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Predigt 03. Oktober 2004

Keitumer Predigten Traugott Giesen 04.10.2004

Erntedank, das sympathische Fest, rückt uns zurecht

Lukas 12, 16-21

Schon allein für diesen Tag mag ich Kirche. Der Altar ist geschmückt mit Obst in vielen Sorten, Gemüse in vielen Farben, prallen Blumensträußen; für die Lebensmittel steht duftendes Brot und Wein, einladend auch zum späteren gemeinsamen Verzehr. Auf dem Altar liegt auch ein Handy, eins der vielen industriellen Produkte - ich las mal, im KaDeWe, Berlins Edelkaufhaus, gäbe es 350 000 Produkte zu kaufen,- und auch das sicher nur ein Prozent all der Waren und Sorten und Typen des Fabrizierten und Erzeugten. Auf der Rangliste der wichtigsten Sachen steht sicher das Handy obenauf und das Notebook, es erleichtert den Zugriff zum Wissen es verknüpft alle, die Information elektronisch mitteilen und/oder empfangen wollen. An den Altar gehörte auch ein Fernseher für viel Unterhaltsames. und Musik erklingt sowieso am Altar und Bücher gehören dazu, alles was Gabe, alles was Gabe und Aufgabe ist, sei heute im Geiste am Altar versammelt.

Daß wir noch mal nachdenken - dazu sind wir heute hier. Fragte einer: „Glauben Sie an Gott?“ Sagte er: „Ach, wissen Sie, mir geht es gut. Ich habe dem Mann viel zu verdanken.“ An den Altar müßten wir auch Menschen in ihrer Arbeitskleidung bitten: eine Krankenschwester, einen Polizisten und einen Lehrer, der hat zwar keine besondere Kleidung, aber diesem Berufsstand ist doch viel zu verdanken: sie müssen sich vor einer ganzen Klasse Gehör verschaffen; alle Achtung, wo wir Eltern es schon mit unserm Einen, unsern Zweien schwer haben. Und zum Altar stellen sollten wir auch mal einen unternehmenden Menschen, der in Arbeit bringt, der andern hilft, gebraucht zu werden. Und in den Badeorten könnte man noch einen Strandkorb an den Altar rücken als Zeichen, daß auch für Urlaubswetter und die Gäste zu danken ist und für die, die sich um die Gäste gerne mühen.

Und natürlich müsste ich mich selbst hinknien am Altar: Mein Hiersein ist doch Hierseindürfen - eine leibhaftige, geistvolle Person sein dürfen, ich-sein dürfen, ist doch viele Saluts gen Himmel wert. Auch meine geliebten Menschen versammelte ich gern am Altar - daß wir uns noch haben, noch uns ergänzen können, uns austauschen können, schon das ist ein Erntedankfest wert, daß wir uns verstehen und fühlen und bestärken können, uns trösten und begeistern können. Und viel Dank ist fällig für die Gabe, uns zu gesellen, Gemeinde zu bilden, Gemeinschaft, auch daß wir nicht jeder eine Insel sind nur mit eigener Eigenbrödlerfahne, sondern Staatsbürger sind in diesem wieder neu vereinten Deutschland und befreundet sind mit den Nachbarvökern, noch nie gab es das, seit Geschichte aufgeschrieben wird, Dank auch für die EU und die Vereinten Nationen.

Wir sind doch schwierig, wir Menschen - daß wir einigermaßen friedfertig mit einander auskommen und ohne Rempelei aneinander vorbei kommen, ist so was von Geschenk, ist ein ganz eigenes Erntedankfest wert, meine Bewahrung übers Jahr, und die Bewahrung andere vor mir als Autofahrer etwa. Und unser Verzicht auf Gewalt? Es ist viel Brutales bei uns - um so mehr Dank für alles Friedlicherwerden.

Danken – ich weiß gar nicht, ob Gott unseren Dank braucht. „Gott loben, das ist unser Amt“ - sagten die Frommen vor uns. Vielleicht freut sich Gott ja an unserer Freude, an unserm Vertieftsein ins Wirken, daß wir richtig ticken, daraus schöpft er sich schon Dank. Vielleicht freut er sich auch, daß sein liebstes Geschöpf ihm die Ehre gibt, freut sich wie unsereiner sich freut, wenn’s den Gästen schmeckt. Denn der "Mund des Gastes macht den Wein gut" – (so M. Walser). Daß Kinder, Gefährten merken, man hat sich bemüht, und daß es eben nicht selbstverständlich ist, daß man sich bückt und abschuftet, darum ist Dank willkommen. Auch draußen: wir erkennen an: das war freundlich von Ihnen, gute Arbeit! Dank können wir gar nicht genug bekommen, können auch gar nicht genug davon abgeben. Wenn wir zu recht uns schon für eine aufgehaltene Tür bedanken, dann ist doch wohl Dank an Gott überfällig, immer: Daß wir nicht das Leben verbrauchen, wie das Vieh mampft; sondern merken, staunen, bewundern das Lebendige, Wunderbare: von der Luft, die uns atmen lässt bis zum Gras für die Kuh, dieser herrlichen Milchquelle; Und Hunde und Pferde mit ihren unendlich sanften Augen. Erntedank rückt unsere Position zurecht. Wir sind nicht stumpfe Verbraucher, wir selber sind Begünstigte der Schöpfung. Leben ist nicht Fron, Mühsal, Strafe, Zumutung, sondern liebend leben wir und „betreten freudetrunken, Himmlische, dein Heiligtum“ (F. Schiller).

