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Predigt 18. Juli 2004

Keitumer Predigten Traugott Giesen 18.07.2004

Römer 8, 18: Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.

Daniel 6: Aus der Löwengrube, aus dem Rachen der Angst gerettet.

Das Leid der Welt, wer ist da Gott? Was hat er von der Welt? Und von dir? Zugewinn wird die Vollendung sein, bis dahin Arbeit und Mühe und Rettung unterwegs Ein Gedicht von Hilde Domin: Drei Bilder dafür, immer verletzter, immer erlöster dir selbst aufgegeben zu sein, vor allem: Daniel in der Löwengrube.

Eben ging die Aids Konferenz in Afrika mutlos zuende. 30 Millionen Menschen infiziert, eine Millionen Aids-Waisen allein in Kenia, dort starben in den letzten Jahren an die 10.000 Lehrer. Die Cap Anamur fischte Flüchtlinge aus einen Schlauchboot, bringt sie an Land, das Land will sie nicht haben, wir Deutschen wollen sie auch nicht - Festung Europa. Eine Milliarde Menschen haben nicht genügend Trinkwasser. Es wird geschätzt, dass mehr Hundefutter von Menschen in Armut gegessen wird, als an Tiere verfüttert.- Vier Millionen Menschen allein in Deutschland sind arbeitslos, finden keinen, der sie anstellt. Und Kinderprostitution, Mädchenmörder, Steine schleppende Siebenjährige, Terror, Guantanamo. Und die Esel in aller Welt mit ihren herzzerreißenden Schreien, die Dromedare mit verbundenen Augen vor die Ölmühlen gezwungen, - was für ein Elend in der Welt! Was ist das für ein mitleidender Gott, dem so viel Schmerz geschieht? Der das Morden nicht verhindern kann, sich an Jammer und Elend ausliefert. Der sich ins Leben ergießt und Gestalt nimmt in jedem atmenden Wesen. Der durch die Zeit geht, wer ist das ?

Wer ist das, was wir mit Gott bezeichnen? Das Wesentliche, der Grund, die Zukunft, der Leib der Welt, in dem Sinne, dass alles an seinem Körper passiert; das Gehirn der Welt, in dem Sinne, dass alles Wissen und Geschehen ihn durchläuft. Das Herz der Welt in dem Sinne, dass Er die Liebe ist. Er das Ganze, wir seine Teile, unsere Ichs seine Zellen: „Brahman und Atman“, wenn man es hinduistisch mystisch benennen will. Die Treibkraft, die hervorbringt, Sternenwelten und das Embryo im Mutterleib; der Schöpfungswille, der aus dem Nichts ins Leben ruft und uns wieder das Leben aushauchen lässt, und uns hinruft zu sich: “Kommt wieder Menschenkinder“ (Psalm 90). Der ist Gott.

Und welchen Zuwachs, außer Leid, welchen Gewinn erwirtschaftet Gott sich mit der Welt? Also wenn wir schon Freude haben am Plätzchenbacken oder Hausbau haben - wieviel Freude am Gelingen verschafft ihm die Weltschöpfung. Aus Pflanzen und Tieren schlägt seine Phantasie Gestalt und Schöne. Die Natur ist doch Gottes größter Coup: Er macht, dass sich die Dinge selber machen. Und der Zugewinn durch uns Menschen? Was hat Gott von Dir? Das ist die einzig wichtige Frage überhaupt. Damit muß man die Flutkante längs gehen, dafür ist Urlaub unmittelbar nötig, wie der Sonntag nach der Arbeit: Ruhen um aufzumerken: Was hat das Leben, was hat Gott von mir? Lob, Dank, Anerkennung? Genießt du das Hiersein, dein Dusein? Und strahlst Dankbarkeit aus? Magst du dich - ach, bitte doch, wo Gott dich doch mag. Hilfst du mit, glücklich zu machen? Ist durch dich einigen Menschen das Leben erträglicher, chancenreicher, weniger vereinzelt geworden? Erfreust Du? Auch wenn Du Hilfe brauchst, bittest, suchest, klopfst du an? Wie Christus es gebietet: machst du Wohltaten locker, tust du auch Nötiges?

