Predigt 27. Februar 2005
Keitumer Predigten Traugott Giesen 27.02.2005
Das Scherflein der Witwe
Markus 12, 37-44
"Und Jesus setzte sich im Tempel dem Kollektenkasten gegenüber und sah
zu, wie das Volk Geld einlegte. Und viele Reiche legten viel ein. Und es
kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; Und er rief seine Jünger
zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese Frau hat mehr
gegeben als sie alle. Sie haben alle von ihrem Überfluss was eingelegt;
diese aber hat ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte."
2. Korinther 6,10. Nichts besitzen und doch alles haben
1. Korinther 7,30 "Haben als hätte man nicht, kaufen als behielt man
nichts, die Welt gebrauchen als brauchten wir sie nicht."
Philipper 3,12 "Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen
sei; ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich
von Christus Jesus ergriffen bin. "
4,11-13 "Ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie's mir auch gerade
geht. Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut:
beides, satt sein und hungern, beides, Überfluss haben und Mangel leiden.
Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht."
Um diese Geschichte mache ich gern einen großen Boden. Schon über
Geld reden gilt als unfein, schon über Kollekte mehr als das Nötigste
zu sagen gilt als Drängelei. Und die Vorstellung: Jesus spannert
mit seinen Jüngern die Spenden aus - allein der Gedanke, Jesus wahre
nicht das Bankgeheimnis, sondern im Gegenteil stellt er noch die arme Frau
ins Schaufenster. Auch sagte ich früher bei "Brot für die Welt"
es muß uns nicht wehtun, aber wir sollen es merken, die letzten
Münzen sollten wir für die Parkuhr behalten, aber wenn dann mal
einer nur nen Euro dabei hat, soll er den dann nicht geben, weil der Pastor
kein Klappern will, dieser arrogante Kerl?
Ja, wenn es so wäre: die Reichen kriegen eins übergebraten, und
die arme Witwe wird in den Himmel gehoben, - aber so ist es ja auch nicht.
Viele Reiche legten viel ein - da kann man nicht meckern. Und die kleine
Person? Lobt Jesus sie? Er stellt fest: sie gibt für die Armen, soviel,
daß sie nichts mehr hat. Und wird sich jetzt auch einreihen in die
Schar der demütig Knieenden, mit vorgestreckter Hand, wartend, vertrauend,
Allah oder Shiva, oder der Herrgott wird schon was einlegen, wenn er sie
erhalten wolle, heute. Ja sie hat mehr gegeben als sie alle - aber wie ist
das zu bewerten? Ich hab mein Sach auf nichts gestellt, so geh ich
durch die Welt - könnte die Überschrift sein für die
Hippi-Generation, die von Land zu Land ziehen, am liebsten dann unter der
Sonne Kaliforniens oder Arizonas oder Gomeras bleiben. Und mit etwas
Landwirtschaft und Korbflechten und Silberschmiede sich kümmerlich
ernähren, Menschen im Jemen, wir sahen sie in bitterster Armut; was
es genug gab, waren in den Schlamm getretene unverrottbare Plastiktüten.
Und die Männer saßen und saßen und niemand hat für
sie einen Job. Nein, Jesus hat dieses reduzierte Leben nicht gutgeheißen.
Der Mensch erhebt sich ja aus dem Tierreich, indem er Homo Faber wird, Macher,
Anrichter, Hersteller, Verwandler, schon der erste Auftrag an den Menschen
heißt: Bebaue und bewahre den Garten.
Wir haben wohl alle schon dieses Wunder gesehen, wie aus Wüste ein Garten
wird, und täglich die gierigen Sandfinger wieder zurückgedrängt
werden müssen. Zur Kultur sind wir verpflichtet, die Schätze der
Sprache und Musik, die Bauwerke und sozialen Formen, eine Religion: die
hochintensive Energie braucht es, um Gesamtheit und Einzelseele zusammenzuhalten.
Die Fähigkeiten der Menschheit, die in einem Industrieprodukt namens
Handy zusammengebacken sind, die Computer mit ihren wirklich grenzenlos
auffüllbaren Speicherplätzen halten zur Hand überall auf der
Erde das Wissen der Menschheit. Jesus fordert nicht dazu auf, wieder in die
Steinzeit zurückzukehren. Wir sind zuständig im Rahmen unseres
Wissens, und müssen dieses Wissen anwenden und vermehren, müssen
die Lücken füllen. Tatsächlich soll alle 12 Jahre das Wissen
auf das Doppelte gewachsen sein. Die Frau am Tempel bei Jesus hat ihre
Fähigkeiten, ihr Werkzeug, Ihre Talente weggegeben.