Vielen ist das Leben zur Qual geworden, geschunden an Leib und Seele, hat manch einer kein Erntedank. Und da ist es an uns, zu lindern und zu helfen; einige Familien sollen nicht verhungern, weil wir heute zusammenlegen. Es wäre nur wahnhaft von uns, wenn wir für die Leiden in der Welt Gott schuldig sprächen, aber die Ernte für uns alleine einstreichen. Erntedank rückt uns zurecht: Wir nicht Macher und self-made-men; jeder ist seines Glückes Schmied, doch nur im Rahmen der Umstände, der Begabungen, der Marktlage, der Chancen, der glücklichen Verbindungen. Darum verpflichtet Eigentum. Keiner hat sich selbst geschaffen. Und auch Fleiß ist Erziehung, Geschick ist Talent, Wir brauchen gute Rahmenbedingungen, günstige Winde fürs Lebensschiffchen. Bestenfalls nutzen wir die Möglichkeiten, wir haben sie nicht gemacht; Wir sind nur gut im Rahmen unserer Kräfte, die aber sind anvertrautes Gut, sind Gnade. Wir sind Mithelfer, Verwandler, Bearbeiter, wir versuchen und rühren zusammen, wir knobeln und berechnen. Wenn Menschen einen sparsameren Motor erfinden, dann haben wir nur die Natur besser begriffen. Den Rollator erfunden zu haben und damit so vielen das Gehen noch zu ermöglichen, ist nicht Verdienst. Da hat doch nur einer die Beute des mechanischen Wissens endlich handlich gemacht, wahrscheinlich erstmalig für die eigene Mutter, der man noch Freiheit besorgen wollte.

Dank heute also für alles Gelingen. Wieviel Heiligen Geist braucht es, daß nur ein Kuchen gelingt und noch friedlich geteilt wird. Es kann soviel schief laufen, wir können uns verweigern, können versagen, durch Hochmut alles kaputt machen, können unsere Begabungen verkommen lassen. Schaut ein Stück tiefer an das Wunder des Gelingens: die Hände in die Erde graben, Unkraut ausroden und neu pflanzen: Lust sich die Hände schmutzig zu machen, aus Lust am Gelingen, das ist auch Geschenk. Und sättigen können, behausen können, eine heilsame Ordnung erstellen, ein schönes Bild abgeben, die passenden Geschenke für die Enkel suchen, liebevoll für Mutters 90. Geburtstag den Tische decken - Voraussetzung für Gelingen ist die Freude am Werk, und diese Freude am Werk ist uns doch eingestiftet. In der Freude am Werk ist die Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott wohl etwas zu greifen.

Wir sind nicht Schöpfer. Wir können die Schätze der Natur nur schürfen, fördern, fangen, ernten, „bebauen und bewahren“, wie es in der Paradiesgeschichte heißt. Wir wissen, wie es funktioniert, aber nicht warum. Warum muß das Korn wachsen, unser Herz schlagen, das Universum sich entfalten, wir wissen es nicht. Und wenn wir es erkennen, dann werden wir noch mehr Grund zum Bewundern und danken haben.Wissen macht demütig. „Nur der erste Schluck aus dem Becher der Wissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott“ (M. Planck). Wir sind nicht Schöpfer - der nimmt aus dem Nichts: Er spricht und es steht da. Der macht, daß sich die Natur selber macht. Wir können immer nur verwandeln und betätigen. Auch das Zeugen ist nur ein Sich dem Sein Hinhalten, „und dann taucht Leben in Leben in blinder Lust, Gott aber schafft“ (T. Mann).

Elternschaft ist letztlich doch „Empfangen“ und Weitergeben, wir helfen einem Kind Gottes auf die Welt. So rückt Erntedank uns den Kopf zurecht, wir sind Beschenkte und in Pflicht Genommene. „Wem viel anvertraut ist, dem wird viel abverlangt“, sagt Jesus (Lukas 12,48). Sieh dich als begabt, dir sind Fähigkeiten anvertraut, Tüchtigkeit, auch Geschäftstüchtigkeit, ist Talent. Also bring deine Fähigkeiten unter die Leute. Wir sind zuständig gemacht fürs  Gedeihen im Rahmen der uns zugeteilten Kräfte. Und der heult mal am meisten über sich, der sein Anvertrautes vergeudet oder vergraben oder nur blind vermehrt hat. (Von einem, der nur mehr wollte, immer mehr, erzählt Jesus: “Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte und will sagen zu meiner Seele: liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.“ )

Spätestens an der Kante des Todes erweist sich, ob wir Lebenschancen vermehrt haben und Gott beistanden mit unserem Tun und Lassen, unserem Nehmen und Geben. Ob wir Gott dankten.

Gott danken, - aber wie? Lasst uns Ihm Freund sein, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren; Ehrfurcht empfinden vor seiner Schöpfung, schonsam mit ihr sein, Gott streicheln im anderen, mich auf ihn freuen. Dankbarsein macht uns zu besseren Menschen.


 




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