uns nur weh tun mit Wahrheit, dann laßt uns
lieber wieder lügen (Martin
Walser).Wahrheit als Waffe
zum Fertigmachen ist schlecht. Aber sie kann wenigstens mit dem Rücken
an die Wand bringen, und endlich werden wir ehrlich.
Unter dem Schirm der
Liebe halte (nach Max Frisch) die Wahrheit hin wie einen Mantel, um
hineinzuschlüpfen. Das Zusammengehören als die Wahrheit glauben, wäre die
Rettung. Wir könnten uns mehr anvertrauen, dürfen mehr wir selbst sein, würden
uns weniger verstellen. Doch wir sagen
nicht oft, was wir meinen, sondern sagen, was wir von uns gedacht haben wollen
(Max Frisch). Gerade der Nächste soll nicht wissen, wie bedürftig man auch ist;
Liebe will schonen; gerade der Liebste soll gut von einem denken, .man will ihn
schonen und sich auch, will allein damit klarkommen, redet nicht über die
Schulden, die Krankeit; oder die verschwiegene Freundschaft hält man verborgen,
weil man dem andern nicht klar machen kann, was sie einem selbst bedeutet- und
daß sie nicht aus Unzufriedenheit zustande kam sondern Schicksal ist. Unter dem Schirm der Liebe
kann auch die Lüge in der Wahrheit sein.
Wir sind komplex
und kompliziert. Wir würden gerade den Liebsten gern den Helden geben,
gern verwöhnen, sie einmal mit der
Goldenen Kreditkarte zum großen Shopping schicken, und den Kindern, Enkeln die
Reitstunden zahlen; einmal König sein in den Augen der andern-, "als
Schnecke sich an einen Menschen drücken und zur Anakonda werden" (Botho
Strauß), vieles wogt und webt in uns.
Dietrich Bonhoeffer im Gefängnis: "Wer bin ich? Sie
sagen mir oft, ich träte aus meiner Zelle gelassen und heiter und fest wie ein Gutsherr aus seinem Schloss... Bin
ich das wirklich , was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich
selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie
ein Vogel im Käfig,...Wer ich auch bin, du kennst mich, Dein bin ich, o Gott."-
Das meine Wahrheit
sein lassen; Gott weiß. Und wir sind da, um uns das Leben zu erleuchten, nicht
zu verdunkeln. Ob wir uns auf Menschen eingelassen haben, das werden wir gefragt,
und wieviel Freude wir bringen mit dem, was wir verbrauchen, das bestimmt die
Voltzahl unserer Person als Leuchtkörper der Gottesliebe.
Und die Wahrheit wird euch frei machen- dies Versprechen
Jesu braucht unsererseits Vertrauen in Gott. Das macht zum freien Menschen;
macht auch frei, zu sehen und zu hören, was wirklich ist- nicht, was sein
sollte. Das läßt mich sagen, was ich denke- nicht, was ich denken sollte;
fühlen, was ich wirklich fühle; nicht, was ich fühlen sollte; fordern, was ich
möchte, nicht immer erst auf Erlaubnis warten, und ich lerne, das Risiko einzu-
gehen, zu enttäuschen und enttäuscht zu werden und dann auf einer neuen Ebene
der Erkenntnis mich wiederzufinden.
Du bist frei zu
sagen,was für dich wahr und falsch ist.
Du darfst echt werden, ehrlich werden, den aufrechten Gang lernen, zu
dem stehen, der/ die du bist. Du darfst authentisch sein- aber selektiv, mit
Rücksicht auf das Geflecht, vermeide möglichst die furchtbaren Anfälle von
Aufrichtigkeit. Du darfst Wut haben, auch niedermachende Gefühle, aber du bist
für die Folgen mit verantwortlich. Und alles hat seine Zeit (Prediger3).
Wir sollten sparsam sein mit Täuschen. Jeder ist
freigesprochen, selbst zu entscheiden, was er/sie meint, verschweigen zu
müssen. Was dir schwerwiegend genug ist, um ein Geheimnis zu sein, mußt du
allein tragen. Aber es ist ein großes Glück, angenommen zu sein als der/die man
ist. Und es ist harte Arbeit, mehrere Rollen zu spielen; aber manchmal bleibt
dir keine Wahl als beide Seins aufrechtzuhalten und doch falle dir die
Wirklichkeit nicht in Sein und Schein
auseinander, sondern von allen Seiten gottumfangen, kannst du sie hoffentlich
in dir koordinieren, "klug und ohne Falsch" (Matthäus- Ev 10,16).
Der Schirm der Liebe
hilft auch am Krankenbett in die Wahrheit. Der Kranke hat das Recht zu
bestimmen, was er wissen will und wann. Du hast nur das Recht, dem Kranken nah
zu sein, wenn er es will. Nähe ist dann die Wahrheit.- Wir sind verschieden.
