Predigt 1. August 2004
Keitumer Predigten Traugott Giesen 01.08.2004
Hiob 1 und Psalm 73, 21-28
"Als es mir wehe tat im Herzen und mich stach in meinen Nieren, da war ich
ein Narr und wusste nichts, ich war wie ein Tier vor dir. Dennoch bleibe
ich stets an dir; Gott, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,
du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn
ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich
Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens
Trost und mein Teil. Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und
meine Zuversicht setze auf Gott, den HERRN, dass ich verkündige all
dein Tun."
Wir werden in diesen Tagen auch erinnert an den Beginn des 1. Weltkrieges
vor 90 Jahren. Cees Nooteboom schildert angesichts einer Museumsbesuches
das folgenschweres Ereignis ... in einer Vitrine, die durchschossene
Uniform des Erzherzogs Franz Ferdinand, der Mord in Sarajewo, der Ausbruch
des Ersten Weltkriegs. Der Uniformkragen ist noch schmutzig, altes Blut,
nie richtig rausgegangen. Ein Riss in Höhe der oberen Knöpfe, die
erste Leiche in Uniform, die Millionen anderer Leichen mit sich locken sollte.
Ohne diesen Mord kein Krieg, ohne diesen Krieg kein Versailles, ohne Versailles
kein Hitler. Oder läuft es nicht so? So kann es doch nicht sein,
es mussten die Kriege nötig sein, um Wahn abzutragen, oder ?
Mit einer kleinen Bewegung entschied sich im Bauch deiner Mutter dein Werden
zu dir selbst hin. Und doch ist es dir nie zufällig vorgekommen, dass
Du gerade als Du geboren bist. Ob Weltgeschichte oder einzelner Lebenslauf
- es bleibt die Verwunderung über das Schicksal, das logische Ereignisse
und Zufälligkeiten zu einer im nachhinein unabwendbaren Kette
zusammenfügt. Wer, was fügt zusammen?
Schicksal ist nicht Zufall, nicht was aus der Leere Zufallendes, das hinzunehmen
ist, wie ein Feld den Regen hinnimmt (Murakami) - es scheint
eine Absichtlichkeit zu sein, ein Aufeinanderzuführen äußerer
Zufälle und innerstem Wesen? Es ist ein Anvertrauendes, ein Zumutendes
in der Welt. Du, sieh dich von guten Mächten wunderbar geborgen. Du
weißt von deinem ganz persönlichen Schicksal. Du glaubst, dass
du geführt bist auf deinem Lebensweg. Dann horch auf Hiob, den
Geführten, den Geschundenen, einen Helden des Glaubens, wie er mit den
Mühen fertig wurde, er Gott weiterliebte, auch als das Leben oder Gott
ihn schindete. Das Buch Hiob ist eine wunderbare große antike Dichtung.
Sie besteht aus einer volkstümlichen Rahmenerzählung und 40 Kapitel
Gespräche voller Poesie.
Heute nur der Rahmen: Es war ein Mann im Lande Uz, der hieß Hiob. Der
war fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und mied das Böse.
Er besaß siebentausend Schafe, dreitausend Kamele, fünfhundert
Joch Rinder und fünfhundert Eselinnen und sehr viel Gesinde, und er
war reicher als alle, die im Osten wohnten. Und er zeugte sieben Söhne
und drei Töchter, und feierten die ein Fest, dann opferte Hiob früh
am Morgen nach ihrer aller Zahl; denn Hiob dachte: Meine Söhne könnten
gesündigt und Gott abgesagt haben in ihrem Herzen. So tat Hiob allezeit.
Hiob, reich, gut, fromm, er tut gut und es geht ihm gut. Er liebt Gott und
das Leben liebt ihn, aber... Das Stück spielt wie auf dem Theater: Erste
Szene: Im Himmel: Audienz beim Herrn, die Engel erstatten Bericht, nehmen
neue Aufträge entgegen. Dazu, jedenfalls zum Hofstaat gehört der
ehrenwerte Verkläger, eine Art Staatsanwalt. Gott spricht ihn an: woher
kommst du? Vom Umherstreifen auf der Erde, sagt er. Das ist seiner Rolle,
zu sehen, ob was Unrechtes im Reich geschieht. Der HERR sprach zum
Verkläger: Hast du Acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es ist
seinesgleichen nicht auf Erden, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig
und meidet das Böse. Gott selbst fragt nach seinem Liebling. Und
schwärmt von ihm. Vielleicht sind die Himmlischen neidisch auf die
Fürsorge, die Gott den Erdlingen angedeihen lässt. Obwohl die soviel
Böses tun und Gott oft grämen, läßt er nicht ab, sie
zu lieben. Da ist Gott froh über einige gelungene Wesen da unten, z.
