Predigt 23. Februar 2003
Keitumer Predigten Traugott Giesen 23.02.2003
Glauben ist Hoffen
Hebräer 10,35; 11,1: Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine
große Belohnung hat. Es ist der Glaube eine feste Zuversicht auf das,
was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.
Diese Erklärung für Glaube: Eine feste Zuversicht auf das, was
man hofft und nicht sieht- ist berühmt. Sicher nicht umfassend, ist
sie aber deutlich: Glaube ist Hoffen - ist jedenfalls das Gegenteil von
Fürchten, sich Ängsten, verzweifeln, auch von Pessimismus und
Schwarzseherei. Hoffnung und Sonne, Kinder, Frühling, Aufschwung,
Kämpfen, dass kein Krieg kommt, Hoffnung ist vor allem Wissen: Das hat
Sinn. Hoffnung ist ein Überlebensjubel, ein Hoffnungstrotz sogar, ein
Widerstandleisten des einzelnen gegen den Zerfall (K. Krolow).- Hoffnung
ist die Form, wie wir schon an der Zukunft teilhaben können.- Furcht
oder Hoffnung, Angst oder Vertrauen - das aber ist nicht das Gegenteil von
Wissen. Es gibt Faktenwissen und Hoffnungs- bzw. Angstwissen. Faktenwissen
ist Vergangenheit und Gegenwart, die Zukunft wird doch erst, und wie sie
geworden ist, das Wissen vom Gewordensein haben wir erst danach - davor
müssen wir wünschen, planen und zielen mit dem Faktenwissen. Aber
was uns treibt, ist die Hoffnung, dass vorne ein Ausweg ist. Nur was wir
glauben, hoffen, lieben, das treibt uns an, trägt uns, ist dir, mir
das gewisseste Wissen.
Glauben ist Hoffen und also genau das Gegenteil von Herzensträgheit
und Welttraurigkeit und wehrlosem Sichabfinden, wie es heute um sich greift.
Nicht vom Krankeitsbild Depression ist die Rede, - dies schmerzliche
Zugeschnürt- und Sich abgeschnitten wissen, das dringend ärztlicher
Hilfe bedarf.- Sondern dies willentliche Uninteressiertsein an der Welt,
eine Art von Gefühlskälte, ein Zynismus, der alles den Bach
herunterredet.
Sicher erschöpfen Katastrophenmeldungen, und Kriegsangst lähmt
die Märkte. Der verlorene Arbeitsplatz läßt Alarmpfeifen
gellen. Dagegen an Jesu Wort: Fürchte dich nicht; glaube nur
(Markus 5,36)! Was ist Glaube? Die gewisse Zuversicht auf das, was man hofft
und nicht sieht. Nicht alles was man erhofft, taugt was, aber nehmen wir
Hoffen von seiner besten Seite: Gegen sichtbares Scheitern setz auf die neue
Chance, die du noch nicht siehst. Gegen Alleinsein, geh wieder auf Menschen
zu, auch wenn der, die Richtige noch nicht sichtbar ist. Setz auf Geist,
den du auch nicht fühlst. Setz auf Gott, den du auch nicht siehst, aber
dessen Wirkungen du unablässig spürst; Du bist doch eine Wirkung
des Heiligen. Setz auf gute Zukunft, auch wenn sie noch um die Ecke ist.
Ja, manche sind müde, warten ab, engagieren sich nicht, ducken sich
weg, sind verdrießlich und bereiten Verdruss - enorm, was der Maulige,
der Twerige für Macht ausübt. Unser Lebensheft hat manchen Klecks,
aber über das Heft den Tintentopf ausschütten, das ist schon
Sünde gegen das Sein, ist Unglaube.