Der eine muß immer wissen, wo er dran ist, der andere nimmt es, wie es kommt;
der kann auch seinem Vertrauten einfach den Durchblick seiner Krankengeschichte überlassen, will
gar nicht vom bevorstehenden Sterben reden, will nur die Hand halten und hören:
"Es wird gut, es wird schön, wir haben noch viel vor." Und wenn man
von der nächsten gemeinsamen Reise erzählt oder vom gemeinsamen Geschäft, das
gut läuft, weil der Kranke alles so gut eingefädelt hat, oder man redet von den
Enkeln oder dem Hund zu Hause, dann ist die tieferliegende Botschaft auch da,
die heißt: "Du geliebt, du gebraucht." Und das ist die Wahrheit, die
den Himmel mit meint, auch wenn er mit Tapeten des Alltags bebildert ist. Oder
nimm Musik mit ans Bett des Sterbenden - das Ohr stirbt als Letztes- vielleicht
Mozarts A-Dur Klarinetten- konzert, soviel Sehnsucht spielt da auf, vielleicht
kommen auch die Filmbilder dazu: das Liebespaar in "Jenseits von
Afrika"- im klapprigen Flieger über der Serengeti- und man fliegt dahin,
wo die Freiheit grenzenlos sein muß-
und Gott küßt einem die Seele fort.
Ein Mensch kann
wissen, daß seine Uhr hier abgelaufen ist, aber er wird von den Angehörigen
festgehalten; und so muß er bleiben über die Zeit, weil er meint, nicht
alleinlassen zu dürfen. Das kann er aber nicht sagen, um nicht dem geliebten
Menschen Egoismus vorzuwerfen; das
könnte auch höchst ungerecht sein, weil der Nächste ja zeigen muß und will, wie
schön es wäre, noch uralt zusammen werden zu dürfen. Und so ist irdisches
Lieben oft auch eine seltsame Schleife - beide nehmen sich zusammen über ihre
Kraft, weil keiner den andern einsam lassen will- und sind in der Wahrheit auf
ihre Art.
Unter dem Schirm der
Liebe gilt auch: "Du sollst nicht schwören" (Matthäus-Ev.5,34). Du
sollst nicht Gott zu Hilfe holen, um glaubwürdiger zu scheinen. Ja, der Staat möchte
sich gern in der Flut der lügenhaften Wirklichkeit eine Insel von Wahrheit
sichern und degradiert gerade durch diese Umzirkelung alles außerhalb als
Lügenwerk.
Und Du sollst auch
nicht den Schwur verlangen. Staat und Kirche holen sich Gott zum Wachdienst,
bedrohen mit Gottes Zorn. Den Eid verlangen oder das Gelöbnis, soll
Gefolgschaft sichern. Wer den Eid verlangt, will nicht vertrauen, sondern will
festnageln können. Gut, daß wir in der Trauung keinen Eheeid ablegen. Wir
dürfen frei sagen, was wir wirklich, von Herzen wollen, aber wir sind nicht die
Herren über den morgigen Tag, wissen noch nicht, wer wir morgenabend sein
werden.
Damit ist auch Gott
als Treiber des Werdens ernst genommen. Der ist die ganze Wahrheit, wir aber
haben und sind nur Bruchstücke. Darum müssen
wir unser Vertrauenswissen und unser Sachenwissen zusammentun. Wir
müssen kooperieren, müssen das eben jetzt Gewußte, Gefühlte, Geglaubte
zusammenwerfen. Und müssen es zum jetzt
für uns Kooperierende gültigen Bild annähernder Wahrheit zusammensetzen. Dies Bild hat viel mit einer
Landkarte gemeinsam. Erstens sind ständig neue Auflagen nötig, weil ständig
sich in der Wirklichkeit was ändert und weil die Darstellung immer zu wünschen
übrig läßt. Vor allem: Die Landkarte ist nicht das Gelände. Alle Absprachen,
was heute als wahr gilt, kann durch eine Liebe, eine Schicksal für die
Betreffenden umstürzen. Und auch was "Ich" ist , ist mir nur ein
Anhalt, und dem Nächsten doch wohl auch. Wir müssen leben mit vorläufigem
Wissen, das falsifizierbar ist; das also an Bedingungen geknüpft ist, die sich
ändern werden und dann ist auch dieses Wissen überholt.
Stendhal sagte:
"Was ist das Ich? Ich weiß es nicht. Ich bin eines Tages auf dieser Erde
erwacht, ich finde mich an meinen Körper gefesselt, an einen Charakter, an ein
Geschick. Soll ich mir vergeblich die Zeit damit vertreiben, sie ändern zu
wollen, und dabei vergessen zu leben? Blösinn. Ich unterwerfe mich ihren
Fehlern." Und ich sage hinzu: "Gott weiß, das genügt."
Stehle nicht , giere nicht, raube nicht. Nutze deine
Talente.
Das siebte,
neunte und zehnte Gebot (2. Mose
20,15.17.)
"Du sollst
nicht stehlen" (2. Mose 20,15).
"Du sollst
nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten
Weib, Knecht, Magd, Vieh, noch alles, was sein ist (2.Mose 20,17 ).
Dazu Martin
Luther in kurzen Worten: "Wir sollen Gott achten und lieben, daß
wir unserm Nächsten sein Gut nicht nehmen sondern es ihm helfen bessern und
behüten."
"Stehle nicht" ist in der Bibel (2. Mose 20,15)
zunächst gegen Menschenraub gesagt. Im neunten und zehnten Gebot ist dann das
Eigentum insgesamt unter Schutz gestellt. Das zehnte Gebot sollte so nicht mehr
weitergesagt werden- in patriarchalen Zeiten zählten Frau und Personal zum
Eigentum des Mannes; auch schien es nur nötig, den Mann vor der Gier eines
andern Mannes in Schutz zu nehmen. Für unsere Ohren ist das siebte Gebot
umfassend: Stehle nicht. Dazu: Mach dich nützlich.