Gott sammelt durch deine Lust Freude ein und durch dein Bedürfen sammelt er wahren Charme ein - Mitgefühl; durch dein Arbeiten das tägliche Brot für viele, durch dein Wissend- und Empfindsamwerden sammelt Gott Erkenntnis, geistige Resonanz. Und wir bringen die Ernte unseres Lebens ihm Nachhause. Es steht ja Vollendung an. Es wird einmal das „Projekt Welt“ vollendet sein, dann wird das Böse vom Guten überwältigt sein, das Reich Gottes ist geschafft. Die Aussicht, die mit dem Glauben an Gott Hand in Hand geht, ist das Paradies, nicht am Anfang, sondern am Ende des Weges. Gott wird abwischen alle Tränen von unseren Augen und kein Leid wird mehr sein und kein Geschrei. Dann ist das Erste vergangen, ein Neues ist geworden (Offenbarung 21,4; 2. Korinther 5,17).

Das ist sein und unser Zugewinn, „durch soviel Angst und Plagen, durch Zittern und durch Zagen, durch Krieg und große Schrecken, die alle Welt bedecken“ (EG 58,3). Und zwischendrin auch Freude aus Freundschaft, Zufriedenheit aus Teilnahme an einem Werk, Behagen aus Genuß, gutes Gefühl aus gütigem Tun, Aufatmen aus Überleben und Weiterkönnen, innerer Reichtum aus Bildern und Klängen und Gedichten. Und vor allem Liebe - das Brot auch der Armen. Wunderbar das Leben – letztlich wegen des Zugewinns: Christus, Gott wird uns sehen, und wir werden nichts mehr fragen vor gemeinsamem Glück (Johannes 16, 23).

Aber der Weg ist mühevoll. Wir bleiben verpflichtet, die Lasten mitzutragen. Wir bleiben ausgeliefert an die Folgen unseres Tuns , “womit jemand sündigt, damit wird er auch bestraft“ (Weisheit 11,26). Alle brauchen die Hilfe aller und alle müssen mit ran im Rahmen ihrer Gaben: Keiner ist eine Insel, wir haften gemeinsam: der hohe Ölpreis, die Angst vor Terror, die Mutlosigkeit zur Elternschaft, die Verarmung der Städte und Gemeinden und Kirchengemeinden, die Sorge für Gesundheit und Alter, Einsamkeit aus Unabhängigkeit über alles. So tragen wir die Last des Gesamten mit. Das, der umfassend Gesamte heißt Gott - da nützt überhaupt kein Atheismus, du kannst die Gottesbilder und -namen ablehnen, und doch lehnst du in ihm, wurzelst im Grund des Lebens; bist Teil vom Ganzen - das wisse und wolle, das lass über dich ergehen und gestalte- das bedenke, bebete, besinge -vielleicht mit den Worten von Hilde Domin:

Bitte

Wir werden eingetaucht
Und mit den Wassern der Sintflut gewaschen,
wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut.

Der Wunsch nach der Landschaft
diesseits der Tränengrenze
taugt nicht,
Der Wunsch, den Blütenfrühling zu halten,
der Wunsch, verschont zu bleiben,
taugt nicht.

Es taugt die Bitte,
dass bei Sonnenaufgang die Taube
den Ölzweig vom Ölbaum bringe.
Dass die Frucht so bunt wie die Blüte sei,
dass noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden.

Und dass wir aus der Flut,
dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen
immer versehrter und immer heiler
stets von neuem
Zu uns selbst
entlassen werden.

Der Wunsch, verschont zu bleiben, taugt nicht; Es hieße, von Gott verschont bleiben zu wollen, der sich ja durch die Mühen und Freuden erstreckt. Auch die kurzen Lebensläufe sind von Gott mitgelaufen, auch die Verzweiflungen sind Erschütterungen in ihm, auch die Vergeblichkeiten sind Suchbewegungen in Richtung Licht und Leben, keine Jammer ist ins Leere geweint, sondern ist Seufzen der Allmacht (Römer 8,26).

Etty Hillesum, eine holländische Jüdin, von Deutschen, wohl Christen, ermordet, schrieb: „Ich habe das Gefühl, ein kleines Schlachtfeld zu sein.Auf dem die Kämpfe dieser Zeit ausgetragen werden. Die Probleme müssen ja eine Unterkunft haben, sie müssen einen Ort haben, wo sie kämpfen und zur Ruhe kommen können. Und wir armen, kleinen Menschen müssen unseren inneren Raum für sie öffnen und dürfen nicht davon laufen.“

