Predigt 14.März 2004
Keitumer Predigten Traugott Giesen 14.03.2004
Die Fußwaschung
Johannes 13
Das Jahr hat einen Lauf, einen Kreislauf, von dunkel nach hell und wieder
dunkel, wieder hell. Auf diesen Jahreskreis ist ein Kirchenjahr aufgetragen,
ein Festkreis vom Leben Jesu und vom Wesen der Kirche. So erleben wir jedes
Jahr am dunkelsten Tag die Geburt Jesu innerlich nach, und bei
Frühlingserwachen das Leiden ,Sterben und Auferstehen Jesu .
Wir sind jetzt im Jahreslauf vor Frühlingsanfang, im Kirchenjahr in
der Passionszeit. Vertiefen wir uns in die Geschichte von Jesu Fußwaschung
- eine der Schatzgeschichten von Jesus. Das größte
Ausstrahlungereignis der Geistesgeschichte ist dieser Mensch ohnegleichen.
Aus dem Johannes-Evangelium im 13. Kapitel: Vor dem Passafest aber erkannte
Jesus, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum
Vater; Jesus wusste, dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben
hatte, und dass er von Gott gekommen war und zu Gott ging.
Und beim letzten Abendessen, da stand er vom Mahl auf, legte sein Obergewand
ab und nahm ein Leinentuch und umgürtete sich, goss Wasser in ein Becken,
und fing an, den Jüngern die Füße zu waschen. Und trocknete
sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.
Da kam er zu Simon Petrus; der sprach zu ihm: Herr, solltest du mir die
Füße waschen?
Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete ihm:
Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.
Spricht zu ihm Simon Petrus: Herr, nicht die Füße allein, sondern
auch die Hände und das Haupt! Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist,
bedarf nichts mehr; denn er ist ganz rein. Ja, ihr seid rein.
Als er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und
setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan
habe?
Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin's auch.
Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe,
so schuldet ihr euch, auch einander die Füße Waschen. Ein Beispiel
habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.
Und selig seid ihr, wenn ihr's tut.
Vor dem Passafest fängt die Geschichte von der
Fußwaschung an, und schon ist der ganze religiöse Horizont
aufgerissen, Israels Fest der Rettung: Da war zur Freipressung Israels vom
Pharao ein Fluch losgelassen, die Verstocktheit des Königs sollte
aufgebrochen werden, durch die ägyptischen Plagen, die letzte: Der Tod
der Erstgeborenen jeden Hauses - zur Kennzeichnung für die Verschonung
sollten die Kinder Israels die Türpfosten ihrer Häuser bestreichen
mit Blut von Opfer-Lämmern. Das Passalamm zum Zeichen der Rettung aus
der Knechtschaft aß auch Jesus mit seinen Jüngern, essen heute
die Menschen jüdischen Glaubens bei festlichem familiären Zusammensein,
und die gedenken der Befeiung aus der Knechtschaft.
Zum verständnis von Jesu Tod kann das Bild vom Passalamm helfen - auch
Jesus gab sein Leben, damit wir gerettet werden. Aber aus welcher Knechtschaft?
Aus welcher Angst, aus welchem Totensumpf des Nichtwissens, aus welcher
dämonischen Vorstellung von wurmzerfressener Vergänglichkeit?
Vielleicht hilft die Szene von der Fußwaschung zum Verstehen.
Jesus wusste, seine Stunde war gekommen, dass er aus dieser Welt ginge zum
Vater. Welt: das ist das wunderbare nur brüchige Glücken, das ganz
flüchtige Gefühl von Ganzsein, Glut der Freude unter viel Asche
der Mühe, williger Geist, schwaches Fleisch. Welt bezeichnet
das Vorläufige, wo die Höhenflüge erdverhaftet sind, und ein
Fortschritt an Menschlichkeit immer wieder überrollt wird von Grausen.
