Predigt 02. März 2003
Keitumer Predigten Traugott Giesen 02.03.2003
Wer sein Leben für sich haben will
Markus 8,31-36
Und Jesus fing an zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen
werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und
getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und redete das Wort
frei und offen. Da nahm Petrus ihn beiseite und sagte entsetzt: Das widerfahre
dir nur nicht! Und wollte ihn davon abbringen. Er aber wandte sich von ihm
ab, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh weg von
mir, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich
ist. Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu
ihnen: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein
Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der
wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des
Evangeliums willen, der wird's erhalte Was hülfe es dem Menschen, wenn
er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele?
Wie ein Schlusswort klingt mir das, bevor Jesus aufbricht zu seinem letzten
Gang. Als wäre alles vorher Anlauf gewesen, Vorwort vielleicht nur.
Auch das Markusevangelium, dem dieser Text entstammt, nannte man eine
Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung, und es gab Christen,
die nur Kreuzigung für wichtig hielten, - eben dass hier Gottes Sohn
umgebracht wurde, und so der Welt Sünde gebüßt wurde. Andere
hielten nur die Auferstehung für den Sinn des Jesus: damit ist der Tod
entmachtet. Das ist die Erlösung. Dabei lebt doch Jesus ein Leben, das
erhellend ist, sein Leben ist die Erlösung. Und wie er zu leben, das
bringt uns ein Leben, das wir nicht bereuen müssen.
Also nicht nur das Ende und die Erhebung aus dem Tod ist die Rettungstat
Jesu. Sondern auch sein Alltag war ein Lied in höchsten Tönen.
Er drehte ein großes Rad, seit er aus der Kindheit bei Maria, aus der
Lehre bei Josef in Nazareth aufgebrochen war, zu seiner Berufung. Doch auch
die Gespräche mit den Leuten in Galiläa zogen den Himmel auf die
Erde, er kettete ihnen die Phantasie los, dass sie ihre Welt verändern;
Er hob dem Blinden das Gesicht der Sonne zu und damit öffnete er die
Augen Vieler: Du, Mensch, kannst "Ich" sagen, weil Du in einer unbedingten
Beziehung stehst. Was um dich herum ist, ist Materie Gottes, und du auch,
aber dein Wesen ist Sohnsein, Tochtersein. Die Weltenergie, aus der du bist
und die dich trägt, und die mit dir gestaltet, die nenne Vater-Mutter.
Du bist Tochter Gottes, Sohn Gottes, nichts anders, im wesentlichen. Dann
wirst du Helfer aller. Und alle werden deine Helfer. Jesus lehrte die Menschen
Ich zu sagen, mit aufrechtem Gang innen, inklusive aller Gebrechen
und Sünden. Du, unbedingt Kind, vom ewigen Herz aller Dinge, Jesus belehrte
sie mittels seines Ich-Seins: Er konnte sich herüberbeugen zum anderen,
dass dessen Leben und seins ineinanderflossen, konnte dann aber wieder gehen.
Und der andere blieb gestärkt zurück. Jesus konnte lieben, dass
der andere nicht beraubt war, sondern großgemacht: Als von ihm erkannt,
sah sich keiner durchschaut, sondern verstanden; von ihm geliebt, lernten
die Menschen sich selber wieder wertzuschätzen, - sahen in sich ihre
Würde als Mensch Gottes wieder wachsen. Und ließen darum die
Nickeligkeiten und krummen Lügen, weil sie sich selbst zu schade wussten
fürs Miessein. Sie haben mit ihm ihr Veränderbarsein erlebt. Als
Veränder-Energie der Liebe zog er sich durch die Geschichte, bis hierher,
trifft uns hier: Sagt Dir, mir: Wenn du dich für dich aufsparen willst,
dann wirst du leere Hülle, spurenlos gehst du davon, wie nie gewesen.
Aber Du, Du, wenn du dich erhalten willst, dich durchsetzen, dich behaupten,
aufwerten willst mit deinem Tun, dann machst du schiefe Sachen, weil du beim
Zielen ins Publikum schaust. Für deine Ehre, deine Lebensverlängerung,
deine Vorteile kämpfst. Statt einfach nur gute Arbeit zu machen, finden,
schaffen, Ware zu gutem Preis beschaffen, der Stadt Bestes besorgen.- Es
fällt schon genug ab für dich dabei. Nicht: wie kann ich am besten
Geld verdienen, sondern wie kann ich mit meinen Gaben den Menschen viel geben,
so dass sie mir auch was geben, - so herum meint das Jesus: Sorg für
den Weinberg des Lebens und der Weinberg sorgt für dich. Betreibe deine
Arbeit, ohne an dich zu denken, dann ernährt sie dich gut. Hilf, dass
ein Gespräch läuft, dann kommt die gemeinsame Wahrheit heraus,
die auch dir zugute kommt.
Jesus hat mit seiner Menschenfreundlichkeit viele zu ihrer Menschenfreundlichkeit
erlöst: So gehe hin und tue desgleichen - endet die Geschichte vom
Barmherzigen Samariter. Ich meine nicht, Jesus habe sich verleugnet. Er hat
sich wiedergefunden in seinen Nächsten, und wenn sie ihm zu sehr gegen
den Strich gingen, dann ging er weg. Gehört zu einem Leben in Liebe,
dass man sich verleugnet? Man muß sich öfter auf die Zunge
beißen, denn einiges, was auf der Zunge liegt, sollten wir runterschlucken.
