Predigt 22. Mai 2005
Keitumer Predigten Traugott Giesen 22.05.2005
Trinitatis
"Taufet in dem Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes".
( Matthäus 28,19)
Da zeigen Juden und Moslems auf Christen mit Fingern. Machen jedenfalls ein
dickes Fragezeichen, ob wir noch einer monotheistischen Religion anhängen.
Und tatsächlich: im Glaubensbekenntnis stehen sie ja gleichwertig
nebeneinander: Ich glaube an Gott, den Schöpfer und an Jesus Christus,
und ich glaube an den Heiligen Geist. Also drei Mächte, drei Personen
was noch verstörender ist für Juden und Moslems: Person,
das klingt doch gar zu sehr nach Mensch, Personenwagen sind für Menschen,
Güterwagen sind für Güter da.
Und doch wissen auch wir Christen sicher: wir glauben alle an einen Gott,
an den Einen. Der aber hat drei Seiten, drei Seinsweisen, drei Arten, als
Gott zu wirken, drei Rollen sind sein Hauptfach, auf uns wirkt Gott dreifach
ein. Wir Menschen haben ja auch viele Seiten, viele Rollen. Und doch ist
jeder der eine, selbe in den Rollen. Ist das so gemeint? Du bist Partner
und Vater oder Mutter und Sohn oder Tochter und geliebter Mensch und Kollege
und Mitbürger und Verkehrsteilnehmer und bist in dem allen Du.
So könnte man auch von Gottes drei wichtigen Rollen reden. Schöpfer,
Liebender, Durchgeister - Mit-Geist-Durchströmer. Und ist doch der eine
Selbe. Ist das gemeint? Jedenfalls das Dreieck mit dem offenen Auge, darin
ist ja ein berühmtes Bild für den unabbildbaren Gott. Der Eine
mit drei Seiten: Gott ist die Wirklichkeit, ist Liebe, ist Bewusstsein. Und
das offene Auge der Fürsorge, der Behütung sagt: Gott schläft
nicht, noch schlummert er.
Dreieinigkeit meint drei in einem, dreifaltig - dreifach ist das eine gefaltet.
Eine alltägliche Form von Dreieinigkeit ist die Kleinfamilie: Vater,
Mutter, Kind: Die Zwei, das Paar ist nicht komplett, das Paar bleibt eine
stumme Frage nach dem Dritten. Zu verschieden sind die beiden, kommen kaum
zur Deckung, dürfen sich nicht selbst genug sein. Sie können ihr
Einssein im Sprössling, in den Kindern finden, aber auf Erden gibt es
keine ganze Ganzheit auf Dauer. Und so ziehen die Kinder bald aus, und suchen
ihrerseits die Ergänzung, die dann wieder auf ein Drittes aus ist. Von
der irdischen Familie ist nur ein kurzer Schritt zur himmlischen "Holy Family".
Wir Protestanten halten Maria ja konsequent auf dem irdischen Teppich. Aber
Rom hat durch die Vergöttlichung Marias ja Gott zur Seite die
Himmelskönigin gestellt herrlich anzusehen im vorreformatorischen
Altarbild St-Severins: Maria, auch mit Krone, mit Gott auf Augenhöhe:
Jesus als Sohn. In Jesus aber ist Gott zur Erde gekommen. Daraus schließt
Rom: Maria ist zugleich Mutter Gottes, - na ja, nicht ganz aber ziemlich.
Jedenfalls wird in der Volksfrömmigkeit Maria dann noch über Gott
platziert. Für uns Protestanten eher befremdlich, aber unter Verwandten
muß man tolerant ein. In anderen Vorstellungen ist Gott immer mit
Göttin als himmlisches Paar gedacht und Jesus dann als Frucht davon.
In evangelischen Spezialkreisen wird statt Maria der Heilige Geist zur Geistin:
Gott und Geistin zeugen den Sohn der Liebe. Na, das ist jetzt arg ins irdische
Fleisch gezogen.-
Nehmen wir noch mal das Drei in eins, das Trinitatische, das Eine in drei
Rollen, näher ran. Gott, Christus, Heiliger Geist. Gott ist das
Schöpferische oder der Schöpfer; Christus ist die Liebe oder der
Retter, der Geist ist das Durchflutende, was dich, mich zum von Gott
Angesprochenen macht. Wie aber das vorstellen? Das, der einzig Anfaßbare
ist, war, ist Jesus, gestorben im Jahr 30 zu Jerusalem als Zeuge, Beglaubiger,
Täter, Zeiger Gottes. Der Schöpfer hat ihn dann an seine Seite
geholt, daß er ewig das Liebende in Gott darstelle. Christus ist für
mich die Ikone des Ewig Liebenden, zugleich auch Ikone des Menschen, der
ewig geliebt, vor Gott bleibt. Da muß nicht sofort die himmlische
Gesellschaft erscheinen: der auferstandene Christus in Menschengestalt, sitzend
zur Rechten Gottes, - damit ist genau die Orientalische Herrschaft nachgestaltet:
Gott thronend, zur Rechten der Hofmarschall Christus, zur Linken Gottes der
Heilige Vogel, der die Weisheit Gottes und sein in alle Lande sich Ausbreiten
kennzeichnet. Ersatzweise für den Heiligen Geist die Sophia, die Weisheit,
in Gestalt Marias.
