Predigt 18. Mai 1997
Keitumer Predigten Traugott Giesen 18.05.1997 Pfingsten
Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen daß ihr euch wieder
ducken müßtet. Ihr habt einen vertrauensvollen, kindhaften Geist
empfangen, durch den wir rufen: Gott, lieber mütterlicher Vater. Der
Geist hilft unsrer Schwachheit auf (Römer 8, 15.26 ).
Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche und das kam so: Die ersten Christen
waren ziemlich eingeschüchtert, weil ja ihr Jesus, der ihnen eine neue
Art zu leben beibrachte, nicht mehr hautnah anwesend war, und sie hatten
noch keine Erfahrung mit seinem Geist. Diesen Verknüpfer und Mutmacher
hatte er ihnen als bleibenden Schatz versprochen. Und wie sie wieder so stumm
und traurig dasaßen, zerreißt plötzlich ein Brausen die
bleierne Zeit. Sie werden füreinander entzückt, sie fangen an,
füreinander zu leuchten. Sie spüren: Energie verwebt uns, kontaktet
unsere Gehirne und Leiber miteinander. Als ein Herz und eine Seele fühlen
sie sich - es ist ihnen, als schwebten Flammen über ihren Häuptern;
so waren sie füreinander entzündet und wußten alles voneinander
und fühlten wie mit einem Leib. Auch Ausländer sahen sich aufgenommen,
das Fremde war verflogen: Ein jeder hörte jeden die großen Taten
Gottes reden.
Und was denen damals glückte, soll uns auch passieren: Du brauchst Geist
- der Geist braucht dich.
Pfingsten ist Fest des Verstehens, ist Feiertag der Kommunikation.
Da in der Urkirche, so erzählte man sich idealisierend, sind alle von
einer Energie beseelt; - Heiliger Geist setzt sich als Lohe auf einen jeden.
- Diese Lohe ersehnen wir auch. Wir erlebten sie schon, sie ging uns aus,
sie wird von uns wieder erbeten - letztlich ist es die Liebe, die uns für
einander aufschließt. Wir wissen dann, was dem andern gut tut und was
ihn bedrückt - sind einander Gehilfe der Freude. Die Liebe setzt unsere
Begabungen füreinander in Kraft, macht unsere Eigenwilligkeiten passabel,
unsere Selbstsucht sozial.
Welche sagen, das Geld sei heute an die Stelle der Liebe getreten. Aber ist
es nicht anders? Geld erhöht nur die Fließfähigkeit unserer
Leistungen und Waren. Geld macht uns auch rührig, fünf Minuten
früher als andere um die Ecke zu gucken. Aber eigentlich treibt uns
nicht das Geldfischen, sondern wir wollen geliebt sein; - aber hat uns nicht
der Heilige Geist, dann treibt uns Stolz und Scham; jeder Irrtum wird schnell
in ein schlechtes Gewissen verwandelt, jeder Erfolg in eine Angeberei. -
Das sind die Fehlfarben der Liebe - dies blöde Konkurrieren und Neiden
und Hofieren kommt aus dem
Argwohn, vom Schicksal zweitrangig behandelt zu werden. Du brauchst Geist
- der Geist braucht dich.
Du merkst doch, ein besseres Vertrauen, ein tieferes Wissen wächst in
dir: Heiliger Geist legt dich/mich an Gottes Brust, daß ich
Selbstbewußtsein sauge: Ich bin wer und darf anders sein und muß
mich nicht vergleichen und kann mir genügen lassen. Geist steckt uns
mit Lust an, einander gut zu sein. Einander erfreuen, einander einen Mangel
abstellen, auch miteinander tauschen, Freude teilen, im weitesten Sinne uns
gegenseitig von Nutzen sein wollen, das ist unser Metier. Und das ist doch
auch Lieben, also Gottes schönste Inbrunst, heruntergeschaltet auf uns
Erdlinge.
Du brauchst Geist - der Geist braucht dich. Das Denkzeug Computer entriegelt
die Stirn, erhöht die Fließfähigkeit des Wissens, Handys
machen erreichbarer - es ist viel Wille bei uns, zu verstehen. Aber wer online
ist, hat damit noch keinen Draht zum andern, wer immer erreichbar ist, ist
längst nicht immer gefragt. Dramatisch wichtig ist: In welchem Geist
benutzt du dein Wissen, treibst du dein Geschäft, steigst du auf die
Kanzel?
Wir müssen klar sehen, daß wir mit Hochwirksamem zu tun haben,
wenn wir verstehen und verstanden werden: Dann sind die großen Taten
Gottes in Aktion. Dann geht es um das Gutsein des Lebens und ich/du bist
ein Energiebündel, das mit in die Waagschale geworfen wird, hoffentlich
zum Guten. -
Du brauchst Geist - der Geist braucht dich. Zum Zentrieren deinerselbst etwa.
