Predigt 25. Dezember 2003
Keitumer Predigten Traugott Giesen 25.12.2003
Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott...
Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Alle Dinge sind durch das Wort gemacht, und ohne es entsteht gar nichts.
In ihm ist das Leben, und das Leben ist das Licht der Menschen. Worthafter
Geist, der ist das Licht, durch ihn gibt es die Welt, aber die Welt erkennt
ihn nicht. Das Licht scheint in die Finsternis und die Finsternis begreift
ihn nicht. Er kommt in sein Eigenes, in das, was er selbst ist, kommt er,
doch obwohl die Welt er selbst ist, begreifen sie ihn nicht. Und dass Wort
ward Fleisch, wurde selber Natur, er schlug sein Zelt auf in uns, dass wir
seine Herrlichkeit schauen, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes
vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Ja aus seiner Fülle empfangen
wir alle Gnade um Gnade. Das Gesetz wird durch Mose gegeben, die Gnade, die
Unverborgenheit Gottes ward uns durch Jesus Christus. Die ihn ergreifen,
begreifen, denen schenkt er Macht, Gottes Kinder zu sein.
Johannes-Evangelium 1. Kapitel - der große Text der Christenheit, gerade
recht für den Ersten Weihnachtstag, für uns christliche Elite,
während andere noch schlafen - es sei ihnen gegönnt.
Im Anfang war das Wort, da steht en arche, - nicht wie beim
Wettrennen, wo man dann den Start hinter sich hat, sondern gemeint ist der
Ursprung, "origo" also woraus es im Ursprung kommt, im Original entspringt.
Woraus alles herstammt, das ist noch immer bei uns, wie im alten Baum, der
Setzling des Baumes immer noch im untersten Gewölle der Wurzeln mit
ist, immer noch da. Und in uns - je älter wir werden - ist ja auch der
Säugling noch bei uns, noch sehr lebendig, jedenfalls von Zeit zu Zeit.
Also was ist die gestaltende Kraft, in uns, von uns, die uns immmer angeht?
Was ist das Christus, sagt der Evangelist Johannes, Christus ist der
Ursprung, als Verkörperung des Wortes Gottes.
Da schon im Kern des Seins eine Spannung, eine Zweiheit. Gott und Wort Gott
ist Eins, einer, eine. Ja, aber in Gott ist mehr als ein mare
transquillus- mehr als Ruhe.
Das Hauptproblem der Religionen, - worin verkörpert sich Gott?
Verkörpert er sich in der Sonne- das glaubte Ägypten und Sklaven
mussten Pyramiden bauen; Oder Gott verkörpere sich im Land. Dann muss
man marschieren, um im Namen dieses Gottes, mehr Land ihr eigen zu nennen.
Oder er verkörpere sich in Gold und Geld, und der Fromme musste reich
werden, sonst war er nicht gottesfürchtig. Oder er verkörpere sich
in der Sharia, im Gesetz, und der Schuldige muss entfernt werden. Oder Gott
verkörpere sich nur in diesem Tempel, dieser Kirche, dieser Religion,
dann sind die andern Heiden und müssen bekehrt werden.
Weihnachten klärt: Gott verkörpert sich in diesem Kind Jesus, ihm
nach in jedem Kind. Hatten wir Heiligabend die Zeit der Gefühle, ist
heute morgen die Zeit des Nachdenkens: in der Krippe die Verkörperung
vom Wesen Gottes. Was ist das Wesen Gottes, der Ursprung von allem?
"Im Anfang, im Ursprung war das Wort" - Goethes Faust sagt ja, er könne
das Wort unmöglich so hoch schätzen und setzt statt dessen: am
Anfang war die Tat; Falsch und richtig zugleich. Richtig logos,
was hier im Anfang war, ist voll Rat und Tat, ist kein trockener
Wortspreu, sondern ist geballter logos, was auch das griechische
Wort für "Geist" ist.
Mir hilft es immer wieder zu wissen, dass am Anfang der Geist war, am Anfang
war der Wille, dass etwas werde, also vor der Materie die Idee, vor den Sachen
der Gedanke. Also auch: vor mir und dir die Idee von mir und dir, die Vision
Gottes von mir und dir. Was für eine Zusage: du, ich gewollt.
Dieses "Wort ist bei Gott und Gott ist das Wort". Warum ist das so auseinander
gehalten und fällt doch zusammen? Gott ist sein Wille, aber sein Wille
ist bei ihm, dann ist er also noch mehr als sein Wille, auch sein Unwille
- kann man das denken? Etwa als der Schatten seines Willens? Einmal heißt
es in der Bibel, "Der dich behütet, schläft nicht" (Psalm 121,3),
sonst wäre ja alles viel leichter zu erklären. Manchmal klagen
die Psalmen, wo ist er hingegangen, warum ist er nicht hier? Noch bitten
wir darum, dass sein Wille geschehe, noch passiert viel gegen Gottes Willen,
also im Schatten seines Willens, also in Gottes Unwillen? Aber Gott und sein
Wille ist ganz nah beieinander, ist für uns doch wohl identisch. Und
doch mag ein Stückchen Differenz dazwischen sein, vielleicht ist Gott
mehr als sein Wille; Sagte nicht Rilke: Zu Gott gehören auch seine
unentdeckten Träume, die noch Wille werden wollen.
