Predigt 26. September 2004
Keitumer Predigten Traugott Giesen 26.09.2004
Das Ende Johannes des Täufers
Matthäus 14,1-13
Manchmal ist Kirche ein Schutz vor der Welt, eine Höhle wie Weihnachten,
wie eine Engels- Musik, die von den Geräuschen des Tobens und der
Mühen abschirmt. Manchmal stülpt uns Kirche aber geradezu in die
Welt, ruft an die Arbeit, rüstet aus mit Graubrot für den Alltag.
Heute ist Entsetzen mit im
Raum, wir wollen hindurch und gestärkt dann an die neue Woche gehen.
Die Gräuel der öffentlich gemachten Köpfungen im Irak erschrecken
uns
zutiefst. Und eben der Film Der Untergang: Hitler wollte ein
ganzes Volk umbringen, weil es sich zu schwach erwiesen habe für
seine Pläne. Millionen
Menschen ließ er verbrennen, vergasen, vergiften, köpfen,
erschießen, verhungern und hatte willige Vollstrecker die Fülle.
Nah sind die sadistischen Züge in uns Menschen- der KZ-Kommandant, der
vom Balkon aus Zielübungen vornimmt, Stalins Archipel Gulag; das
Gefängnis Abu
Graigh in Bagdad. Die Qualen, die den Kindern angetan werden, der Jammesr
des fünfjährigen Pascal, das monströse Morden in der Schule
von Beslan.- das ist alle auch bei uns und die sinnabnagende Frage: Wie bringen
Menschen es über sich, andere mit Krieg zu überziehen?, sie zu
quälen, zu vernichten?, so todkrank im Fühlen zu sein, daß
aus deren Qualen ihnen Genuß aufsteigt.
Groß ist das Leid aus Naturkatastrophen. Groß das Leid aus Krankheit.
Aber abgründig, weil wir Menschen es betreiben, ist die zugefügte
Grausamkeit.
Geiselnahme, Geiselerschießung oder Folter gegen Geheimnisträger
oder zur Rache wie an Menschen des 20. Juli- es geht den Tätern um die
systematische
Verletzung aller menschlichen Gefühle. Auch wird Gewalt gesteigert,
um sich die drohende Niederlage noch verleugnen zu können. Mit Grausamkeit
beweisen
sich die Täter als der Normalität enthoben, beweisen sich als
Ausnahemewesen, spielen sich als allmächtig auf und überdecken
sich ihre eigene Leere.
Das Köpfen der Menschen im Irak wird von den Tätern als eine Kriegslist
angesehen. Aus der Sicht der Guerilla-Gruppen ist Geiselnahme und Köpfen
eine Fortsetzung des Krieges. Man sieht sich im Krieg gegen die für
Besatzer gehaltenen Amerikaner und die Westlichen überhaupt.- Die
Täter halten sich für besonders heimattreu. Aus ihrer Sicht haben
die Westlichen Truppen den Irak in Ohnmacht gestürzt, jetzt beweisen
die aufrechten Kämpfer, daß der
Irak auch Macht hat, dem Westen weh zu tun. Sie wähnen sich im Krieg,
wo für Menschlichkeit keine Zeit sei. Im Film DerUntergang,
wurde noch mal
gezeigt, wie hitlergläubige Deutsche, bevor sie sich die Kugel gaben,
ihre Kinder ermordeten. Wir kommen aus furchtbaren Zeiten. Stimmt das, daß
ein
Drittel aller Frauen in Deutschland schon körperliche Gewalt von
Männern erlitten haben? Allerdings 20 Jährige Männer werden
öfter Opfer von Gewalt
als gleichaltrige Frauen.
Zurück zum Köpfen- die Todesart, die mit einem Schlag die
Macht darlegt. Die Todesart die Macht zur Schau stellt: David dem Goliath,
Judith dem
Holofernes, Herodes dem Täufer: Hört die Geschichte aus Matthäus
14 1-13 Zu der Zeit kam die Kunde von Jesus vor den Landesfürsten Herodes.
Gerade hatte Herodes den Johannes ergriffen, gefesselt und in das Gefängnis
geworfen wegen der Herodias, der Frau seines Bruders Philippus.
Denn Johannes hatte zu ihm gesagt: Es ist nicht recht, dass du sie hast.
Und er hätte ihn gern getötet, fürchtete sich aber vor dem
Volk; denn sie
hielten ihn für einen Propheten. Als aber Herodes seinen Geburtstag
beging, da tanzte die Tochter der Herodias vor ihnen. Das gefiel dem Herodes
gut.
Darum versprach er ihr mit einem Eid, er wolle ihr geben, was sie fordern
würde.
Und sie beriet sich mit ihrer Mutter und die stiftete sie an und sie sprach:
Gib mir hier auf einer Schale das Haupt Johannes des Täufers!
