Predigt 17. November 2004
Keitumer Predigten Traugott Giesen 17.11.2004
Sünde, Heilung, Buße, Bessern
Psalm 51,12.14: Schaffe in mir, Gott, ein mit dir übereinstimmendes
Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist.14 Erfreue mich wieder
mit deiner Hilfe, und mit deinem heiligen Geist rüste mich aus. Und
Jesus spricht "Ihr sollt vollkommen- also ganz sein, wie euer mütterlicher
Vater im Himmel vollkommen, also ganz ist" (Matthäus 5,48).
Es gab Zeiten, da war der Kalender voller Buß- und Bettage. Zeiten,
die strotzten von Gewalt und Rache und Sühne und Gnade und Gericht.
Die Dramen Shakespeares handeln doch alle von Ehre und Blutschuld, von
Gottesgericht und Wahn aus Sündentaten. Die Pest wütete in den
Landen, Hunger, Flutkatastrophen man sah sie als Strafen Gottes, hielt
Bußprozessionen ab, marterte sich, um dem Himmlischen Genugtuung zu
verschaffen, aber die Reformation hat uns den aufrechten Gang gelehrt der
Söhne und Töchter Gottes. Die wissen von Jesus, wir sind Sünder
und begnadigt, es ist doch unser Tun umsonst, auch in dem besten
Leben Sünde, Schuld, Sühne, Strafe, Vergebung. Die großen
Worte beschreiben eine Schicht unserer Wirklichkeit. In der gedeihen oder
verkümmern unsere Wesenswurzeln. Unsere Wesenswurzeln gedeihen, wenn
wir mit Schuld zurechtkommen, Besser, wenn wir Gott damit beschäftigt
finden, uns neue Lebensmöglichkeiten einzuräumen mit, trotz und
nach unserem Schuldigwerden.
Das heißt, tu Gutes und starre nicht auf schuldlos bleiben. "`S Krieg,
`S Krieg - und ich begehr, nicht schuld daran zu sein", so beschrieb A. Gryphius
seine Leidenschaft: die Hände in Unschuld waschen zu dürfen, nicht
Anlass werden für Streit und Unfrieden, ein stilles Leben (1. Thessalonicher
4,11) zu führen, nicht zur Wut reizen. Schon viel wert, dies Leben der
Stillen im Lande - sie machen Gott nicht viel Mühe, mit
ihnen schafft der liebe Gott wohl auch die Stabilität der lebenserhaltenden
Ordnungen.
Aber Wichtiger als nichts Böses zu tun ist viel Gutes zu tun. Und wenn
dabei dir Sünde unterläuft, damit kommt Gott schon klar. Du, bitte,
sieh dich als gute Schöpfung. Sieh dein Leben als einen Lauf, so zu
werden, wie du werden sollst, durch Mühen, Versuchungen, Strafen,
Beglückungen hindurch. Bitte, sieh dein Jetzt als den wunderbaren Augenblick
in Gottes Symphonie, worin die Welt, wie sie bisher ist, durch das Nadelöhr
deiner Existenz gefädelt wird zur der Welt hin die das Ganze noch erst
werden soll. Wie im Orchester dein Tönchen den Ton des ganzen mitbildet,
so du jetzt. Mit der riesigen Herkunft im Augenblick des Jetzt fällt
durch dich die Entscheidung mit, was wird. Du, heute, jetzt vor dir Neuland.
Was machst du aus dem, was du hast und was du willst und was du träumst.
Was für eine Wirklichkeit gebierst du mit?
Es soll eine sein, die Gott lobt, eine Wirklichkeit, in der Liebe Hass aufsaugt
und Freude Verzweiflung lindert. Vor dir Chancenland, daß zuallererst
dein Lieben und dich Liebenlassen deine Verneine-Energien aufsaugt. Besorg
dir Freudenstrahlen, daß deine Verzweiflung schrumpft, vielleicht mal
wie Nebel zerflattert. Finde Gott damit beschäftigt, dir neue
Lebensmöglichkeiten einzuräumen mit, trotz und nach Schuldigwerden.