Der Große Denker Hugo von St.Viktor aus dem 12. Jahrhundert hielt die
Herzensträgheit für eine der sieben Hauptsünden. Er sah eins
aus dem anderen hervorgehen: Aus dem Stolz den Neid; aus dem Neid den Zorn,
aus dem Zorn die Trübsinnigkeit, die den Geschlagenen, den
Geschundenen den Beraubten peitscht - Trübsinn als Folge einer
falschen Haltung zum Leben: Du siehst dich bestohlen, um deinen Erfolg gebracht,
dich ausgebootet und an den Rand gedrängt und rächst dich mit
Beleidigtsein, mit Schwarzmalen und Spielverderben, mit Einstellen von
Beziehungen, Verweigern von Lust in vielerlei Form. Weniger ausgehen, weniger
zu Besuch, weniger einladen, weniger Geld ausgeben, dafür aber mehr
stapeln, weniger sich einmischen, weniger Verantwortung, weniger Hingabe,
sondern festhalten, fast krampfen, bei mir halten, die vermeintlich so wenige
Wärme, das vermeintlich wenige Geld, ich Beraubter ziehe die Rolläden
zur Welt zu, - um Recht zu behalten?
Der Missmut ist auch Argwohn gegen Gott und die Welt. Und wenn diese
Trübsinnigkeit an uns nagt, diese Angst, alles fährt vor die Wand,
dann müssen wir aufstehen, müssen uns schütteln, uns wappnen
mit dem Schild des Glaubens (Epheser 6,16), mit dem ihr auslöschen
könnt die feurigen Pfeile des Bösen. Und nehmt den Helm des Heils
und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes:
Etwa das erste Gebot: Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.
Ich, der ich dich aus Ägypten aus der Knechtschaft geführt oder
aus dem Nichts erschaffen habe, ich bin der Herr dein Gott. Darum kein Bildnis,
darum den Namen nicht missbrauchen! Da ist Glaube ein Auftrag, ein Angebot,
das wahrzunehmen dir gut ansteht, dich gerade nicht dir entfremdet, sondern
du wirst mehr Du, wenn du den Glauben anziehst; nie wirst du einen für
Gott halten, nie vor einem kriechen - das ist dir versprochen, wenn du Gott
glaubst, also auf ihn hoffst. Dich führt da kein Zwang mathematischer
Logik. Es ist ein inneres Überreden, wie das erste Klingen eines Vogels,
während die Nacht noch dunkel ist, es ist ein Riechen von Wasser in
der Wüste der trockenen Tatsachen.- Der Glaube eine feste Zuversicht
auf das, was man hofft, und nicht sieht - etwa hoffen auf eine und für
eine gottdurchflutete Menschheit.
Hoffen auf was man nicht sieht: Menschheit, also einen Körper, dessen
Zellen wir sind, einen Leib, den wir mit bilden, ich will die Menschheit
nicht für verkommen halten; sie ist doch gottdurchwachsen. Aufgebaut
aus der Geschichte der Leiden und Gewalttaten. Und das Gedächtnis der
Schmerzen steckt in der Medizin, das Gedächtnis der Grausamkeiten steckt
in den Gesetzen, das Gedächtnis des Wissens, ehemals auf Steintafeln
bewahrt, dann auf Häuten, dann auf Papier und Leinwand und Schallplatte,
Bibliotheken, jetzt Internet -alle 8 Jahre verdoppelt sich das Wissen, immer
schneller, weil immer mehr Menschen Zugang zum Wissen haben.
Ich hoffe auf und für eine Menschheit, mit Zufluß aus den Energien
der Liebe und abfließend ins Ewige. Die Zeitspanne der einzelnen
Lebendigkeiten hier ist begrenzt, aber die Gnade möge uns gewährt
sein, dass wir, wenn wir gehen, das Leben, das uns nährte, auch bereichert
haben. Vielleicht ein neues Wort hinzugefügt, einen Unfall verhindert,
ein Kind geboren, ein Leben über Wasser gehalten ein Stück
länger. Ein Schicksal erträglicher gemacht, einen Igel
überwintern lassen, ein Vogelei wieder ins Nest gelegt, eine fast zur
Ruine verkommen Kirche, ein fast schon zerbröseltes Fachwerkdorf wieder
mit aufgebaut, ein Lied dem Enkel, der Nichte beigebracht, von einem Alten
die Erinnerung gepflückt.