Und der König wurde traurig; doch wegen des Eides und derer, die mit
ihm zu Tisch saßen, befahl er, es ihr zu geben,
und schickte hin und ließ Johannes im Gefängnis enthaupten. Und
sein Haupt wurde hereingetragen auf einer Schale und dem Mädchen
gegeben; und sie brachte es ihrer Mutter. Da kamen seine Jünger und
nahmen seinen Leichnam und begruben ihn; und sie kamen und sagten es Jesus.
Als Jesus das hörte, wandte er sich um und fuhr mit einem Boot weg,
allein.
Dass Mächtige in Versuchung sind, mit Gewalt sich zu nehmen, was sie
wollen, ist bekannt, wir wissen das schon von den Königen des
Schulhofes (Stan
Nadolny) Darum sind Arme potenziell die besseren Menschen- Selig sind die
Armen- sagt Jesus (Lukas 6,3), weil sie nicht zwingen können sondern
sie müssen bitten- oder wenn sie wenigstens etwas anzubieten haben-
verhandeln. Mächtige meinen, sie hätten zu dem, was sie anzubieten
haben noch Anspruch aufs Recht und auf Erfolg Und aufs Haben
von WunschMann oder WunschFrau? König Herodes ist nur ein Beispiel,
für die Gefahr von Macht und Ehrgeiz: zu meinen für ihn gelten
die Gebote nicht- er könne seine Schwägerin ruhig sich zulegen.
Aber das Land hatte einen Propheten und Mahner, der seines Amtes waltete.
Der ging aufrecht mit ihm um, ließ kein Erbarmen auf ihn strahlen,
er trieb
die ganze Grausamkeit aus ihm hervor, sein Nach- unten-treten, sein Fertigmachen
die, die ihm im Weg sind. Johannes zwang ihn in seine fürchterliche
Wahrheit von sich selbst. Es ist am Hofe ein Gelage im Gange für die
Clique- Cliquen wollen gepflegt sein. Macht leitet sich am frühesten
ja her von der Verteilungsmeute; wer oben steht ist hart, ist gerissen,
er ist was die Regeln betrifft, nach denen die Welt funktioniert, der
schlaueste (P.Roth). Aber das Gefolge will von der Beute der Macht
was abhaben. Man hat sich hochgearbeitet, hat erfolgreich um die Beachtung
des Höchsten gerauft - und bedenkenlos seine Wertmaßstäbe
geteilt, So wurde er immer selbstgerechter und arroganter, gemästet
vom Beifall seiner Mitesser. Nur der Prophet stand außerhalb der Hierachie,
er steht nicht auf der Gehaltsliste des Königs. Er bezieht seine Befehle
von anderwärts, ist darum so gefährlich für den Herrscher,
und darum so gefährdet. Auch Herodes macht es mit seinen Leuten wie
die Mafia: Man gibt jemanden etwas, über das er nicht sprechen
kann, und dann hat man ihn. Man verwickelt ihn in eine
gemeinsame Übertretung und macht ihn so zu einem Komplizen (P.
Roth).
Wir alle haben Macht bei den Eltern kennen gelernt, Macht ist Ausweg aus
der Hilflosigkeit, Macht haben rettet aus der Unzulänglichkeit. Kritik
erinnert aber, daß wir fehlbar sind. Wer der Droge Macht verfallen
ist, lässt Kritik kaum an sich ran. Wer nicht zu ängsten und nicht
zu kaufen ist- wer sich durch Drohung und Verlockung nicht Kritik abkaufen
lässt- der wird von der Macht gefürchtet. Und aus dem Weg
geräumt. Und damit wird die Macht noch fürchterlicher in sich selbst
verkrümmt, bis der Wahn sie einholt.
König Herodes hat dem Vizekönig Philippus die Frau ausgespannt-
ein absurdes Bild von Pferden genommen.. Johannes prangert das Ehebrechen
, das
Herausbrechen aus der Ehe an, der König will ihn töten lassen,
weil ihn die Kränkung rasend macht, doch das Volk schützt den
Propheten. So wirft er ihn nur ins Gefängnis. Die Öffentlichkeit
weist die Königswillkür in die Schranken. Übersetzt: Eine
freie Presse ist der einzige Zügel, den die Macht fürchtet.
Leserbriefe, Demonstrationen, Aufrufe, eine Gott gehorsame Kirche- sie
können Unrecht in Schranken halten. Wir müssen aufmerken, Unrecht
etwa an Kindern- veröffentlichen. Wenn nicht zur Polizei, dann
wenigstens zum Arzt gehen, zum Pastor, Bescheid sagen. Wir alle sind schuld
mit am Leid in der Welt im Rahmen unseres Wissens, unseres Wissenkönnens.
Herodes scheint noch einen Zipfel Selbstbeherrschung zu haben, will auf Mord
noch (?)verzichten, wegen des Volkes.