Du bist nicht der Sinn des Lebens, sondern du hilfst dem Leben zum Sinn.
Dem Guten gibst du Körper, Stimme, Hände; Begeisterung setzt du
um in Comunio; du setzt in Arbeit, hilfst, daß auch andere ihr Talent
loswerden können; du machst schön; du gibst einen tröstenden,
befreienden Gedanken mit und er /sie kann sich besser leiden als vorher;
du hörst zu, das macht sie wichtig; du schmückst sein Haus, das
macht ihn gastfreundlich; du hilfst einem, seine Meinung zu sagen, das macht
die Wahrheit größer.
Du brauchst Geist - der Geist braucht dich. Willst du mehr Heiligen Geist?
Hier einige Schritte zu mehr Geist:
Wenn du seit langem wieder in St. Severin sitzt, und es flirrt in dir ein
Danken, dann spür, wie deine Seele hungert nach Religion, gib dir mehr
Zeit für Nachdenken und Mitfühlen in christlicher Gemeinde. Und
mach sie wieder fit, mach Kirche schön. Dank heute für die, die
schmückten und die so herrlich singen. -
Ein anderes: Wenn das Gespräch in der Runde so dahinplätschert
und auf einmal ein Thema euch anfliegt, das ans Herz streift, dann wisch
es nicht weg, schmecke die Wichtigkeit an deiner eigenen Unsicherheit. Hilf
zum ernsthaften Gespräch.
Und wahrnehmen: Du siehst den blühenden Baum und es stellt sich Staunen
bei dir ein, daß die Natur so verläßlich ist. Die Dinge
haben eine Botschaft bei sich. So bringt der blühende Baum dir verbrauchten
Glaubensmut zurück. - Aber du mußt wahrnehmen das innere
Gespräch bei dir, das Heiliger Geist dir souffliert: Ja, der Baum, wenn
der noch was vorhat - oder besser - wenn das Leben mit dem noch was vorhat
- dann bin ich, der dies merkt, auch wichtig. Geist spielt dir die Frage
ein: Was blüht denn dir noch? Was soll noch Frucht werden bei dir?
Du brauchst Geist - der Geist braucht dich, auf daß was bei dir
anfängt - ein Fragen, ein Staunen, ein Mühen, ein Befreunden, ein
Bescheiden? Deine Selbstsüchteleien, wenn du sie nicht abtun kannst,
aber los werden willst, der Heilige Geist macht sie schrumpfen - da sorg
dich nicht. Du brauchst nur anfangen, anderen mehr den Vortritt zu lassen,
sie zu grüßen, sie zu loben, keinen mehr einzuschüchtern.
Dazu eine Übung: Sich an der Kasse abdrängen, sich den Parkplatz
nehmen lassen - mit graziler Geste. Keinen mehr einschüchtern - ich
muß noch viel lernen.
Du brauchst Geist - der Geist braucht dich. Freudenmeister heißt er
im Gesangbuch - er kommt als das Vergnügen in dir, gerne du zu sein,
gerne du mit den dir Nächsten. Geist stimmt mittels deiner den ganzen
Umkreis froh: Herzlichkeit strömt, du rührst auch den an, der seine
Freude in sich verschließt und an ihr brütet. Geistbegabte Freude
strahlt Glücklichsein aus und entwaffnet, sie heilt Zerfallenheit; sie
verschönt mit auch den in ihrer Nähe, auch den Ruppigen, Ungeschickten.
Wenn du mehr Geist willst, dann tu was für dich: Gehorche Gott, dem
Christus, höre auf seine Stimme: Du Kind Gottes, Geschwister Jesu, du
kommst los von miesen Einflüsterungen und obskuren Hitlisten. Sieh dich
und den neben dir als gottvoll, als heilig an, in welch garstiger Maske er
auch sich darstellt. Hilf ihm zu seinem besseren Selbst; und du wirst
glücklich; müde und enttäuscht auch, Menschen sind sperrige
Wesen aus krummem Holz. - Aber du bist doch in Gottes Team, im Team dessen,
der uns will.
Du willst auch Kinder, wenn sie auch schwierig sind; Gott erst recht, will
uns Schwierige. Er hat sich viel Ärger und Verachtung eingehandelt mit
uns, seiner frechen Brut. Und er läßt es nicht, uns mit seinem
Heiligen Geist zu beatmen und zu befeuern. - So nimm deine Portion Heiligen
Geist heute - du weißt selbst, wofür du ihn am Nötigsten
brauchst. Vielleicht - daß du das Leben von Herzen liebst? Amen.