Predigt Ostern 2005
Keitumer Predigten Traugott Giesen
27.03.2005
Ostern ist groß
"Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?" (Psalm
42) "Er reißt dich doch aus dem Rachen der Angst, er stellt deine
Füße auf weiten Raum, wo keine Bedrängnis mehr ist; und an
seinem Tische, voll von allem Guten wirst du Ruhe haben" (Hiob36, 16). "Ich
weiß, daß mein Erlöser lebt" (Hiob 19,25) und "zuletzt wird
er mich krönen mit Gnade und Barmherzigkeit" (Psalm 103). 1.Korinther
15,20-22: "Christus ist von den Toten auferstanden als Erstling derer, die
gestorben sind. Und wie mit dem ersten Menschen Adam der Tod gekommen ist,
kommt auch mit Christus, dem ersten Menschen der neuen Schöpfung die
Auferstehung von den Toten. Wie wir als Kinder Adams und Evas alle sterben,
so werden wir als Geschwister Christi alle teilnehmen an Gottes Sein."
Spätestens im Tod geht Gott über dir auf und seine Herrlichkeit
erscheint über dir ( Jesaja 60,2). Denn Gott ist nicht ein Gott des
Toten sondern des Lebendigen Er gebietet, und es steht da (Psalm
33,9). Er spricht: Es werde Licht! Und es ward Licht (1. Mose
1,3). Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte
ist vergangen, ein Neues ist im Werden(2. Korinther 5,17) Der
Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden für
Gottes vollendete Schöpfung (Psalm 118,22), für den siebten
Welttag, da Gott von allen seinen Werken, mit allen seinen Werken ruht und
feiert.( in Anlehnung an 1. Mose 2,3) ). "So werde ich nicht des Todes sterben,
sondern leben und Gottes Werke teilen" (Psalm 118,17). "Christus spricht:
Ich lebe und ihr sollt auch leben" (Johannes 14,19).
Es gibt ein Weltkulturerbe der Vereinten Nationen, eine Liste der Kultur-
und Naturwunder der Erde, die der allersorgfältigsten Pflege befohlen
sind. Da gibt es auch eine Rote Liste des bedrohten Erbes, z. B.gilt als
gefährdet der Kölner Dom - und zwar wegen der städtischen
Hochhaus-Baupolitik, welche die Sicht auf den Dom immer mehr einschränkt.
Ein abwegiger Einstieg für eine Osterpredigt?
Ich denke, auch Ostern müßte zum Weltkulturerbe gehören und
auf der roten Liste der bedrohten Schätze stehen. Baudenkmale und
Kuturlandschaften und Mammutbäume und Wasserfälle sind natürlich
leichter in Listen unterzubringen. Aber das Alphabet und die Mathematik,
die Symphonien, die Entdeckung der Elektrizität, der Computer, der
Buchdruck, Zuchtreis und Genkenntnis, müssten doch auch hochgeehrt bleiben.
Sie ermöglichen überhaupt uns ein menschliches Leben. Und wohl
am wichtigsten ist eine Liste der Gedankenbilder, was der Mensch denn sei.
Erhebendes ist gesagt worden: Vieles Gewaltige lebt, und nichts ist
gewaltiger als der Mensch (Sophokles) , Zu groß für
einen Gott, zu klein fürs Ungefähr- ach nur ein Schilfrohr,
aber ein denkendes (Pascal), krummes Holz, aber aufrechter
Gang (Kant).
Zwei Gedankenbilder haben sich uns eingeprägt, sie haben uns eingebildet
wahres Menschsein. Da ist das Bild von der Erschaffung Adams aus der Sixtinischen
Kapelle in Rom, es strahlt wunderbare Kraft aus: Gottvater - übrigens
mit Eva im Arm - berührt von Fingerkuppe zu Fingerkuppe den aus Erde
Gekneteten und erhebt ihn mit seinem Geist, daß sie fortan leben im
Konvoi (M.-L. Kaschnitz). Dieses Bild für die Gotteskindschaft
des Menschen, für die Gefährtenschaft Gott-Mensch ist
unüberbietbar.
Und das andere Inbild: Ostern. Ostern ist die erhellendste Klärung,
zu welchem Ziel das Leben reicht. Worauf wir hinauslaufen, wohin es mit uns
gehen soll. Ostern bedeutet: Der Tod ist verschlungen in Jesu Sieg. Jesus
hat den Tod durchbrochen wie eine Wand. Er hat den Tod als Wand des Lebens
abgerissen. Er hat Gott im Tod gefunden: "Bleiben im Haus Gottes immerdar"
war schon Israels Hoffnung (Psalm 23), aber Jesus ist als erster zu Gott
hingestorben; und hat sich gemeldet, als an Gottes Lebendigkeit teilnehmend.
Und verspricht, daß uns das gleiche Schicksal bestimmt ist. Gottes
Sein zu teilen, immer und immer. Der große Denker der Christenheit,
Paulus, hat das so gesagt: Wie wir als Kinder Adams und Evas alle sterben,
so werden wir als Geschwister Christi alle Teilnehmer bleiben an Gottes Sein.