Aber Herodias- eben zur Königin gekrönt, sieht ihren Mann schwanken,
sieht ihr Glück verloren gehen- so viel gekämpft hatte sie für
ein neues Leben,
auch wenn es mit viel Unrecht erkauft ist, aber was mischt sich da der Pfaffe
ein, was zieht er das Volk mit rein. Es blitzt in ihr auf: Der König
muß zeigen, wer hier das Sagen hat, sonst sägen noch ganz andere
an seinem, ihrem Stuhl. Und sie ist reif für eine tödliche List,
wenn es sich trifft. Der König beim Gelage- die Mutter hat die mit in
die Ehe gebrachte Tochter Salome überredet- ein Schleiertanz als
Geburtstags-Geschenk an den großen König, seinen Getreuen einzuheizen
mit einem Table-dance der Königstochter. Und der liebe Stiefvater wird
selbst entzückt, er treibt die Tanzende mit Versprechen immer furioser
an, die Mutter erfasst die Chance: Fordere des Täufers Kopf!
Und der König, nach viel Wein, hingerissen vom verführerischen
Tanz, ist schlagartig herausgefordert zu einer großen Aktion. Er
schwört, zu geben, was das schöne Kind verlangt. Jetzt muß
der König zu seinem Schwur stehen. Im lichterlohen Augenblick ist der
Eid getan und der war höher zu werten als ein Mord. So rauschte das
Gift eines ungeheuren Gehorsams auch in den Adern der Millionen Hitlergehorsamen.
Den Eid zu brechen schien das Heilige mehr zu schänden als ein Morden.
Das Mädchen fordert den Tod des Täufers in Gehorsam zu seiner Mutter-
und beschafft der Mutter mit dem Haupt des Johannes die Befreiung von den
Vorwürfen (nach E. Drewermann). Müßig, über die Schuld
des jungen Dings zu spekulieren, sie ist als wollüstiges
Kind willige Mörderin und darin
Marionette (nach E.Drewermann). Und die nicht genannten Soldaten- Werkzeuge,
ihr Handwerk und Lebensunterhalt ist Morden auf Befehl von oben.
*
Das ist eine wüste Collage über das Böse in der Welt: ein
König hält sich nicht ans Gesetz, eine Frau geht für ihre
Liebe über Leichen, Es erwächst Hass auf den, der zur Rede stellt;
da wird ein Eid geschworen aus Wollust; da wird eine Gelegenheit genutzt,
den Mahner zu beseitigen, da wird getötet weil es befohlen wird. Am
Ende kommen die Leichengräber. Ein Lichtblick hat diese Geschichte im
letzten Satz: Sie brachten das Geschehene vor Jesus, aber als er das
hörte
wandte er sich ab und fuhr weg, allein.
Ist das Jesu Rat, wie man mit Gräueln umgeht: sich umdrehen und weggehen-
wie auch bei Sodom- nicht zurückschauen! Einmal weicht auch Jesus den
Häschern des Königs aus, spricht von Herodes, dem Fuchs
(Lukas13,32); Jesus sagt zu seinen Jüngern : Ich sende euch wie
Schafe mitten unter die Wölfe, aber seid klug wie die Schlangen und
ohne Falsch. Einmal sagt er: Streitet nicht um Recht und Unrecht,
Wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht (Lukas
6,29).
Sich selbst lässt Jesus nicht verteidigen: Der hitzköpfige Petrus
schlägt dem Sodaten Malchus ein Ohr ab- Jesus setzt es wieder an- eine
herrliche Geschichte und sagt dunkel klar: Wer das Schwert nimmt, wird
durch das Schwert umkommen (Matthäus 26,52). Jesus dreht sich
von den Greuel ab- dann geht er an die Arbeit, speist , heilt, schickt uns
als Barmherzige Samariter.
Der Staffelstab, es mit dem Bösen aufzunehmen, geht vom Täufer
an ihn. an Jesus; auch er ist Zeuge für die Wahrheit, aber sie ist
größer, nicht nur:
Du sollst nicht!, Du sollst nicht! Nicht nur Entblößung der Schuldigen
und Verdammnis. Sondern: Vor uns Erlösung von dem Bösen
durch Verstehen, Mitleid, Reifung, Geduld, Geleit, Miteinanderreden. Es sind
Enttäuschte, die nur an Geld und Macht glauben. Sie wieder hinleiten
in die Wahrheit der großen Sehnsucht nach Liebe und Friedenschaffen,
das ist Jesu Werk. Anders als Johannes mit Herodes hat Jesus mit Pilatus
geredet - Jesus wurde auch ermordet- Aber unter seinem Kreuz sammelte sich
die Erstlinge seiner Gemeinde. Die will lernen, mit weniger Angst und darum
gewaltloser zu leben auch Macht zu teilen, Verfügungsmacht zu
übertragen, auch sich von Geldmacht losmachen Und der Staffelstab des
Johannes, des Jesus ist jetzt bei uns.