Keitumer Predigten Traugott
Giesen 01.12.2002
1. Advent (Lukas 1, 5-25; 57-80) (Matthäus
1,18-25)
Advent - Ankunft, das stärkste Harren auf
Ankunft meint die Niederkunft, die Geburt eines Kindes. Das wichtigste Kind
ist natürlich immer das eben Geborene; aber der Mensch, der für
uns alle am meisten ausgerichtet hat, ist Jesus Christus. Gut dass Kirche
vier Wochen Ankunftszeit vorhält. Dass wir erinnern Jesu Geburt im Stall,
aber mehr noch soll es ein Neugeborenwerden sein in uns; in uns soll der
Christus blühen, soll uns Herr sein, Licht, Schutz, Retter, Himmels-Freund,
Friedefürst, Seelenführer.
Kein anderer Mensch ist so erwartet worden wie
Jesus, auf ihn hin strömte eine Sehnsucht ohne gleichen als dem Messias.
Doch Jesu Erdendasein hat die Erwartung nicht erfüllt und abgetan. Sein
Leben ist erst Anfang eines übergroßen Erwartungsbogens, dass
die Herrschaft Christi erst recht Fuß fasse. Mit Jesu Tod und Auferstehen
beginnt das Warten auf seine Wiederkunft - dann soll Gottes Namen geheiligt
sein, dann sein Reich kommen, sein Wille ganz geschehen.
Glühender als wir coolen Christen erwarten
andere die Wiederkunft des Herrn. Propheten sagen seine Ankunft aus dem Himmel
mit Datum voraus, - immer sind die Termine aber überholt worden vom
Weitergang der Geschichte. Schon die ersten Christen rechneten täglich
damit , dass die alte Erde wegkippe und Gott einen neuen Himmel, eine neue
Erde herablasse, das neue Jerusalem, das Gott dann bei uns, mit uns entfalte.
Paulus meinte, nicht alle hier werden schon entschlafen sein, wenn
die letzte Posaune ertönt (1. Korinther 15,51). Aber es kam nicht
das Jüngste Gericht, es kam die Kirche, die sich ziemlich einrichtete
auf Erden, das Provisorische nach und nach verlor - und erst in jüngster
Zeit wiederfindet.
Ein ungeheurer Verheißungsbogen spannt
sich seit Menschengedenken aus auf den Messias hin. Messias - das Wort meint
in unserem Sprachschatz eine Führerpersönlichkeit; die mit
selbstbewussten Versprechungen die Zukunft erleuchtet und die Massen
mobilisiert.- Tatsächlich ist die jüdische, christliche Erwartung
des Messias hervorgegangen aus der Hoffnung auf einen charismatischen, einen
begeisterten Heiland; aus dem Stamme Davids solle er sich erheben, ein von
Gott Erwählter und Gesalbter, der die verkehrte Welt auf die
Füße himmlischer Ordnung stellen würde. Und je kümmerlicher
die Gegenwart, desto leuchtender das kommende Reich Gottes; je ärmlicher
das Hier und Jetzt, desto prunkvoller das um die Ecke erwartete Tor zum Himmel
auf Erden.
Vor rund 2000 Jahren gärte es im
Römischen Reich, zu dem auch Palästina gehörte. Die Erwartung
auf einen Messias, einen Gottesgesandten schwirrten durch alle Religionen
ums Mittelmeer. Und Kaiser Augustus galt als von Gottvater - bei den
Römern: Jupiter - gezeugt. Aber natürlich erwarteten die Juden
einen anderen Messias, einen aus dem Volke Israel, aus der Wurzel Jesse,
des Vaters von König David, der dann die verhassten Römer aus dem
Land werfe und das Welt-Recht ausgehen lässt vom Zion, dem Gottesberg
in Jerusalem.
Vom gewaltlosen Jesus ging keine schlagartige
Veränderung der irdischen Wirklichkeit aus. Warum auch Israel nicht
den Jesus als Messias anerkannte, sondern bis heute auf sein erstes Kommen
wartet.
