Wochenspruch mit kurzer Auslegung
(T.G.)
4. Advent 20.12.1998
Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!
Der Herr ist nahe! Philipper 4, 4. 5
Keines Menschen Geburt hat solche Freude ausgebreitet auf der Erde wie
Christi Geburt. Schließlich ist er der Mensch, dessen Lebenslauf
Gott lebt. Und dem nach wir von uns auch viel halten dürfen; in uns
bringt sich auch das Herz der Welt zur Geltung. So sind wir unermeßlich
wichtig. Jedes neue Menschenkind ist ein neuer Entwurf der Welt. Darum
wohl ist auch Freude �das gigantische Geheimnis der Christenheit� (C. S.
Lewis). Also laß das Mürrische, verabschiede Griesgram, sei
dir eine Freude und anderen auch.
Keitumer Predigten Traugott Giesen
20.12.1998 4. Advent
Lukas 1. Der Engel kommt zu Maria. Sie läßt sich gefallen,
gebraucht zu werden vom Schicksal. Das kann ein Vorbild sein für die
Christus-Art: Goethe faßt diese Denk- und Lebensweise in folgende
Worte: �Alles fügt sich und erfüllt sich, mußt es nur erwarten
können. Und dem Werden deines Seins, Zeit und Felder reichlich gönnen�.
In diesen Tagen vor Weihnachten sind wir alle aufgeladen mit Erwartung.
Gerade diese festlichen Tage müssen gelingen. � Die Familienbande
spüren wir sehr deutlich. Das ganze Jahr über hat sich normale
Nähe und Distanz eingespielt. Aber in diesen heiligen Tagen sollen
und wollen wir besonders sein, besonders freundlich, besonders verwandtschaftlich.
Manche Menschen fangen geradezu an zu leiden � sie müssen sich sehr
um Haltung bemühen, sie brauchen Abstand � und fliehen dann am liebsten,
um dort in der Einsamkeit aber auch wieder Nähe zu suchen, nur nicht
welche, die Folgen hat.
Weihnachten ist mit Gefühlen besetzt, die aus der Kindheit stammen
� und besonders wohl tun oder auch weh tun. Darum gilt vor allem, nicht
zu enttäuschen. Die innigsten Tage des Jahres sind sowas wie ein Prüfstand
des Gutseins � alle dienenden Berufe und die Muttersorge ist überfordert.
Auch die Väter müssen sich bewähren � sie sollen ranschaffen
und Fürsorge walten lassen. Die jungen Erwachsenen sind da etwas draußen
vor � viele drücken sich gern weg. Ist man dann zu dritt, zu viert,
entwickelt Weihnachten einen Sog, selber die heilige Familie um den eigenen
Baum zu bilden. Jedenfalls sind die Tage der Vorbereitung mühsam.
Auch in der großen Politik ist Weihnachten eher Anspruch als
Geschenk. � Eben die Bilder aus Bethlehem: Familie Clinton in der Geburtskirche,
Frau Hillary und Tochter Chelsea bewahren Haltung. Neben den Clintons stand
traurig Yassir Araffat, dem sein israelischer Kontrahent Netanjahu gerade
weitere Bedingungen für etwas Truppenabzug diktiert hat. Die Fernsehbilder
strahlten am Geburtsort des Erlösers keine Erlösung aus. Weder
Harmonie im Kleinen � in der Familie � noch Frieden in Nahost. Da war nur
Zusammenreißen; Beherrschung, nicht blank übereinander herzufallen.
Und doch war da noch etwas mehr: Der Geburtsort des Christus steht für
die größere Sehnsucht: Daß doch Friede werde und wir mit
Erbarmen die Schwächen tragen.
Was ist denn an dem Jesus so wichtig?
Mit Jesus wird ein Menschsein offenbar, jenseits von Streß und
Druck. Mit Jesus ist der Mensch geboren, der mit sich und anderen im Reinen
ist. Und das ist auch die tiefere Wunschkraft, die uns zu einem harmonischen
Weihnachten treibt: daß wir dem Jesus ähnlich werden, wäre
gut. Und dies Ähnlichwerden mit Jesus fängt jetzt an � jetzt,
da wir ruhig in St. Severin sitzen � jetzt mit gelassenem Atmen, ein Spüren
ist da, ich bin gehalten, in der Schwebe gehalten.