Immer wieder die Lust, kurzen Prozess zu machen, mit Macht die Probleme
lösen: Macht muss nicht Brüllen oder Prügel sein, es kann
auch Geldentzug sein, oder verhängtes Schweigen, Entzug der Kinder,
der Enkel. Und Gegenmacht auffahren, Zugang erzwingen. Entwaffnung erzwingen.
Aber lieber verachtet werden als verhasst sein - so Elias Canetti, mir geht
das auch gegen den Strich, aber das ist Jesu Lockruf zur sanften Klarheit,
lieber Unrecht leiden, als Unrecht tun - nur wie sich dahin überwinden?
Ich müsste meine Wut verleugnen, verleugnen meine Gier, mir Gerechtigkeit
nach meiner Vorstellung zu erzwingen.
Mal ein Dank für alle altgewordenen Mütter, die mit wenig
Aufmerksamkeit ihrer Kinder durchkommen, Dank für alle Kinder, die für
ihre Geschwister den Eltern Obhut geben, später deren Gräber pflegen.
Dank an alle Lehrer, die in den Pausen und nach der Schule sich noch verwickeln
lassen, Dank den Mitmenschen, die den Kollegen in Not nicht hängen lassen.
Sondern die ihren kleinen mickrigen Egoismus verleugnen, besser: in Schach
halten, ihm den Platz anweisen, ihn angeleint halten.
Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich.
Jesus nahm sein Kreuz auf sich: Klarheit zu schaffen, wer Gott sei: Der Gott
des Gesetzes oder der Liebe; der Strafe oder des Erbarmens; der Zucht in
Reih und Glied oder der Freiheit, des Gehorsams oder der Freude. Läßt
Gott die Gewalt aktiv zu oder erleidet er sie? Jesus nimmt das Kreuz auf
sich, das als Hinrichtungswerkzeug für Gotteslästerer galt. Er
widerrief nicht. Damit haben wir die Ideale Freiheit und Gleichheit und
Geschwisterlichkeit eingepflanzt bekommen.
Dem Jesus nach haben im Laufe der Geschichte eine Reihe von Menschen den
Märtyrertod auf sich genommen, Bonifazius, Johann Hus, Bonhoeffer, Bischof
Romero und die Unbekannten, die wegen ihres Glaubens, wegen ihrer Konfession
umgebracht wurden. Ganz nah dem Jesus sind auch die, die um ihres Glaubens
willen ermordet wurden, oftmals wahnsinnigerweise im Namen des Kreuzes. Was
ist gemeint damit: Der nehme sein Kreuz auf sich - ja, was ist
dein Kreuz? Dir aufgegeben, aus Verhängnis oder Entscheidung. Nicht
mich aufgeben,- der Jesus hat sich ja verwirklicht in seinem Weg, hat sich
so wahr gemacht. Welche Mühe musst du tragen, das ist das eine, aber
daneben der Raum deiner Entscheidung; Du, stell dich der unangenehmen Aufgabe.
Es hat Verheißung, danach wieder mehr Luft, mehr Freiheit; wenn du
jetzt dein Kreuz auf dich nimmst, sagst, was gesagt sein muß, zahlst,
was gezahlt sein muß. Geben, was gerecht ist, aber auch zusammenhalten,
zwei Lieben oder zwei Pflichten, zwei Loyalitäten, zwei Ziele: Freiheit
und Gleichheit: das ist auch ein Kreuz, - beides anzustreben, nicht entweder
oder. Friedenswille braucht in letzter Konsequenz Machtmittel, - das ist
auch ein Kreuz, das wir tragen müssen. Wir wollen Polizei, die auf Notruf
kommt. Wie helfen wir bei den Notrufen aus der Weltfamilie? Jesus verspricht:
Trag dein Kreuz. So bewahrst du deinen Seele, so wahrst du deine Würde.
Auch wenn du, was du gewonnen hast, wieder fahren lässt. Was
hülfe es dem Mensche, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme
doch Schaden an seiner Seele?" - das ist doch nur wahr.
Jesus weiß, er muß nach Jerusalem, da muß die Entscheidung
fallen, ob Gott für ihn ist, ob Gott so ist, wie Jesus es sagt. Petrus,
der besorgte Freund nimmt ihn beiseite, such nicht die Konfrontation, gib
dich zufrieden und sei stille, man kann ja doch nichts machen, fordere das
Schicksal nicht heraus. Jesus: Weiche von mir, Satan. Du bringst mich von
mir ab, ich soll werden wie du mich haben willst. Später dann treibt
Petrus von sich weg. Er verrät Jesus um sein kleines Leben zu retten,
vielleicht nur wollte er weiter ungeschoren am wärmenden Feuer stehen;
...
Uns allen möge gelingen, was wir müssen. Tu, was du tun musst.
Will das Richtige, du weißt schon, welches Kreuz deines ist. Und du
wirst getragen sein, mit Kreuz.