Anders die Christen: Wir halten Jesus für
den Anfang des großen Rettungswerkes Gottes. Das fing mit der Erschaffung
der Welt an, das konzentrierte sich dann auf die Erkenntnisse, die das Volk
Israel mit Gott erhielt. Als Krönung schickte dann Gott seinen Jesus,
bester Sohn des Vaters, der die Kindschaft auf alle Menschen ausgoß
und Kirche gründete als Heimholungswerk der Menschheit; dass wir einander
Nächste und Gefährten werden und schon jetzt Liebe leben.
Jedes Weihnachten tauft die Menschheit erneut
in das Christusgeschehen. Jedes Weihnachten wird uns der Jesus Christus in
die Seele gerückt, möchte uns als Krippe, will dich und mich als
Jünger, Gefährte, Helfer, um Frieden zu bauen. Er kommt leise,
auf den Sohlen alter Geschichten.
Zwei Männer werden von der Erwartung auf
Christus verwandelt, erzählt Lukas: Zacharias und Josef. Hört Euch
das an:
Bekannt ist ja, dass der Messias einen
Vorläufer hat, der ihm den Weg bereitet, ihn auch tauft in die
Gottessohnschaft. Natürlich kommt auch der Vorläufer unter
ungewöhnlichen Umständen zur Welt - das ist nicht historische Tatsache,
sondern ist die Wahrheit eingekleidet in Erzählung, wie es hat sein
können, damals .
(Aus Lukas 1) "Zu der Zeit des Herodes, des
Königs von Judäa, da lebte ein Priester mit Namen Zacharias, und
seine Frau hieß Elisabeth. Sie waren alle beide fromm vor Gott und
lebten untadelig. Sie hatten keine Kinder; und beide waren schon älter.
Und es begab sich, als Zacharias Priesterdienst im Tempel hatte, da erschien
ihm der Engel des Herrn und sprach zu ihm: Glücklicher Zacharias! Deine
Frau Elisabeth wird einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen
Johannes geben. Groß wird er sein vor dem Herrn. Er wird vor dem Messias
hergehen, zu bekehren die Herzen der Väter zu den Kindern und die
Ungehorsamen zu der Klugheit der Gerechten, zuzurichten dem Herrn ein Volk,
das wohl vorbereitet ist."
Und Zacharias sprach zu dem Engel: "Woran soll
ich das erkennen? Denn ich bin alt und meine Frau ist betagt." Der Engel
sprach zu ihm: "Siehe, du wirst stumm werden und nicht reden können
bis zu dem Tag, an dem dies geschehen wird." Elisabeth aber wurde schwanger
und jubelte und sprach: So hat Gott an mir getan; er hat mich angesehen,
er hat mir ein Kind geschenkt. Dann kam für Elisabeth die Zeit, dass
sie gebären sollte; und sie gebar einen Sohn. Und ihre Nachbarn und
Verwandten freuten sich mit ihr. Und am achten Tag, da kamen sie, das Kindlein
zu beschneiden, und wollten es nach seinem Vater Zacharias nennen. Aber seine
Mutter antwortete und sprach: Nein, sondern er soll Johannes heißen.
Und sie sprachen zu ihr: Was soll das, es ist doch niemand in deiner
Verwandtschaft, der so heißt. Und sie winkten seinem Vater, wie er
ihn nennen lassen wollte. Der forderte eine kleine Tafel und schrieb: Er
heißt Johannes. Und sie wunderten sich alle. Und sogleich wurde sein
Mund aufgetan und seine Zunge gelöst, und er redete und lobte Gott
.
"Ja, gelobt sei der Herr für seine Barmherzigkeit, durch die uns besuchen
wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die
sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße
auf den Weg des Friedens."
Auch Zacharias, ein Priesterchen, redlich und
unauffällig, wird ins Licht der Weltgeschichte gezerrt. Schon älter,
auch seine Elisabeth schon älter - sie sollen noch ein Kind kriegen,
fast der Messias, nicht ganz, aber sein Fanfarenträger, sein
Vorkämpfer. Aber Zacharias zaudert, mag es nicht glauben, ein riesiger
Engel macht keinen Glauben. Zacharias muß verstummen, solange wie seine
Frau das Kind trägt.- Er, einer der ersten Männer überhaupt,
von dem gesagt ist, dass er auch ein werdender Vater sei, also beide schwanger
seien. Erst nachdem er den Namen des Kindes auf die Wachstafel geritzt hat,
findet er die Sprache wieder: Johannes - "Gott ist gnädig" soll er
heißen, also nicht wie die Verwandtschaft es erwartet, wie es üblich
ist, der Name aus der Familie - zum Zeichen für Ehre der Eltern, der
Tradition, der Herkunft. Einer der nicht mehr meint, der Sohn muß
heißen, machen, glauben, reden, wie die Elterner - ein Vater, der den
Sohn freispricht zu großem Tun.