Aus Gebot neun und zehn sollte das "begehre nicht"
aufgenommen werden im Sinne: giere
nicht, neide nicht, bringe nicht mit Betrug an dich. Gewarnt ist vor Stehlen
mit noch mehr krimineller Energie. Dazu der Auftrag: Nutz deine Begabungen und
fördere die deines Nächsten.
Du sollst nicht
töten- es ist die schärfste Form, wegzunehmen; Aber auch einen Menschen aus
seiner Ehe brechen, und die Ehre (guten Ruf) wegnehmen und Eigentum nehmen-
beschädigen die Person: Zu wem ich gehöre, was ich gelte, was ich habe- das
gehört nah zu meinem Wesen. So bereiteten in Nazi-Deutschland auch das
Ehrabschneiden, Berauben, die Ehe-bzw. Rasse-Ghettoisierung das kalte Ermorden
der Menschen jüdischen Glaubens. Das Deutsche Reich entging immer wieder dem
Staatsbankrott durch Aneignung jüdischen Vermögens.-
Haben oder Sein läßt sich so klar nicht auseinander halten.
Sachen sind nah beim Menschen. Gewalt gegen Sachen greift bald auch die
Menschen an, die sie schützen- das Problem aller Demonstrationen, die
gewaltfrei bleiben wollen.
Israel glaubte in
kurzer, idealer Zeit, nur Gott kann sagen: "Mein ist das Land" (3.
Mose 23,25); uns Menschen ist es nur geliehen- zu gutem Nutzen; darum ja
Erntedankfeste; dem Geber der Gaben sei Dank- ihm werden die Erstlinge der
Ernte gewidmet. Im System der Erbpacht
steckt noch das altisraelische Landrecht: Nach 49 Jahren fällt das Land wieder
zurück an den Tempel, dann wird Grund
und Boden erneut ausgeliehen- Aber die Ausleihe an Bedürftige ohne Ansehen der
Person verlor sich; auch nahmen Könige
und andere Herren in Besitz und setzten
Rauben mit Verheeren durch.
Nomaden konnten mit
Weiderechten- mal hier, mal da- auskommen, aber der Bauer muß wissen, daß er
auch nächstes Jahr Anspruch auf das Land hat, wie sollte er sonst mit Lust den
Acker bestellen zur neuen Ernte.
Wohl nie waren wir Menschen ohne Besitzdenken; aus dem
Tierreich mitgegeben ist der Trieb, das eigene Revier zu sichern, Nahrung zu
erbeuten und zu sammeln, dem Nachwuchs die Versorgung sicherzustellen; Nächste zu verteidigen. All das ist von früh an
Teil des Überlebenswillens, der uns zu gedeihen hilft. Auch die Lust an
Werkzeug, an Material zur eigenen Verfügung war früh schon bei uns; die Lust
sich zu schmücken; was Besonderes zu haben auch, um so als was,wer Besonderes
zu gelten. Vielleicht fingen die Familienbande damit an, wichtig zu werden, daß
die Männer ihre Lieblingswaffe weitergeben wollten ihrem Lieblingssohn, und
darüber begannen sie zu fragen, wer denn überhaupt wahrer Sohn sei.
Auch zahlte es sich
früh aus, geschickt das Eigentum zu mehren. Genüßlich erzählt die Bibel vom
törichten Esau, der so gern jagte und sein Erstgeburtsrecht für ein dampfendes
Linsengericht vergab (1. Mose 27)- Jakob dagegen wurde der Stammvater vieler,
auch dadurch , daß er bei seinem Schwiegervater die Herden nach geschicktem
Vertrag so raffiniert vermehrte, daß er zuletzt reicher war als eben Laban, dem
er 20 Jahre diente.
Das alte Israel
hatte nichts gegen Besitz; im Gegenteil, er galt als Segen, der allen Dank wert
war, der allerdings auch zur Barmherzigkeit verpflichtete. Materieller ist vom
Segen wohl nirgends gesprochen als durch Jakob: "Wird Gott
mich behüten auf dem Wege, und mir Brot zu essen geben und Kleider und mich mit Frieden wieder heim
bringt , so soll er mein Gott sein und ich will ihm einen Stein aufrichten als
Haus. Und von allem, was du mir gibst, will ich dir den zehnten Teil
geben" (1.Mose 28,20-22).
Jesus sagte von
sich: "Die Füchse haben Gruben, aber des Menschen Sohn hat nichts Eigenes,
wo er sein Haupt hinlege"( Matthäus-Ev. 8,20). Dies sagte er nicht als
Klage gegen die egoistische Welt; Jesus hatte genug Menschen, die sich drängten
, ihn und seine Jünger aufzunehmen.- Lukas (8,3) berichtet von "vielen
Frauen, die ihm dienten mit ihrer Habe:" Ich verstehe Jesus so, daß er es
nicht für seine und der Jünger Sache hielt,
Besitz zu sammeln, sondern eben Menschen fürs Reich Gottes suchte,
"Menschenfischer" sollten, wollten
sie sein.
Es gibt Warnungen
die Fülle gegen Geiz, Habsucht; Lockrufe genug zu Güte und gerechtem Teilen.
Aber das Heimrecht im Reich Gottes muß nicht erst erworben werden durch gute
Taten. Der Mensch wird nicht Gott recht durch Werke sondern ist Gott recht. Das
ist Kern der Botschaft Christi. Gottvertrauen macht dann auch anderes wichtiger
als Besitz, stimmt zur Güte, zur Freude, läßt hier schon teilhaben am
beginnenden Reich Gottes.