Gott ist noch im Kampf mit dem Tohuwabohu und baut ja noch sein Friedensreich, und jeder ist eine Etappe des Herrn, ob förderlich oder hinderlich, ob engelhaft oder teuflisch, das ist mit an uns. Gnade uns, dass wir bestehen! Dass wir aus der Flut, dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen immer versehrter und immer heiler stets von neuem zu uns selbst entlassen werden. Zu uns selbst entlassen werden - wir bei uns in Gefangenschaft? Jeder bei sich in Zwang, zu funktionieren, wir rotieren ziemlich, bringen oftmals unsere Jahre zu wie ein Geschwätz (Psalm 90). Wir sollen aber zu uns selbst kommen, werden zu uns selbst entlassen. Immer versehrter und immer heiler wirst du dich erkennen. Du, Ich, ich bin meine Erfahrung und meine Hoffnung, vor allem meine Erfahrungsgeschichte. Aber das ist die Verheißung: Ich kann auch wählen, was ich archiviere in meiner Erfahrung. Ich bin „Archiv und Archivar“ (P. Sloterdijk) meiner eigenen Geschichte. Was ist meine innigste Erfahrung? Unlöschbar in mich eingraviert? Oder kann die Voreintragung auch überschrieben werden? Kann ich Neuerfahrung machen? Manche sind auf der Flucht vor ihrem inneren Archiv hin zu immer neuen Events - so heißen die inszenierten Ereignisschübe. Aber ich kann mich auch, jedenfalls im Urlaub, jedenfalls am Sonntag - „vom Erwerb neuer Informationen abwenden und mich in innere Archivarbeit versenken“; Bilder dazu hält das kollektive Gedächtnis der Menschheit, wesentlich in der Bibel bereit.

„Versehrter und heiler zu uns selbst entlassen aus der Flut, aus der Löwengrube, aus dem Feuerofen: Die Sintflut ist das Bild vom großen Untergang, aus dem nur Noah und seine Mannschaft gerettet wird. Du auch Noah auf eine Weise, aber wie? Du gerettet um zu retten; du vielleicht eine Arche der Hoffnung - du deinen Enkeln Erzählerin vom Menschheitsarchiv, Überbringer von Ölzweig-Gewissheit, dass noch Land und Aussicht ist. Oder entlassen zu dir aus dem Feuerofen? Drei Männer zur Zeit des Daniel sollten der Glut ausgesetzt werden, und blieben sie unverletzt, wären sie als Gottes Kinder erwiesen. Auch Du –  wo war dein Glaube im Feuerofen der Wirklichkeit beinahe zu Asche geworden? Wie hat dich Verzweiflung versengt, aber du wurdest doch hinübergerettet?

Und welcher Löwengrube bist du entronnen? Damals Daniel: Neider stellten ihm eine Falle. Sie wussten, er würde für seinen Glauben durchs Feuer gehen, also stachelten Sie den König auf, Gebete zu verbieten und anzuordnen: „dass jeder, der in dreißig Tagen etwas bitten wird von irgendeinem Gott oder Menschen außer von dir, dem König, allein, zu den Löwen in die Grube geworfen werden soll.“ Daniel wird beobachtet bei seinem dreifachen Gebet - er wird vor die Löwen geworfen. Am nächsten Morgen ist der König glücklich: Er hört Daniel sagen: Mein Gott hat seinen Engel gesandt, der den Löwen den Rachen zugehalten hat, so dass sie mir kein Leid antun konnten; denn vor ihm bin ich unschuldig, und auch gegen dich, mein König, habe ich nichts Böses getan“ (Daniel 6). Den Löwen waren die Rachen zugehalten. Hast du so was schon erlebt? Du solltest zum Chef, sahst deine Kündigung schon in Händen, und er hört dir zu, gibt dir einen neuen Auftrag; oder: In der Fremde: ein Polizist gestikuliert wild - da kommt einer von der Botschaft und glättet dem Wachtmann sein Gesicht. Oder du hast Schaden angerichtet, solltest bestraft werden, da kam dein Vater und löste dich aus. Oder einer hat dich in seiner Gewalt, und du redest mit ihm engelhaft und er gibt dich frei. Oder die wilden Tiere deiner Angst, deiner Gier sind hinter dir her- und du rettest dich in das Schutzwort: „Gott liebt mich und braucht mich, liebt mich braucht mich“ – und die Ängste verlieren ihre Fratzen, die Löwen gewinnen Menschenantlitz, so auf dem Taufstein im Wormser Dom? Versehrter und heiler werden wir durch die Not hindurch gezogen und uns selbst wieder anvertraut. Ja- jetzt hat jeder noch mit sich zu tun. Amen.


 




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