Also nicht denken, Gott, das Schicksal, das Leben habe sich gegen dich
verschworen. Auch nicht denken, du seist verfolgt von Krankheiten, oder die
Schuld anderer müßtest du büßen. Ja, einmal heißt
es, Gott werde die Missetaten der Väter rächen, bis ins dritte
und vierte Glied, in die dritte, vierte Generation, aber es heißt weiter
und auf daß Gott Gutes tue denen, die ihn lieben bis in die tausendste
Generation.
1 : 250 ist das Verhältnis von Schlechtem zu Gutem, von Leid zu Glück
- Gott ist ein Freudenmeister, ein Liebhaber des Lebens
(Weisheit11,28). Und immer soll Leid zur Heilung anleiten, Unglück zu
mehr Achtsamkeit, Irrtum zu mehr Weisheit. Ja, es gibt viel Leid und Schmerz
und Zerstörung. "Das Seufzen der Kreatur schreit nach der herrlichen
Freiheit der Kinder Gottes, aber noch leben wir nicht im Schauen, sondern
im Hoffen" (Römer 8) so Paulus. Er sieht sogar ein Verhängnis
verfügt über alle Menschen: Der Tod ist der Sünde
Sold (1. Korinther 15). Der Mensch erleidet nicht nur das Sterben wie
es in der übrigen Natur sich vollzieht, sondern der Mensch taucht ein
in die Tragik des Todes. Was unser Sterben zum Tod macht, ist ein riesiger
innerer Schrei, mit dem wir von diesem Leben abreißen: wohin ich? wohin
mit mir? wohin ich ohne Erde, in die ich so verkrallt war? Wer bin ich ohne
Habe, ohne meine Habseligkeiten, an denen mein Ich, meine Seligkeit Halt
hatte?
Sünde ist die Erfahrung, vom Ganzen abgerissen sein, wie eine Insel
vom Festland - darum der Sund, die tiefe Trennung - von Gott, darum fast
die Notwendigkeit, mich Mensch behaupten zu müssen, mich großmachen
müssen, mein eigener Glücksschmied sein müssen. Erst muß
der Tod mich bloß machen, das letzte Hemd hat keine Taschen, ich muß
hinfahren wie ein Schatten und hab nur eine Hoffnung: und ob mir gleich
Leib und Seele verschmachte, bist du doch Gott alle Zeit meines Herzens Trost
und mein Teil (Psalm 73) daß ich mich ganz auf Gott werfe. Das
Sterben schält uns doch ab von unserm Machen und Leisten. Würd
Gott mich nicht halten, wäre ich doch vor Tod gar aus.
Ich darf aber wissen, daß mir Gott meine Sünden vergibt und heilet
alle meine Gebrechen, daß er mein Leben vom Verderbnen erlöst
und mich krönen wird, mit Gnade und Barmherzigkeit (Psalm 103). Nicht
weil ich büße, nicht weil ich mich bessere, nicht weil ich wiedergut
mache, sondern weil Gott mich heil macht. Eigentlich geht es beim Thema
Sünde um Gottes Ganzheit. Gott kommt dahin, daß er mit aller Kreatur
ruhen wird von allen seinen Werken. Und es wird sehr gut sein! Warum Krieg
und große Schrecken in unserer Verblendung und Verbissenheit sein mussten
- das meine ich sei das Jüngste Gericht, daß wir sehen wie was
aus was geworden ist, und die Güte und das große Lieben der einen
aufwiegen und auflösen wird die Verirrung der andern.