Auch Jesus hat dem
reichen Jüngling eigentlich das Reich der Freiheit eröffnen wollen- "er
hatte ihn lieb" ( Markus-Ev.10,21f)- "der aber hatte viele
Güter."- Ist das zu verstehen im Sinne: Er kam nicht los von seinen
Pflichten, oder er hing an seinem Reichtum?
Durch die Christenheit ziehen zwei Wege, Geld und Wohlstand einzuschätzen. "Propagandistisch" ist das Bild
vom schmalen Weg des Verzichtes und dem breiten Weg des Reichtums und
Wohllebens ausgemalt als Schreckensbild der Erziehung früher. Dabei läßt Jesu Gleichnis (Matthäus-Ev. 7,13 f) von der
engen Pforte. die zum Leben führt, die
Füllung offen.
Jesus spricht in gewisser
Weise frei von Versorge/ Versorgtsein-mentalität und lockt zu einer unbesorgten
Art, das Leben zu führen. Wer sich Jesu
Freispruch gefallen läßt, muß sich um
nichts anderes mehr kümmern, als um Freundschaft und
Nachfolge Jesu; "Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes, dann wird euch
alles andere zufallen" (Matthäus- Ev. 6,33).
Vom Kopf auf die
Füße gestellt zu haben scheint Jesus sein Wort im Gleichnis von den
anvertrauten Pfunden. (Matthäus-Ev. 25, 14-29). Dort heißt es ja: Trachte nach Umsatz, Arbeit, Erfolg, dann wird dir
das Reich Gottes schon zufallen.
Die Geschichte geht
so: Ein Besitzer rief seine Leute und vertraute ihnen sein Vermögen an; dem
einen gab er fünf Talente (eine
griechische Münzeinheit damals, etwa fünf Zentner Silber), dem andern zwei, dem
dritten einen; jedem nach seiner Tüchtigkeit. Macht das beste daraus, sagte er,
ich gehe auf Reisen.
Nach langer Zeit kam der Herr zurück und forderte Bilanz. Da
trat herzu, der fünf Talente empfangen hatte und legte freudestrahlend weitere
fünf dazu. Sein Herr sprach: Gut so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist
über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; komm mit zum Fest.
Es trat auch herzu, der zwei empfangen hatte, und sprach stolz: Herr, ich habe
zwei weitere gewonnen, hier hast du vier zurück. Auch ihn lobte der Herr, gab
ihm Verantwortung über mehr und lud ihn zum Fest.
Dann trat herzu, der ein Talent Silber empfangen hatte, und
sprach: Herr, ich wußte, daß du ein harter Mann bist: Du erntest, wo du nicht
gesät hast, und sammelst , auch wo du nicht ausgestreut hast; ich fürchtete
mich, ging hin und versteckte dein Silber an sicherem Ort; gut, daß du wieder
da bist, hier hast du das Deine.
Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und
fauler Knecht! Wußtest du, daß ich auf Meins so achte, dann hättest du mein
Geld wenigstens zur den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre,
hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. Nehmt ihm das eine ab und gebt
es dem, der die zehn hat.- Es ist so: Wer nutzt, was er hat, dem wird gegeben,
und er wird die Fülle haben; wer aber nicht nutzt, was er hat, dem wird auch
was er hat genommen werden.
Aus dieser
Geschichte ist das Wort "Talent” in unsern Sprachschatz eingegangen für
"Begabung”. Die Währung steht für Vermögen aller Art. Wie der Besitzer den
Leuten sein Gut anvertraut, so gibt
Gott an uns aus, was wir "vermögen". Begabungen sind Gaben, sie
gehören zum Kräftehaushalt der Schöpfung, wir sollen sie nutzen, sollen das
Beste daraus machen. Und wir werden
gefragt, was wir zustandegebracht haben, dermaleinst. Diese Einladung,
Rechenschaft zu geben würdigt uns. Wir sind zu einem Werk fähig und es ist ganz
und gar nicht egal, ob ich was zustande bringe oder nicht.
Offenkundig ist auch die Wirklichkeit so veranlagt, daß wir
sie gestalten, kultivieren, veredeln, bearbeiten sollen. "Kultur"
stamm ab von colere: lat: beackern und anbeten. "Bete und Arbeite",
der berühmte "ora et labora"- Mönchsauftrag hält auch das Wesen menschlichen
Schaffens fest: Kultur ist, den Acker bestellen und den Kultus pflegen-die
Religion.
Arbeiten macht meist Freude, obwohl wir eine Neigung zum
Trägesein auch haben. Darum gut, daß uns unser Hunger auf die Beine bringt und
Kopf und Hände in Schwung hält. Das Auskommen will erarbeiten sein aber auch
Wohlstand und Vorsorge, Bequemlichkeit und
Effekivität , Arbeitserleichterung und Kunst wollen erworben sein,
kosten also Mühe. Auch Reisen und Vergnügungen und Personal zwecks Ausweitung des Betriebes haben ihren
Preis und fordern Können- aber Wirken und Bewirken ist in uns angelegt.
"Machen"
und "Macht" wachsen auf einem Holz.
Wir haben auch Verantwortung dafür, daß Macht zum Nutzen vieler
verwendet wird. Nur abwinken und die Macht fliehen, kann auch ein Stehlen , ein
sich aus der Verantwortung Stehlen sein.