Denk das Beste, fürchte das Schlimmste - das ist Welt. Liebe
spielt auf dem Schlachtfeld des ich-zentrierten Hierseins; meine Angst vor
Knappheit irgendwann ist mir näher als das reale Verhungern des Kindes
in Afrika. Einer winkt, ist anscheinend in unbequemer Lage und ich fahre
vorbei. Ich belege im Zug noch ein zwei Plätze um mich rum, brauche
Distanz- Welt : Nur was auf sich selber bezogen ist, lehrt heute eine
kybernetische Biologie, kann seine komplexe Umwelt meistern.
(Strauß)- Da ist zum Vater gehen Heimweg ins Vollkommene, in die Liebe,
wo eins im andern aufgeht, wo wir nichts mehr verlieren, nie mehr Verlorene
sind, sondern von guten Mächten wunderbar geborgen sind, immer. Und
weiterhin. Der Jesus hat eine Einstellung zum Leben, die das Sterben
einschließt. Die Körperzeit endet, aber nicht der Mensch.
Seit Jesu Erfahrung gibt es keine Toten mehr, sondern die schon beim Vater
sind, und die andern, die noch in der Welt sind, auf dem Weg zu Gott, wir
sind hier leiblich, zeitlich, alles Köstliche ist mit Mühe gespickt.-
Auf Hoffnung sind wir, ausgestreckt auf Unendliches Mitgottsein. Wobei die
Erdenjahre Übung sind, Vorlauf, erster Anfang. Jesus denkt nicht zwei
Welten, hier und dort, sondern sondern mitten im Diesseits von Gott umfangen,
mitten am Morgen Dank für das Glück, ich zu sein, mit Atem aus
Gottes Willen; in der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost ich habe die
Welt überwunden -sagt Jesus, hier schon Licht der Liebe auf dem Weg
zum väterlich- mütterlichen guten Ganzen.
Und doch ist Sterben ein Abschied, erst mal; ein Verlassen und Verlassenwerden;
Alleinweitermüssen ist schwer. Haben wir ein Bild von Zusammenhalt und
Trost? Mein Schwiegervater ließ sich zuletzt ans Fenster zum
Sonnenuntergang schieben-.Ein starkes Bild: ob gehend oder noch verweilend
wir bleiben in der Liebe.
Jesus gab seinen Jüngern und damit uns ein anderes Bleibebild:
Und beim Abendessen, da stand er vom Mahl auf, legte sein Obergewand
ab und nahm ein Leinentuch und umgürtete sich, goss Wasser in ein Becken,
und fing an, den Jüngern die Füße zu waschen. Und trocknete
sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.
Im staubigen Gelände barfuß oder in Sandalen unterwegs - da ist
das Füßewaschen Genuß, so was wie eine kleine Erlösung.
Damals war es Sache der Diener, jetzt machte sich Jesus selbst ans Werk.
Wusch jedem einzelnen die Füße und trocknete sie ich denke
mal, liebevoll, Zeh für Zeh, und die Sohle Reflexzone für Reflexzone.-
Sicher ging es auch darum, zu reinigen vom Schmutz des Tages, Putzdienst
eben, aber Jesus zieht diesen Dienst an sich als Liebesdienst. Er bückt
sich vor sie hin, er reinigt sie vom Treten und Kämpfen, er dient
einem nach dem anderen. Wie wirkt das auf uns?
Vielleicht den Kranken Nächsten waschen ist ähnlich, oder den
Altgewordenen Eltern die Nägel schneiden. Es kostet wohl Überwindung,
aber es muss für den Nächsten wohl sein und es geht auch. Aber
Petrus spricht uns aus dem Herzen:
Herr, solltest du mir die Füße waschen? Das kann nicht angehen.
Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete
ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.- Lass dir mein
Dienen gefallen, meine Erniedrigung ist dir peinlich, aber das ist der Lernstoff
der Liebe: der Liebe ist nichts Nötiges peinlich. Liebe trägt die
Mühsal mit, die Not, trägt auch den Dreck mit weg, sieht nicht
mehr mein und dein: nicht mehr: Da siehe du zu, das ist dein Problem.
