Keitumer Predigten Traugott Giesen
13.06.1999
Wir begrüßen uns freundlich vor St.-Severin, die von den
Orgelbauern eine Woche gänzlich in Beschlag genommen ist.
Lesung: Ernesto Cardenal, Das Buch von der Liebe: Wie auf einer Töpferscheibe,
Psalm 104
Lied: Geh aus mein Herz
Dieses Lied ist ein Wasserfall voll Freude, nicht leerzusingen, diese
Seelenhymne. Laßt uns ein paar Strophen besonders genießen,
einige Gedanken uns pflücken aus diesen Jauchzeversen von der Schöpfung.
Dies Lied beschreibt ja die Welt im Zustand der Gnade. Aber die Verwundungen,
Ölpest und Ozonloch, sind auch da. Doch wir brauchen das schöne
Bild, wie wir Urlaub brauchen in noch intakter Landschaft, damit wir dann
wieder arbeiten auch für, nicht gegen Natur. Wie Urlaub brauchen wir
Bilder von unbeschädigter Natur, eben damit wir Beschenktsein und
Veranwortlichsein wieder spüren.
Ja, Mutter Erde ist überfordert von ihren gierigen, maßlosen
Kindern, die ruppig und gar nicht fürsorglich umgehen mit den Schätzen
der Natur. Uns müssen erst wieder die Augen ausgewaschen werden von
der noch vorhandenen Schönheit der Welt, damit wir von diesem Naturverderben
loskommen. Uns muß das Gehirn wieder freigeräumt werden von
dem Wahn, daß nur was einen Kaufpreis hat, was wert sei. Die Verwandlung
von Natur in Ware und von Ware in Abfall müssen wir bremsen. Wir müssen
uns wieder merken als Geschöpfe, die, so heißt es schon in der
4000 Jahre alten Schöpfungsgeschichte, die Erde bebauen und bewahren
sollen.
Darum: Geh aus mein Herz und suche Freud. Lange Wege durch Felder und
Gärten, durch Landschaften, über Berg und Tal, an Seen vorbei
und am großen Meer längs, also mit Natur leben, jedenfalls so
oft wie möglich � es würde uns zu besseren Menschen machen, die
mehr vom Zusammengehören aller Dinge wissen.
Geh aus mein Herz und suche Freud an deines Gottes Gaben � das lockt:
komm, schau, staune, fühle, nimm die Augenweide wahr, die prachtvolle
Erde und das große Meer, Spiegel von ewig Gültigem. Der Himmel
wie eine große Schale, in der auch du geborgen bist. Der Strand,
Myriaden Steinkörner, fein gemahlen von Wasser und Wind. Du gehst
die Flutkante entlang, das Meer leckt deine Fußspuren auf. Du schmeckst
Salz. Und der Duft, der Duft. Du atmest Freiheit, spürst den aufrechten
Gang, deine Sinne tanzen, Stunde für Stunde wirst du mehr Du. Deine
Seele kommt zu Kräften und entfaltet dich, du wunderbarer Mensch.
Nicht zufälliger Zaungast des Lebens bist du. Glaub, daß
dir zugut die Düfte, Formen, Farben erfunden sind. Glaub, daß
die Welt sich geschmückt hat für dich. So wichtig bist Du: Du
bist's auf den hin die Welt schön gemacht ist � wegen dir, weil Gott
dich liebt. Damit du dir Freude von ihm pflückst, hat Gott die Welt
zum Kosmos macht, zu seinem Schmuckstück.
Damit will Gott auch was erreichen: Er will Dank schöpfen, jedenfalls
Echo haben. Nimm die Schöpfung in ihrer Schönheit wahr. So ehrst
du auch den Erfinder und Betreiber von allem. Lob, Ehre, Anerkennung, schöne
Augen will Gott dir abgewinnen. Er braucht das richtig, um gern unser Gott
zu sein. Er lechzt nach Antwort. Pflanzen und Tiere geben die Ehre durch
ihr Sosein. Wir durch unser Vergleichen, durch Staunen, durch Mittun und
Danken und Verstehen: Biologie, Physik, Chemie breiten doch die Schätze
aus. Warum war ich nur so blöde in der Schule?
Schau an der schönen Gärten Zier! Tatsächlich � das
Land anschauen, seine Pflanzen und Tiere, und darüber die Wolkenschiffe
� das erweckt alle Sinne. Ich werde selbst intensiver ich, entdecke mich
wieder als ein beseelter Teil der Schöpfung, der staunt, lobt, dankt:
nicht ein Klotz und Trampel sondern Sänger des Gelingens.
Die gute Schöpfung ist nicht alles. Sie ist auch ein Versprechen
für weiteres. � �Siehe, sehr gut� sagt der Schöpfer in der Bildergeschichte
vom Anfang. Sehr gut für Weiteres! Jedenfalls, wenn wir sterben, sind
wir nicht abgefunden in unsern Wünschen. Wir sind gerade erst mal
auf den Geschmack gebracht worden an der Liebe, an der Schönheit,
an Freude, an sowas wie Gott � sind sehnsüchtig nicht nur nach Schluß,
sondern nach reichem Himmelszelt und güldenem Schloß.
Mozart und Marilyn tanzen sehen � oder mit Jesus weise reden � oder
Picasso Modell sitzen � jeder darf sein Traumbild vom Himmel selbst ausmalen.
Die Augen werden uns sowieso übergehen von Gott, der mit allem eins
ist und uns in ein Lieben taucht, wo wir beim andern sind und bei uns selbst;
wo wir ineinander übergehen und doch Gegenüber bleiben; Töne
bleiben wir in Gottes Symphonie, die ewig klingt.
Kurz: Was jetzt ist, ist nur Ouvertüre, Anzahlung, Entwurf, Vorspeise.
Wenn nun der Anfang, wenn dieses mühsame Leben schon schön ist,
daß es uns immer zu kurz ist, und wenn wir am Schönen hier,
obwohl es nur Vorschau ist, uns nicht satt sehen können � um wieviel
schöner und wunderbarer wird, was Gott noch vor hat mit uns. Der Überschuß
von Meer und Gärten und Umarmung zielt auf Himmel. Nehmen wir mit
Kaschnitz' Worten �die Blüte irdischer Liebe zum Pfand fürs Reich
des Geiste und der Güte�. Und Gott, ja � mach in mir deinem Geiste
Raum!
Jetzt wissen wir, woher das Sprichwort kommt �Du bist mir eine schöne
Pflanze!�. Das ist eigentlich ein Kompliment. Schönes Gewächs
in Gottes Garten � da weiß ich, in wessen Boden ich gedeihe und daß
ich wie die andern Blumen da bin, weil ich da sein soll, gewollt bin für
hier, kurz oder lang. Ich bin gewollt. Manchmal scheint uns alles sinnlos.
Aber hier ist Sinn und Zweck meinerselbst beschrieben: Ich bin zur Freude
da. Freude ist Einverständnis mit dem Leben; mit dem, wie du bist
und daß du da bist, und daß du du bist. Und überhaupt
� Schöne Blume in Gottes Garten � das ist doch ein Salut gen Himmel
wert. Und noch ein Sinnbild von dir als geglücktem Menschen: Guter
Baum werden, auch als krummes Holz, doch mit starken Wurzeln, die Kraft
aus dem Leben saugen und mit vielen Blättern und Früchten die
Kraft an das Leben abgeben � sowas alles kann einem durch den Kopf gehen
wenn wir singen und es auch tun: Geh aus mein Herz und suche Freud. Amen.