Warum ist soviel Leid in der Welt? Im Johannes-Evangelium 9, 1-4 ist eins
erhellende Szene des Jesus mit seinen Jüngern festgehalten: Und Jesus
sah im Vorübergehen einen Menschen, der blind geboren war. Und seine
Jünger fragten ihn und sprachen: Meister, wer hat gesündigt, dieser
oder seine Eltern, daß er blind geboren ist? Das schien klar: wo Leid
ist, ist Sünde, wo Sünde ist Strafe. Jesus aber antwortete: Es
hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die
Werke Gottes offenbar werden an ihm. Wir müssen die Werke dessen wirken,
der mich gesandt hat, solange es Tag ist - und er heilt den Blinden. Also,
das Leid ist da um geheilt zu werden. Und wir sind dazu da, die Werke Gottes
zu tun.
Und die andere Geschichte ist auch voll Licht (Lukas 13,1-5): Einige waren
umgekommen in einer Metzelei der römischen Besatzung. Und die Jünger
fragten, warum gerade die, haben sie gesündigt? Jesus sagt: wie war
es denn beim Turm von Siloa, ale er einstürzte und achtzehn Menschen
kamen zu Tode? Sie waren doch nicht schuldiger als ihr? Wenn es danach ginge,
wie erklärt ihr euch dann, noch zu leben?
Noch zwei Zitate in diese Richtung. Gott straft nicht- er gibt uns dahin
an die Folgen unseres Tuns (Römer1) Ja, womit wir sündigen, werden
wir auch bestraft (Weisheit 11,16); wer lügt, verliert Vertrauen. Wer
stiehlt, muß einverstanden sein, bestohlen zu werden. Wer Kranke nicht
besucht, muß riesige Angst haben vor Krankenhaus; wer Altgewordene
nicht ehrt, kann sich aufs Altwerden nicht freuen. Also, das Sündigen
trägt seine Strafe schon in sich. Die daraufgesattelte Geld- oder Haftstrafe
ist nur zum Merken bestimmt, wer zuviel seine und anderleuts Gefühle
über ollt hat, muß mal aus dem Verkehr gezogen werden. Eigentlich
als Heilzeit, Bußzeit, in die Wüste gehen, fasten, verzichten,
auch um was zu haben, um zurückzuerstatten. Wiedergutmachen kann keiner,
aber es jetzt dem andern in seinem Schaden es gut machen, jetzt - damit
räume ich mir selbst wieder Achtung ein, tue mir mit gut.
Also tun wir Buße, im Wort steckt: tun, was bessert. So was wie Umkehr,
den besseren Weg, die Zeit ist knapp. Dieser Augenblick sei dir Rettungszeit;
Heilkraft werde dir bewusst, wie sie dir einschießt, weil bei dir was
ist, das nicht so bleiben kann. Was das ist? Ein Mensch sucht Arbeit, seine
Vorbildung ist makellos, aber wenn er sagt am Telefon, er sei blind, dann
ist auf den Punkt genau die Stelle vergeben. Das geht lange so, dann sagt
er es nicht mehr vorher. Sondern im Vorstellungsgespräch lässt
er es einfließen. Und siehe da, er fand bald eine Stelle, er sagte:
es ist schwierig, aber man kann den Anstand der Leute erobern. Es gibt auch
welche, von denen sagt Jesus: Wendet euch ab und schüttelt noch
den Staub von euren Füßen" (Matthäus 10,14). Aber man kann
den Anstand der Leute erobern, diese Verheißung sieht Jesus ähnlich.
Er setzt im Wesensgrund jedes Menschen ein Verwandtschaftswissen voraus,
das oft nicht obenauf liegt, sondern gedeckelt ist durch Fremdenangst und
Vorverurteilung und Trägheit. Aber du bist bekehrbar, du bist rufbar
in der Not, und was du von dir hältst, das trau auch andern zu, mach
ihr Wohlwollen locker, hol dir Hilfe, biete Hilfe, wenn du noch Kraft hast.
Wir haben keine Ausrede: "Salz der Erde, Licht der Welt zu sein ist uns bestimmt.
Ihr sollt vollkommen- also ganz sein, wie euer mütterlicher Vater im
Himmel vollkommen, also ganz ist (Matthäus 5,48)."