16.08.1998 Der Wochenspruch mit kurzer
Auslegung T.G.)
Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt
hat! (Psalm 33, 12)
Unbeschadet dessen, daß Israel Gottes �erste Liebe� bleibt, ist
doch jede menschliche Gemeinschaft angewiesen auf den Zusammenhalt mit
dem Heiligen. Denn wenn wir nicht uns zugehörig wissen dem Ewig-Gültigen,
Großen-Ganzen, dann brüllen wir �Deutschland, über alles�,
oder jeder häuft Ehre auf sich und bewirft andere mit Mist. Ob wir
Gott oder unserm Konto verantwortlich sind, ob wir dem Lebendigen danken
oder uns auf die Schulter klopfen, das macht Segen oder Versagen. Gott
als letzte Adresse für Dank und Klage haben, das macht den Glanz des
Hierseins aus.
Keitumer Predigten Traugott Giesen 16.08.1998
Gottvertrauen wächst in uns, von selbst.
Blicke ich über meinen Schreibtisch hinaus ins Freie, sehe ich
einen ganz starken Apfelbaum, jetzt über und über mit Früchten
behangen. Noch viele werden abspringen vor der Reife, besser � werden die
Reifung nicht bis zur Pausbäckigkeit erleben, weil die Versorgung
aller möglichen Äpfel den Baum überfordern würde, und
alle Äpfel würden dann nur Äpfelchen bleiben. So aber, weil
einige sich nicht halten können unter dem Druck der andern, wird endlich
der Baum zu seiner Bestimmung kommen, und an Zahl begrenzte, herrliche
Äpfel spendieren. � Dies müßte doch ein Bild sein für
meinen, unsern Glauben dachte ich mir, ein Gleichnis nah an der Seele �
seit Luthers berühmtem �Wenn morgen die Welt unterginge, würde
ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen�.
� Apfelbaum als ein Inbild von Glaubensmut, ja das ginge doch.
Und zu reden wird sein vom langsamen Wachsen Gottes in unserm Dasein. Da
platzt auch so manche Sicherheit ab, da reifen nicht alle Blütenträume,
da sind auch knorzige Äpfel, und doch...
Ja, sagt Jesus, mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch
Saat aufs Land wirft und geht davon und macht seins, schläft und erwacht,
Nächte und Tage; und der Same geht auf und wächst � er weiß
nicht, wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach
die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.
Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel
hin; denn die Ernte ist da.
Und weiter: Das Reich Gottes ist ähnlich einem Senfkorn: Das ist
ja eines der kleinsten unter allen Samenkörnern auf Erden; aber wenn
es gesät ist, so geht es auf und wird größer als alle Kräuter
und treibt große Zweige, so daß die Vögel unter dem Himmel
unter seinem Schatten wohnen können. � So Jesus bei Markus 4, 26 -
32.
Vielleicht waren diese Bilder zuerst gepredigt einer kleinen Christengemeinde,
die wegen ihrer wenigen Mitglieder verzagt war. Auch erwartete man den
Weltuntergang in den nächsten Tagen und wollte so gern wissen, was
danach kommt. Aber diese Bilder von Saat und Baum brauche ich für
meinen Glauben heute. Was mit dem Ende der Zeit ist, will ich anstehen
lassen. Wie dann Reich Gottes vollkommen da sein wird, kann ich offenlassen.
Wir haben keine für alle verbindlichen Traumbilder vom Paradies. Und
die Inszenierungen von Weltuntergang können wir getrost dem Kino überlassen.
Heute ist unser Terrain. Auch Jesus lebte ja die Gegenwart als Energiefeld
Gottes. � Das langsame Wachsen der Gottesgewißheit in unserm Dasein
laßt uns bedenken.
Es ist, sagt Jesus, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft, natürlich
hat er vorher das Feld bestellt, die Vorarbeit getan. Aber dann kann er
das Feld lassen, er geht nach Hause, macht seins, läßt das Feld
in Ruhe. � Erst viel später schaut er wieder vorbei und sieht: der
Same ist aufgegangen und aus dem Samen sprießen die Gräser,
und aus ihnen wachsen die Ähren und füllen sich mit Körnern,
�von selber� � �automatä�.
So wächst Gottesgewißheit langsam in unserm Dasein, wie
das Korn wächst � mit meinem, deinem Ich � ganz langsam reift in dir
eine immer festere Zuversicht. �
Es kann dir reinregnen und auch eine schöne Beute verhageln, es
können über dir Vögel der Angst kreisen, aber in dir wächst
eine Garbe kraftvollen Glaubens heran. Wie ein Kornfeld unter der Sonne,
strahlend vor Gelingen, so wächst dir auch ein Schatz Gottvertrauen.
Und hadere nicht, zweifel nicht, wirf dir nicht vor, du glaubtest,
liebtest, hofftest zuwenig. Wenn�s danach ginge und wir uns die Frömmigkeit
erwerben müßten, dann könnte keiner gewiß sein. Jesus
lockt: Nimm in dir wahr den langsamen Anwachs eines gewissen Wissens: Gott
ist dir nah und überredet dich zu einer heilsame Geduld mit dir selber.
Du, um dreißig, hast doch schon Erfolg; und staunst du nicht
über die fehlerfreundliche Natur. Du, um vierzig, hast doch wieder
rausgefunden aus deinem Chaos, wolltest zu viele Beziehungen auf einmal
jonglieren � und hast dich entschieden. Und du, um fünfzig, wieviel
Gnade hast du erfahren, hast mit Verstand etwas Elend in der Welt beseitigt,
einigen zur Selbstachtung verholfen, Pleiten bereinigt. Und du, um sechzig,
hast die Enkel eingeschult � siehst das Leben weitergehen, anders, aber
auch voll mit Segen. Und du, mit siebzig, kannst das endlich: dich zurücklehnen
und andere arbeiten und Erfolg haben lassen � und gefragt, was du machst,
sagst du mit Moltke: Ich sehe einem Baum beim Wachsen zu. Und du, mit achtzig,
weißt, daß dir nichts zusteht, und was ist dir alles zugefallen.