Dies schwebende Ahnen, im Guten zu sein, kann man auch Elisabeth und
Maria abgucken. Diese beiden ersten Menschen in Jesu Leben sind fein gezeichnet.
Das kommt davon: die ersten Christen waren so von Jesus ergriffen, daß
sie den Schatz dieses Lebens immer bei sich haben wollten. Sie erzählten
sich Geschichten von ihm, seine stärkenden Sätze und seine Zwiesprache
mit Gott. Sie erzählten sich auch, wie sie sich Jesu Kindheit vorstellten
und die Zeit vor Jesus Geburt. Die Glücksgeschichten mit Jesus warfen
auch Licht in dessen Vergangenheit zurück: Viele Frauen wären
gern Mutter des Jesus geworden, viele Männer gern ein Jünger
oder Johannes, der Täufer Jesu.
Was vor Jesu Geburt wohl hat gewesen sein können, das erzählte
man sich in immer neuen Legenden � und die ältesten hat uns Lukas
bewahrt. � Es ist der Stoff für die ewigen Bilder der Kunst, eins
schöner als das andere, wie Maria von ihrem Engel die Weisung entgegennimmt
und zuläßt, daß in ihr das Kind Gottes reift. Und das
andere Glücksbild: Maria, schwanger, läuft ins Gebirge zu einer
anderen Schwangeren � und sie haben es gut miteinander.
Menschen, die mit sich ins Reine kommen, mit sich im Reinen sind, stehen
am Anfang von Jesu Lebensweg.
Maria: Wir wissen nichts von ihr persönlich. Sie ist wichtig über
die Zeiten als Symbol �Christusträger�, sie wird geschildert als junge
Frau, verlobt, und ist bestimmt, das Gotteskind zu tragen, zu gebären
und großzuziehen mit ihrem Josef.
Die Mutter des Jesus ist uns zum Vorbild gesetzt, daß auch über
uns eine Bestimmung verfügt ist. � Du sollst dein göttliches
Wesen austragen, auch in dir, mit dir soll ein Einzigartiges wachsen und
werden. Dein Eigenes � was ist das?
Es ist eine ganz eigenartige Farbe, ein Duft, ein Farbenspiel, ein
Charaktermuster, das du zur Geltung bringen sollst, das mit dir Gestalt
gewinnt.
Du magst andere beneiden, es wird dir nichts nützen: Du bist du.
� Dazu eine kleine Geschichte: Frau Ingrid und ich � wir kamen gerade ziemlich
gehetzt aus der Stadt, Sorgen um Gemeinde, Kinder, Enkel. � Da stehen unsere
Nachbarn mittags um 14 Uhr vor ihrem Haus, wirklich aufs feinste herausgeputzt
und warten � ja warten auf ihre Taxe, daß sie mit dem Sonderzug nach
Kiel zum Wundergeiger und wieder zurück fahren, mit hunderten festlich
gestimmter Sylter. � Sie konnten das, und ich war einen Augenblick neidisch.
Aber wir hatten ein anderes Skript, ein anderes Drehbuch. �
Jeder hat seinen Engel, der sagt: Gott ist mit dir, und hat einen Auftrag
für dich.
Deinen Auftrag � du mußt dich ihm nur hinhalten � dein Auftrag
entwickelt dich, wenn du nur unter ihm bleibst. Das ist wohl mit dem Bild
von der Jungfrauengeburt gemeint: Keine biologische Einmaligkeit soll was
beweisen. Sondern gemeint ist: Gott legt in dich die Begabung und die Aufgabe.
Du mußt nichts machen, du mußt nur geschehen lassen. �Mir geschehe,
wie du gesagt hast� � sagt Maria zum ihrem Engel. �
Und ein weiteres Bild für das Zulassen, das aktive Sichfügen.
