Predigt 17. April 2005
Keitumer Predigten Traugott Giesen 17.04.2005
Prediger 3,4: Weinen und Lachen hat seine Zeit.
Der heutige Sonntag heißt im Kirchenkalender: Jubilate. Ein Befehl:
Jubelt, jauchzt, feiert Gott und das Leben, Weinen und Lachen hat seine Zeit.
Aber heute: Freuet euch, mit einem alten Wort: Frohlocket, lacht dem Herrn
zu, unserem Gott.
Lachen kommt verschwindend selten in der Bibel vor. Dabei sagt auch die Bibel,
Menschen könne man einschätzen an der Kleidung, am Gang, und am
Lachen (Sirach 19,27). Einmal heißt es, lachte Sara - sie fand es komisch,
daß sie noch im fortgeschrittenen Alter schwanger werden sollte, und
das mit Abraham, "mit diesem meinem alten Herrn soll ich noch der Liebe pflegen?"
(1. Mose18) Sie lachte. Das fand wiederum Gott gar nicht komisch, sie wurde
streng getadelt. Ach, Gott war in dunklen Zeiten sehr ernst, sehr streng
gedacht. Das Lachen war erst für das Ewige Leben vorgesehen, wird dann
aber geradezu typisch sein: "Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen
wird, werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll
Lachens sein und unsere Zunge voll Rühmens"(Psalm 126). Aber schon für
hier sagte doch der Engel: "Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige
euch große Freude" (Lukas 2).
In kleiner Münze kommt die große Freude bei uns als Lachen an.
Ohne Freude gibt es Quatsch und Grinsen, Höhnen, Verhohnepiepeln, boshaftes
Lachen, Schadenfreude, den andern für dumm verkaufen. Witze machen
über Leidende, das ist die Unfähigkeit zu trauern.
Es gibt zum Glück auch den Witz als Aufbäumen gegen Diktatur und
die Mächtigen, Witz kann die Hersteller des Leides der Lächerlichkeit
ausliefern. Es gibt Worte als Henkersmahlzeit. Und Ironie als Waffe. Doch
wie ernst nimmt man sich, wenn man den andern mit Worten aufspießt,
ihn in Grund und Boden in Zweifel zieht (André Comte-Sponville,
"Ermutigung zum unzeitgemäßen Leben") ?
Lachen aus Freude, überhaupt: eine heitere, gelassene Grundhaltung -
die brauchen wir Menschen und steht besonders den Christen gut an. Nietzsche
sagte: "Die Christen müssten erlöster aussehen, wenn ich an ihren
Erlöser glauben soll." Auch in Lachen, in Humor haben wir noch zu lernen.
Richtig, daß Paulus drängt, ja befiehlt: "Freuet euch, und abermals
sage ich euch: freuet euch, zeigt eure Menschenfreundlichkeit, der Herr ist
nahe" (Phil 4,4). Freude, Freundlichkeit aus Gottesnähe - das ist doch
der Kern des Evangeliums. Warum können Engel fliegen? Sie nehmen sich
leicht. Sie wissen, es trägt sie einer.
Basis ist: Wir haben Auftrieb aus Gottes Lieben. Nicht wir müssen uns
empor arbeiten in der Gunst des Lebens, sondern wir sind in einem
Gutgefügten. "In Gott leben , weben und sind wir" sagt Paulus (Apg.
17,28). Da hat Schuld nicht Recht, und auch der Tod ist nicht Schluss, sondern
Tür zum ewigen Leben. Dieses "Dem Tod die Maske abreißen", kommt
in einem denkwürdigen Brauch in der Ostkirche zum Ausdruck: Die
Ostergemeinde lacht und lacht, weil der Tod leer ausgeht und sozusagen pleite
ist.
Auch wir dürfen uns leicht nehmen, denn wir fallen bei Gott ins Gewicht.
Er ist dauernd mit uns beschäftigt. Darum brauchen wir uns nicht so
viel mit uns zu beschäftigen. Wir sind in einem guten Zusammenhang.
Darum muss ich nicht dauernd über andere hervorragen, gelassen werden,
humorvoll mit mir und anderen umgehen, das hat was mit Demut zu tun, mit
Mut zum Dienen und das Zusammenleben fördern. Humor ist eine Art
Schmiermittel, das hilft, gut miteinander zu können und zur Not auch
gut aneinander vorbei zu kommen.
Ernst macht schwer, nimmt schwer. Humor macht leicht, nimmt sich leicht.
Ernst macht sich wichtig, Humor macht gleichwertig. Friede bricht an, wenn
eine verfahrene brenzlige Lage aufgelöst wird durch Humor. Wenn der
Prüfer vorgibt, er habe nicht aufgepasst und bittet um eine zweite Chance
zu verstehen. Oder beide Kontrahenten zanken, wer den guten Einfall hatte
und die Chefin sagt: Der beste Einfall ist, wir gehen erst mal einen trinken.
Humor - das lateinische Wort kommt von Humus = Feuchtigkeit -, der Humus
des Lebens ist genommen davon, daß Gott, der Lebensgrund, selbst Humor
hat.