Will sie jetzt Schluß machen? Wie in Benares, am Ganges in Indien,
die Menschen sitzen auf der Straße, eine Messingschale vor sich für
milde Gaben, habnen sie frieden gemacht und erwarten den Tod, sie begießen
sich mit
heiligem Wasser und gelassen schon gehen sie in ein fließendes Sterben
über.
Ohne Geld sein ist für mich nur mit Schrecken besetzt. Jesus macht Mut,
es zu erproben, es gibt auch Leben hinter der eigenen Ohnmacht. Bittest,
suchet, klopfet an" ist so ein Sesam, öffne dich, das uns
Jesus lehrt. Bezahle doch mit Gottes Gutem Namen: Vergelts Gott,
Gott vergelt es dir -, also eine Fürbitte, die Segen auf
das Haupt des Nächsten herabfleht, statt einem einen Fluch hinterherschickt.
Eigentlich kühl kalkuliert - ein gutes Investment: schlimmstenfalls
hat man nur einem geholfen, bestenfalls entwickeln sich die Dinge gut.
Mit meinem Nehmen und Geben mich in einem guten Ganzen sehen, ist wohl Jesu
Glaube, mit dem er uns anstecken will. Du nicht deines Glückes Schmied
in einer sonst feindlichen Umwelt. Du auch nicht Tropfen am Eimer der
Gesellschaft, nur kraftloses Opfer. Sondern Du, eine kleine Kraftstation
mit deinem Bedürfen und Können, inmitten eines Netzes von anderen
Wünschern und Bedürfern, und das in einer Welt, die selbst der
Organismus des großen
Energie- und Liebegebers ist.
Das ist Jesu Gotteskonzept: Gott lässt seine Sonne scheinen über
Böse und Gute und lässt regnen auf und für Gerechte und
Ungerechte, darum ihr, seine Kinde, liebet, auch eure Feinde
(Matthäus5,45). Gott setzt soviel Liebe in die Welt: allein die
Sonnenenergie speist doch die Menschheit, wärmt uns, und per besserer
Speichererfindung wird sie uns auch noch die Räder rollen lassen - für
unsere persönliche Liebesenergiebilanz noch wichtiger aber: was wir
schon an Fürsorge, an Schutz an Trost, an Freude, an Hilfe, an
Versorgtwerden empfangen haben. Wie viel Lieben Gottes ist in die Welt -
da ist dein Lieben, Sorgen, Arbeiten, dein dich Mühen um den anderen
mit eingeschlossen, Sein Lieben ergießt sich auch in deinen Flüsschen
der Fürsorge und des Arbeitens. Darum wirst du nicht verhungern, selbst
wenn du nichts mehr hättest. Er weiß viel tausend Weisen zu retten
aus der Not hier, - allerdings, wenn wir jetzt argwöhnen, und auf die
Hungernden dieser Welt zeigen, dann sehen wir den Hunger der Welt als direkte
Folge unseres Tuns. Unser Festhalten und Abschnüren der Märkte
lässt verhungern. Mit unserer Stärke nutzen wir die Schwäche
der anderen. So holen wir uns ihre Schätze, aber bestrafen uns mit Angst,
Angst, selbst über den Schnabel genommen zu werden. Will sagen:
Jesu Konzept ist: Es ist genug für alle da, weil ein großzügiger
Gott uns unser tägliches Brot heute gibt. wir haben
das erfahren in der Not, jeder ältere Mensch hat seine Rettungsgeschichten,
auch weil gnädige Nächste erschienen.
Wir können in die knapper werdenden Zeiten mit Zuversicht gehen. Eine
Reihe von Zeitgenossen sind Pioniere im Kleiner werden, bescheiden werden,
uneitel den Tag bestehen, Second Hand, Tauschbörsen, Zeitkonten. Der
Paulus sagt es knapp: Ich kann arm sein und kann reich sein, ich muß
nicht viel besitzen um doch viel zu haben. - Eine Mutter in den letzten
Kriegswochen mit ihren Kindern auf der Flucht: im überladenen Zug ging
auch der letzte Koffer verloren. Da sagt die Mutter zu den Kindern: Jetzt
haben wir nichts mehr zu verlieren, jetzt sind wir frei. Darüber
muß ich noch weiter lange nachdenken.