Und du hast Imaginationen, jüngere denn je. Und dazwischen lichtet
sich deine Glaubensdämmerung, Umrisse eines geretteten Ichs zeigen
sich dir. Du wolltest Gott nicht mit dir behelligen, aber seltsam, du fühlst,
daß sich Gott mit dir beschäftigt.
Du, dein Du, deine Seele reift langsam, du wirst ergriffen so langsam
von Begeistertsein durch Schönes, dein Merken der blühenden Kinder,
dein Wahrnehmen von Guttat bei uns schwierigen Menschen; dein Sarkasmus
flaut ab und dein Bekritteln läßt du � du fühlst mehr Mitleid;
du erlebst bei dir mehr geänderte Haltung. Du merkst, in dir ist sowas
wie Gott eingetreten, es ist dir Erleuchtung geschehen, dein Gemüt
ist munterer geworden. Nicht, weil du mehr getan hättest, sondern
eher: du lernst zu lassen. Du merkst: nicht so sehr dein Zupacken, sondern
dein Ergriffensein ist schöpferisch.
Und darum hörst du auf, Druck zu machen. Es ist doch Zuwachs an
Gnade, die dir widerfuhr. Dich hat doch Freundschaft, Liebe, Freudemachenwollen
ergriffen. Du bist angestiftet worden zum rettenden Einfall, du bist doch
erwählt worden zur guten Idee. Großmut ist doch über dich
verhängt. Was willst du noch protzen? Du mußt doch barmherzig
sein, wie andere vielleicht kalt sein müssen. Du mußt deine
Wärme loswerden. Andere meiden Nähe, aus Angst, ihre wenige Energie
würde ihnen noch abgesogen. Dir ist doch das Los gefallen aufs Liebliche.
Und wenn böse Zeit dich traf, dann ist das nicht Strafe, wie Glück
nicht Belohnung ist. � Mal ist böse Zeit, mal gute Zeit � wichtig
ist: die Zeiten laufen in Gottes Kalender, Gut und Böse bleibt gerahmt
von seinen Händen. �
Dieser Glutkern Gottesgewißheit, dieser lebendige Atem, hauche
dich an. Wenn glückliches Fühlen dich überschwemmt oder
Bestürzung dich fällt, dann hat die Allmacht unmittelbar mit
dir zu tun. Dein Wissen und Merken ist schon Teil der Allmacht. Auch wenn
du weißt, was an der Zeit ist für dich, dann drängt dich
die Allmacht, du kommst in einen Engpaß � was du so wegdrängen
wolltest, trifft dich um so wirksamer. Aber in all dem bleibt Gott dir
nah, auch wenn er unter Masken geht. Und was du auch für Rollen spielst,
du bleibst in seinem Stück. � Er betreibt mit uns seine Geschichte.
Wie sie auch ausgeht, sie geht mit ihm weiter und er mit uns. �
Sieh dir dein Leben an � es ist wie ein Acker, in dem unser gottverbundenes
Ich heranreift. Wüßten wir das, wären wir ruhiger. Wir
könnten uns als Gottes Saatgut sehen, könnten uns selbst lassen.
Wir sähen, wie Gott uns zuläßt, uns nicht übelnimmt.
So dürften wir uns auch langsam annehmen, müssen nicht mehr soviel
gegen uns selbst angehen, müssen uns nicht bessern. Die Saat wächst
von selbst.
Viele puschen und quälen sich, schinden sich zu angeblich schickeren
Körper-Formen oder zu moralischen Verzichten. Sie traktieren sich
� als Acker gesehen, mit Schädlingsbekämpfungs-Mitteln oder Überdüngung.
Es gibt eine �religiös geförderte, hoch gezüchtete Ungeduld�
(Drewermann), die treibt ständig in Verantwortung, sieht uns alle
als verderbt und verlangt ständig Beweise guten Willens, Hand anlegen,
Einschreiten. Dabei hat guter Wille soviel kaputtgemacht.
Jesus macht Vertrauen in das ruhige Reifen der gesäten Kräfte.
Und macht uns Zutrauen, daß reicht, was ist. Aus Kleinem wird Großes,
wird ein Baum und Vögel nisten in seinen Zweigen. Du mit deiner Angst:
Du seiest zu wenig, zu mickrig, zu geizig. Es ist in dir ein gutes Erbe;
eine Sehnsucht, zu etwas Gutem zu dienen. �Du�, sagt Laotse, �was brauchst
du noch krampfhaft Liebe und Pflicht zu predigen, wie wenn man die Pauke
schlagen wollte, um einen verlorenen Sohn zu suchen?� � Das ist Jesu Geist:
Sorge dich nicht. Dein Inneres ist gute Saat. Vertraue, daß du zu
dem heranwächst, der du werden sollst.
Jeden Tag lass dir die Welt neu schenken, mit der Lust auf neue Erfahrung.
Schon diese Aussaat bringt gottvolle Früchte die Fülle. Dank
für jetzt und Lust auf mehr Dank, das ist es. Und im Leid das Wissen,
es kommen wieder Tage des Dankes � das ist doch der Zuversichts-Baum, der
in dir wächst � doch, ja. Amen.
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