Allein die Hunde, die nach viel Umgang mit Herrchen diese nachmachen. Oder
daß ihm die Katzen gelangen: die verstehen besser, was wir sagen, als
wir sie verstehen (J. Joyce), und der Tiger, auf den kann sich Gott verlassen,
auf die Menschheit nicht. Überhaupt: All die "Kollegen im Seienden"
- Cees Nooteboom sagt: "Wer zu viele Menschen sieht, muss sich ab und zu
unter Tiere begeben. Auch hinter Gitterstäben sind sie einfach sie selbst.
Ein paar Pfaue liegen wie gestrandete Zierschiffe auf einer Sandbank, ein
Watussi wartet mit seinen seitwärts gestreckten Hörnern auf Zeichen
aus dem All, niemand sagt etwas, sie verbringen die Zeit damit zu leben und
sich möglichst wenig zu verändern." Daß dem Herrn diese
Schönheiten gelangen, ist doch auch ein Zeichen für seinen Humor.
Und daß ihm Mozart gelang, dieser Traumtänzer in Noten oder Karol
Woytila, der Papst trug ja gelassen seine Leiden, gefragt: wie es ihm
gesundheitlich gehe, soll er öfter gesagt haben: Ich habe heute noch
keine Zeitung gelesen.
Oder allein, daß Gott ein Mensch wie Peter Falk gelang mit seinem Humor:
"Der Darsteller von Inspektor Columbo, der seit seinem dritten Lebensjahr
mit einem Glasauge auf das Leben blickt, sagt heiter: "Man kann auf Partys
gut damit Aufmerksamkeit erregen, wenn man mit einem Löffel dagegen
schlägt "- so eine glasklare positive Einstellung ist doch ein Gottesbeweis.
Und Kinder - seine Verstecke!
Und ein Zeichen für Gottes Humor ist auch unsere Verwicklung mit der
Liebe: Sie sagt: Auch wenn ich dir nicht trauen kann, ich vertraue dir...
Das beste Mittel um die Angst zu lindern, ist die Überzeugung, daß
Gott Sinn für Humor hat. (Gómez Dávila). Und uns damit
ansteckt, eben mit der Gnade, sich freuen zu können, auch wenn vieles
missrät. Der Hans im Glück, ihm läuft der Goldklumpen davon
und dann auch noch die Gans, aber er hat dieses Geschick , auch noch aus
Schaden einen Segen ziehen zu können. Er glaubt: "Denen die Gott lieben,
müssen alle Dinge zum Besten dienen" (Röm. 8). Humor schafft Luft,
Zeit, entspannt, gibt Raum.
"Ich danke Gott und freue mich, wie das Kind zur Weihnachtsgabe, daß
ich bin, bin! Und daß ich dich schön Menschenantlitz habe. Daß
ich die Sonne , Berg und Meer, und Laub und Gras kann sehen, und abends unterm
Sternenherr und lieben Monde gehen....Gott gebe mir nur jeden Tag soviel
ich (be)darf zum Leben. Er gibt's dem Sperling auf dem Dach, wie sollt er's
mir nicht geben?" Matthias Claudius singt mit Augenzwinkern dies Lied auf
das geschenkte Leben...
Humor ist ein Lichtblick gegen all die bösen Blicke. Zu den Tugenden,
die sich jeder wünscht, die jeder von sich zu haben behauptet bei
Heiratsanzeigen, zählt Humor.
Es ist die Fähigkeit, sich zurückzunehmen, weder aggressiv noch
depressiv zu reagieren, sondern humorvoll mit den Unzulänglichkeiten,
den eigenen und denen der Schöpfung fertig zu werden. Humor ist eine
Lockerung aus dem fest gekeilt sein in der Situation. Darum ist Humor der
Nachbar des Weinens. Humor wird oft aus der Not geboren. Und bietet eine
kleine Erlösung für den Augenblick (Eike Chr. Hirsch: Vorsicht
auf der Himmelsleiter).
Er ist eine Medizin vom Lebensbaum genommen. Keine Betäubung nur, sondern
Treibmittel zum Besseren.
Aber da muss man erst mal drauf kommen. Auch, daß Gott wohl Humor hat
- das zu denken, musste die Menschheit erst mal lernen. Denn ganz früher
dachte man, Gott strafe die kleinen Sünden sofort, die großen
später, aber auf jeden Fall. Ach ja, es gibt Geschichten von Gott -
da reagiert er aggressiv auf die Sünden der Menschen, siehe Turmbau
zu Babel, oder die Sintflut, oder die "ägyptischen Plagen". Dann ist
er wieder resigniert: Ach was, ich will keine Flut mehr kommen lassen, das
Trachten der Menschen ist eben böse. Doch Gott kann auch anders. Er
entwickelt Humor, oder sagen wir, die Menschen entdecken, dass liebevoll
und humorvoll zusammengehören:
Erinnert die Geschichte vom Jona, der im Walfisch war. Der hatte den Auftrag,
Ninive Buße zu predigen, wollte aber nicht, und floh. Ein Sturm kam
auf, Jona wird von den Übrigen geopfert, ein Wal schluckt ihn und spuckt
ihn an Land. Jetzt geht Jona nach Ninive und hält dort seine Strafpredigten,
ohne viel Umkehrwillen zu entzünden. Jetzt setzt er sich an den Stadtrand,
an einem Berghang, wo er gute Übersicht hatte, und wartet auf den Untergang
der Stadt. Und es war heiß.