Maria geht zu einer andern Schwangeren � Mutter des Johannes, der ja erste
Leitfigur für Jesus sein wird. Die beiden Schwangeren verstehen sich
gut, sie bleiben drei Monate zusammen � sie erzählen sich immer wieder
ihre Träume von den kommenden Kindern. Und Elisabeth verrät Maria,
ihr Kind habe in ihrem Leib einen Freudensprung getan, als Maria eintrat
� und beide phantasieren, daß einer den andern schon sieht und begrüßt
und mit ihm schon das gemeinsame Werk anpacken will.
Da wird nichts geschildert, was sie leisten und zwingen müssen.
Wichtig ist, was sich begibt: die Sympathie füreinander � das Zueinanderbestimmtsein
wahrnehmen und Früchte bringen lassen.
Was nun deine Berufung ist, die in dir Gestalt gewinnen soll? Das wird
sich dir erschließen � aber dabei wisse:
Alles fügt sich und erfüllt sich, mußt es nur erwarten
können. Und dem Werden deines Seins, Zeit und Felder reichlich gönnen.
Hörst du deine Bestimmung? Glaub an den Engel, der dir deinen
Entwurf zum Sohn, zur Tochter vorhält.
Bitte fixier dich nicht kalt. Sieh dich bitte als bestimmt, berufen,
begabt an zu einem Projekt und komm der Realisierung näher � halt
dich in Wegrichtung. In dir, mit dir erfüllt sich was, das mit dem
Schicksal der Welt zu tun hat.
Und auch den neben dir fixier nicht kalten Blickes, du gesteh ihm eine
Berufung zu, sieh ihn auch als Kompagnon Gottes.
Und es gibt auch im Haus Gottes Unterschiede. Relative Gewinner und
Verlierer, aber keine Verlorenen. Darauf bauen � Zeit und Felder dir reichlich
gönnen. In dir wächst ein Teil von Gottes Willen und wird schön.
Durch dich findet Schönes in die Welt, woran Zusammenhalt erlebt wird.
Und bitte glaub deinem Engel: �Du bist im Werden.� � Es ist ein Zuwachs
bei dir, ein Anwachs an Erkenntnis und Geschick � du kommst klar, auch
unter Tränen. � Das Tatsächliche ist berauschend � manchmal halten
wir nur wenig Wirklichkeit aus � dann schlafen dürfen, ins Gebirge
laufen oder was dir hilft, ins Reine zu kommen.
Dir ein gesegnetes Weihnachten. � Und setz auch drauf: Mach nicht alles
vorauseilend allein; wer Hunger hat � der deckt auf. Amen.
1. Sonntag nach Weihnachten 27.12.1998
Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.
Johannes 1, 14
Das Wort ist mehr als nur ein Wort, es ist Sinn, Grund, Idee, Wille,
das Geheimnis von allem. Das Geheimnis von allem wurde Mensch. In Jesus
machte sich das Herz aller Dinge, der Grund von allem, anfaßbar.
Und durchfuhr Himmel und Hölle menschlichen Lebens. Und stellte klar:
Liebe ist Gott, Zusammengehören ist Leben, vor uns ist immer Zukunft,
durch wieviel Nein und Versagen wir auch hindurch müssen. Wär
Christus nicht geboren, wäre die Welt verloren � die Welt bekommt
mit ihm das Gütesiegel: Gottes Welt, Du ein Gotteskind.
2. Sonntag nach Weihnachten 03.01.1999
Wir sahen seine Herrlichkeit als die des eingeborenen Sohnes vom Vater,
voller Gnade und Wahrheit. Johannes 1, 14 b
Der erstgeborene Sohn unter vielen Brüdern und Schwestern ist
uns der Jesus Christus. Seine Herrlichkeit ist das Aufleuchten von Gnade
und Liebe auf Gottes Antlitz. Seitdem ist uns das Lebendige wunderbar.
Hiersein ist herrlich � unser Alltag ist durchflutet von Freudestrahlen.
Wir müssen nur Jesu Haltung uns die Wahrheit sein lassen. Er war gern
Kind Gottes und den Mitmenschen geschwisterlich verbunden. � Das nachzufühlen
in unsern Problemen und Freuden � und wir werden es gut finden, das schöne
schwere Leben; versprochen.