Wir wissen nicht, wie das aussehen wird und wie wir fühlen werden,
wenn unser irdisches Material unserem Ich abgeschält ist, und unser
Leib, der Reisesack des Lebens hierbleibt und verfällt. Aber wir werden
im Glück sein, in Gottes Gegenwart. Wie das sein wird - lass es doch
genug sein, wir werden es sehen. Jedenfalls springt schon viel für hier
dabei raus; "weniger Angst und mehr Liebe aus ganzem Herzen, gutem Gewissen,
klarem Glauben" (1. Timotheus 1,5) Gehen wir ans Leben jetzt, das eben nicht
auf den Tod, auf Aus und Vorbei zuläuft, sondern auf Krönung und
Fülle und Fest. Das Hier ist schon Anlauf, Übung, Sonnenaufgang,
Ouvertüre - nicht Verzicht für ein Dermaleinst, sondern schon jetzt
Tun und Erfahren aus weitem Horizont. Da passt das Wort von Albert Einstein:
Phantasie ist wichtiger als Wissen. Denn Wissen ist
beschränkt.- Phantasie nicht auch? Ostern ist die Entschränkung
der Phantasie. Der Tod, die härteste Währung auf dem Markt der
Möglichkeiten, bekommt Flügel; der am Kreuz Gestorbene fährt
vom Kreuz auf mit Flügeln wie Adler - dann ist nirgends Schluß
und Ende und Aus und Vorbei. Sondern der Tod ist die Hebamme zum Ewigen Leben.
Jesus sagt es mal so: Wie Jona drei Tage im Bauch des Fisches war,
so wird der Menschensohn drei Tage im Bauch der Erde sein (Matthäus
12,40). Der Fisch spie Jona an Land, der Tod speit uns himmelwärts.
Also werden wir durch Mangel, Dunkelheit und Tod hindurch gezogen. Diese
undenkbare Hoffnung besorgt der Erstgeborene von den Toten. Ihm
nach steht uns jetzt ein Leben zu, das den Tod schon hinter sich hat.
Natürlich werden wir alle noch sterben, aber Tod ist Umsteiger, nicht
mehr Vernichter. Vor uns immer Heilwerden und Verbundensein, immer Wichtigbleiben
dem, der uns wichtig macht. Damit hat Leben ein neues Wesen. Der Kern aller
Ängste ist doch die Angst vor dem Tod als endgültiges Entwertetsein.
Aber dieser Stachel ist dem Tod genommen. Er ist nicht mehr der Herr der
Zeit. Dann ist doch ausgespien mit der Furcht vor dem Tod auch die Furcht
vor dem Leben.-
Also ran ans richtige Leben.Wie sähe das aus, Auferstehung bei Dir?
Jedenfalls unabhängiger werden von Launen; viel schlechtgelaunte Menschen
waren unterwegs gestern, als hätten sie einen Anspruch auf Sonne, auf
Vorfahrt, auf Öffnen einer zusätzlichen Kasse, genau, wenn sie
kommen. Mehr Einverstandensein mit dem Lauf der Dinge, mehr Fließen
als gegen den Strom. Möglichst nicht mehr belehren, lieber aus dem Weg
gehen, es ist soviel Unruhe in den Seelen, soviel Angst, nicht gut genug
zu sein; jedenfalls nicht mehr Anerkennung sich besorgen aus Zurechtweisen
anderer. Diese herrischen Gesten gegen Bedienende. Mehr Lächeln. Der
blinden Bettlerin eine Rose in die Hand legen. Welch ein Auferstehungbild.
Ein Kind räumt die Spielecke im Cafe auf. Gefragt, ob sie einer gelobt
hat, sagt sie nein, ich fand es selbst so schöner. Du musst
das Leben lieb gewinnen mit seinen Bedingungen. Dazu eine herrliche Einsicht:
jeden Morgen, wenn in Afrika die Sonne über der Steppe aufgeht, wacht
die Gazelle auf. Sie weiß, sie muß heute schneller laufen als
der schnellste Löwe, wenn sie nicht gefressen werden will. Jeden Morgen,
wenn in Afrika über der Steppe die Sonne aufgeht, wird auch der Löwe
wach. Er weiß, er muß heute schneller sein als die langsamste
Gazelle, wenn er nicht verhungern wll. Daraus folgt: Es ist eigentlich egal,
ob du ein Löwe oder eine Gazelle bist,. Wenn über der Steppe die
Sonne aufgeht, mußt du rennen (aus Märchenstunde für Manager).
Wir müssen es wunderbar finden, hier zu sein und uns mühen ums
Dasein. Haben wir doch für uns und das Lebendige und die Dinge der Welt
ein Herz. Statt weltfremd weltvertraut werden, Freundschaft schließen,
das Handwerk des Lebens lernen, dem Jesus nach - dem Meister des Lebens.
Lasst uns ihm manchmal sehr präzise das Vertrauen abgucken, manchmal
ihm bewusst Hand und Mund leihen. Wenn die Trägheit stark ist und doch
mein Wissen mich zu helfen drängt, dann will ich Christus mir soufflieren
hören. Von ihm mich beatmet und befeuert sehen, das Falsche nicht zu
tolerieren. Manchmal aber sind wir eben auch verschlafen, dann bleibt er
für uns wach und weckt uns wieder. Und wir machen es besser, wir werden
doch Weisheits-Beute sammeln ins ewige Leben.
Nochmal zum Weltkulturerbe: auch zum Erbe der Menschheit gehören diese
leuchtende Bilder für unser Innerstes: Du Mensch zum Bilde Gottes
geschaffen, und Ostern: Du gehst Gott nie verloren. Wir sind an den Gnadenstrom
dieser Bilder noch angeschlossen. Aber wie sagen wir es weiter? Spürt
man uns was ab von der Großzügigkeit Gottes, leben wir um einiges
wenige weniger trollhaft? Sehend, wie wir mit unsern Nächsten umgehen,
interessiert man sich für unseren Glauben oder eben auch nicht. Ostern
leben, das ists.