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Predigt 12. September 2004

Keitumer Predigten Traugott Giesen 12.09.2004

Wovon leben - Die Speisung der Fünftausend

Johannes 6,1-15, 35 "Ich bin das Brot des Lebens, wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, den wird nimmer mehr dürsten." Anschaulich gemacht in folgender Geschichte:

"Jesus zog durchs Land und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Und Jesus sieht das viele Volk an, das ihm lange zugehört hat und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit sie zu essen haben? Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was zu tun war. Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder ein wenig bekomme. Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele? Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Mann. Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten. Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt.
Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren. Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll. Als Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein."

"Woraus gelebt?" - das fragt man, wenn man an seine verstorbenen Eltern, Großeltern denkt, die Fotos von damals in der Hand oder ein Teil ihres Hausrates, oder ein Schmuckstück oder ein Werkstück, den eigenhändig geschmiedeten Leuchter vielleicht, oder die Stickarbeit meiner Mutter an ihren damaligen Verlobten: "teneo quia teneor" - das war sicher eine Auftragsarbeit meines Vaters: in Latein, wohl Luther abgeguckt: "Ich halte, weil ich gehalten werde." Wovon, woraus gelebt? Das fragen wir, wenn wir ihnen nach denken.

Ihr Machen und Tun hat ihnen Halt gegeben, daß ihnen Brauchbares gelang, sie mit ihrer Hände und Gedanken Arbeit sich und Anvertraute ernähren konnten, Kinder großkriegten. Sieht man die alten Bilder zeigen sich stattliche Personen - sie lebten ein Einverständnis mit ihrem Dasein, scheint es; aber woraus genommen?

Lange hatten wir zuhause einen Suppenteller, war die Suppe ausgelöffelt zeigte sich ein Mann mit Pickelhaube - Bismarck oder Hindenburg, sie schöpften wohl auch Kraft aus Volksverbundenheit. Heute zählen mehr die Symbole individuellen Gelingens, - Leben aus Erfolg und oder (?) sozialem Beifall, also aus dem Vergleich? Oder man hört Frau, Mann unter der Dusche singen - leben aus kreatürlicher Labsal? Aus körper-geistlicher Zufriedenheit? Aber die muß doch tieferen Grund haben als Duschgel.

"Ich bin das Brot des Lebens dir" sagt Christus: Und das meint: Glaub mir Gott als Vater. Also lebe aus einem väterlich-mütterlichen Urvertrauen, einem Grundwissen, ewig Anteil zu haben an unendlichem Leben. Das lotet den Sinn tief aus, knüpft ihn an die lebenswichtige Kindheits-Erfahrung: An Mutters Hand ist alles gut; wird, bleibt, wird, bleibt alles gut - dieses Kindergrundwissen, ins Große übertragen, lebte Jesus, und speist uns seine Geschichten ein. Eine gleich, aber "ewig Anteil an unendlichem Leben" - das ist der Heiligenschein, die Widmung über alle Dinge, noch das Grausige wird verwandelt, entwickelt, einverleibt in das heilwerdende Ganze. Das Sein ist Gottes mütterliches Werk. Und wir seine Kinder. Wir gestalten mit, ziemlich viel in gute Richtung, aber wir sind auch wie der Zauberlehrling, der die Kräfte nach seinem Willen schweben lässt und Zerstörung anrichtet. Uns zu bändigen durch Gesetz und Ordnung ist nötig, aber ist es nötig, uns das Gute abzuzwingen durch Angst vor Gefängnis? Etwa hinreichend ehrlich Steuern zu zahlen, oder nicht rasen? Etwas Angst, erwischt zu werden, hilft unserer Schwachheit auf. Aber gewaltfrei sich verständigen ist nötig, weil Gewalt schnell aus dem Ruder läuft. In Gottes Leben eingefügt, haben wir Lust am Guten; sind uns einfach zu schade für besondere Schlechtigkeit. Das Sein als Gottes mütterliches Werk mittun, mittragen, genießen - davon leben, dies leben - das ist Jesus Graubrotglaube, zum Mitmachen gut.

Wie wir den Graubrotglauben Jesu mitgeteilt bekommen? Die Speisung der Fünftausend kann das zeigen. Eine Speisung der vielen Mäuler mit wenig durch Jesu gesegnetes Brot hat sicher mal stattgefunden, aber der Jesus von damals lebt heute, der damals sättigte, sättigt heute mit Lebensbrot, mit seinem Graubrotglauben: Das Sein ist Gottes mütterliches Werk; daraus entspringt wunderbare Sinn- und Sympathievermehrung. In den andern Evangelien ist die Speisung der Fünftausend ein historisches Ereignis. Für Johannes geschieht die Speisung immer - jetzt ist Christus unter uns und mit ihm die offenen Türen des Reiches Gottes: Jetzt werden wir genährt mit Gottesgewissheit; jetzt, jetzt Auferstehung zum Tag, zum Licht, zum Leben- „der ihm nach glaubt, der hat das Gericht hinter sich, der ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen“( Johannes 5,24).