Wie wollen gern was machen und bewirken und bewegen- das
bedarf nicht erst der Ermahnung. Es ist uns in die Wiege, ins Blut gelegt,
etwas hervorzubringen und bringt ja auch stattliche Früchte. Zur
Erstausstattung jedes Menschen gehört die Kraft, die Mutterbrust herbeizurufen;
dann die Lust, Mutters Lachen zu gewinnen, dann zu nützen und was zustande zu
bringen, Lob zu empfangen, ein Stück Stolz zu fühlen. Der Weinbauer im Schwäbischen macht es vor: Wenn einer mosert
über den sauren Wein, dann weist er die Schuld von sich: "Isch halt, wie
der Herrgott hat's wachse lasse.” Lobt man aber den guten Tropfen, kröppt der
Wirt sich auf: "Isch halt moi G’wächs.”
Warum gingen die
beiden ersten Kreditnehmer aus Jesu Erzählung tatendurstig ans Werk? Und der
Dritte vergräbt seine Talente, warum? Es ist großer Schmerz dabei, wenn einem
Menschen der ursprüngliche Elan abgewöhnt ist: Ängstliche Eltern können lähmen
mit ihrem: "Tu dies nicht, tu das
nicht”. Um Phantasie und Neugier enteignet, entmutigt durch schnellere,
durchtriebenere Geschwister, eingeschüchtert von großmäuligen Kameraden, auch
hinerzogen auf Versorgtsein und Liebsein oder überfordert durch frühe Dressur
zur Leistung tritt der mit dem einen Talent erst gar nicht zum Wettkampf an.
Wer nicht arbeiten
will, der kann es meist nicht (mehr), der ist früh gelähmt worden, vielleicht
ist was geschehen, das ihn so entsetzt hat- über seiner Tat blieb einem geliebten Menschen das Herz
stehen, oder ein Brand brach aus- und er lernte, am besten sich rauszuhalten
und nicht im Weg zu stehen indem er sich am besten unsichtbar machte. Oder der
kleine Mensch wurde einfach nicht bemerkt, er konnte machen was er wollte, die
Aufmerksamkeit bekamen immer andere, sie konnten alles besser. -Vielleicht war
der Dritte, der mit nur dem einen Talent ja so dran- daß er bloß nichts falsch
machen wollte- und der Herr hat gut reden- er hätte es auf die Blank bringen
sollen- bei den Bankenpleiten überall. Aber so ist das Leben, es bestraft den,
der sich unsichtbar macht, der sich dem Leben nicht hinhält, nichts
riskiert.
Was sollen denn die Begabungen, wenn ich sie nicht auf den
Markt bringe, ich bleibe dem Leben meinen Einsatz schuldig und veröde; nur wer
was macht, wird darin besser. Das nicht genutzte Talent, die vergrabenen
Begabungen gehen verloren, wie Muskeln bei langer Bettlägerigkeit. Dann braucht es eine(n) Masseur(in).
Hätten die Begabten
den Schüchternen an die Hand nehmen sollen? Sicher brauchen wir Lehrer und was
Hänschen nicht lernt, kann Hans endlich nachholen. Wir haken ja nicht wie
Schallplatten fest in einer Rille, wir sind noch lernfähig bis zum letzten
Atemzug.
Wenn Jesus Zeit
gehabt hätte, dann hätte er sicher die Geschichte noch um einen Vierten
ergänzt; der macht riskante Geschäfte, stieg hoch aber stürzte ab "als
eine Teuerung ins Land kam"-(wie beim verlorenen Sohn-Lukas-Ev.15,14.).
Hätte der Herr ihn umarmt, ihm seinen Einsatz vervielfacht? Es sähe Jesus
ähnlich, so großzügig vom Gott zu
reden. Denn das könnte die wahre
"Sünde wider den heiligen Geist" sein (Matthäus-Ev. 12,32) aus
Argwohn Gott für geizig zu halten- wie der ältere Bruder ja auch den Vater
verkennt: "Du hast mir nie einen Bock gegeben, daß ich mit meinen Freunden
hätte fröhlich sein können". Und der Vater/ Gott, ohnmächtig vor
verkannter Liebe, sagt: "Was mein ist, ist doch dein."
Der mit dem einen
Talent sah nur den harten Dealer, und wollte mit dem nichts zu tun haben,
wollte sein kleines Leben im stillen Winkel. Aber das Leben will geliebt und
gepflegt sein, eben kultiviert sein, von jedem, "seinen Fähigkeiten
gemäß". Das Leben läßt Irrtum zu,
ja: "Versuche und irre"- und korrigier und versuche weiter- das
ist auch die Gangart Gottes in der
Evolution, ist der Rhythmus des Lebens überhaupt. Darum ist die Wirklichkeit
auch fehlerfreundlich, wieviele Irrtümer, und Sünden sind dir geglättet worden!
Aber wer gar nicht kommt oder meist zu
spät, den bestraft wohl das Leben
tatsächlich.
Du sollst nicht
stehlen- ist die Kehrseite der Medaille: "Du kannst genug, um deinen
Lebensunterhalt zu beschaffen und den der dir Anvertrauten dazu." Steht
dies Versprechen irgendwo geschrieben? Mit deinem Geborensein ist dir das
Recht, gebraucht zu werden und daraus dein Auskomen zu haben, mitgegeben-
inklusiv der Grenzziehungen und des Auftrags für die Not: "Bittet"!