Ein anderer Mann, der im Licht des Krippen-Kindes
wächst, ist Josef. Der Evangelist Matthäus nimmt sich anders als
Lukas etwas Zeit für Josef. Natürlich ist Maria die Wichtige, aber
hört selber:
(Aus Matthäus 1) "Als Maria dem Josef verlobt
war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war. Josef aber,
ihr Mann, war rechtschaffen; er wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte
aber, sie heimlich zu verlassen. Als er das noch bedachte, siehe, da erschien
ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: "Josef, du Sohn Davids,
fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie
empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären,
dem sollst du den Namen Jesus geben, also 'Gott rettet'." Als nun Josef vom
Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und
nahm seine Frau zu sich.
Josef lernt Mann und Vater zu sein auch ohne
umbedingt zu zeugen. Er weiß Maria schwanger und meint zu wissen, dass
er es nicht war. Er will sie nicht anzeigen, kann aber auch nicht zu ihr
stehen - will sie verlassen, sie sitzen lassen. Dann im Traum wird er erwachsen.
Sein Engel, sein heiliges Wissen von sich selber, spricht zu ihm und sagt
ihm nichts Abartiges, nichts Fremdes. Der Engel sagt ihm: "Was gezeugt ist,
ist vom Heiligen Geist, ist Gottes Kraft in Maria, in Verbindung mit Maria.
Ist es wichtig, wenn du nicht mitgezeugt hättest?" - Es ist doch so:
Es taucht Leben in Leben in blinder Lust, Gott aber zeugt. (So
Jakob in Thomas Mann: Joseph) Ob daraus ein Kind wird, dies Kind, wir machen
es nicht, - nur mittels unserer weiblichen, unserer männlichen Anlagen
wird Gottes neuer Mensch geerdet. Jeder Mensch ist empfangen vom Heiligen
Geist. Und Josef nimmt Maria zu sich, wird dem Jesus ein guter irdischer
Vater. Und der Maria ein treuer Gefährte: Auf mittelalterlichen
Darstellungen wäscht Josef auch die Wäsche und kocht die Suppe,
nimmt nicht nur die Geschenke der drei Weisen entgegen.
Am Anfang der Adventszeit zwei Männer,
die bekehrt werden, die ihre Jesus-Begabung entdeckt bekommen: Zacharias
entlässt den Sohn aus dem Besitz, verzichtet auf sein Namensrecht, gibt
ihn frei zur eigenen Berufung.
Und Josef lernt vorrangig Mensch zu sein; ob
er selbst gezeugt hat oder nicht, er wird dem Kind Vater, und der Frau der
Mann, er lässt sich Frau und Kind anvertrauen. Das ist das Ende vom
Macho-Mann gegen Frau und Kind, das Ende infantiler Männlichkeitssucht,
die meint, zeugen reiche schon um Eigentumsrechte zu haben. Josef wird verwandelt
zur Partnerschaft mit der Frau, der andere Mensch ist ein anderer Planet,
den es nicht zu erobern, sondern zu entdecken gilt (Sabine Kebir); Josef
wird auch Maria freisprechen von einem alten Frauenempfinden: Ich muß
ihm etwas geben und ihn entschädigen (Robert Musil). So ist Advent auch
die Ankunft einer neuen Art Mann zu sein, jedenfalls das Ende der Rohheit
und des Sitzenlassens. Gern auch Mann zu einer begabten, intelligenten,
schöpferischen Frau; Josef, gern Gatte einer bedeutenden Frau. Auch
diese Heilung, diese beginnende Heilung von Frau und Mann ist eingeleitet
von Jesus Christus.