Jesus hält nicht auf Abstand, er tut die Schranke weg zwischen sich
und den Andern. Und diese Lektion der Liebe müssen sie über sich
ergehen lassen, damit auch sie künftig sich weniger ekeln, was
igitt ist, mach nicht so ein Gewese drum, du wirst selber noch
oft dich waschen lassen müssen.
Spricht zu ihm Simon Petrus: Herr, nicht die Füße allein, sondern
auch die Hände und das Haupt! Da wollte Petrus wieder alles haben, wollte
die Liebe für sich allein?.- Jesus spricht zu ihm: Wer von mir gewaschen
ist, der ist ganz rein. Also sieh dich von mir gewaschen, sie dich rein.
Das ist wohl der tiefste Sinn: Jesus gibt ihnen das Gefühl ihrer Unschuld
zurück (E. Drewermann). Er übernimmt ihre Schuld mit, er löst
ihnen die Selbsterhaltungsgier ab, er löst ihre halsstarrige
Einzelkämpferhaltung, er stellt sie wieder auf saubere Füße.
Wir sollen so miteinander verfahren. Wenn schon der Meister sich die Hände
schmutzig macht an mir, dann kann ich neu von mir denken, erlöster und
milder. Und den Nächsten auch an mich ranlassen, kann sein Schwierigsein
mir deuten: Die Angst zu kurz zu kommen, macht ihn so wachsam und verschlossen.
Er ist nicht böse. Sondern nur ungewaschen - verstehst du?
Wir schulden uns die Füße zu waschen. Uns gut zu reden, einander
die Unducht und Bosheit abtragen. Nicht nur bring dich in Sicherheit, sondern
trag die Last mit, dann werden wir Jesus ähnlich: Gott ist unten. -
wir müssen uns bücken, ihn hier schon zu finden.
Sich von Jesus waschen lassen- heißt, sich von ihm den Hochmut austreiben
lassen; diese Lust, sich bedienen zu lassen, gegrüßt zu werden,
Privilegen zu genießen- nach gemeinsamem Essen andere abdecken lassen,
es gibt immer welche, die sich zu schade sind. vielleicht ist das die
Ähnlichkeit, zu der uns Jesu formen will. Dass wir uns für nichts
Nötiges zu schade sind. Und dazu müssen wir, die meisten, ich
jedenfalls bei Jesus oft in die Schule gehen- lernen, mich dranzugeben.
Was drücken wir uns vor Mühen; nur die Mühen, die wir
übernehmen, richten uns auf. Das ist Jesu Lernstoff. Welche Mühe
steht mir zu? Wo sollte ich mich nicht von freikaufen? Wo sollte ich nicht
fliehen sondern standhalten? Jesus stand für die Liebe ein bis in seinen
Leidenstod. Und wir? Daß wir einander dienen, ist es so schwer? Nicht
daß andere ein faules Leben haben, sondern daß wir unsere
Selbstgefälligkeit abtakeln, uns abschminken das Herrischsein, nicht
mehr Angst einjagen, nicht mehr blindlings und anmaßend urteilen, kein
Sultansbedürfnis mehr (R. Musil), abhängig zu halten.
Jesu Lernstoff ist: Auch uns nicht mehr Angst einjagen zu lassen, nicht mal
mehr vom Tod, der uns doch vor Gott holt. Wißt ihr: Die Füße
wäscht der Herr der Herrlichkeit, Jesus wusste, dass ihm der Vater
alles in seine Hände gegeben hatte- ja wenn wir das
wüßten, daß Jesus seine Machtfülle mit uns teilt, eben
auch darin, daß er dem Tod die Herrschaftsmaske abreißt - der
holt uns doch vor Gott, darum keine Angst mehr vor dem Sterben. Und keine
Angst mehr vor dem Dienen. Es macht uns schön.