Auch wenn Geldsorgen und Künmmernisse immer auch bei dir sein sollten,
sei du gern du, gern hier. Nimm das als
geschrieben und gesetzt. Und stehle nicht.
Aber bis kurz vor
der Grenze, wo Stehlen anfängt, bis dahin nutz das Leben als Revier, ihm
Lebensmittel abzuringen; Biete dein
Können an, sei fleißig; mach gut, was du tust, ob die Straße kehren oder Zähne
behandeln oder noch pfiffigere Programme für Computer tüfteln. Und wenn du
Pizza backst, soll es die Knusprigste weit und breit sein mit frischen Champignons- du verfeinerst
solange, bis die Leute von weither kommen.-
Sei
kundenorientiert, hilf Probleme zu lösen, dann sollte genug für dich hängen
bleiben. Denk nicht an zuerst an Geld sondern habe Lust, Menschen entgegen zu
kommen, ahne ihr Bedürfnis voraus, denke für sie, versteh sie besser als sie
sich- dann "gibts der Herr den Seinen
im Schlaf" (Psalm 127,2),
eben wie nebenbei .
Mit Fähigkeiten,
deinen und der Mitarbeitenden, gehe ökonomisch um, also haushälterlich. Und
fordere als Tüchtiger nicht, bevorzugt zu werden, das brächte Streit. Und
schmücke dich nicht mit Kostbarkeiten, so ziehst du ja Diebe förmlich an, dich
zu erleichtern. Und bediene die Forderungen, die gerecht sind- Schulden bleiben
kleben- laß dich nicht gelüsten, durch Tricks dich zu entwinden, du reizt ja
sonst dein Gegenüber zu härterer Gangart. Und was erst sportlich anfängt kann
leicht ausufern zu boshaften, dann
kriminellen Machenschaften. Alle Sorten Fahrerflucht sind nur schäbbig, bezahle, was du beschädigt
hast oder bestellt hast; bestell nicht, ehe du zahlen kannst; sei verläßlich.
Enttäusche nur im Notfall. Offenbare dich vorher; jeder Chef/jede Chefin, wenn
du gut bist, will dich halten, wird dir in der Not was zuschießen, wenn die Not
einsehbar ist; sie werden dir jedenfalls einmal helfen, schon damit du nicht in
Versuchung gerätst, etwas zu entwenden.
Vertrauen ist ein
kostbares Gut. Wenn du stiehlst, bestiehlst du dich selbst um deinen freien
Blick, um die Achtung. Denn du selbst,
auch wenn du nicht erwischt wirst, weißt, was du getan hast, und "das
Gewissen, das alte Krokodil, es beißt und beißt" (Marie-L. Kaschnitz).
Natürlich dürfen wir
begehren, was nicht unser ist. Die Kirschen in Nachbars Garten, des andern chromglitzerndes Motorrad, das schöne Haus,
das in der Glücksspirale zu gewinnen ist,
ihr Aussehen, ihre Bildung, sein Charme- wir dürfen uns eingestehen, was
wir auch gern hätten. Wir sollen uns sogar klar werden, was unsere Wünsche
sind- dazu kann im Idealfall auch die Werbung helfen, aber die macht uns oft
den Mund wässrig nach Sachen, die uns nicht bekommen oder die wir uns nicht
leisten können.- Aber darum sollte man Werbung nicht verdammen, man sollte
helfen, resistent zu werden gegen Gier, gegen Habsucht, gegen Neid.
Begehren also im
Sinne von Wünschen, ja; aber nicht im
Sinne von Habgier und Neid; die verdrehen uns den Kopf, die unterwerfen uns ,
daß wir kriminell oder verrückt darüber werden können. Wir begehren. Und wir
sind Nachkommen von Überlebenden, die begehrten; die gerade darum auch sich
fortpflanzten, weil sie begehrten. Begehren macht, daß ich mich mühe. Begehrend
nehme ich wahr, was ich dringend brauche-Aus Begehren wird die meiste Arbeit
getan. Aber was mußt du so dringend
haben, daß du es stehlen muß?
Welche Sache ist
denn so wertvoll, so dringend, daß ich sie an mich bringen muß, egal wie?
Essen, Trinken, Dach überm Kopf, ärztliche Versorgung? Keiner darf verhungern.
Wir Besitzenden wissen um unsere Mitschuld am Hunger in der Welt- keiner würde
den Bedürftigen vor seiner Tür abweisen, er würde ihm zu Essen geben. Wir
werden auch noch viel mehr Menschen aufnehmen müssen, die hier mit Nichts als
ihrem nackten Leben und ihrem riesigen guten Willen ankommen. Jesus drängt geradezu: "Bittet,
suchet, klopfet an, so wird euch aufgetan" (Matthäus-Ev. 7,7) In der Not
müssen wir bitten und betteln, sonst machen wir die andern schuldig. In
wirklicher Not, zu der die Unfähigkeit,
zu arbeiten sicher gehört, ist das Betteln harte, echte Arbeit. Denn es ist
Arbeit, Wohltaten locker zu machen und Menschen zu bekehren, ihr Glück zu
merken, daß sie nämlich in der glücklichen Lage sind, geben zu können. Und wer
den Bittenden recht versteht, der bedankt sich, wie in Indien, daß er die Gabe
angenommen hat.