Warum der Graubrotglaube Jesus so wichtig ist? Er ist Heilstoff gegen unseren Unglauben. Der liegt offen: Wir wollen Sicherheit; die Dreißigjährigen fangen schon jetzt zu sparen an, weil sie mit 65 ihre Rente werden versteuern müssen; Sie geizen, den Schöpfungsauftrag zu erfüllen und die nächste Generation zu erden. Sie wollen ihrem Kind früh Erfolg sichern, die sollen mit vier Jahren Englisch lernen und mit acht ein feines Golf anstreben. Die süßen Kleinen, meist Einzelkinder, werden häufig zu Prinzen und Prinzessinen gestylt - was das für eine Mühe kostet im Kindergarten, in der ersten Klasse die Gleichwertigkeit des fremden Kindes anzuerkennen und mit Sympathie statt mit Angst auf es zuzugehen. Und die Schnäppchengier der Sechzigjährigen und mit 87 noch einen Herzschrittmacher - hier eben passiert. Das Leben auspressen zu meinen Gunsten, über Krankheit und Leid mich empören, als habe das Leben eine Veranstaltung mit mir in der Vip-Lounge zu sein und Gott habe zielgerichtet auf mein größtmögliches Wohlbefinden hin den Lauf der Dinge zu ordnen.-

Keiner ist von dieser Anmaßung ganz frei. Wir brauchen Jesu Graubrot glauben: Das Leben ist Gottes Eigentum, wir sind sein eigen, alles ist Geschenk, alle Habe Leihgabe, alle Zeit Liebeszeit. Was nicht der Liebe dient, verstopft nur, zerfasert, zerfleddert das Ich und bringt in die Psychiatrie. Man braucht eine ziemliche Portion Frömmigkeit, um nicht verrückt zu werden.

Lassen wir uns Jesu wunderbare Vertrauens- und Sympathievermehrung antun. Seht das Bild: Das Volk hat Hunger. Jesus nimmt, was da ist, dankt, also widmet es dem, der Herr der Gaben ist, und teilt aus, teilt aus, teilt aus. Brot als Bild für Lebensmittel, Jesus als Lebensbrot. Erstmal vermehrt Christus heute auch noch Brot, es wächst ein Mehrfaches an Körnern pro Halm, es gelingt eine wunderbare Brotvermehrung mittels Wissenschaft, das ist ein schönes Zusammenspiel der Menschen mit Gott, genommen aus mehr Fürsorge, diese wieder wachsend aus der wunderbaren Vertrauens- und Sympathievermehrung, die Jesus Christus in Gang hält. Nochmal die Bildgeschichte: Jesus sieht den Hunger der Menschen. Wo gibt’s was zu kaufen. Sein Jünger Philippus: Lohnt nicht, herauszufinden, wo. Wir brauchten doch mindestens 200 Silbergroschen, daß jeder nur etwas bekomme. Spricht der Jünger Andreas zu Jesus: Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele? Jesus lässt sich von dem Jungen das Essen geben. Und verteilt, verteilt. Das Wunder geschieht im Austeilen. Das Austeilen ist das Wunder (Eugen Drewermann).

“Wenn jeder nimmt, was er braucht und gibt, was er hat, dann werden alle satt.“ Jetzt mal nicht sofort aufs Portemonnaie gezielt,  sondern auf Vertrauen und Sympathie. Unermesslich ist der Bedarf an Vertrauen, aber wenn ich die Geldscheine erst prüfen wollten, im Notfall die Fähigkeit der Ärzte und Schwestern erst qualifizieren wollte, wenn ich die Speisen im Lokal erst durch einen Vorkoster prüfen ließe, wenn ich wegen eines herrenlosen Koffers auf dem Bahnhof Alarm auslöste, - wir machten uns doch alle die Hölle heiß, machten verrückt vor Angst. Auch Großeltern ihre Kinder? Wo sind die Jünger Jesu, die das Vertrauen heute säen, und des Vertrauens würdige Politik betreiben und den mit Hinweis in der Personalakte doch einstellen?

Auch ist ein riesiger Bedarf an Sympathie, einfach an Mögen, einfach schlichte Menschenfreundlichkeit, die nicht erst erworben, verdient, eingekauft werden muß. Es lauert viel Feindseligkeit aus dem Gefühl heraus, nicht gemocht zu werden und sich wehren zu müssen. Du aber teil Mögen, Zuneigung, Verstehen aus. Wenn du genug davon hast; Menschenfreundlichkeit ist auch eine Gabe, vergrab sie nicht, säe sie aus. Vielleicht meinst du, Liebe entzöge dir deine wenige Wärme, dann bleib karg – du musst nicht mehr geben als du hast. Aber das Kind gibt dem Jesus und der verteilt ohne Ende.

Als aber welche kamen, die wollten mit Jesus eine Firma gründen, mit ihm, dem begnadeten Geber, - da floh er auf den Berg und blieb da allein. Er ist der große Vertrauende, er traut uns zu, einander Hilfe zu sein, nicht jeder, jederzeit - aber bitte, suche, klopfe an! Und die nach Gerechtigkeit dürsten sollen satt werden, die Barmherzigen werden Barmherzigkeit erlangen, die nach Freiheit hungern, werden frei - setz auf diese wunderbare Brotvermehrung und tu sie, trau dir mehr zu. Jesu Wort: ich bin das Brot des Lebens, wer zu mir kommt, den wird nicht mehr hungern, verstehe ich so: Mit Jesu Augen die Welt sehen, dann sehe ich die Welt vertrauensvoll und vertrauensbedürftig, liebenswert und liebebedürftig. Und wir werden nicht mehr hungern an Vertrauen und Liebe, wir werden satt werden und sättigen bis ins ewige Leben.


 




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