Das ist doch alles nur ein Bild, das wir uns gerade nicht machen sollen.
Andererseits können wir von Gott nur in menschlichen Bildern reden.
Er sieht uns, hört uns, spricht mit uns, bereitet uns einen Tisch, schenkt
uns voll ein - dann muß er doch Hände haben, und so. Gott
schuf den Menschen ihm zum Bilde meint nicht, daß Gott so aussieht
wie wir, aber daß er sich wiederfinden will in uns, daß er
möglicherweise Selbstgespräche führt, wenn er mit uns redet,
daß wir ihn hören, wenn uns ein Hilferuf erreicht. Daß er
sich liebt, wenn er uns verwöhnt, daß er in uns seine Kinder ins
Leben ruft, "von ihm durch ihn zu ihm hin geschieht alles, was ist", sagt
Paulus (Römer 11,36).
Tasächlich: SOS - Save our Souls - der Hilferuf ist ein
Gebetsruf: Rette unsere Seelen Wir rufen Menschen und flehen
Gott um Hilfe an. Das Wirken des Menschen ist in das Wirken Gottes
eingetan (M. Buber). Und hilft einer: was sagen wir? Wir sagen doch:
Gott sei Dank. Und wenn lange keiner kommt, schreien wir: "Wie
kann Gott das zulassen, wie habe ich das verdient?" Darum ist ja alle Grausamkeit
nocheinmal himmelschreiend fürchterlich, weil : Was ihr getan
habt meinen Brüdern und Schwestern, das habt ihr mir getan.
Also: der Schöpfer entledigt sich eines Teiles seiner Macht, indem er
uns ermächtigt. Das Böse ist ja entwendete, mißbrauchte
Gottesmacht, dabei sollen wir den Garten bebauen und bewahren, einander vor
Herzeleid behüten. Der leuchtende Jesus funkelt uns das beste Menschsein,
es ist das der Söhne und Töchter Gottes, das wahre Menschsein lebt
Gott selbst. Und als Heiliger Geist betreibt Gott unseren Geist mit seinem
Atem, seinem heiligen Zusammengehörwillen, ausgefaltet wieder auf viele
Arten. Ich finde, wir erfahren Gott doch mindestens dreifaltig, dreifach.
Manchmal ist der Allmächtige und die Liebe und das Verstehen eins. Dann
sind wir im Glück und können singen: "der dich erhält, wie
es dir selber gefällt". Manchmal tritt aber uns Gott auch dunkel und
verborgen und fern entgegen. Dann sehen wir Gott in den Kräften der
Tsunamis, die Naturkräfte sind ohne Liebe und Denken, da sind wir einfach
an Schwerkraft, Fliehkraft, Feuer, Wasser ausgeliefert. Kräfte krachen
aufeinander. Auch der Mensch kann zur Sache nummeriert werden. Und bildet
dann die Wehrmacht oder den Arbeitskräftemarkt. Oder das Humankapital,
wir werden namenlos, gesichtslos. Dann müssen wir uns an Jesus halten,
der war zerschlagen und sieht doch seine Seele in die Liebe gefüllt,
müssen uns an den Heiligen Geist halten und wissen, er seufzt in uns,
sichert unser Ich.. Luther sagt: wir müssen zu dem Jesus hinfliehen,
der drückt uns an sich wie der Hirt die verlorenen Schafe und trägt
uns nach Hause, er hellt die uns herrisch scheinende Züge Gottes wieder
auf.
All die neurotischen Gottesbilder stampft Jesus ein: Der Grausame, der Rachegott,
der die kleinen Sünden sofort bestraft, der Willkürgott, der starre
Gesetzgeber. Wir werden von all diesen Angstmasken durch Jesus befreit. Jesus
findet auch das Bild des liebenden Gottes in dem Vergänglichen. Jesus
sagt: "Sehet die Blumen, sehet die Vögel." Und macht so uns das
Vergängliche zum Gleichnis für das Große. Und Heiliger Geist
verbürgt uns brüchigen Menschen noch Teilhabe an der großen
Zukunft .
Also ohne die drei Gestalten des Göttlichen Wirkens sähe mir der
Allmächtige blass aus. auch halten wir Freiheit für ein Urrecht,
weil wir an den Befreier von Angst glauben; wir lieben, weil wir uns angedockt
an die Liebe sehen. Wir trauen dem Geist zu, daß er Berge von Vorurteilen
und Müdigkeit versetzt, denn der Geist hilft unserer Schwachheit auf.
Du bleibst nicht erstarrt, Du siehst dich beschwingt durch heiligen Willen.
Das Wissen um den großen Gott macht dich groß, sonst wärest
du nur ein Biologiepartikel. Nur daß du Gott hörst, das macht
mich frei und stark, auch wenn die ganze übrige Gesellschaft gegen dich
wäre - dieses Wissen ist übrigens die Langzeitwirkung der Taufe.
Ohne Gott als den großen Hintergrund aller Dinge, wär alles vergeblich
und ich nur eine Fluse. Er hat mindestens drei Seiten das ist doch
wenig genug, wo wir ja schon viele Seiten haben, ganz nach Tagesform.