Wir stehlen schon
oft genug- nicht nur Gott seinen Tag, wenn wir nicht geliebt haben; wir nehmen
schon mit unserm schnellen Melden in der Klasse dem Bedächtigen den Raum zu
reden, mit unserm geschickten Auftreten nehmen wir andere für uns ein, was
diese wieder anderen abziehen- denn wir haben ja nicht unbegrenzt viel
Aufmerksamkeit.Weil man sich von uns mehr verspricht, werden wir eher bedient,
unsere Sprachgewandtheit setzt den andern ins Unrecht, unser Geld kauft den
Entwicklungsländern ihr Land weg. "Nicht Stehlen" hat viele
Seiten.
Ist Abwerben auch
Diebstahl? Du sollst nicht begehren deines Nächsten Mitarbeiters, ist das
Gebot? Heute haben wir, Gott sei's gedankt, Vertragsfreiheit. Wenn ein
Gemeinde-Kirchenrat von auswärts zu einem
Pastor käme und wollte ihn für seine
Gemeinde gewinnen, würden wir
doch den Vorstand loben, daß er sich die Mühe macht.- Und
selbst, wenn dann viele traurig wären
am Ort, dürfte der Pastor doch gehen, wenn er sich davon mehr (Wirksamkeit,
vollere Kirche, schöneres Pfarrhaus, größerer Mitarbeiterstab oder auch bessere
Pension oder sein Gefährte bessere Chancen in seinem Beruf ) verspricht. Nein,
abwerben ist legal im Normalfall; es hilft, produktiver zu werden.-
Als Besitzende haben
wir interessante Gaben, die wiederum Begabungen Anderer für uns locker machen.
Geld lockt, die Menschen werden höflicher; sie mühen sich, an mein Geld zu
kommen, wie ich hoffentlich mich auch anstrenge, mein Bestes zu geben.
Aber Geld ist ein
besonderer Saft- es hat eine Eigendynamik, die den Besitzer leicht zum
Besessenen verdirbt. Geld ist ja flüssiges Zahlungsmittel, ist gemünzte
Fähigkeit, anderer Leute Fähigkeiten zu
verflüssigen und Sachen zu tauschen- auch Vorsorge zu sammeln gemäß dem klugen
biblischen Satz: "Geld beschirmt" (Prediger 7,12). Aber Geld kann
seine dienende Qualität verlieren und Selbstzweck werden- es hat dann den
Eigen-Sinn, sich zu vermehren und wir werden zu Geldknechten. Das meint Jesus
wohl mit: "Man kann nicht Gott dienen und dem Mammon" (Matthäus-Ev.
6,24) und: "Macht euch lieber
Freunde mit dem ungerechten Mammon" (Lukas-Ev. 16,9)
Jesus verteufelt
Geld nicht, er warnt nur, ihm nicht zu dienen, sondern uns seiner zu bedienen
und Gutes damit zu tun. Es zählt mit zu den Gaben Gottes, es ist gemünzte
Energie, die wir hoffentlich mit guter Ware, mit hilfreichem Tun, mit klugen
Gedanken an uns bringen. Aber solange es Arme gibt sind wir Reichen auch Diebe-
weil wir mehr nehmen als wir müssen-(anders der Weise: "Armut und
Reichtumgib mir nicht, sondern meinen bescheidenen Teil laß mir zukommen"
(Sprüche 30,8).
Wir halten doch
viel zuviel für uns zurück im Angesicht der Hungernden und Bedrohten- wir im
reichen Norden bemühen uns, unsere Grenzen abzuschließen gegen die Habenichtse
des Südens und Ostens- es ist ein lächerliches, chancenloses Unterfangen. Für
einen Abgewiesenen kommen zehn neue Menschen und wololen hier ihr Glück machen
und haben ein Recht darauf. Es sei denn, wir helfen ihnen, in ihrer Heimat ihr
Auskommen zu finden. Gegen Hungernde "Deutschland den Deutschen" laut oder leise zu brüllen, ist beschämend.
Und aussichtslos, denn"was ihr nicht gebt aus Gehorsam gegen Christus, das
fordert euch die Zeit mit
Wucherzinsen ab"-so Martin Luther.
Nicht stehlen-
Arbeit, Wissen, Kapital. Gerecht handeln wir erst, sagt Bernhard Shaw, wenn
einer für mich mit seinem Talent und ich für ihn mit
meinem Talent eine Stunde arbeitet- das gibt es ja in der
Familie und in Ansätzen auch unter Freunden und Nachbarn. Aber wer an jemandem
verdient, der soll ihn auch gut bezahlen, sonst ist das auch Diebstahl. Es
reicht nicht mehr: "Du sollst dem
Ochsen, der da drischt , nicht das Maul verbinden" (1. Korintherbrief
9,9). Wir stehen in der Schuld so vieler Menschen.
Menschen vieler
Generationen, vieler Länder haben gearbeitet, und ich ernte davon
Kenntnisse, Früchte, Rohstoffe, Energie, Unterhaltung. Wieviel Menschen in Jahrtausenden haben an Zahlen rumgerätselt, an Buchstaben-
bis sie die uns heute selbstverständlichen fanden, Mönche haben die Heiligen
Schriften abgeschrieben, wieder und wieder bis sie endlich gedruckt und
vervielfältigt und an uns heute gelangen. Wieviele haben unter Qualen große
Kunst hervorgebracht und ich darf sie schlendernd genießen. Wir leben vom
Leben, das lange vor uns gepflanzt wurde, wir ernten ungeheure Wohltaten, weil
uns sich das Wissen der Generationen kumuliert, da sollte von uns auch was
bleiben für die nächste Generationen und zwar mehr als Müll.