Vielleicht ist da auch ein Spalt für uns Menschen frei gehalten, dass
Gott ein Stückchen seines Willens in uns hinein verpackt. Vor allem
ist mir wichtig, dass mit dem "Am Anfang war das Wort" klar ist, dass am
Anfang der Wille zur Gemeinschaft steht. Wort heißt ja Verstehen und
Verstandenwerdenwollen, heißt: Sich ausdrücken wollen, heißt:
Übersetzen wollen hinüber in ein anderes geistvolles Gebilde, das
mich wahrnimmt. "Am Anfang war das Wort" möchte ich gern mal
übersetzen in unseren modernen Zeiten mit "Am Anfang ist Kommunikation",
darin steckt Kommunion, Kommunio Gemeinschaft, ein altes Wort für
Abendmahl. Kommune, das was wir gemeinsam bauen und miteinander teilen.
Der Kern Gottes ist Hinübersetzen zum anderen. Vielleicht ist das der
Kern, warum die Welt ist, weil Gott hinübersetzen will, verstanden werden
will, verstehen will, sich mitteilen will, darum will er, braucht er ein
Gegenüber. Dann ist es auch völlig einsichtig, dass diese
Schöpfung nicht zielt auf das fröhlich findige Tier, den Affen,
sondern darüber hinaus entwickelte Gott sich möglicherweise aus
Affen-Generationen eine partnerfähige Kreatur, mit der er reden kann.
Wenn Gott Wort ist, also (auch) Kommunikation, auch Wille, verstanden zu
werden, dann ist das Wichtigste für Gott nicht das, was ihm pariert,
das könnte er ja auch vom Hund kriegen, - nun ja es kommt auf die Sorten
an. Auch nicht reicht es Gott, dass ihm ein Wesen gehorcht, sondern Gott
will mit Anderem über sich reden, will mit dem anderen sich erkennen,
im anderen sich wiederfinden.
Daraus kann man einen ganzen Mythos machen, was Thomas Mann so zauberhaft
geschafft hat mit "Joseph und seinen Brüdern", wo tatsächlich Gott
beschrieben wird als einer der dem Josef zuguckt, der tief im Brunnen sitzt,
völlig verlassen von aller Welt, aber über sich die Sterne sieht
und jetzt meditiert, ob das das Ende ist, oder ob das der Anfang von so was
wie Auferstehung ist. Es kann nicht sein, dass er Gottes geliebter Mensch
ist und so zu Ende gehen soll. Das kann nicht sein, und da wird beschrieben,
- so habe ich es noch in Erinnerung - wie Gott sich die Fingerspitzen
küsst, der ist doch ein Wunder, ich beginne mich für ihn zu
interessieren, wie er mich versteht, vielleicht weiß er mehr von mir,
als ich von mir.
Das ist natürlich hoch vom Menschen gedacht, aber es ist die Erfahrung
der Liebe, die hier auf Gott übertragen wird, der ja der Ursprung unserer
Fähigkeiten ist. Gott im Ursprung Wort - also Hinüberwollen zum
anderen, dann auch Ursprung, es als Glück wahrzunehmen, dass ich den
anderen verstehe und er mich. Gott will den Menschen, um ihm den Himmel
aufzuschließen, um mit ihm ein Gemeinsames zu bauen, Reich Gottes.
Wo Fried und Freude lacht, wie es in einem anderen wunderschönen Kirchenlied
heiß. Johannes sagt, alle Dinge sind durch das Wort gemacht, sind durch
diesen Willen, sich mitzuteilen, gemacht. Alle Dinge sind also letztlich
Mitteilung.
((Man wundert sich ja, wenn man Gedichte gerne liest, dass sicher die
Hälfte aller Gedichte Naturbeschreibungen sind. Das hat wohl damit zu
tun, dass tatsächlich die Bäume und die Blumen Botschaften haben,
jedenfalls für den, der Blumenohren hat, und Dichter haben ja manchmal
solche hellhörigen Empfindungen. Es gibt also Dinge, da können
auch wir schlicht gestrickten Menschen, die wir ja auch noch sehr nah an
den Dingen sind und wohl vom Geist Gottes angehaucht sind, aber nicht Geist
Gottes sind, können doch zuweilen solche Signale aus der Natur nehmen
als Mitteilungen, als Botschaften. Das Meer, die Wolken, der Wald - der
Holzhändler sieht den Wald nicht als Botschaft für Tod und
Auferstehung, sondern als Materiallager- aber vielleicht unterschätzen
wir den Holzhändler doch, und er weiß mehr als nur den
Preis.(Ich weiß nicht, was ein Reis ist, ich weiß nur was
ein Preis ist; das ist eine andere Geschichte, die vom guten Mensch
von Sezuan (B. Brecht).))