"Da ließ Gott der Herr eine Staude wachsen; die wuchs über Jona,
daß sie Schatten gäbe seinem Haupt und ihm hülfe von seinem
Unmut. Und Jona freute sich sehr über die Staude. Aber am Morgen, als
die Morgenröte anbrach, ließ Gott einen Wurm kommen; der stach
die Staude, dass sie verdorrte. Als aber die Sonne aufgegangen war, ließ
Gott einen heißen Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den
Kopf, daß er matt wurde. Da wünschte er sich den Tod und sprach:
Ich möchte lieber tot sein als leben. Da sprach Gott zu Jona: Meinst
du, dass du mit Recht zürnst um der Staude willen? Und er sprach: Mit
Recht zürne ich bis an den Tod. Und der Herr sprach: Dich jammert die
Staude, um die du dich nicht gemüht hast, hast sie auch nicht aufgezogen,
die in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb, und mich sollte nicht
jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als
hundertundzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder
links ist, dazu auch viele Tiere?
Diese Nachsicht Gottes - wunderbar.
Und erst Jesus, das schönste Bild Gottes: Wir müssen uns Jesus
als einen glücklichen Menschen vorstellen. Er hatte die Schlüssel
des Himmels. Er brachte das Evangelium, daß Gott die Welt liebt und
heilt. Er sagte seinen Jüngern: Das Himmelreich ist mitten unter euch
im Anbruch" (Lukas 17,21). Er sah seine Mahlgemeinschaften, Freundschaft
überhaupt als Anfang von Himmel. Er saß gern mit andern Menschen
zusammen, isst und trinkt mit ihnen, lässt sich von Frauen verwöhnen,
verwöhnt seine Freunde - die Fußwaschung ist eine verborgene
Liebesgeschichte. Er ist verletzlich und hat Schmerzen, ist kein Fakir, der
die Leiden wegsteckt. Nur, weil sein Sterben so schmerzlich war, hat das
den ersten Christen die fröhlichen Seiten des Jesus ziemlich zugedeckt.
Aber er hat sicher viel gelacht, er hatte Humor, Herodes nennt er "den Fuchs"
, und mitten im Getümmel der Verhaftung, als ein Jünger dem Knecht
Malchus ein Ohr abschlägt, pflanzt es Jesus akkurat wieder an. Die strengen
Religiösen weist er humorig zurecht: "Mal könnt ihr mich nicht
leiden, erklärt mich für rigoros und fanatisch dann wieder schimpft
ihr mich "Fresser und Weinsäufer"- ja das ist ja wie mit den Kindern,
die rufen den andern zu: wir haben euch aufgespielt und ihr wolltet nicht
tanzen. Dann haben wir haben Klagelieder gesungen, aber Beerdigung spielen
wolltet ihr auch nicht. Ihr wollt nur mäkeln, ist es so" (Matthäus
11, 16-19) ? Und augenzwinkernd sagt er: Zersorgt euch nicht. Sehet
die Lilien, sie haben die schönsten Kleider. Sehet die Vögel -
sie säen nicht, ernten nicht, und ihr himmlischer Vater nährt sie
doch - was soll's..
Zu Gottes Langmut mit seinen Menschen gehört auch Humor. Humor befreit
und heilt. Humor ist barmherzig, schließt sich mit ein, entschärft
den Ernst und darum auch den Hass. Er wackelt an unsern Überzeugungen,
Die tragen wir ja vor uns her, als würden sie uns retten. Dabei sind
wir doch gerettet. Die Religionen, die das nicht wissen, laufen auf
Kreuzzüge gegen den Humor hinaus. (nach Cioran). Jedenfalls ist Humor
das Gegenteil von Fanatismus. Auch so manche Christen haben da noch
Nachholbedarf.
Zum Schluß noch dies:
Der Rabbi gab dem Bettler zwei, drei Groschen. Später stürzt die
Magd herein und baut sich vor dem Rabbi auf: Der Kerl, dem Sie liebevoll
was gegeben haben, der sitzt jetzt im Gasthaus bei Rebhuhn und Wein". Ach,
so was, sagt der Rabbi, hätte ich seine Ansprüche gewußt,
hätte ich ihm mehr gegeben"!
Und Einstein kommt zum Herrgott. Was wünscht du dir? Herr, sag mir deine
Weltformel. Gott zeiht einen Vorhang weg von der großen Tafel. Einstein
sieht die riesige Rechnung: "Da, Gottvater, sieh doch, ein Fehler!" Und Gott:
"Ich weiß."