Eine besondere Gabe,
die es mehr noch zu entwickeln gilt,
ist: das Leben deuten als
hoffnungsvoll.- Unter den Mäusen gab es eine besonders hilfreiche: Es rackerten
und ackerten die Mäuse und brachten Korn für Korn ins Winterquartier. Nur Frederick saß müßig und ließ sich von
der Sonne bescheinen, sehr zum Ärger der Fleißigen. Als dann aber der Winter
lange kein Ende nahm und die Körner immer weniger wurden; da, als die Mäuse
schon beinahe starr wurden vor Hunger und Kälte, da sang ihnen Frederick Lieder
von der warmen Sonne und malte Bilder von üppigen Feldern voller Weizen und aus
Sehnsucht hielten sie durch bis der
Frühling kam (Leo Lionni).- Gegen inneren und äußeren Mangel stellt Kunst und
Religion die Bilder vom Gelingen vor Augen. Und die Mäuse um Frederick,
verstanden das Wort des Jesus: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein sondern
von einem jeglichen Hoffnungswort, das aus Gottes Mund geht” (Matthäus-Ev.4,4).
Es gibt soviel zu tun. Stiehl dich nicht dem Leben. Feuer
die Liebe an ,
wecke Gefühle der Freude, entfache Elan. Laß nicht zu, daß
Menschen in deiner Nähe sich abfinden mit ihrem "wunschlosen Unglück"
(Peter Handtke). Mit Musik, Sprache,
Spielen bring die Verhältnisse zum
Tanzen; lade ein, sporne an, daß sie für einander kochen, abwechselnd; daß sie
die Vorgärten und Hauswände, wenn
verwahrlost, wieder streichen; daß man mit Konfirmanden ins Pflegeheim geht und
ganz behutsam werden Alte und Junge sich finden.
Nicht stehlen! Das Gegenteil davon ist: Erkenn wieder,
wieviel du hast; und entwickel deine Begabungen- mach was aus dir und anderen.
Wenn auch für
industriell hergestellte Ware immer weniger Hände gebraucht werden, so ist
Arbeit da in Fülle. Die reichere und tiefere Gestaltung der menschlichen
Beziehungen ist nie fertig und der wichtigste Rohstoff steckt in den Hirnen-
denk und tu was.
Eine besondere Begabung ist es heute, Arbeit verkaufbar zu
machen. Da sind Unternehmerinnen/Unternehmer gefragt, die eine Vision haben,
die Bedürfnisse erfühlen, bevor sie Bedarf werden; die Vorsorge treffen, und
ein Projekt effektiv betreiben. Die vor allem Mitarbeitende einstellen, ihnen
fachliche Fähigkeiten beibringen, sie zu einer Mannschaft mit Erfolgslust
erziehen, sie zu schonendem Umgang mit der Zeit anderer Menschen anhalten,
Kostenbewußtsein schüren, Material und Energien sparen helfen, Informationen für
alle erreichbar machen. So werden die Mitarbeitenden auf allen Ebenen fähig,
mitentscheiden zu können, beteilige an
Einspargewinnen, laß Verluste auch
mittragen,ein Stück weit. . Das Eigeninteresse der Mitmenschen anzuspornen, die
Zustimmung der Mitarbeitenden zu gewinnen, ist die Kunst.
Es gibt noch so viel
zu tun, die Arbeit verkaufbar zu machen, eben dadurch, daß jeder sie möglichst
ökonomisch tut und sozial kompetent dazu. Der Kunde will Achtung, will als gute
Botschaft genommen werden und tatsächlich:
Es ist doch erstaunlich, daß Menschen deine/meine Arbeit noch wollen, ich ihnen
nützlich sein kann, sie sich von diesem Laden
was versprechen.
In Japan bei Öffnung der Kaufhäuser, steht vom Chef bis zur
Putzkolonne die ganze Belegschaft angetreten zur tiefen Verbeugung und
Begrüßung. Das braucht’s nicht ganz zu sein, aber spüren soll’s der Kunde, die
Kundin: Gut, daß du da bist, wir wollen
dir Wünsche erfüllen, ein Stück Nächstenliebe nimm. Und laß dann auch was da.
Eine der größten Gaben ist ja, die Begabungen anderer zu
fördern. Erziehen, entwickeln, auswickeln; durch Zeigen und Anerkennen
verbessern, im Durchhalten bestärken, erst mal dem andern beibringen: Du
taugst, du bist gut, gut für mehr.
Einen Kuß allen fördernden, engagierten Menschen. Sie sehen förmlich die
Kräfte wachsen, wie der Bauer das Korn wachsen sieht, sie sind Hebammen der
Begabungen Gottes, die er in uns eingesät hat.
Menschen in Arbeit bringen, daß sie ihr Auskommen selbst
erarbeiten können, ist Kooperation mit
Gott, erster Klasse. Einmal wird Gott von Jesus mit einem Weinbergbesitzer
verglichen, der alle drei Stunden ins Dorf geht und die Leute, die noch Arbeit
wollen, in seinen Weinberg schickt (Matthäus-Ev.20,1-15). Einem Arbeit
beschaffen, das besorgt Freiheit, Hochgefühl, Lebenswillen, Besitz; und auf den
Gedanken zu stehlen, kommt man immer weniger.