Alle Dinge sind durch das Mitteilen-Wollen Gottes gemacht und in diesem Willen
mitzuteilen, sich mitzuteilen. Was teilt Gott mit, dadurch dass Stein ist,
dass Wolke ist, Wasser ist? Man kann da ganz viel Naturphilosophie raus lesen
wollen, lasst es uns jetzt genug sein, bei diesem Gedanken, dass darin
Mitteilungen Gottes sind. In dem Willen mitzuteilen ist das Leben. Anders:
Leben ist der Wille Gottes, von sich etwas abzugeben.
Zu seinem Willen gehört auch Gesetztes, Anordung, Befehl. Das Gesetz
ist durch Mose gegeben; es ist nötig, wichtig, aber Gnade und Wahrheit
stehen auf einem anderen Blatt, sie sind durch Christus gekommen. Die Natur
ist ja vollständiges Gehorchen, perfekter Gehorsam, Ablauf von Ursache
und Wirkung ohne irgendeine Form von Freiheit. Das ist die Basis unseres
irdischen Daseins. Auch unser Körperliches ist gehorchende Materie.
Aber wir wollen Freiheit, Gottes vielleicht schönste Erfindung, diese
Verbundenheit aus Übereinstimmen im Willen. Der Freiheitsdurst kommt
davon, dass Gott selber die Erde annimmt, Erde wird, Körper wird, Fleisch
wird, Blut wird und jetzt uns einräumt. Es war eigentlich schon seit
Adam und Eva von Ur an angedacht, aber jetzt erst gelingt diese Zuversicht,
zu wissen: Ich gehöre zu Gott, er hat mir die Ewigkeit ins Herz gelegt
hat (Prediger 3,11), die Sehnsucht nach ihm. Diese Sehnsucht echot, sie strahlt
auch als Ahnung, dass du, ich als im Gespräch mit dem Ewigen gedacht
sind. Darum letztlich bin ich verantwortlich, letztlich auf Einverständnis
mit ihm angelegt. Darum suchen wir ja aneinander von Angesicht zu Angesicht
schon Erkenntnis, wer bin ich? Darum reicht es nicht, dass ich einen Baum
angucke oder mich im Blick übers Meer versenke, du, ich Imagination,
ein Imago, ein Bild von Gott selber, das Gott sich vorstellt. Da ist der
Spielraum gegenüber Natur und Pflicht und Zwang und Gesetz eingeräumt
von Gott und seinem Zwischenträger Christus.
Jesus hat diesen Spielraum erkannt, und er hat ihn gelebt, er hat ihn mit
Liebe gelebt, er hat dem Leben in der Nähe Gottes Gestalt gegeben und
mit diesem Jesus kann man von der Gnade und der Wahrheit schon jetzt ein
Stückchen schöpfen. Wir sahen seine Herrlichkeit - das ist ja genommen
auch von dem Bild der völligen Glückserfahrung: Die Urchristengemeinde
sahen eine vollkommene Beziehung zwischen Gott und Mensch - nämlich
eben Vater-Sohn.
Heute würden wir nicht mehr das Bild Vater-Sohn nehmen, heute würden
wir Mann und Frau nehmen, das liebende Paar, aber damals war Vater-Sohn das
Identischste was vorstellbar war: Eins und doch in Spannung.
(Jesus sieht sich im Leid von Gott weggetrieben, schreit zu Gott:
Warum und dann sagt er auch: "In deine Hände befehle ich
meinen Geist". Jesus lebt die Differenz zwischen Gott und dem Willen Gottes.
Kann man das so sagen? Jesus lebt diese Spannung, hält sie aus, hält
den Liebenden Vater und den verborgenen Gott mit seinem Vertrauen zusammen.
Er steht für das Zusammen beider Wirkweisen oder Erscheinungen Gottes
ein. Die dunkle Seite Gottes wird (auch) beschattet vom Menschen, der seine
von Gott eingeräumte Freiheit gegen ihn verwendet, ihn verdunkelt. Gott
hat die Menschen so mächtig gemacht, so mächtig, dass sie sich
als Gegenspieler Gottes aufwerfen können, weil er sie ja als Partner
will aus freien Stücken.
Darum müssen sie die Wahl haben, also die Möglichkeit, ihm ins
Angesicht "nein" zu sagen. Zum Willen Gottes, der Kommunikation ist - d.
h. im Kern: Verbundenheit in Freiheit, also Liebe - gehört wohl als
Schatten eben das Brüchige der Kooperation mit dem Menschen. Und seitdem
fällt Gott und der Wille Gottes ein Stück auseinander, aber Jesus
kann beides festhalten. "Dein Wille geschehe", das ist eine Bitte! Dein Wille
geschehe bei mir, Gott helfe mir, dass dein Wille durch mich geschieht, ich
fliehe in deine Hand, ich glaube mich in deine Hand, ich kann nicht tiefer
fallen in den Abgrund namens Du. )
Jesu Geschichten: Brot des Lebens, Speise und Trank voll Gnade und Wahrheit.
Aber das fordert jetzt viele Predigten für den Alltag und heute ist
Weihnachten.