Ja, es ist auch Grauen bei uns, viel Zerstörung, weniger aus Erdbeben
und Vulkanismus, als aus Gewinnsucht. Und doch der Glaube an eine gottgeliebte
Menschheit! Die hat noch viel zu tun und findet vor Äcker und Quellen,
Bodenschätze und das Wissen fürs Einfangen der Sonnenenergie. Wir
sind doch erst am Anfang, zwingend notwendig nachhaltig zu wirtschaften,
dass der Nachhall gut ist, weiter Wachstum, Saat und Ernte gelingen. Wir
lernen mühsam, Nachhaltigkeit zu wollen, daß Kunden wiederkommen,
Kinder noch auch wieder Kinder haben wollen, wir als Urlauber nicht
zerstören, was wir lieben. Daß Leben weitergeht, so wenig wie
möglich von uns beschädigt, so viel wie möglich gefördert,
- das ist doch des Lebens wert.
Und dass wir sterben müssen, entwertet Leben nicht. Daß wir altern
und einmal Platz machen, wie sollte das uns bissig machen gegen die Jungen,
die uns mal beerben, es soll was übrigbleiben, da an Stiftungen denken,
- ein weites Feld.
Du, hoffe mit, wisse mit, dass Du gewollt bist in einer gewollten Menschheit,
- du gewollt um zu bemerken die Schönheit, die Wunderbarkeit dessen,
was ist. Wie du dich freust, wenn dein Gast dein Mahl genießt, er deine
Phantasie, dein Geschick bemerkt - könnte nicht Gott auch sich freuen,
dass wir nicht wie blinde Schnecken fressen und vergessen, sondern uns erheben
lassen vom Schönen. Also merke, bestaune das Glücken des Tages,
die Farben, die Wonnen. Und die neuen Kinder, die nächste Generation,
hilf gegen Schmutz und Armut. Kinder so unvoreingenommen, voller Urzuversicht
sind sie - so stark, sich zu bewähren. Sie werden einige unserer Irrwege
nicht gehen. Glaube ist Zuversicht. Auch, dass wir schaffen, was wir schaffen
müssen.
Wir werden mit weniger auskommen, werden es wieder überschaubar haben
wollen, werden Hetze lassen, werden mehr nachdenken, wir werden weniger raffen
und wieder mehr sein, auch füreinander mehr da sein - aus Überzeugung
und Not. Einiges an Verschwendung und Gedankenlosigkeit geht nicht mehr.
Vielleicht doch ein Tauschsystem für Nachbarschaftshilfe, wieder ein
soziales Pflichtjahr? (Siehe auch: Hartmut von Hentig: Notate, Radius-Verlag)
Auch mehr geachtete Möglichkeiten für Rentiers - wir sind doch
lebenslänglich verpflichtet, für das Gute auf der Welt zu sorgen.
Statt Abkehr von der Welt, statt Panzerung gegen Wünsche und Bitten
erkennen was für die Seele gut ist: Es ist der Glaube, also das
Vertrauenswissen: Gott, das Herz aller Dinge, liebt seine Welt, er liebt
dich und braucht dich, eingepasst in die Schöpfung, eingespannt in sein
Werk der Erhaltung.
Die Menschheit ist gebeutelt von Aids bis Zyankali, aber der Glaube ist bei
uns, der große Antreiber im Geist. Der Glaube an den Gott, wie ihn
Jesus Christus uns klar gemacht hat. Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht
auf das, was man hofft, ja - dass wir lernfähig sind und die Menschheit
das Vertrauen nicht wegwirft: gut zu leben, leben zu wollen, zu lieben, zu
teilen, Freude machen, sich und anderen. Wenn wir zu hoffen aufhören,
kommt, was wir befürchten, bestimmt (Christa Wolf). Also Mut zum
Wirken, Besorgen, Schönmachen, - ja, mach was schön, mach wen
schön, Du, er, sie gehörst zu Gott, auch wenn du ihn nicht siehst.