B. Hiob. Aber der Verkläger argwöhnt "Dient wirklich Hiob dem Herrn
umsonst" (G. v.Rad)? fragt er. Ist ja wahr, wenn Gott einen so segnet, ist
es leicht, fromm zu sein. Gespräch ins Publikum: Frömmigkeit aus
Dank - nicht der schlechteste Grund. Heute haben viele Erfolg, werden jugendlich
älter, finanziell gesichert, jedenfalls im hinreichenden Rahmen, und
wem danken sie? Wenn man was zu klagen hat, ist die Frage: Wie kann Gott
das zulassen? schnell bei der Hand, aber hat man es hinreichend gut, hält
man sich für des Glückes Schmied, Dank nicht nötig.. Na ja,
wir ausgenommen, wir danken fürs Guthaben. Wenigstens. Aber Gott will
ja geliebt sein, nicht erst wegen der Wohltaten, überhaupt nicht wegen
was, sondern um seiner selbst willen. Das Herz des Lebendigen lieben, meinen
Erfinder und Betreiber, Gott lieben als Freund des Lebens und meinen Bejaher.
Dazu gehört auch, mich selbst bejahen im Guten Zusammenhang Gottes.
Zurück zur 1. Szene:
Liebt dich Hiob? Fragt der Verkläger. Hast du doch ihn, sein Haus und
alles, was er hat, ringsumher beschützt. Du hast das Werk seiner Hände
gesegnet, und sein Besitz hat sich ausgebreitet im Lande. Aber strecke deine
Hand aus und taste alles an, was er hat: was gilt's, er wird dir ins Angesicht
absagen!
Der Verkläger wahrt nur Gottes Interesse. Sicher hat Gott Wehmut. Aber
er gibt ihm freie Hand. Er hat sich beim Hofstaat für Hiobs
Frömmigkeit verbürgt. Die nächste Szene spielt auf Erden:
Nur wir sind Mitwisser der himmlischen Vorgeschichte, Hiob hat davon keine
Ahnung. Die Hiobsbotschaften prasseln: Verlust der Rinder, der Kamele, der
Schafe, der Kinder - Hiob ist zutiefst verwundet. Er zerriss sein Kleid und
schor sein Haupt und fiel auf die Erde und neigte sich tief und sprach: Ich
bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren.
Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen; der Name des HERRN sei gelobt!
Tief verletzt und doch geborgen, hält er Gottes Fahne aufrecht: Hat
Gott gegeben, kann er auch nehmen- ohne dass er ungerecht wäre. Darunter
beugt sich Hiob.
3. Szene, wieder im Himmel: Die vom Hofstaat sind gespalten. Gott ist
glücklich über Hiob. Der jedenfalls liebt ihn, er hat es gewusst,
er hat Gott nicht verraten, hat ihn bestätigt. Der Verkläger
müßte sich geschlagen geben, aber nein - Haut für
Haut fordert er. Noch ist nichts erwiesen, bedroht sein Leben und er
sagt Dir ab! Also schlug Gott ihn mit Geschwüren, er muß zu den
Leprakranken draußen vor dem Ort - die Frau besucht ihn: Sag
Gott ab und stirb- nicht sehr einfühlsam, aber man, wir (?) denken
so: eine Hand wäscht die andere, und wenn Gott dir sein Gutsein entzieht,
dann setz nicht mehr auf ihn. So wir Normalmenschen. Aber nicht Hiob. Er
sprach zu ihr: "Du redest, wie die törichten Menschen reden."
Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?
In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.- Ganz
Einfaches ist hier gesagt: In seiner Gottzugehörigkeit ist Hiob
so geborgen, dass er die Zumutung seiner Frau gar nicht versteht. Man kann
doch Gott nicht nur als den Geber des Guten bejahren, aber sich dann weigern,
ein Leid aus seiner Hand zu nehmen (G. v. Rad).
Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über
ihn gekommen war, kamen sie, Elifas, Bildad und Zofar. Denn sie waren eins
geworden hinzugehen, ihn zu beklagen und zu trösten.
4. Szene: Der Verkläger ist geschlagen, Und der HERR wandte das Geschick
Hiobs. Und er gab Hiob doppelt so viel, wie er gehabt hatte. Und er bekam
noch einmal sieben Söhne und drei Töchter. Und es gab keine so
schönen Frauen im ganzen Lande wie die Töchter Hiobs. Und ihr Vater
gab ihnen Erbteil unter ihren Brüdern. Und Hiob lebte danach
hundertundvierzig Jahre und sah Kinder und Kindeskinder bis in das vierte
Glied; er starb alt und lebenssatt.
Gott (so hat es Herder mal gesagt) gibt sein Ehrenwort für den Menschen,
er verbürgt sich für ihn. Und Hiob leidet als Ruhm und Stolz
Gottes (Herder). Der Verkläger ist eine Randfigur, kein Widersacher
Gottes, sondern sein Angestellter, Hiob weiß, dass er allein mit Gott
zu tun hat. Sicher hat er viel gebetet. Vielleicht hat er auch gesagt:
Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn
mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit
meines Herzens Trost und mein Teil.
Das ist eine überirdische Frömmigkeit, eine die wir nicht zu machen
haben, sondern die uns eingesenkt wird. Paulus sagt: Wir sind Gottes Kinder.
Und weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt
in unsere Herzen, der ruft: Abba, lieber Vater. So sind wir nicht mehr Knechte
der Angst, sondern Kinder und Erben durch Gott" (Galater 4,6f )
Gottes Geist macht in uns das Zugehörwissen. Wir können nur mehr
nach innen lauschen, da ist eine leise Stimme, die sagt "guter lieber Gott"
- der Heilige Geist machte Jesus rufen im tiefsten Jammer: Abba, lieber
Vater, nimm diesen Kelch von mir, aber nicht wie ich will sondern wie Du
willst (Markus 14,36).
Mich in Gott wissen - Schicksal aus seiner Hand annehmen und stammeln
können Gib mir, was du willst, ein Liebes oder Leides, ich bin
beglückt, dass beides aus deinen Hände quillt (Eduard
Mörike). Bonhoeffer im Gefängnis vor seiner Hinrichtung sagte es
ähnlich und anders: "Ich bin froh dass ich in den Fäusten der Gestapo
letztlich in Gottes Händen bin, und nicht Hitler das Ziel all des Handelns
ist, das ich erdulden muß" - Alles Leid nur schmerzlicher Schotter
auf dem Weg des liebenden Gottes mit dir hin zum Reich, da Fried und Freude
lacht. Das könnte auch dir helfen, deine Zumutungen neu zu gewichten.
Deine Reue gibt dir Schuldbeladenem Würde. Deinen Unfall hast du hingenommen
als Auferlegtes, dein Überleben verklärt dir jeden Tag als neue
Schöpfung. Deine Krankheit macht dich dir wichtig, gelassen buchst du
jedes Können als Gewinn, verschenkst die Stunden, du siehst das Leben
freigiebig und minütlich bedroht (W. D. Schnurre). Alles Leid, das in
andere einschlägt: Dir mit aufgegeben, Segen zu vermehren.
Die Wege, Umwege , Irrwege bei dir: versteh sie mit Cyrus Atabay: "Bedacht
war ich, von meinem Ziel keinen Schritt abzuschwenken. Doch scheints, dass
mein Verfehlen eingeplant ist von dem, der mir den Weg weist."
Du glaubst an einen, der dir den Weg weist und wird es dir schwarz
vor Augen, sieh, dass Gott dich wie einen Handschuh packt und ganz langsam
über seinen Fingern umstülpt (R. Musil). Du sieh dich nicht untergehen
in einem Mahlstrom anonymer, nur statistisch erfaßbarer Vorgänge.
Du sieh dich geehrt eines persönlichen Erlebens, und wenn du in das
Unerträgliche gesehen hast überkommt dich das Eigentliche,
Erleuchtung, die entgiftet : Im Auge des Taifuns ist nicht Leere sondern
das Bild Gottes, das Antlitz des Christus, die unbedingte Bejahekraft, die
dich erhebt, du geliebter Mensch Gottes.